Ein Tresor bringt Licht in den «Anker»

Dienstag, 15. März 2016 / Nr. 62
Stadt/Region Luzern
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22
Ein Tresor bringt Licht in den «Anker»
PILATUSPLATZ Laientheater,
Lenin und Lotto: Im früheren
Volkshaus «Anker» fand vielerlei statt. Ein bisher eingemauerter Tresor erlaubt jetzt neue
Blicke in einstige politische
Grabenkämpfe.
Plan stiessen die Gewerkschafter beim
Stadtrat aber auf taube Ohren. «Auch der
Wunsch, die Stadt möge sich mit dem
Kauf von Aktien am Volkshaus­Bau be­
teiligen, wurde abschlägig beantwortet»,
sagt Habegger. Er merkt lakonisch an:
«Gleichzeitig zeichnete die Stadt beim
Casino auf der anderen Stadtseite damals
Aktien, die sie noch heute besitzt.»
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ANKER-UMBAU hb. Seit April 2014
wird das frühere Volkshaus Luzern/
Hotel Anker am Pilatusplatz um­
fassend umgebaut. Die denkmal­
geschützte Fassade bleibt unverän­
dert. Der ebenfalls schützenswerte
Saal im ersten Obergeschoss wird
zwar äusserlich in seinen Original­
zustand zurückversetzt, künftig aber
völlig neu genutzt. In der Mitte des
6 bis 7 Meter hohen Saals werden
frei stehende Boxen mit neun Hotel­
zimmern aufgestellt – ein für die
Region Luzern erstmaliges Konzept.
Die Kirche hatte Vorrang
Nach dem Nein aus dem Stadtrat vi­
sierten die Gewerkschafter für das Volks­
haus den Standort Pilatusplatz an. Auch
HUGO BISCHOF
[email protected]
hier winkte der Stadtrat zunächst ab. Erst
als sich der Regierungsrat einschaltete,
Das Hotel Anker, das frühere Hotel wurde die Durchführung einer Lotterie
Volkshaus, steht an prominenter Lage in zur Sammlung von Geldern für den Bau
Luzern, am Pilatusplatz. Seit mehr als des Volkshauses bewilligt – aber mit der
einem Jahr wird das einstige Zentrum Auflage, dass die damals ebenfalls ge­
der Zentralschweizer Arbeiterbewegung plante Lotterie für den Bau der Paulus­
umgebaut; Ende Jahr soll es wiedereröff­ kirche Vorrang habe. «Lotterien für den
net werden (siehe Kasten). Der frühere Bau von Kirchenhäusern waren damals
Stadtluzerner Denkmalpfleger Ueli Ha­ gang und gäbe», sagt dazu Habegger. Die
begger nutzte die Betriebspause, um in Volkshaus­Lotterie kam schliesslich doch
der «Anker»­Geschichte zu wühlen.
zu Stande. Das Hotel Volkshaus wurde
1913 gebaut – «als letztes Hotel der Bel­
Obligationen à 10 Franken
le Epoque, nach dem ‹National› und dem
Die spannendste Entdeckung machte ‹Schweizerhof›», so Habegger. Der frühe­
Habegger im ersten OG: «Hier wurden re städtische Denkmalpfleger hat wäh­
beim Umbau einige
rend des Umbaus mit
Leichtbauwände her­
Massstab und Lineal
«Der Stadtpräsident
ausgerissen.» Dabei
gleich selber nach Be­
hat mit dem
kam ein grosser grü­
sonderheiten
des
ner Tresor zum Vor­
Baus geforscht – und
Volkshaus-Verein
auch hier Erstaunli­
schein, der während
Katz und Maus
Jahrzehnten verbor­
ches entdeckt. Dem­
gespielt.»
gen war. «Akten und
nach hat Architekt
Carl Griot «das Kunst­
Briefe aus der Bauzeit
UELI HABEGGER,
stück geschafft, auf
des Hauses waren da­
A LT D E N K M A L P F L E G E R ,
einer Parzelle von nur
rin – ein Sensations­
A R C H I T E KT U R H I STO R I K E R
fund», so Habegger.
gerade 396 Quad­
ratmetern ein Hotel
Neben Bewerbungs­
und Absageschreiben für den Geranten­ mit einem Volumen von 11 100 Kubik­
posten fand sich ein Bündel «Volkshaus»­ metern zu errichten».
Obligationen à 10 Franken, dazu Lotterie­
Ein unglaublich modernes Hotel
zettel und Jahresabrechnungen.
Das Hotel Volkshaus war 1913 und
Habegger entnahm den Dokumenten
brisante neue Erkenntnisse – etwa die, darüber hinaus gemäss Habegger «das
dass den Sozialdemokraten und den Ge­ modernste Hotel auf dem Platz Luzern».
werkschaften, die das Volkshaus planten, Als Besonderheit besass es eine Rohrpost
aus dem damals liberal geprägten Luzer­ zwischen Buffet und Küche im Unter­
ner Stadtrat ein steifer Wind entgegen­ geschoss; diese lässt sich aus Platzgrün­
blies. «Stadtpräsident Hermann Heller den beim jetzigen Umbau nicht rekons­
hat mit dem Volkshaus­Verein und der truieren. Es gab auch eine spezielle Tele­
Volkshaus­Genossenschaft damals regel­ fonanlage für die Angestellten sowie
recht Katz und Maus gespielt», so Ha­ Schnellkocheinrichtungen fürs Frühstück.
begger. Das zeige deren Briefwechsel.
Habegger: «Ein spezieller Kocher konnte
Die «Anker»­Entstehung wirft auch ein auf Knopfdruck innert 15 Sekunden einen
Schlaglicht auf die damalige Stadtge­ Liter Milch erhitzen – das gabs damals
schichte. «Anfang des 20. Jahrhunderts sonst in keinem anderen Hotel.»
Neben Hotelluxus für internationale
entstand mit der Stilllegung des Bahn­
verkehrs im Bruchquartier und auf der Gäste wurden im Dachgeschoss, im Sinn
Pilatusstrasse Raum für die städtebauliche des Gewerkschaftsgedankens, aber auch
Entwicklung», erzählt Habegger. «In die­ vier Herbergsräume für Schlafgänger ein­
sem Zusammenhang wollten die Gewerk­ gerichtet. «Das waren Schichtarbeiter, die
schafter ihr Volkshaus mit Hotel­ und tagsüber gegen ein Entgelt das Bett eines
Restaurationsbetrieb zunächst dort er­ Wohnungsinhabers benutzten, wodurch
richten, wo heute die Zentral­ und Hoch­ das Bett 24 Stunden ‹in Betrieb› war»,
schulbibliothek (ZHB) steht.» Mit diesem erklärt Habegger. In Luzern arbeiteten
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Foto/Bild: Lene Horn (LH).
Adresse und Telefonnummern:
Hotelzimmer
in Boxen
Stadtoriginal
gestorben
LUZERN sam. Am 7. März ist das
Luzerner Stadtoriginal André Wittlin
im Alter von 77 Jahren gestorben, wie
gestern die Luzer­
ner Güüggali­Zunft
mitteilte. Wittlin
flanierte oft mit
seiner Frau Sylvana
Händchen haltend
in der Altstadt.
Meist trugen die
beiden auch einen
farbenfrohen Part­
nerlook.
Karten für besondere Anlässe
André Wittlin habe keinen Zunft­
anlass ausgelassen, sei aber eher ein
ruhiges, bedächtiges Original gewe­
sen, so Zünftler Hans Baumann. Auf­
merksamkeit erhielt er aber als Mal­
künstler für seine selbst kreierten
Karten, die er feilbot. Seinen Lebens­
abend verbrachte Wittlin zusammen
mit seiner Frau im Alterszentrum
Dreilinden. Die Beisetzung findet am
22. März um 13.30 Uhr im Friedhof
Friedental statt.
Die Güüggali­Zunft zählt heute nur
noch 24 Stadtoriginale. Erst im De­
zember 2015 ist das Stadtoriginal Rolf
Buff, der Lösliverkäufer, verstorben.
Wiedereröffnung Ende Jahr
Am 1. Dezember 2012 hat die
Remimag Gastronomie AG das Ho­
tel/Restaurant Anker der früheren
Besitzerin Volkshausgenossenschaft
Luzern abgekauft. Gemäss Remi­
mag­Verwaltungsratspräsident Peter
Eltschinger soll es spätestens Ende
2016 wieder eröffnet werden – als
«trendiges Individual­Stadthotel»
mit 40 individuell gestalteten Zim­
mern. Im Restaurant soll Fleisch
eine wichtige Rolle spielen.
Es gibt auch Boulevard-Tische
Dieser Tresor war jahrzehntelang hinter Mauern versteckt. Darin
kamen Briefe, Lottozettel und Obligationen zum Vorschein.
Bild Emanuel Ammon/Aura
Schlafgänger vor allem in Brauereien.
Allerdings war ihre Anzahl damals schon
stark im Abnehmen begriffen – aus hy­
gienischen Gründen, aber auch wegen
des generellen Anstiegs der Löhne.
1974 wurde das Hotel Volkshaus in
Hotel Anker umbenannt. Bei Veranstal­
tern aller Art und jeglicher Couleur war
vor allem der grosse Saal stets sehr be­
liebt. In den 1970er­ und den
1980er­Jahren wurde das Haus zum Zen­
trum für Lottoveranstaltungen. Viele Lu­
zerner werden sich noch daran erinnern
– bis zu 27­mal pro Jahr hiess es damals
«Lotto im ‹Anker›». Zuvor, in den 1950er­
Jahren, fanden hier Theater­und Musik­
aufführungen statt, aber auch politische
und gesellschaftliche Events. Am 17. Ap­
ril 1970 etwa – auch das zeigen die Re­
cherchen von Ueli Habegger – wurden
im grossen «Volkshaus»­Saal zum 100. Ge­
burtstag von Lenin dessen grosse Ver­
dienste für die Russische Revolution
gewürdigt. Etwas, was in Luzern in dieser
Form heute wohl nicht mehr möglich
wäre. Der Tresor übrigens ist inzwischen
«Glaube nicht auf
Symbole reduzieren»
FRIEDENTAL Die Katholische
Kirche Stadt Luzern begrüsst
eine flexible Lösung im Kreuzstreit. Sie ruft die Parteien
aber auch zur Mässigung auf.
std. Dass die religiösen Symbole in
der Abdankungshalle Friedental abge­
deckt werden sollen, hat für einen Sturm
der Entrüstung gesorgt (wir berichteten).
Die Katholische Kirche der Stadt Luzern
hielt sich dabei stets zurück. Nun hat
sie jedoch erstmals eine Stellungnahme
zum Thema veröffentlicht.
Keine geweihten Räume
Darin betont sie, dass es sich bei der
Abdankungs­ sowie der Einsegnungs­
halle des Friedhofs Friedental um städ­
tische Räumlichkeiten handelt. Sie
seien nicht geweiht und «keiner reli­
giösen Gemeinschaft zugeordnet»,
heisst es im Schreiben. Man befürwor­
te einerseits den Erhalt der christlichen
Wandmalereien, da es sich «aus kunst­
historischer Sicht um schützenswerte
Objekte handelt». Andererseits sei die
Gesellschaft in «religiöser Hinsicht zu­
nehmend vielfältiger» geworden. Daher
befürwortet die Kirche eine flexible
Lösung, wie sie der Luzerner Stadtrat
zuletzt in Aussicht gestellt hat (Aus­
gabe vom Donnerstag).
Glaube nicht reduzieren
Weiter geht die Kirche auf die Debat­
te rund um das Thema ein. Sie ruft zur
Mässigung auf. Der christliche Glaube
dürfe «nicht auf Symbole reduziert»
werden. Zwar werde der Glaube in
Symbolen wie etwa dem Kreuz sichtbar.
Er zeige sich «vor allem aber auch im
christlich motivierten Handeln, insbe­
sondere im Engagement für soziale
Gerechtigkeit, für gesellschaftlichen
Frieden und in einem verantwortungs­
vollen Umgang mit der Umwelt». Diese
«viel zitierten christlichen Werte» wür­
den nur wirksam, wenn man nach ihnen
handle. Debatten gehörten zur demo­
kratischen Gesellschaft. «Unabdingbare
Voraussetzung dafür ist bei allen Be­
teiligten eine offene und dialogbereite
Haltung.»
Nach längerem Gezerre hat die
Stadt einen kleinen Aussenbereich
mit Boulevard­Tischen bewilligt
(Ausgabe vom 21. März 2015). «Wir
werden aber mit einem zusätzlichen
Gesuch einen weiteren Ausbau des
Boulevard­Bereichs beantragen»,
sagt Eltschinger.
Wegen aufwendiger Asbest­Sanie­
rungen dauerte der Umbau etwas
länger als ursprünglich geplant. Wie
viel der Umbau kostet, will Eltschin­
ger nicht sagen. Die Remimag führt
insgesamt zehn Gastrobetriebe in
der Zentralschweiz. In der Stadt
Luzern sind dies neben dem Hotel
Anker das Ristorante Centro, das
Kafi­Restaurant Klatsch, das Restau­
rant Opus und das Pfistern.
definitiv Geschichte – er wurde im Zuge
der Umbauarbeiten herausgerissen.
HINWEIS
Ueli Habegger will seine neuen Erkenntnisse über
Entstehung und Geschichte des Hotels Volkshaus/
Anker in einem Buch im Aura-Verlag publizieren.
Für diesen Zweck sucht er historische Fotos von
Veranstaltungen im «Volkshaus»-Saal zwischen
1950 bis 2000. Speziell erwünscht sind Schnappschüsse aus Volkstheatern, von Konzerten oder
von Sportverein-GVs. Fotos/Hinweise erbeten an:
Aura-Verlag, Maihofstrasse 39, 6004 Luzern.
Tel. 041 429 84 29; [email protected]
NACHRICHTEN
Helikopter
über Seebecken
LUZERN red. Wegen eines Material­
transports fliegen am Mittwoch von
10 bis 11 Uhr Helikopter. Zwischen
Kapell­ und Seebrücke werden Bo­
jen aus dem Wasser gezogen und
an der Bahnhofstrasse abgeladen.
GRATULATIONEN
93. Geburtstag
MALTERS red. Heute feiert Anna
Bucher-Graf an der Hauptstrasse
Blatten in Malters ihren 93. Geburts­
tag. Wir wünschen der Jubilarin
alles Gute und beste Gesundheit.
90. Geburtstag
LUZERN red. Ebenfalls heute feiert
Ernst Petermann an der Wey­
strasse 10 in Luzern seinen 90. Ge­
burtstag. Gemeinsam mit der Fami­
lie wünschen wir ihm viele sonnige
und schöne Stunden.