Münchner Feuilleton lleton ! n e r e i n n o b a t z t Je I KULTUR · KRITIK · KONTROVERSEN I NOVEMBER · NR. 46 · 7.11.2015 – 11.12.2015 · Preisempfehlung 5,00 EURO · www.muenchner-feuilleton.de 1. Akt t k A . 2 e n e e t n z e k S z . S A . 2 1 . 1 t e BÜHNE SEITEN 2-7 1. Szeknt Leicht ist schwer was Leichtes, Schweres – von allem etwas. Der überbordende Theaterherbst bringt mit seiner Diversität selbst Liebhaber an ihre Grenzen. 3. A 3. Szene Ein spezielles Geschäft Die Szene ist im Wandel: Ein Gespräch mit dem Kunsthändler Konrad O. Bernheimer und dem Galeristen Fred Jahn über irrwitzige Preise und fehlenden Sammlermut, das leidige Kulturschutzgesetz und die Kunststadt München. MUSIK SEITEN 22-26 Münchens münchnerischstes Theater 150 Jahre Gärtnerplatztheater: Stationen einer abwechslungsreichen Geschichte. FILM SEITEN 27-31 Gar nicht blutleer Peter Greenaways »Eisenstein in Guanajuato« ist ein cineastischer Paukenschlag zwischen enzyklopädischem Intellekt und grotesken Clownerien. Elmar Bäck als Eisenstein | © Salzgeber & Co Medien GmbH IMPRESSUM SEITE 8 MÜNCHNER FEUILLETON Breisacher Straße 4, 81667 München e n e z 2. S Akt . 1 t k A . 1 e n e z t S . k 1 A t . t k k 3 A A . . 4 1 e e n e t n z k S e . z A 2 Szen 2. S1. 3 t 2. 3. Akt Im Herzen immer Tänzer Ivan Liska geht als Direktor des Bayerischen Staatsballetts in die letzte Runde. Aktuell blickt eine Biografie zurück auf seine erfolgreiche und glückliche Karriere. BILDENDE KUNST SEITEN 17-21 e n e z S . 2 kt Sze Send in the Clowns! Grafik: Uta Pihan TANZ SEITEN 13-15 1. Sz A.kSzten LITERATUR SEITEN 8-12 Literaturfest Spezial Neunzehn Tage Literaturfest München, neunzehn Tage Lesungen und Gespräche mit großen Autoren, Debütanten zum Kennenlernen und dem forum:autoren zum Thema Flucht und Exil. Vier Seiten Interviews und Tipps. 2. Aek ne Die Schaubühne als moralische Anstalt: Der neue Intendant Matthias Lilienthal flutet die Kammerspiele mit Kongressen und Diskursen. Aber wo bleiben die Schauspieler und die Sinnlichkeit? GABRIELLA LORENZ Die Münchner lieben ihre Bühnen und die Schauspieler. Was allerdings im Oktober an Premieren- und Festival-Sturzflut hereinbrandete, war selbst für hartgesottene ProfiGänger kaum zu stemmen. Sechs Kammerspiele-Premieren in sechs Tagen – der neue Intendant Matthias Lilienthal hat seine Duftmarken gesetzt. Zeitgleich das Figurentheaterfestival (stets eine Quelle wundersamer Entdeckungen) und die Grenzgänger-Tage des TamS mit behinderten Bühnenkünstlern. Nahtlos danach das internationale Avantgarde-Festival Spielart – wer alles sehen wollte, musste bis zu vier Vorstellungen am Tag absolvieren. Dazu Premieren im Residenztheater und Volkstheater, in der freien Szene, im Kabarett: unendlich viele Wege, auf denen sich Theater in verschiedenste Richtungen entwickelt. Eine solche Überforderung des geneigten Theaterliebhabers geschieht selten. Bei Lilienthal ist sie Programm – das hat er als Chefdramaturg bei Frank Castorf gelernt. Deshalb veranstalteten die Kammerspiele noch mitten im höchsten Trubel parallel zwei dreitägige Kongresse: die Schlepper- und Schleusertagung sowie den Open Border Kongress. Das ist nicht nur eine Duftmarke, sondern ein massiver Pflock, den der neue Theaterchef in die gesellschaftspolitische Münchner Landschaft rammt, um das Selbstverständnis des Hauses zu zementieren. Welches er zum Auftakt seiner Intendanz schon mit den »Shabbyshabby Apartments« in den öffentlichen Raum gestellt hatte: In 24 Mini-Wohnhütten konnte man ohne Strom und Wasser übernachten und über die Wohnungsnot in München nach- denken. Der Spielplan arbeitet sich an Aktuellem ab: Fremdenhass, Palästinenser-Terrorismus, die Verbreitung von Hitlers »Mein Kampf«-Wahnsinn, die Flucht in virtuelle Realitäten und handfeste Migrantenprobleme. Schon Schiller forderte vom Theater, ein Spiegel der Gesellschaft zu sein. Und wir erwarten selbstverständlich, dass es sich in unsere Probleme einmischt. Dass es Stellung bezieht, Haltung hat und zeigt – als moralische Anstalt im Sinne Schillers. Der entwarf in seinem Vortrag »Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet« 1784 sein Ideal eines Theaters, das moralisch, intellektuell und emotional auf den Zuschauer wirkt: moralisch als Schule der praktischen Weisheit, gesellschaftspolitisch als Instrument der Aufklärung und der Anprangerung sozialer Missstände, ästhetisch zur geistigen Bildung. Wobei Schiller den Unterhaltungsfaktor nicht verkennt: Das Schöne entspannt den arbeitenden Menschen, weiß er. Am Schluss wünscht er jedem Zuschauer nur eine Empfindung: »Ein Mensch zu sein.« Schiller hat euphorisch die Möglichkeiten des Theaters als nationale Bildungsanstalt überschätzt – dafür haben wir heute die Volkshochschule. Aber er klagt ein, es müsse ein Stachel im Fleisch der Mächtigen sein. Das versucht Lilienthal erfolgreich: Die SchleuserTagung brachte im Vorfeld die CSU heftig in Wallung. Lilienthal möchte vermutlich, dass der Zuschauer danach nicht nur ein Mensch, sondern ein besserer Mensch ist. Kongresse, Symposien, Vorträge, LecturePerformances, Stadtraumaktionen und Diskussionen – das haben auch die Intendanten- Vorgänger Simons und Baumbauer schon ans Haus geholt. Lilienthal scheint das deutlich zu verstärken. Ist das also die Zukunft der Kammerspiele? Dauer-Gelaber wie in den FernsehTalkshows? Diskurs-Theater, das Shakespeares »Kaufmann von Venedig« auf Text- und Monitorflächen reduziert und den drama-tischen Spannungsbogen verliert? Angesichts der überall zunehmenden Verdrängung des Narrativen zugunsten des Diskurses fragt man sich, wozu man noch Dramatiker braucht – außer natürlich Elfriede Jelinek, die zwanghaft zu allem ihren Uraufführungssenf gibt. Und wenn hervorragende Schauspieler auf der Bühne nur noch als Videogesichter missbraucht werden, als Teleprompter-Ableser oder kabarettistische Entertainer, dann fragt man sich schon, wo die Kernkompetenz des Theaters bleibt: das Darstellen einer überzeugenden Figur, die Sinnlichkeit der Bühne. Junge Zuschauer kennen Schauspieler oft nur noch als animierte Kino-Avatare – sie würden eine große Darstellerkunst gar nicht mehr wahrnehmen. Doch es soll noch versprengte Theaterbesucher geben, die immer hoffen, dass ihnen auf der Bühne gute Schauspieler eine spannende Geschichte erzählen. Denen stehen wohl karge Zeiten bevor. Zum Glück gibt es andere Häuser, die das versuchen. Doch selbst an den Kammerspielen leuchtet ein Hoffnungsschimmer: Simon Stone inszenierte »Rocco und seine Brüder« als pralles Schauspielertheater und erzählt rasant eine packende Story. Und wenn Lilienthal seinem tollen Ensemble öfter Gelegenheit zum wirklichen Spielen bietet, hören wir uns auch die Diskurse in der moralischen Anstalt an. || Im Netz: www.muenchner-feuilleton.de
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