ZUM THEMA: INTERVIEW re e km Interview mit Evelyn Dreekmann, Hebamme, Familienhebamme und Babylotsin aus Hamburg Evely n D Programm Babylotse an n AN 19 GEBURTSKLINIKEN IN VIER BUNDESLÄNDERN ARBEITEN BEREITS BABYLOTSEN. IHRE AUFGABE IST ES, FAMILIEN MIT BESONDEREN BELASTUNGEN ZU ERKENNEN, ZU BERATEN UND IN DIE MITTLERWEILE NAHEZU FLÄCHENDECKEND VORHANDENEN NETZWERKE FRÜHER HILFEN ZU VERMITTELN. DIE FRÜHE KONTAKTAUFNAHME IN DER GEBURTSKLINIK TEILWEISE SCHON VOR DER ENTBINDUNG ERMÖGLICHT ES, PROBLEME WIE UNGEKLÄRTE FORMALITÄTEN, EINE NICHT GEREGELTE NACHSORGE, PSY CHISCHE PROBLEME DER MUTTER ODER FAMILIÄRE KONFLIKTSITUATIONEN IN ANGRIFF ZU NEHMEN UND DAMIT DEN START INS FAMILIENLEBEN ZU ERLEICHTERN. IM ZEN TRUM STEHT DABEI IMMER DAS GESUNDE UND UNGEFÄHRDETE AUFWACHSEN DES NEUGEBORENEN KINDES. SEIT DEM STARTSCHUSS IM MARIENKRANKENHAUS HAMBURG 2007 ERREICHTE DAS VON DER STIFTUNG SEEYOU FAMILIENORIENTIERTE NACHSORGE HAMBURG ENTWICKELTE PROGRAMM RUND 70 000 FAMILIEN DAS ENTSPRICHT IN 2014 RUND 5,7 PROZENT ALLER GEBURTEN IN DEUTSCHLAND. Evelyn Dreekmann, 50, ist seit elf Jahren Hebamme, seit 2006 Familienhebamme und arbeitet seit 2011 zusätzlich als Babylotsin am Katholischen Marienkrankenhaus Hamburg und Bethesda-Krankenhaus Bergedorf. Als Mitglied im Team Transfer arbeitet sie in der Stiftung SeeYou an der Programmentwicklung und -verbreitung des Programms Babylotse in ganz Deutschland mit. Warum arbeitest du zusätzlich zu deiner Tätigkeit als Hebamme und Familienhebamme noch als Babylotsin? EVELYN DREEKMANN: Ich bin Hebamme mit Leib und Seele und liebe die Arbeit mit Müttern und ihren Neugeborenen. Aber es ist immer schwieriger, als freiberufliche Hebamme wirtschaftlich über die Runden zu kommen. Hinzu kommt die Belastung durch Schichtdienste im Krankenhaus, obwohl ich dort sehr gern arbeite. Als Babylotsin berate ich im Schwerpunkt Mütter, die Unterstützung besonders dringend nötig haben. Und das im Rahmen geregelter Dienstzeiten und eines festen Anstellungsvertrags. Ich sehe mich als besonders privilegiert, weil ich durch die Stelle als Babylotsin weiterhin auch freiberuflich tätig sein kann und 16 HEBAMMENINFO 03/15 sich alle drei Arbeitsbereiche für mich zu einem runden Ganzen ergänzen. Wie unterscheiden sich deine unterschiedlichen Tätigkeiten? Sind da nicht Rollenkonflikte vorprogrammiert? EVELYN DREEKMANN: Ich sehe meine Dreifachfunktion eher als Gewinn – für mich, für die Stiftung SeeYou als Träger der Babylotsen in den Hamburger Geburtskliniken, aber vor allem für die Familien. Als Hebamme betrachte ich Mutter und Kind als Einheit. Trete ich als Babylotsin an eine Familie heran, liegt für mich der Fokus aus dem Kindeswohl, das natürlich untrennbar mit der Situation der Eltern verbunden ist. Dabei hilft auch die räumliche Trennung der beiden Aufgaben – einmal im häuslichen Umfeld und als Babylotsin im Krankenhaus. Die Vorstellung, mir jeweils einen anderen Hut aufzusetzen, hilft mir bei der klaren Abgrenzung meiner Rollen. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit der Babylotsen mit den Hebammen in Hamburg und welche Herausforderungen stellen sich dabei? EVELYN DREEKMANN: Ein Schwerpunkt der Arbeit der Babylotsen ist das Pflegen von Netzwerken von Kooperationspartnern auf allen Ebenen der Frühen Hilfen und anderen Institutionen. Dazu gibt es regelmäßig Arbeitstreffen. Im ganz konkreten Einzelfall bemühen wir uns, einer werdenden oder frisch entbundenen Mutter eine Nachsorgehebamme zu vermitteln, und nutzen dazu unsere interne Datenbank und persönlichen Kontakte. Als Babylotsin erleben meine Kolleginnen und ich den Mangel an freiberuflichen Hebammen täglich. Die Suche nimmt einen großen Raum ein, denn gerade besonders belastete Mütter haben Schwierigkeiten, rechtzeitig für eine Wochenbettbetreuung zu sorgen, weil sie entweder mit diesem Angebot nicht vertraut sind oder aus anderen Gründen an der Organisation scheitern. Als Babylotsin habe ich dann aber Möglichkeiten, andere wohnortnahe Angebote der Frühen Hilfen für die Familie ausfindig zu machen. Um die erste Zeit mit dem Kind zu entlasten, stelle ich dann eine solide Überleitung zur Mütterberatung, zu Elternschulen, Familienteam-Sprechstunden, Eltern-Kind-Zentren oder speziellen Hilfen wie etwa der psychologischen Ambulanz her. Deine Kolleginnen sind größtenteils Sozialpädagoginnen. Ergeben sich durch deinen beruflichen Hintergrund Besonderheiten als Babylotsin? EVELYN DREEKMANN: Es ist sicher von Vorteil, dass ich mit den Arbeitsabläufen und der speziellen Sprache und Mentalität im Krankenhaus vertraut bin. In den Teambesprechungen kann ich als Hebamme oft einen anderen Blickwinkel in die Fallbesprechungen einbringen. Hier können wir auch die Herausforderung, die entsteht, wenn unterschiedliche Professionen miteinander arbeiten, gut miteinander besprechen. Aus diesen Erfahrungen heraus ist der „Klinik-Knigge“ entstanden, den wir für neue Babylotsinnen und andere Interessierte geschrieben haben. Meine langjährigen Erfahrungen mit medizinischen und psychischen Aspekten von Elternschaft habe ich schon mehrfach in internen Anleitungen teilen können. Daraus ist auch die Idee entstanden, im Rahmen unseres Fortbildungsangebots einen Workshop „Das Neugeborene“ gemeinsam mit dem Chefarzt unserer Stiftung anzubieten (Mehr Informationen dazu unter www.babylotse.de unter dem Stichwort Fortbildung). Wie werde ich Babylotsin und was muss ich dafür mitbringen? EVELYN DREEKMANN: Die Babylotsen in Hamburg haben eine Qualifizierung mit 200 Stunden durchlaufen. Durch unsere langjährige Praxis an mittlerweile allen Hamburger Geburtskliniken führen wir inzwischen selber Fortbildungen durch. Als Einstieg bietet sich dafür eine mehrtägige Hospitation an, die je nach Ausgangsqualifikation durch Themen-Workshops und Beratungsangebote ergänzt werden kann. Abgerundet wird die Praxiserfahrung durch das Handbuch Babylotse sowie die umfangreichen Arbeitshilfen, die wir unter dem Namen STARTklar zusammen mit einer Programmlizenz Kliniken und Trägern anbieten, die das Programm Babylotse einführen möchten. Wer als Hebamme eine Zusatzqualifizierung als Familienhebamme oder Erfahrungen im Case Management vorweisen kann, ist bereits gut auf die Tätigkeit als Babylotsin vorbereitet. Ein paar Jahre Berufserfahrung, Offenheit für Neues, Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Arbeitsumgebungen, kulturelle Aufgeschlossenheit und ein ausgeprägtes Netzwerkdenken sowie Erfahrungen in Gesprächsführen sind als persönliche Qualifikation eine gute Voraussetzung. ❋ Das Interview führte Friederike Rieg, Bundeskoordinatorin des Programms Babylotse der Stiftung SeeYou. HEBAMMENINFO 03/15 17
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