Winckelmann-Museum, Stendal: Amarna. Die neue Metropole

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Winckelmann-Museum, Stendal: Amarna.
Die neue Metropole im Alten Ägypten, ihre
Tempel, Häuser und Paläste
„Ich errichte Achet-Aton für Aton, meinen Vater, an diesem Platz ... ich baue
Achet-Aton auf der Seite des Sonnenaufgangs, an einer Stelle, die er sich
selbst bereitet hat und die für ihn durch ein Gebirge umrahmt ist."
So steht es auf den zunächst vier ca. 10 m hohen Gründungsstelen geschrieben, die der Pharao
Amenophis IV. / Echnaton (Regierungszeit ca. 1351-1334 v. Chr.) am Ostufer des Nils in seinem
fünften Regierungsjahr in den anstehenden Fels schlagen ließ. Die Stadt Achet-Aton (übersetzt:
Horizont des Aton) hatte der Pharao innerhalb von drei Jahren zu seiner Residenzstadt
ausgebaut, in der er nun mit seiner Gemahlin Nofretete lebte und regierte.
Zu dieser Zeit nannte sich
Amenophis IV. dem Gott Aton zu Ehren in Echnaton (übersetzt: Aton wohlgefällig) um. Gegen
den Widerstand der Amun-Priester von Theben erklärte er Aton zum höchsten Gott des Reiches
und baute ihm nicht nur in seiner Residenzstadt prächtige Tempel. Seine religiösen Reformen,
die vor allem auch die Macht und das Vermögen der Amun-Priester beschnitten, beeinflussten
in starkem Maße die Literatur und die Kunst und brachten einen eigenen unverwechselbaren
Stil, die Amarna-Kunst, hervor. Die heutige Bezeichnung für die archäologische Fundstätte
Amarna und die nach ihr benannte Kunstepoche leitet sich von einem Dorf al-Amaria oder dem
Beduinenstamm Beni Amran ab.
Die Grenzstelen beschreiben anschaulich den Gründungsakt der Stadt, die in Mittelägypten
etwa auf dem halben Weg zwischen den Zentren Theben in Oberägypten und Memphis in
Unterägypten liegt. Im Verlauf der Bauzeit kamen weitere Grenzstelen dazu, die auch am
Westufer des Nils die vor allem landwirtschaftlich genutzten Flächen zur Versorgung der
Residenzstadt mit einbezogen. Die insgesamt 15 Grenzstelen gaben zugleich die Ausdehnung
der Stadt vor und sind ein einzigartiges Zeugnis für eine planmäßig angelegte Stadt. Die
Residenzstadt bestand jedoch nur etwa zwei Jahrzehnte. Schon der Sohn Echnatons,
Tutanchaton, der ca. dreieinhalb bis vier Jahre nach dem Tod seines Vaters den Thron bestieg
und unter dem Einfluss der Amun-Priester von Theben seinen Namen in Tutanchamun änderte,
verlegte die Residenz von Amarna nach Memphis. Spätestens unter Pharao Haremhab, der ab
1319 v.Chr. über Ägypten herrschte, wurde Achet-Aton zerstört.
Für Archäologen sind solche
kurzfristigen Besiedlungen wissenschaftlich besonders reizvoll, geben sie doch ein
authentisches Bild städtischen, sozialen und kulturellen Lebens einer bestimmte Epoche wieder,
ohne durch spätere Siedlungsphasen überlagert zu sein. Durch die Zerstörung der Stadt blieben
ihre Reste lange Zeit verborgen. Erst 1714 entdeckte der französische Jesuitenpater Claude
Sicard (1677-1726) die Grenzstele A in Amarna auf seiner Reise durch Ägypten, die ihn u.a.
nach Abydos, Edfu und Philae führte. Über seine Reise und zahlreiche Denkmäler berichtete er
in den Lettres édifiantes et curieuses de la Société de Jésus. 1738 und 1741 folgten Frederick
Norden und Charles Perry, die Tell el-Amarna besuchten, doch erst 1798/99 wurde die
Stadtanlage durch die französische Expedition unter Napoleon entdeckt.
Seit dem haben immer wieder archäologische
Untersuchungen des antiken Stadtgebietes stattgefunden,
die zahlreiche Funde zu Tage brachten. Der
Spektakulärste davon ist zweifelsohne die Büste der
Königin Nofretete, die am 6. Dezember 1912 bei
Ausgrabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft unter
Leitung von Ludwig Borchardt in Haus P 47,2, der
Werkstatt des Oberbildhauers Thutmoses, entdeckt wurde.
In jüngster Zeit konzentrierten sich die Forschungen vor allem auf die Anlage der Stadt. Neben
den Tempeln und Palastanlagen schenkte man dabei vor allem auch den Wohnhäusern von
höheren Beamten und Handwerkern sowie der Arbeitersiedlung besondere Beachtung. Ziel
dieser systematischen Untersuchung des Stadtgebietes war es ein authentisches Bild vom
Leben in der Stadt vor 3300 Jahren zu gewinnen. Zudem brachten sie neue Erkenntnisse über
das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zusammenleben der ca. 50.000 Einwohner der
Metropole. Im Zentrum der Stadt am Ostufer befanden sich der Palast, der rechtwinklig zum Nil
orientiert war, nördlich schlossen sich der große Aton-Tempel und südlich der kleine
Aton-Tempel an. In der nördlichen Vorstadt befand sich ein weiterer Palast, der durch eine
breitere Straße mit dem Palast- und Tempelbezirk im Zentrum verbunden war. Im Süden und
Norden befanden sich Häuser hoher Beamter, Priester, Tempeldiener und Handwerker. Das
Stadtgebiet war durch ein nahezu rechtwinkliges Straßennetz gegliedert. Etwas abgelegen war
das Wohngebiet der Arbeiter. Die Bauern, die die Felder am Westufer bewirtschafteten, lebten
dort in aus vergänglichem Material errichteten Behausungen, von denen nichts erhalten ist.
Die Ausstellung im Winckelmann-Museum
veranschaulicht an neun Palast-, Tempel-, Haus-,
Werkstatt- und Gehöftmodellen das Leben in der antiken
Metropole am Nil, die für kurze Zeit der Mittelpunkt
einer Hochkultur war. Die Architekturmodelle wurden
unter der Leitung des Architekten und Bauforschers
Christian Tietze erstellt, der viele Jahre in Ägypten tätig
war. Neben einer Vorstellung des Aton-Tempels, des
Palasts und des Anwesens des General Ramose
gewähren sie auch einen Blick in die Werkstatt des
Thutmoses. Der Bildhauer beschäftigte etwa 34 bis 50
Arbeiter und Gesellen - sein Gehöft lag unweit von dem
des Generals Ramose, in einem Viertel, das der
Oberschicht vorbehalten war.
Originale Funde aus Amarna und Gipsabgüsse vervollständigen das Bild. Möglich wurde dies
dank der Leihgaben des Ägyptischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin, des
Roemer-Pelizaeus Museums Hildesheim, der Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin und
privater Leihgeber, insbesondere Christian Tietze.
Stephanie-Gerrit Bruer
Dr. Stephanie-Gerrit Bruer ist Direktorin
des Winckelmann-Museums Stendal
Winkelmann-Museum, Stendal
Amarna. Die neue Metropole im Alten Ägypten, ihre Tempel, Häuser und Paläste
Sonderausstellung
18. Oktober 2015 bis 28. Februar 2016
AsKI KULTUR lebendig 2/2015