Neuer Schwung für das alte Kuba

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Jorge Otero „Untitled – From the series ,War Hero‘“: Das Foto wagt einen humorvollen Blick auf Helden.
Neuer Schwung
für das alte Kuba
Die Kunst des Karibiklandes ist angesagt. Deutschland kann dabei
Verbindungen der DDR zum sozialistischen Bruderstaat nutzen.
Stefan Kobel
Havanna/Berlin
A. Fernandéz/Museum Ludwig Koblenz
K
ubanische Kunst ist in
Deutschland Chefsache. Seit
der ersten Annäherung zwischen den USA und dem sozialistischen Kuba im letzten
Jahr ist das Interesse an dem Karibikstaat plötzlich riesengroß. Bei Wirtschaft, Politik – und Kunst. Wenn Barack
Obama am Sonntag als erster US-Präsident nach über 90 Jahren zu seinem historischen Besuch nach Havanna aufbricht, sind viele andere schon da.
Gerade in Deutschland besinnt man
sich jetzt der besonderen Beziehungen
der DDR zum ehemaligen sozialistischen Brudervolk und ist offensichtlich
nicht gewillt, den Amerikanern den neuen Markt so ohne weiteres zu überlassen.
Nicht nur der Kunstmarkt hat die
Kunst der Karibik entdeckt. Als Türöffner und Katalysator für den Austausch
zwischen Ländern scheint die Kunst je-
Adrián Fernandéz
„Milanes Militia Man“:
Spiel mit der Kontur.
doch ideal geeignet. Ein Goethe-Institut
befindet sich im Aufbau, und letzten
Herbst hat Außenminister Frank-Walter
Steinmeier es sich nicht nehmen lassen,
eine Ausstellung des Künstlers Roberto
Diago in der Berliner Galerie Crone zu
eröffnen – in Gegenwart des kubanischen wie des US-Botschafters. Am Ende
haben sich die beiden sogar umarmt.
Seit Ende 2015 betreibt die italienische
Galleria Continua als erste westliche Galerie eine Art Filiale in Havanna. Da die
Gründung von Privatunternehmen nach
wie vor untersagt ist, firmiert sie als gemeinnütziger Ausstellungsraum. Die Italiener haben Erfahrung mit dem Kommunismus. Schon 2005 eröffneten sie
einen Ableger in Peking und wurden
dort schnell zu einem der Big Player.
Schon wesentlich länger vor Ort ist die
Stiftung Ludwig. Seit 1994 engagierten
sich Peter und Irene Ludwig für die dortige Kunst. 1995 wurde die Fundación
Ludwig de Cuba gegründet. Den Dornröschenschlaf der kubanischen Kunst
konnte das jedoch kaum stören.
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Erst mit der Machtübernahme durch Fidels Bruder Raul 2006 und der vorsichtigen Einführung wirtschaftlicher Reformen kam seit 2010 zaghaft Bewegung in
den Kunstmarkt. Das Künstlerkollektiv
Los Carpinteros oder die „Altmeister“
Ivan (42) und Yoan (39) Capote entwickelten im Westen einen Markt. Die
wichtigsten Tendenzen zeigten sich jedoch eher unterschwellig, etwa auf den
letzten Havanna-Biennalen.
Wer aber sind die Strippenzieher vor
Ort? Die Galeria La Habana ist Kubas älteste und wichtigste Galerie für zeitgenössische Kunst. 1962, kurz nach der Revolution gegründet, ist sie noch in
Staatsbesitz. Ihr Direktor Luis Miret
nimmt seit einiger Zeit an internationalen Messen teil in Lateinamerika und
Europa, um kubanische Künstler zu promoten. In seiner großzügigen Galerie im
Erdgeschoss eines von außen nicht
mehr ganz frisch wirkenden Betonbaus
an einer der Hauptstraßen des „modernen“ Stadtzentrums erzählt er im Gespräch mit dem Handelsblatt, die Öffnung des Landes sei deutlich spürbar.
„Die Promotion kubanischer Kunst
durch Museen, Sammlungen und Stiftungen ist – bei allen Schwierigkeiten,
die wir hier vor Ort haben – in den USA
größer als in Europa oder selbst in allen
lateinamerikanischen Ländern.“ Der
Impuls von außen sei auch notwendig,
denn „der kubanische Kunstmarkt ist
praktisch bei null.“ Bisher erweist sich
das Geschäft allerdings als kaum berechenbar: „Unser größter Markt kann in
einem Jahr Europa sein, zum Beispiel
England. Im nächsten Jahr ist es vielleicht jemand aus Deutschland. Da
reicht ein Sammler, der groß einkauft.
Oder es kommt ein Amerikaner. Wir verkaufen auch nach Asien.“
Das Interesse an Kunst auf der Insel
sei groß – ob trotz oder wegen der wirtschaftlichen Situation, lässt er offen. „Zu
unseren Eröffnungen kommen 400 bis
500 Leute“, erzählt er nicht ohne Stolz.
„Viele sind Kunststudenten, die meisten
aber sind einfach junge Leute. Es gibt einige wenige Sammler, sehr junge, aber
im Grunde gibt es keine Sammler. Im
Vergleich mit der Zahl an Künstlern ist
das gar nichts. Es geht in der Galerie
nicht nur ums Geldverdienen und die
Künstlerkarrieren. Ich hoffe, mit den
neuen Unternehmern werden auch einige Sammler geboren.“
Den rasanten Einzug des Geldes sieht
er jedoch nicht nur positiv: „Ich bin vor
allem besorgt, dass das Wachstum des
Marktes die Künstler daran hindern
wird, gute Kunst zu machen. Sie könnten versucht sein, für den Markt zu arbeiten. Das wird passieren, wenn der
Künstler sich selbst nicht genügend respektiert. Ich hoffe, dass die kommenden
Veränderungen nicht das Todesurteil für
die Zukunft der kubanischen Kunst bedeuten.“
In Deutschland tritt kubanische Kunst
gerade geballt an. Zwei Ausstellungen
versuchen im Frühjahr, die künstlerische Entwicklung der Insel nachzuzeichnen. Kern beider Übersichtsschauen sind die jeweils größten Sammlungen
deutscher Provenienz. Wie unabhängig
voneinander die beiden Ausstellungen
entwickelt wurden, belegt der Umstand,
dass beide den gleichen so naheliegenden wie etwas platten Titel tragen.
„Kuba Libre – Zeitgenössische Kunst“
findet in der Kunsthalle Rostock ab 4.
Mai statt. Kern der Ausstellung ist die
Sammlung des Berliner Unternehmers
Hans Georg Näder (54, Otto Bock
GmbH), aus der die in Berlin lebende
brasilianische Kuratorin Tereza de Aruda (50) auswählt. Als Mitarbeiterin der
Havanna-Biennale kennt sie die Szene
genau. Aus Näders rund 300 Werke umfassenden Fundus hat sie Arbeiten der
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jüngeren Vergangenheit ausgewählt, die
um aktuelle direkt aus Ateliers ergänzt
werden. Die Berliner Galerie Crone, auf
deren Direktor Markus Peichl (57) die
Ausstellung nach eigenen Angaben zurückgeht, steuert ebenfalls neue Arbeiten bei. Rostock böte sich als Ausstellungsort an, erklärt er, weil durch die
Zusammenarbeit des Hotels Neptun
mit der kubanischen Tourismusindustrie zu DDR-Zeiten ein enges Band bestanden hätte.
Nicht ganz so lange zurück liegen die
Verbindungen, die Koblenz mit Havanna verknüpfen. Hier steht eines der
deutschen Ausstellungshäuser der Stiftung Ludwig. Hier soll „Cuba Libre. Kubas zeitgenössische Positionen seit Peter Ludwig“ ebenfalls die jüngste Entwicklung
nachzeichnen.
Der
Sammlungsbestand wird von Direktorin
Beate Reifenscheid durch Leihgaben
von privat und den Galerien La Habana
und Ben Brown (London) ergänzt.
Beide Ausstellungen dürften einen
ähnlich umfassenden Parcours durch
jüngere Geschichte und Tendenzen der
kubanischen Kunst bieten, wenn auch
mit leicht unterschiedlichen Schwerpunkten, da die Sammlung Ludwig älter ist. In Koblenz ist die Kunst dann
auch wirklich Chefsache: Außenminister Frank-Walter Steinmeier fungiert als
Schirmherr.
KunstStück
Auktionshaus Briscadieu , Bordeaux
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Drei vergoldete Buddhas: 6,3 Millionen Euro für die Bronzegruppe.
Weltrekord für Buddhas
F
ür eine Gruppe von drei extrem
seltenen, vergoldeten chinesischen Buddha-Statuen aus
Bronze verzeichnete das Auktionshaus Briscadieu in Bordeaux am 12.
März einen neuen Weltrekord in Höhe von 6,3 Millionen Euro.
Gegossen in der Ming-Dynastie im
15. Jahrhundert, stammen sie vermutlich nicht direkt aus den kaiserlichen Werkstätten. Es könnte sich
aber um eine Auftragsarbeit des chinesischen Kaiserhofes handeln, die
für einen Tempel in der Provinz be-
stimmt war. Die drei Buddhas entsprechen den Anforderungen der
Ära des Kaisers Yongle (1402 – 1424)
für kaiserliche Buddha-Statuen und
sitzen auf rundum mit Lotusblüten
geschmückten Sockeln. Wahrscheinlich waren sie Teil eines Ensembles
von fünf großen Buddhas der Weisheit. Das Trio stammt aus einer nur
mit den Initialen R.P. bezeichneten
Sammlung aus Bordeaux, die in China und Tibet zwischen 1910 und
1925 zusammengestellt wurde. Der
Schätzpreis von 400 000 bis
600 000 Euro lockte zahlreiche Bieter im Saal und am Telefon an. Ein
persönlich anwesender asiatischer
Käufer bewilligte den Weltrekord.
Das Auktionshaus Briscadieu machte bereits in den Jahren 2013 und
2014 mit hohen Zuschlägen für Asiatika auf sich aufmerksam, als es chinesische Malerei auf Seide aus dem
17. Jahrhundert für 3,4 bzw. 1,9 Millionen Euro zuschlug. ogw
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