Ein zweischneidiger Beruf - Spektrum der Wissenschaft

Bü c h er u n d M e h r

Henry Marsh
Um Leben und Tod
Ein Hirnchirurg erzählt von Heilen, Hoffen und Scheitern
Aus dem Englischen von Katrin Behringer
[DVA, München 2015, 350 S., € 19,99]
tipp
des
monats
Ein zweischneidiger Beruf
Gedanken eines Neurochirurgen
I
chirurgie. Sie machen aber auch deutlich,
liegen Erfolg und Scheitern dicht beiei­
dass es in diesem Beruf unmöglich ist, kei­
es nun umso empörender, dass Patienten
nander. An einem Tag kann er einer über­
nem Patienten zu schaden. Gerade uner­
sterben müssen, bloß weil kein Bett für sie
glücklichen Ehefrau verkünden, dass er
fahrene Ärzte stehen bei Operationen oft
frei ist. Andere müssen quälend lang auf
den Hirntumor ihres Mannes erfolgreich
vor dem Dilemma, dass ihre älteren Kolle­
ihre Diagnose warten, weil die Klinik gera­
entfernt hat, was dem Mann das Leben
gen den Eingriff mit mehr Sicherheit aus­
de ein neues Computerprogramm einge­
rettete. Am nächsten steht er einer jun­
führen könnten – sie aber selbst Praxis­
führt hat, das nicht funktioniert.
gen Mutter gegenüber, die infolge seines
erfahrung brauchen, um besser zu wer­
Die Entrüstung des Autors hierüber ist
operativen Eingriffs halbseitig gelähmt
den. So tragisch ein Behandlungsfehler
nach­vollziehbar; ob seine Lösungsvor­
ist. Obwohl Marsh zu den renommiertes­
für den einzelnen Patienten sei, schreibt
schläge allerdings immer zielführend
ten Hirnchirurgen Englands zählt und auf
Marsh, so wichtig sei er für den Arzt, um
sind, darf bezweifelt werden. Oft scheinen
viele tausend Operationen zurückblicken
daraus zu lernen. Getreu dieser Einstel­
sie eher die »gute alte Zeit« zu verklären,
kann, beschreibt er, dass er noch immer
lung stellt er sich seinen eigenen Fehlern
als Chefärzte noch allmächtig waren und
Aufregung, Angst und Ehrfurcht empfin­
und beschreibt sie erstaunlich offen.
CT-Aufnahmen auf Papier festgehalten
m Leben des Mediziners Henry Marsh
rigen Hirnoperationen gelesen, erscheint
det, wenn er in jenes Organ schneidet, mit
dem Menschen denken und fühlen.
Bevor Marsh sich für den Arztberuf
Der Sohn krebskrank,
die Ehe zerbrochen
wurden. Doch fortschrittsfeindlich zu
sein, kann man Marsh nicht vorwerfen.
Im Gegenteil, er betont immer wieder, wie
entschied, studierte er Wirtschaft, Politik
Marsh schildert viele persönliche Er­
froh er über die Errungenschaften der
und Philosophie. Das scheint in seinem
lebnisse. Sein inzwischen erwachsener
modernen Medizin ist, die heute Operati­
Buch durch: Immer wieder lässt er philo­
Sohn hatte im Alter von drei Monaten ei­
onen ermöglichen, die zu Beginn seiner
sophische Gedanken einfließen, etwa zu
nen Hirntumor. Rückblickend meint der
Laufbahn undenkbar waren.
der Frage, wie es sein kann, dass elektri­
Autor, diese Erfahrung habe ihm ge­
Auch wenn Patienten den Ärzten, von
sche Impulse zwischen Zellen zu mensch­
holfen, die teils verzweifelt hoffenden,
denen ihr Leben abhängt, gern über­
lichem Bewusstsein führen. Anschaulich
teils wütend-ängstlichen Angehörigen
menschliche Fähigkeiten zuschreiben:
schildert er seine ärztliche Tätigkeit und
von Krebspatienten besser zu verstehen.
Marsh legt manchmal schockierend offen
den Ablauf einer Hirnoperation. Mit bei­
Deutlich wird auch der Konflikt zwischen
dar, dass Fehler ebenso zur Tätigkeit des
nahe poetischen Worten malt er aus, wie
Beruf und Privatleben, unter dem Marsh,
Mediziners gehören wie Erfolge. Das ma­
faszinierend das Gehirn von innen aus­
wie so viele Ärzte, leidet. Seine erste Ehe,
che den Beruf des Neurochirurgen nicht
sieht. Hier wird deutlich, dass Marsh sich
schreibt er, sei zerbrochen, weil sehr ihn
nur erfüllend und faszinierend, sondern
trotz aller Routine Begeisterung und De­
die Neurochirurgie so sehr in Anspruch
zugleich belastend. Das Buch regt zum
mut bewahrt hat.
genommen habe.
Nachdenken an über den Wert des Lebens,
»Um Leben und Tod« ist ein Sachbuch,
Sehr kritisch setzt sich der Autor mit
über die Rollen von Arzt und Patienten so­
liest sich aber oft fesselnd wie ein Roman.
den Zuständen in seinem Krankenhaus
wie darüber, was die Persönlichkeit aus­
Als Leser fiebert man bei schwierigen Ope­
und mit dem britischen Gesundheits-
macht.
rationen mit. Marshs zahlreiche Fallbei­
system auseinander. Hat man zuvor die
spiele zeigen die Vielseitigkeit der Hirn­
dramatischen Schilderungen von schwie­
Elena Bernard ist Wissenschaftsjournalistin in
Dortmund.
80
Gehirn und Geist




exzellent
solide
durchwachsen
mangelhaft

Beatrice Wagner
bringt, hätte die Autorin noch mehr em­
Kein guter Sex ohne Unlust
Aus dem Alltag einer Sexualtherapeutin
[Goldmann, München 2015, 252 S., € 8,99]
pirische Forschung einfließen lassen kön­
nen. Denn dabei lernt man einiges, etwa
über den Sinn eines Beckenbodentrai­
nings für Männer, oder darüber, warum
der exzessive Konsum von Onlinepornos
in den sexuellen Burnout treiben kann.
Wagner erweitert die Perspektive weg
von der simplen Diagnose sexueller Stö­
Er will – sie nicht
rungen hin zu einem systemischen Ver­
Die typischen Probleme in Schlafzimmern
ständnis der Paarbeziehung und regt so
zum Nachdenken an. Sie versäumt es nur
ie Leidenschaft ist in den Betten vie­
D
gehen muss sich der Leser selbst aus den
leider, ihre therapeutische Vorgehens­
ler Paare nur selten zu Gast: Im ver­
Fallgeschichten erschließen.
weise auf ein wissenschaftliches und me­
gangenen Monat hatte jeder sechste in ei­
Andere wissenschaftliche Hintergrün­
thodisches Fundament zu stellen. Für be­
ner Beziehung lebende Deutsche keinen
de kommen ebenfalls zu kurz. Wagner
ruflich interessierte Leser wie Ärzte, Be­
Sex, lautet das Ergebnis einer Studie der
schildert vor allem die »Trialoge« in den
rater und Therapeuten ist die Lektüre
Universität Göttingen mit rund 15 000
Sitzungen, die Beziehungsgeschichte der
deshalb zwar nicht weniger anregend, sie
Teilnehmern. In der Regel hat die Frau we­
Paare sowie ihre eigenen Gedanken dazu.
bietet aber keine empirisch begründete
niger Interesse. Doch warum?
Vereinzelt streut sie Absätze ein, die den
Orientwierung für die eigene Praxis.
»Lustlosigkeit ist ein Symptom, keine
jeweiligen Fall aus wissenschaftlicher
Diagnose«, erklärt Wagner. Eine erkaltete
Sicht beleuchten. Auch wenn nicht immer
Leidenschaft könne vielfältige Ursachen
unmittelbar nachvollziehbar ist, inwie­
haben: von gesundheitlichen Problemen
fern dies Licht in den betreffenden Fall
Christiane Gelitz ist psychologische Psycho­
therapeutin und Redaktionsleiterin von »Gehirn
und Geist«.
über Alltagsfrust bis hin zu traumati­
schen Erfahrungen. Wie man die Gründe
überhaupt zum Vorschein bringt, erläu­
tert die Sexualtherapeutin an zehn Bei­
spielen aus ihrer Münchner Praxis. Dane­
ben geht es natürlich noch um andere

Themen, obschon sie diese stets mit dem
Roger-Pol Droit
Thema Lust verbindet – seien es Kind­
Wenn ich nur noch eine Stunde zu leben hätte
heitstraumata, eine Vorliebe für SM-Prak­
tiken oder Angst vor Nähe.
Aus dem Französischen von Hainer Kober
[Rowohlt, Reinbek 2015, 111 S., € 12,–]
Die Autorin, so erfährt man im Lauf
der Lektüre, ging bei dem renommierten
deutschen Psychologen Ernst Pöppel und
dem US-amerikanischen Sexualtherapeu-
E
in kleines Buch zu einer großen Frage: der nach dem Sinn des Lebens. Der
65-jährige Pariser Philosoph Roger-Pol Droit stellt sie in Form eines Gedan­
kenexperiments. Was, wenn ich noch exakt eine Stunde zu leben hätte? Daraus
ten David Schnarch in die Schule. Sie hat
entspinnt sich eine Reflexionsübung der besonderen Art, die immer stärkeren
jedoch eine eigene Methode entwickelt,
Sog auf den Leser ausübt, je länger er den nur durch Kommas geordneten, in häu­
die »Identitätsstiftende Therapie« (IST).
figem Wortstakkato beschleunigten Assoziationen folgt. Die Lektüre vollzieht so
Ihr Grundgedanke: Oft hätten die Prob­
quasi in Echtzeit nach, was einem in der letzten Stunde der Existenz durch den
leme im Bett »mit einer noch entwickel­
Kopf gehen mag. Droit bleibt dabei erfrischend unintellektuell und entlarvt die
baren sexuellen Identität zu tun«. Ob ihre
Hybris des alles erklärenden Verstands sowie der leeren Glücksversprechen. Über
darauf fußende Sexualtherapie nicht nur
das »absurde Projekt« der Ars Moriendi – der Kunst, das Sterben zu lernen – kann
laut Wagners klinischer Erfahrung, son­
er nur lachen. Wie solle man etwas lernen, das jeder von uns nur einmal tut, und
dern nachweislich hilft, bleibt jedoch of­
dann zum ersten und letzten Mal? Ein kleines, bewegendes Buch, das zur Demut
fen. Auch ihr genaues methodisches Vor­
gemahnt: »Es gibt nichts zu verstehen, aber alles zu fühlen.«
9_2015
Steve Ayan
81

Britta Hölzel, Christine
Brähler (Hg.)
Schaufenster – weitere Neuerscheinungen
Achtsamkeit
mitten im Leben
Hirnforschung und Philosophie
Anwendungsgebiete
und wissenschaftliche
Perspektiven
> Balaguer, M.: Der freie Wille [BUP, Wiesbaden 2015, 144 S., € 16,–]
> Frings, M., Jox, R. J.: Gehirn und Moral: Ethische Fragen in Neurobiologie und
[Barth, München 2015,
336 S., € 19,99]
Hirnforschung [Thieme, Stuttgart 2015, 296 S., € 19,99]
> Hoffmann, T. S., Knaup, M. (Hg.): Was heißt: In Würde sterben? Wider die
Normalisierung des Tötens [Springer VS, Wiesbaden 2015, 314 S., € 19,99]
> Siefer, W.: Der Erzählinstinkt Warum das Gehirn Storys erfindet [Hanser,
München 2015, 250 S., € 21,90]
Psychologie und Gesellschaft
> Scherrmann, U.: Stress und Burnout in Organisationen Ein Praxisbuch für
Führungskräfte, Personalentwickler und Berater [Springer, Berlin und Heidelberg 2015, 268 S., € 34,99]
> Wegner, K.: Die Pille und ich Vom Symbol der sexuellen Befreiung zur LifestyleDroge [C.H.Beck, München 2015, 240 S., € 14,95]
> Wurster, M., Von Sachsen-Altenburg, M.: Helden gesucht: Projektmanagement
im Ehrenamt [Springer, Berlin 2015, 250 S., € 29,99]
Bewusster durch
den Alltag
Achtsamkeit als systematisch
betriebenes Programm
D
as Konzept der Achtsamkeit ist
­derzeit ein Modethema, es wurzelt
im Buddhismus. Die Autoren verstehen
darunter ein Gewahren des gegenwär­
tigen Moments, verbunden mit dem
nicht bewertenden Beobachten der eige­
nen Gedanken. Nach längerer Übungspra­
Medizin und Psychotherapie
xis, schreiben sie, resultiert daraus eine
> Hauke, G., Dall’Occhio, M.: Emotionale Aktivierungstherapie (EAT) Embodi-
­erhöhte Akzeptanz des eigenen Lebens
menttechniken im emotionalen Feld [Schattauer, Stuttgart 2015, 168 S.,
und mitfühlendes Handeln. Dies sei der
€ 29,99]
­Gesundheit und dem Miteinander för­
> Hemschemeier, M.: Vorsicht Operation! Wie wir zu Kranken gemacht
werden und was wir dagegen tun können [Pantheon, München 2015, 240 S.,
€ 14,99]
> Lown, B.: Heilkunst Mut zur Menschlichkeit [Schattauer, Stuttgart 2015, 296 S.,
€ 19,99]
derlich.
Die Autoren sind Psychologen, Neuro­
wissenschaftler, Pädagogen und Freibe­
rufler im Gesundheitsbereich. Allen ge­
meinsam ist eine anerkannte Expertise
im Bereich Achtsamkeit einschließlich
Kinder und Familie
entsprechender Forschungsprojekte so­
> Baer, U., Frick-Baer, G.: Kriegserbe in der Seele Was Kindern und Enkeln der
wie ein buddhistisch geprägter Hinter­
Kriegsgeneration wirklich hilft [Beltz, Weinheim 2015, 192 S., € 16,95]
> Peukert, A.: Aushandlungen von Paaren zur Elternzeit Arbeitsteilung unter
neuen Vorzeichen [Springer VS, Wiesbaden 2015, 302 S., € 39,99]
> Sarstedt, M.: Optimiertes Babymanagement Den Elternalltag mit betriebswirtschaftlichen Methoden perfektionieren [Springer Gabler, Wiesbaden 2015,
120 S., € 14,99]
grund. Dies scheint in dem Buch immer
wieder durch, auch wenn es das erklärte
Ziel der Autoren ist, eine Achtsamkeits­
praxis zu fördern, die frei von religiösen
Verstrickungen ist.
Nachdem Studien mittels bildgebender Verfahren wie MRT und fMRT (funk­
Ratgeber und Lebensberatung
tionelle Magnetresonanztomografie) ge­
> Dreeßen, D.: Steh auf und nimm dein Leben in die Hand Kurskorrektur für
zeigt haben, dass Meditation sowohl
Anfänger und Fortgeschrittene [dtv, München 2015, 260 S., € 14,90]
> Feindel, H.: Onlinesüchtig? Ein Ratgeber für Betroffene und Angehörige
[Patmos, Ostfildern 2015, 184 S., € 14,99]
> Kalliwoda, M.: Der Gefühlsprofiler Wie wir im Chaos unserer Emotionen
aufräumen [Goldmann, München 2015, 224 S., € 8,99]
strukturelle als auch funktionelle Verän­
derungen im Gehirn hervorruft, ist das
Thema aus der esoterischen Ecke in den
Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Acht­
samkeitspraxis hat in die Psychotherapie
Eingang gefunden, und entsprechende
82
Gehirn und Geist
Trainings bereichern das Fortbildungs­
und es lindert die Symp­tome stressbe­
weg vom Leistungssystem und hin zu ei­
programm vieler großer Unternehmen.
dingter Erkrankungen wie chronische
ner neuen säkularen Ethik.
Die Autoren bewerten die damit ver­
bunden Effekte wissenschaftlich. Sie stüt­
Schmerzen, Depressionen, Burnout oder
Aufmerksamkeitsstörun­gen.
Die verschiedenen Beiträge sind durch­
weg gut lesbar. Unterm Strich liefert das
zen sich hauptsächlich auf Studien, in
Einigen Buchbeiträgen zufolge gibt es
Buch Belege dafür, dass Achtsamkeits­
­denen Probanden unter kontrollierten
Hinweise darauf, dass praktizierte Acht­
praxis im Alltag große Veränderungen be­
Bedingungen ein MBSR-Training (von
samkeit mit Emotionen umzugehen und
wirken kann. Doch auch wenn die Auto­
Mindfullness Based Stress Re­
duction, zu Deutsch: achtsam­
keitsbasierte Stressminderung)
oder vergleichbare Programme
absolvierten. Dabei handelt es
ren hier und da ein paar Medi­
Studien zufolge verhilft Achtsamkeits­
training zu größerem Wohlbefinden und
lindert Stresssymptome
sich um einen achtwöchigen
tationsanleitungen einstreuen,
geben sie kaum echte Tipps für
die praktische Umsetzung. Man
fühlt sich beim Lesen eher latent
dazu aufgefordert, einen MBSR-
Kurs mit Meditations- und Bewegungs­
kognitive Leistungen zu verbessern hilft.
Kurs zu besuchen. Auch hätte mehr Neu­
übungen, den Jon Kabat-Zinn von der
Auf diese Weise fördere sie die Resilienz
rowissenschaft dem Werk gutgetan. Trotz­
University of Massachusetts (USA) ent­
und die sozialen Beziehungen. Manche
dem ist das Buch lesenswert, besonders
wickelte. Laut den Ergebnissen kontrol­
Autoren äußern daher die Befürchtung,
für Menschen, die eine entschleunigte Le­
lierter Wirksamkeitstests verhilft das
dass Achtsamkeitspraxis lediglich als wei­
bensweise anstreben.
­Training Menschen, die Schule, Beruf
teres Mittel zur Selbstoptimierung miss­
oder Familienalltag als stressbelastet
braucht werden könnte. Sie schildern ihre
empfinden, zu größerem Wohlbefinden,
Vision eines gesellschaftlichen Wandels
Tanja Neuvians ist Medizinerin in Ladenburg
bei Heidelberg.
DIE SPEK TRUM SCHREIBWERKSTAT T
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ein wissenschaftlicher Verlag arbeitet,
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Das GuG- Gewi n n s p i el

Marc Wittmann
Kopfnuss
Hätten Sie’s gewusst?
1. Schüler welchen Chronotyps erzielen
Die Antworten auf die folgenden
einer Studie zufolge bessere Noten in
Fragen finden Sie in der aktuellen
Klausuren, die am frühen Nachmittag
Ausgabe von »Gehirn und Geist«.
stattfinden?
Wenn Sie an unserem Gewinnspiel
a) Frühaufsteher (»Lerchen«)
teilnehmen möchten, schicken Sie
b) Spätaufsteher (»Eulen«)
die Lösungen bitte mit dem Betreff
c) beide gleich gut
»September« per E-Mail an:
[email protected]
2. Welche Neurone in unserer Haut
vermitteln ein Wohlgefühl, wenn uns
Unter allen richtigen Einsendungen
jemand streichelt?
verlosen wir drei Exemplare von:
a) myeliniserte hochschwellige
Ab-Fasern
b) präganglionäre B-Viszero-Efferenzen
Wenn die Zeit stehen
bleibt
Kleine Psychologie der
Grenzerfahrungen
[C.H.Beck, München 2015,
172 S., € 12,95]
Zwischen Ewigkeit
und rasendem Wandel
Extreme Zeiterfahrungen aus
neuropsychologischer Sicht
W
er glaubt, die großen Philosophen
hätten alles Wesentliche über die
Zeit bereits gesagt, wird in diesem Büch­
c) unmyelinisierte niedrigschwellige
lein eines Besseren belehrt. Diese »Kleine
C-Afferenzen
Psychologie
der
Grenzerfahrungen«
bringt uns gut verständlich das Phäno­
3. Welches Hirnareal ist neben dem
men ungewöhnlicher Zeiterfahrungen im
Hippocampus für die räumliche Orien-
Licht der modernen Hirnforschung näher.
tierung entscheidend?
Zu Beginn führt der Autor in die Phä­
Henry Marsh
a) der entorhinale Kortex
nomenologie und die wissenschaftliche
Um Leben und Tod
b) der präfrontale Kortex
Erklärung des Zeitgefühls ein. Dabei geht
Ein Hirnchirurg erzählt von Heilen,
Hoffen und Scheitern
c) das Kleinhirn
er auf das Empfinden von Beschleuni­
Aus dem Englischen von Katrin Behringer
[DVA, München 2015, 350 S., € 19,99]
4. In welcher Umgebung werden
Länge eines Augenblicks ein. Wittmann
Psyche und Physiologie von Raumfah-
arbeitet heraus, dass das subjektive Zei­
rern nicht erforscht?
terleben von der Aktivität eines Men­
a) Forschungsstationen in der Antarktis
schen und der Menge der zur verarbeiten­
b) spezielle Unterwasserbecken
den Informationen abhängt. Ein ereignis­
c) Ballonkapseln in der Stratosphäre
armer Sonntagnachmittag vergeht im
Einsendeschluss ist der 15. September
2015. Die Auflösung finden Sie in
GuG 11/2015. Zusätzlich nimmt jede
richtige Einsendung an der Weihnachtsverlosung eines Jahresabonnements für 2016 teil. Ihre persönlichen
Daten werden allein zur Gewinnbe­
nachrichtigung verwendet und nicht
an Dritte weitergegeben. Name und
Wohnort der Gewinner werden an
dieser Stelle veröffentlicht. Eine
­Barauszahlung der Preise ist nicht
möglich. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
gung, Verlangsamung sowie die erlebte
Schneckentempo, während bei großer Be­
5. Wovon profitieren Kinder mit einer
vorgeburtlichen Alkoholschädigung im
triebsamkeit »die Uhr rast«.
Sodann behandelt der Autor den Ein­
Alltag?
fluss von Drogen auf das Zeitgefühl. Er
a) von anregenden Veränderungen der
­erklärt die zeitdehnende beziehungswei­
Tagesstruktur
se -beschleunigende Wirkung von Subs­
b) von wiederholten Anleitungen bei
tanzen wie Meskalin, Psilocybin, Kokain
alltäglichen Aufgaben
und LSD. Interessant dabei ist, dass solche
c) von beidem
Drogen, indem sie die Sensibilität erhö­
hen, einen deutlich stärkeren Gegen­
wartsbezug erzeugen – auf Kosten des Zu­
Auflösung der Kopfnuss 7/2015: 1a, 2b, 3b, 4a, 5c
Je ein Exemplar von Walter Mischel: »Der Marshmallow-Test« geht an:
kunftsbewusstseins.
Weiterhin stellt Wittmann verschiede­
Monika Hauck (Schriesheim), Udo Heck (Bergisch Gladbach), Anette Lange
ne Zeitgefühle in psychopathologischen
(Bramsche)
Zuständen dar und erörtert sie aus neu­
rowissenschaftlicher und pharmakolo­
84
Gehirn und Geist
gischer Sicht. Er informiert beispielsweise

über den erlebten Stillstand bei Schizo­
Daniel Schäfer
phrenie, über das Glücksgefühl der Zeit­
entgrenzung bei Epileptikern sowie über
die subjektive Verlangsamung des Zeit­




exzellent
solide
durchwachsen
mangelhaft
Der Tod und die Medizin
Kurze Geschichte einer Annäherung
[Springer Spektrum, Heidelberg 2015, 249 S., € 24,99]
flusses bei Depression. Gern hätte man
auch etwas über die empfundene Be­
schleunigung bei Manie gelesen, die oft in
Verbindung mit Depression auftritt.
Ä
rzte können dem Tod gegenüber unterschiedliche Rollen einnehmen: Meist
versuchen sie ihn zu verhindern, manchmal bereiten sie ihre Patienten beglei­
tend auf ihn vor, selten führen sie ihn durch eigene Fehler herbei. Der Arzt und
Am Ende widmet sich der Autor spe­
Historiker Daniel Schäfer gibt einen Überblick über das Verhältnis zwischen Medi­
ziell der Erfahrung von Zeitlosigkeit. Sie
zin und Tod in früheren Zeiten und heute. Unter anderem geht er auf Definitionen
kann sich etwa in mentalen Zuständen
des Todes ein – etwa nach den Kriterien des Herz- oder Hirntods – und stellt dar,
völliger Vertiefung in eine Sache einstel­
wie sich der ärztliche Umgang mit Sterbenden und Verstorbenen im Lauf der Zeit
len, bei Nahtoderlebnissen und auch in
wandelte. Zudem führt er auf, wie, wo und weshalb Menschen aus dem Leben
der Meditation. Aufmerksamkeit spielt
scheiden. Dabei bezieht er historische Text- und Bildquellen ein. Neue wissen­
dabei eine besondere Rolle. Ihre Kultivie­
schaftliche Erkenntnisse präsentiert er allerdings nicht; auch pflegt er einen wis­
rung und das Training, sich nicht ablen­
senschaftlich-nüchternen Schreibstil, der selbst spannende Themen trocken wir­
ken zu lassen, kann das Erleben der Ge­
ken lässt. Dennoch kann das Buch helfen, aktuelle Debatten, etwa zur Sterbehilfe
genwart so intensiv machen, dass man
und zur Organtransplantation, im geschichtlichen Kontext zu sehen und so besser
im Augenblick zu verharren scheint. In
zu verstehen.
Elena Bernard
einem intensiv gelebten Moment kann
sich so die Tür zur Zeitlosigkeit öffnen.
Wittmann arbeitet auch den Zusam­
menhang zwischen Zeiterfahrung und

Emotion beziehungsweise Körpergefühl
Rainer Matthias Holm-Hadulla
heraus. Demnach geht erlebte Zeitlosig­
Integrative Psychotherapie
keit oft mit einem Gefühl der Körperer­
weiterung, der Ich-Entgrenzung und des
Zwölf exemplarische Geschichten aus der Praxis
[Klett-Cotta, Stuttgart 2015, 144 S., € 21,95]
Glücks einher. Das, schreibt der Autor, be­
rühre philosophische Fragen nach dem
Zusammenhang von Bewusstsein, Psyche
und Körper. Erfreulicherweise widersteht
D
as Buch bietet einen spannenden Einblick in die Welt der Psychotherapie.
Rainer Matthias Holm-Hadulla, Psychotherapeut an der Universität Heidel­
berg, schildert zwölf reale Fälle von Patienten, die an häufig diagnostizierten psy­
er der Versuchung, das Bewusstsein aus­
chischen Störungen litten, darunter Depression, Burnout, psychosomatische
schließlich als Resultat von Körperfunk­
Beschwerden und diverse Persönlichkeitsstörungen. Unter »integrativer Psycho­
tionen zu erklären. Vielmehr zeigt er am
therapie« versteht der Autor die pragmatische Kombination bindungsorientierter
Beispiel der Nahtoderfahrungen, dass es
Ansätze (mit dem Therapeuten als Bezugsperson) mit Methoden der kognitiven,
sich bisher kaum erklären lässt. Weder
psychoanalytischen und existentiellen Verfahren sowie der Verhaltenstherapie.
könne man es naturalistisch auf Körper­
Bringe eines dieser Verfahren den Patienten nicht weiter oder sei sein Potenzial
funktionen reduzieren noch vom dualis­
ausgeschöpft, schreibt Holm-Hadulla, gehe er zum nächsten über. Dieses eklek­
tischen Nebeneinander von Körper und
tische Vorgehen habe er selbst entwickelt und praktiziere es erfolgreich – kann
Seele ausgehen. Mit seinen engagierten
allerdings als Beleg hierfür nur seine eigenen Fallbeispiele anführen.
und sachlichen Beiträgen über extreme
Im Anschluss an die Fallgeschichten vermittelt der Autor die Theorie zur zuvor
Zeiterfahrungen bereichert dieses Buch
geschilderten Praxis. Eine empirische Evaluation, wie der Vorreiter der integrativen
die philosophische Deutung von Zeit und
Psychotherapie, Klaus Grawe, sie durchführte, hält Holm-Hadulla für zu konstru­
Bewusstsein.
iert – eine fragwürdige Sichtweise für einen Fachmann. Abgesehen von einigen
merkwürdigen Äußerungen des Autors, etwa dass eine Patientin mit depressiver
Wolfgang Achtner ist Professor für Systema­
tische Theologie an der Justus-Liebig-Universi­
tät Gießen.
9_2015
Mutter diese »immerhin neun Monate zur Verfügung« gehabt habe, ist die Lektüre
trotzdem inspirierend. Und es ist spannend zu erfahren, wie ein aus den Fugen
geratenes Leben wieder in Ordnung gebracht werden kann.
Melanie Nees
85
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
Willi Butollo
Die Angst ist eine Kraft
Über die aktive und kreative Bewältigung von Alltagsängsten
[Herbig, München 2015, 240 S., € 22,–]
Mehr Mut
Warum wir uns unserer Furcht stellen sollten
O
b Spinnen an der Zimmerdecke,
Selbsterkenntnis. Sie zu verdrängen, käme
tollo anhand lebensnaher Fallbeispiele,
großes Gedränge oder Reisen im
dem Leben auf einer tickenden Zeitbom­
wie wir die übertriebene Furcht vor der
Flugzeug – viele Menschen haben vor be­
be gleich. Sich ihr bewusst zu stellen, hel­
Furcht schrittweise und nachhaltig bewäl­
stimmten Situationen Angst. Manche
fe hingegen, die Fesseln der Vergangen­
tigen können. Stets bemüht sich der Au­
müssen beinahe täglich gegen ihre Furcht
heit abzustreifen und sich menschlich
tor, theoretische Konzepte mit seinen
ankämpfen. Oder sie tun das, was laut Wil­
weiterzuentwickeln.
persönlichen Erfahrungen als Therapeut
li Butollo am ungünstigsten ist: Sie mei­
Buttolos Standardwerk, erstmals be­
zu verknüpfen. Er wolle nicht den »Kö­
den die Angstauslöser und schränken sich
reits vor 30 Jahren erschienen, liegt nun
nigsweg der Angstbewältigung« aufzei­
damit in ihrer Lebensgestaltung ein.
in neu überarbeiteter Auflage vor. Der Au­
gen, sondern Betroffene und ihre Ange­
Der erfahrene Psychotherapeut und
tor nimmt darin mehrfach Bezug auf ak­
hörigen inspirieren und ermutigen, sich
klinische Psychologe appelliert an die Be­
tuelle Ereignisse und jüngere Forschungs­
der Konfrontation zu stellen.
troffenen, sich das negative Gefühl zum
ergebnisse. Am Aufbau des Buchs hat sich
Freund zu machen. Denn Angst sei nicht
wenig geändert. Ein kurzer theoretischer
nur menschlich und überlebenswichtig,
Abriss behandelt, wie Ängste entstehen
sondern auch eine Quelle der Kraft und
und verlaufen; anschließend skizziert Bu­
Melinda Baranyai hat Psychologie in
Heidelberg und Bochum studiert und arbeitet
als Wissenschaftsjournalistin.
GuG-Bestsellerliste
Titel aus den Bereichen Psychologie, Gesellschaft und Hirnforschung
1.Berndt, C.: Resilienz Das Geheimnis der psychischen
­Widerstandskraft [dtv, München 2013, 278 S., € 14,90]
2.Law, S., Baggini, J.: Philosophie in 30 Sekunden Die
wichtigs­ten Strömungen aus der Geschichte der Welt­
anschauungen [Librero, Kerkdriel 2014, 160 S., € 9,95]
3.Havener, T.: Ohne Worte Was andere über dich denken
[Rowohlt, Reinbek 2014, 268 S., € 14,99]
4.Hüther, G.: Etwas mehr Hirn, bitte Eine Einladung zur
Wiederentdeckung der Freude am eigenen Denken und
der Lust am gemeinsamen Gestalten [Vandenhoeck &
Ruprecht, Göttingen 2015, 192 S., € 19,99]
5.Kahneman, D.: Schnelles Denken, langsames Denken
[Pantheon, München 2014, 624 S., € 16,99]
6.Birbaumer, N.: Dein Gehirn weiß mehr, als du denkst
Neueste Erkenntnisse aus der Gehirnforschung [Ullstein,
Berlin 2015, 269 S., € 9,99]
7. Rosenberg, M.: Gewaltfreie Kommunikation Eine Sprache
des Lebens [Junfermann, Paderborn, 7. Auflage 2007, 237 S.,
€ 19,50]
8.Landau, C., O’Hara, S.: Das Psychologie-Buch Wichtige
Theorien einfach erklärt [Dorling Kindersley, München
2012, 353 S., € 24,95]
9.Von Schönburg, A.: Smalltalk Die Kunst des stilvollen
Mitredens [Rowohlt Berlin, Berlin 2015, 317 S., € 16,–]
10.Schmid, W.: Vom Glück der Freundschaft [Insel, Berlin 2014,
95 S., € 8,–]
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Gehirn und Geist