Elektrolytische Leitfähigkeit

Elektrolytische Leitfähigkeit
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Elektrolytische Leitfähigkeit
Gegenstand dieses Versuches ist der Zusammenhang der elektrolytischen Leitfähigkeit starker
und schwacher Elektrolyten mit deren Konzentration. Das Kohlrauschsche Quadratwurzelgesetz, das Gesetz der unabhängigen Ionenwanderung und das Ostwaldsche Verdünnungsgestz
werden experimentell überprüft. Das Ergebnis ist relevant, wenn Konzentrationsbestimmungen konduktometrisch erfolgen sollen wie z.B. beim Praktikumsversuch zur Enzymkinetik
nach Michaelis-Menten.
Stichworte
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starke und schwache Elektrolyte
Leitfähigkeit, elektrischer Widerstand
Dissoziation, Dissoziationsgrad
Gesetz der unabhängigen Ionenwanderung
Kohlrauschsches Quadratwurzelgesetz
Ostwaldsches Verdünnungsgesetz
Debye-Hückel-Theorie
Leitfähigkeit von Elektrolyten
Die ionische Leitfähigkeit der Elektrolyte unterscheidet sich wesentlich von der elektronischen Leitfähigkeit der Metalle. Für den reinen Ladungstransport, der in Elektrolyten durch
positive und negative Ionen bzw. in Metallen durch Elektronen getragen wird, lassen sich jedoch gleiche elektrische Grundgrößen definieren. Ist L die Länge und F der Querschnitt eines
Elektrodengefäßes, so besagt das Ohmsche Gesetz für den Widerstand R dieses Leiters:
R =
U
L
=
I
κF
(1)
Dabei bedeuten U die angelegte Spannung und I den sich einstellenden Strom. κ ist die spezifische Leitfähigkeit mit der SI-Einheit mS = Ω1m , und die Größe LF ist die Zellkonstante der
Leitfähigkeitsanordnung, die meist in cm-1 angegeben wird. Im Gegensatz zu metallischen
Leitern gilt Gl. (1) in Elektrolytlösungen nur für hochfrequenten Wechselstrom (mit Frequenzen 1 kHz), da sonst Elektrolyse- und Polarisationseffekte an den Elektroden auftreten.
Die molare Leitfähigkeit (molar conductivity) Λ ist die auf die Konzentration c bezogene spezifische Leitfähigkeit
Λ = κ
bzw. κ = Λ c
(2)
c
Anhand der molaren Leitfähigkeit ihrer Lösungen werden Elektrolyte als stark oder schwach
klassifiziert (s. Abb. 1). Ein starker Elektrolyt ist eine Substanz, deren molare Leitfähigkeit in
Lösung nur wenig von der Konzentration abhängt. Ein schwacher Elektrolyt besitzt bei sehr
niedrigen Konzentrationen eine ähnliche molare Leitfähigkeit wie ein starker Elektrolyt, die
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jedoch für zunehmende Konzentrationen sehr schnell auf kleine Werte abfällt. Das Verhalten
schwacher Elektrolyte lässt sich auf der Basis des Gleichgewichts zwischen der Substanz und
ihren Ionen in Lösung erklären: Der Dissoziationsgrad α, der den in Lösung dissoziiert vorliegenden Anteil einer Substanz angibt, nimmt zu, wenn die Konzentration verringert wird. Starke Elektrolyte dagegen liegen in Lösung immer vollständig dissoziiert vor (α = 1).
Abbildung 1:
Abnahme der molaren Leitfähigkeit Λ bei steigender Konzentration c des Elektrolyten. Gemessene molare Leitfähigkeiten sind auf die molare Leitfähigkeit einer 10 -3m Lösung bezogen. Die
drei starken Elektrolyte HCl, NaCl und NaAc zeigen eine schwache Abnahme der molaren
Leitfähigkeit mit der Konzentration nach dem Kohlrauschschen Quadratwurzelgesetz (4), der
schwache Elektrolyt Essigsäure (HAc) zeigt eine starke Abnahme der molaren Leitfähigkeit
mit der Konzentration nach dem Ostwaldschen Verdünnungsgesetz in der Form der Beziehung
(12). Die gestrichelte rote Linie ist die Linie konstanter molarer Leitfähigkeit.
Starke Elektrolyte - Kohlrauschsches Quadratwurzelgesetz
Da die molare Leitfähigkeit Λ(c) selbst konzentrationsabhängig ist, findet man keine Proportionalität zwischen κ und c, wie Gleichung (2) nahe legt. Lediglich für den Grenzfall der unendlich verdünnten Lösung strebt Λ einem festen Grenzwert zu. Man bezeichnet diesen Wert
als molare Grenzleitfähigkeit (limiting molar conductivity) Λ0 bei unendlicher Verdünnung.
Er beinhaltet keine interionischen Wechselwirkungen mehr. In diesem Grenzfall ist die spezifische Leitfähigkeit κ der Konzentration c proportional, und es gilt:
κ( c) = Λ 0⋅c
für c → 0
(3)
Für starke Elektrolyten sind  und c im Bereich kleiner Konzentrationen nach experimentellen Ergebnissen von Kohlrausch durch ein Quadratwurzelgesetz miteinander verknüpft:
Λ (c)=Λ 0−K √ c
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(4)
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Gl. (4) beschreibt quantitativ die in Abb. 1 dargestellte schwache Abnahme der molaren Leitfähigkeit Λ starker Elektrolyte mit steigender Konzentration c.
Durch die Auftragung von Λ gegen c½ erhält man Λ0 aus dem Ordinatenabschnitt und K aus
der Steigung der Geraden. Beziehung (4) ergibt sich auch aus der Debye-Hückel-Theorie der
Ionenwanderung, die auf einer Modellvorstellung für ionische Lösungen beruht, nach der jedes Ion von einer entgegengesetzt geladenen Ionenwolke umgeben ist, die sich aus dem
Wechselspiel zwischen der anziehenden Wirkung der Ladung des Zentralions und der für die
Lösung charakteristischen thermischen Bewegung ergibt. Die Abnahme der molaren Leitfähigkeit für starke Elektrolyte ist danach auf interionische Wechselwirkungen zurückzuführen,
deren Relevanz mit zunehmender Konzentration zunimmt.
Gesetz der unabhängigen Ionenwanderung
Nach dem Gesetz der unabhängigen Ionenwanderung ergibt sich die molare Grenzleitfähigkeit Λ0 bei unendlicher Verdünnung aus der Summe der mit den stöchiometrischen Faktoren
νi gewichteten molaren Grenzionenleitfähigkeiten λi der einzelnen Ionen:
0 =  + 
(5)
Die Grenzionenleitfähigkeiten sind wie Λ und κ relativ stark temperaturabhängig, so dass es
erforderlich ist, während der Messung für Temperaturkonstanz zu sorgen. Das Gesetz der unabhängigen Ionenwanderung ermöglicht es, für einen beliebigen Elektrolyten (zumindest bei
unendlicher Verdünnung) die molare Leitfähigkeit Λ aus den bekannten Ionenleitfähigkeiten
λi zu berechnen.
Insbesondere können Grenzleitfähigkeiten schwacher Elektrolyte, die einer direkten Messung
nicht zugänglich sind, aus den Grenzleitfähigkeiten starker Elektrolyte berechnet werden. Für
die Grenzleitfähigkeit von Essigsäure (HAc) ergibt sich beispielsweise:
Λ 0 (HAc)=Λ0 (HCl)−Λ 0 (NaCl)+Λ 0( NaAc)
(6)
Die Gültigkeit der Gleichung (6) lässt sich anhand der folgenden Beziehungen einfach verifizieren:
+
-
Λ 0 (HCl)=λ(H )+λ (Cl )
(7a)
Λ 0 (NaCl)=λ(Na + )+λ( Cl- )
(7b)
+
-
Λ 0 (NaAc)=λ( Na )+λ (Ac )
(7c)
Λ 0 (HAc)=λ (H+ )+λ(Ac- )
(7d)
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Schwache Elektrolyte - Ostwaldsches Verdünnungsgesetz
Das Quadratwurzelgesetz (4) versagt für schwache Elektrolyte, weil diese nur teilweise dissoziieren ( < 1). Vernachlässigt man interionische Wechselwirkungen (für kleine Werte von 
zulässig), so bestimmt der Dissoziationsgrad alleine die Abnahme der molaren Leitfähigkeit
schwacher Elektrolyte:
Λ = α Λ0
(8)
Für eine schwache Säure HA stellt sich folgendes Dissoziationsgleichgewicht ein:
HA  H+ + A−
9
Über das Massenwirkungsgesetz ist die Dissoziationskonstante KS der Säure mit dem Dissoziationsgrad α verknüpft:
KS =
cH cA
α2 c
=
c HA
1−α
+
-
(10)
wobei für cA = cH+ = c und für cHA = (1)c eingesetzt wurde. Wird Gleichung (8) in Gleichung (10) eingesetzt, erhält man das Ostwaldsche Verdünnungsgesetz:
2
Λ( c) c
K S=
Λ0 ( Λ 0−Λ (c))
(11)
Aus der Messung der molaren Leitfähigkeit Λ(c) kann daher entweder bei bekannter Grenzleitfähigkeit Λ0 die Dissoziationskonstante KS berechnet werden oder bei bekannter Dissoziationskonstante KS die molare Grenzleitfähigkeit Λ0. Dazu muss das Ostwaldsche Verdünnungsgesetz (11) nach Λ0 aufgelöst werden. Aus
Λ 20−Λ 0 Λ( c)−
2
c Λ (c)
=0
KS
(12)
erhält man dafür als sinnvolle physikalische Lösung:
Λ 0=
√
Λ (c)
4c
(1+ (1+ ))
2
KS
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(13)
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Aufgabenstellung
1)
Messen Sie die spezifischen Leitfähigkeiten κ(c) der drei starken Elektrolyte HCl, NaCl
und Natriumacetat (NaAc) sowie des schwachen Elektrolyten Essigsäure (HAc) für die
5 Stoffmengen-Konzentrationen:
1·10-3 mol/L, 5·10-3 mol/L, 1·10-2 mol/L, 5·10-2 mol/L, 1·10-1 mol/L.
2)
Stellen Sie die spezifischen Leitfähigkeiten κ(c) sowie die molaren Leitfähigkeiten Λ(c)
in geeigneter Weise graphisch dar.
3)
Ermitteln Sie die Grenzleitfähigkeiten Λ0 und deren Standardabweichungen für die drei
starken Elektrolyte durch Anpassung des Kohlrauschschen Quadratwurzelgesetzes (4)
an Ihre Messwerte.
4)
Berechnen Sie für jeden Messpunkt die Grenzleitfähigkeit Λ0(HAc) der Essigsäure nach
Gl. (13), bilden Sie daraus den Mittelwert und ermitteln Sie dessen Standardabweichung. Schlagen Sie die Dissoziationskonstante der Essigsäure dazu in einem Lehrbuch,
einem Tabellenwerk oder in einer Datenbank nach. Berechnen Sie Λ0(HAc) außerdem
nach Gl. (6) und vergleichen Sie den experimentell ermittelten Wert mit dem berechneten. Stimmt Ihr Messergebnis im Rahmen der experimentellen Genauigkeit mit dem berechneten Wert überein?
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