"Airport" AN/AZ - Das Da Theater

KULTUR
Samstag, 19. März 2016 · Nummer 67
Seite 11 ABCDE
Für diese Bühne ist keine Show zu groß!
KULTUR-TIPP
Die Revue „Airport“ im Aachener Das Da Theater erntet stürmischen Applaus. 13 Darsteller, über 100 Kostüme, 28 Musiktitel.
VON ECKHARD HOOG
Aachen. Big Show im Aachener Das
Da Theater – unfassbar big, was die
kleine Bühne mit ihrer musikalischen Revue „Airport“ auf die
Beine gestellt hat: eine Kostümschlacht ohnegleichen, phänomenale Choreographien für ein bezauberndes Tanz-Ensemble, kernige Sängerinnen und Sänger mit
erstaunlicher Wandlungsfähigkeit, vor Spielfreude nur so sprühende Darsteller und eine Band,
die einfach alles draufhat – vom
Swing, Schlager und CountrySong bis hin zum hämmernden
Rock ‘n‘ Roll. Nach zwei Stunden
(inklusive 20 Minuten Pause) ist
das Premierenpublikum am Donnerstagabend aus dem Häuschen
und steigert den Applaus bis zu
Standing Ovations.
„Weltklassik am Klavier!“
mit Olivia Sham
Aachen. Die Pianistin Olivia
Sham gastiert in der Reihe
„Weltklassik am Klavier!“ am
Sonntag, 20. März, 17 Uhr, in
der Klangbrücke des Alten Kurhauses in Aachen, Kurhausstraße 2. Die in Australien geborene und in London lebende
Musikerin widmet ihr Programm dem Motiv des Wanderers. Das tritt vorwiegend in der
romantischen Musik des 19.
Jahrhunderts auf. Entsprechend
sind die Werke, die Olivia Sham
interpretieren wird: Schumanns
„Papillons“ op. 2, Schuberts
„Wanderer-Fantasie“ und Liszts
„Il Penseroso“ sowie sein „Mephisto Walzer“. Karten für das
Konzert gibt es an der Abendkasse. Foto: Ondro Bires
Liebevoll gestaltet bis ins Detail
Entertainment-Konzerne investieren in solche Projekte Hunderttausende Euro – Das Da zeigt nach
einer Idee von Maren Dupont und
Tom Hirtz, wie es auch anders
geht. Und das liebevoll gestaltet bis
in kleinste Details des ausgefeilten
Bühnenbildes (Frank Rommerskirchen). Allein das Fabrizieren der
Videoeinspielung einer Abflugstermin-Anzeigetafel (Achim Bieler), die buchstäblich „mitlebt“
und mitunter elektronisch Tränen
vergießt, muss eine Heidenarbeit
gewesen sein.
Boardingroom und Check-inSchalter – alles da und vom Feinsten, denn hier befinden wir uns:
im Herzen eines Airports, Abflugterminal für die beziehungsreich
benannte Fluggesellschaft DDT
Air. Hier trifft sich die Welt – besser: die Menschheit in ihren persönlichsten Ausprägungen, beseelt
von Sehnsüchten, Fern- und Heimweh, Liebesschmerz und Liebes-
Bis auf Zusatztermine
ist alles ausverkauft
„Airport“, musikalische Revue im
Das Da Theater Aachen, Liebigstraße 9. Alle Vorstellungen sind
bereits ausverkauft.
Es gibt aber Zusatztermine: 19.
und 20. Mai, 20 Uhr; 22. Mai, 18
Uhr; 27. und 28. Mai, 20 Uhr; 29.
Mai, 18 Uhr.
Karten gibt es im Theaterbüro
unter ☏ 0241/161688 oder im
Buchladen Pontstraße 39 unter
☏ 0241/28008.
KURZ NOTIERT
Wolfgang Petry
überholt sogar Adele
So geht die musikalische Revue „Airport“ im Aachener Das Da Theater los: Wolfgang Kramer singt im Kreis des Tanzensembles Frank Sinatras Evergreen „New York, New York“. 27 weitere Titel folgen. Das Premierenpublikum ist total begeistert.
Foto: Achim Bieler
glück, gelegentlich auch von Bier
und Schnaps. Was folgt, ist eine Revue, die keine Worte braucht: ein
singendes und tanzendes Panoptikum skurriler Typen im beständigen Wechsel eintrudelnder Passagiere, immer den gerade passenden Song in der Kehle. Stets mit
einem Augenzwinkern amüsant
karikiert und von Regisseurin Maren Dupont sekundengenau in Abstimmung mit Tanz, Gesang und
Musik auf die Bretter geschickt.
„New York, New York“
Wie weiland Frankieboy schmachtet Wolfgang Kramer das unsterbliche „New York, New York“ knallhart am Original entlang – vier
Showgirls schneien herein und geben gleich zu Anfang einen aufregenden Eindruck davon, was der
Abend allein garderobenmäßig
noch bringen wird: über 100 verschiedene, aufwendige Kostüme
(Nadine Dupont und Frank Rommerskirchen)! Und die wollen erst
mal in Sekundenschnelle gewechselt werden – da kann man sich
lebhaft ausmalen, was sich hinter
den Kulissen so abspielt.
Mit Rastalocken und im Hippielook kehrt die Gruppe vom Selbstfindungstrip aus Indien zurück, so
etwas wie Krishna-Folk auf den
Lippen. „Heute hier, morgen dort,
bin kaum da, muss ich fort“ – Hannes Wader lässt grüßen, wenn Touristen wieder mal flügge werden,
oder John Denver, wenn sie sich
umgekehrt nach dem Zuhause
sehnen.
Den knallharten Rock-Fans
kocht dagegen noch das Blut,
wenn sie nach einem Londoner
Konzerterlebnis mit einem lauthals geschmetterten „I Love Rock
‘n‘ Roll“ der legendären Arrows
den Heimflug antreten.
Blauweiß karierte Ausflügler
kehren dagegen nach einer Expedition in bajuwarische Niederungen noch hochgestimmt mit
einem „Oans, zwoa, g‘suffa“ zurück. Das musikalische Spektrum
ist so grenzenlos wie das der Reisenden. Den roten Schal wehmütig schwenkend, schleichen die Liverpool-Fans nach der Niederlage
in den Boardingroom, das unvermeidliche „You Never Walk Alone“
anstimmend.
Überrraschende Kontraste
Wolfgang Kramer und Terja Diava
vom Gesangsensemble (Einstudierung Tanja Raich) legen im Liebesduett einen munteren Step aufs
Parkett. Die Kontraste sind so
markerschütternd wie überraschend: Der Kanon „Wo zwei oder
drei in meinem Namen versammelt sind“ von reisenden Nonnen
fährt in die Glieder, bevor sich irgendwann neonfarbene Girlies auf
dem Weg nach Mallorca mit einem
Ballermann-Hit einstimmen. Das
alles keineswegs nur als musikalische Nummernfolge heruntergenudelt, sondern theatermäßig gespielt und in Szene gesetzt.
Die vier Tänzerinnen Yvonne
Grünberg, Keara Lindert-Knöppel,
Teresa Schwamborn und Stephanie Sellin-Springer, immer wieder
anders kostümiert, beherrschen an
diesem Abend ein Riesenrepertoire, das Heike Sievert choreographisch effektvoll entworfen hat.
Kerstin Breuer, Terja Diava, Lina
Kmiecik, Wolfgang Kramer und
Tobias Steffen, der gegen Ende Michael Jacksons „Thriller“ als Zombie umwerfend auf die Bühne
bringt, singen so großartig wie sie
spielen. Der Chor mit Birgit Fenneker, Ricarda Leuchter, Klaus Offergeld und Simon Sittig ist weit
mehr als das – eine Crew bestens
aufgelegter Darsteller, bei denen
man das Gefühl hat: Hier können
sie sich einmal so richtig auf der
Bühne austoben.
Nicht zu vergessen die Band (auf
der Bühne) mit Andy Janssen, Tom
Schreyer, Stephan von Zedlitz und
dem musikalischen Leiter Christoph Eisenburger, der 28 Titel passend umgeschrieben hat. Alles in
allem: eine sagenhafte Leistung!
Im Labyrinth der starken Gefühle
Ungarische Compagnie Pal Frenak beschließt das Schrittmacher-Festival
VON SABINE ROTHER
Aachen. Sie stürzen über die Bühne,
ihre Körper scheinen in Auflösung
begriffen, um sich danach sofort
wieder in neuen Posen und Bewegungsmustern zu manifestieren –
menschliche Kaleidoskope, die erschauern lassen und widersprüchliche Gefühle wecken: Mit der
ungarischen Compagnie Pal Frenak, die seit 1999 in Budapest und
Paris beheimatet ist, findet das
Schrittmacher-Tanzfestival 2016
in der Aachener Fabrik Stahlbau
Strang einen starken Abschluss.
Die Gäste, die vor zwei Jahren
mit akrobatischem Modern Dance
an schwingenden Seilen begeisterten, haben diesmal die verstörende
und tiefgründige Choreographie
„Birdie” mitgebracht, ein Stück
über die Grauzone zwischen
Traum und Wahn, in der die Menschen an ihren emotionalen Fesseln zerren, Wünsche zu Obsessionen mutieren, Entgrenzungen
stattfinden. Fliegen wie ein Vogel –
dieser Gedanke sowie Alan Parkers
Antikriegsfilm „Birdy“ (1984)
nach William Warthons gleichnamigem Roman haben Pal Frenak
zu dieser Choreographie inspiriert.
Wie hüpfende Vögel
Und so bewegen sich die Tänzer
immer wieder wie hüpfende, sich
im Geäst sicher fühlende Vögel auf
den silbrig glänzenden Stangen
einer geometrischen Konstruktion, die die Bühne bestimmt. Drei
schräg gestellte Pyramiden verbinden sich zu einem Labyrinth der
Gefühle, Ängste und Kämpfe. Mal
ist es der beängstigend tropfende
Rekordbilanz: Diesmal kamen 14 500 Besucher
Einen neuen Besucherrekord kann
das Schrittmacher-Tanzfestival 2016
vorweisen. Rund 5500 Karten wurden in Heerlen verkauft, 9000 waren es für die Aachener Fabrik Stahlbau Strang.
„14 500 Zuschauer und ein Publikum, das zum Teil aus dem Ausland
anreist, das ist ein schöner Erfolg“,
freut sich Veranstaltungsleiter Rick
Takvorian, der mit Organisationskollegin Stefanie Gerhards (Bild) Bilanz
zieht. „Das Festival ist etabliert, zugleich ist es weiterhin jung und experimentell geblieben.“
Gruppen aus Mexiko und China
standen erstmals auf dem Programm, im nächsten Jahr erwartet
man unter anderem Gäste aus Israel.
Das nächste Schrittmacher-Tanzfestival Aachen/Heerlen findet vom
10. Mai bis zum 9. April 2017 statt.
Ton eines Echolots, dann wieder
ein Brausen, ein dumpfer Herzschlag oder die schmelzende Arie
von Puccinis „Madame Butterfly”
und die herzzerreißende Cello-Passage aus einer Bach-Suite, von Musiker Endre Kertész live gespielt,
die das Ringen, Gleiten, Einanderfinden und Verlieren leiten. Norman Levy hat eine Soundkulisse
geschaffen, der man sich nicht
entziehen kann. Zuhören und Zuschauen verstärken die Intensität
des Mitfühlens.
Irgendwann stellt sich Beklemmung ein, dann wieder Trauer und
Rührung. Das alles vermag eine
Performance des Modern Dance,
die bei der Compagnie Pal Frenak
zur theatralischen Form gereift ist.
Dabei fließen klassisches Ballett
und alles, was mit Bewegung zu
tun hat, in den Adern der muskulösen Männer, zu denen später
auch zwei starke Frauen – eine Tänzerin und ein Model – treten.
Die geometrischen Bühnenelemente, die Winkel und Geraden
bildenden Gestänge sind Ort körperlicher und gestalterischer
Höchstleistungen, Spagat in der
Vertikalen, Balance, weiche, rasche Stellungswechsel und immer
wieder subtil eingesetztes Vogelverhalten. So hocken sie auf Ästen,
die Arme werden zu kleinen zuckenden Flügeln, der Kopf, der sich
ruckartig bewegt, ist eingezogen.
Es kommt zu unwillkürlichen
Putzbewegungen, und die Vogelblicke halten beständig sichernd
Ausschau nach einem Feind aus
der Luft.
Sie ernteten euphorischen Applaus in der Fabrik Stahlbau Strang: Die
Compagnie Pal Frenak beschloss in Aachen das diesjährige SchrittmacherFestival.
Fotos: Andreas Herrmann
Dass Pal Frenak das VogelThema durchaus auch witzig umsetzen kann, zeigt ein kleines Tango-Intermezzo mit balzenden
„Männchen“, die ein „Weibchen“
anschmachten. Als dann schließlich mit dem großen, schönen,
dunkelhäutigen Model ein besonderes Exemplar auftaucht, ist einer
der kleinen Vogelherren komplett
aus dem Häuschen.
Kämpfer im Krieg
Zeitweise drastisches Tanztheater
beherrscht die Szene, man ahnt
Krieg, Soldaten, die sich vor dem
Sperrfeuer der Gegner in Sicherheit bringen. Sie robben über die
Bühne, taumelnd bewegt sich ein
Mann durch die Stangen – sein
Kopf ist wie bei einem Gasopfer
oder nach einer Augenverletzung
komplett zugewickelt. Das ist gruselig und tänzerisch faszinierend.
Hochgewachsen ist die einzige
Tänzerin im Ensemble. Während
sich die Männer balgen, promeniert sie im sexy Outfit auf Highheels an ihnen vorbei. Niemand
beachtet sie. Dann wieder drängt
ein Tanzpaar Haut an Haut ineinander, zwei Ertrinkende, die sich
aber nicht retten können. In einer
zweiten Szene ist die Frau barbusig,
wankt, stolpert, stürzt, schreit
herzzerreißend – der Hilferuf der
nun so Verletzlichen verhallt. Das
Cello-Stück wird zur Todesfuge.
Wie Raben sitzen die Männer auf
dem Gestänge, und das schwindende Licht schluckt sie alle. Euphorischer Applaus für die Akteure
und Compagnie-Chef Pal Frenak.
Berlin. Wolfgang Petry (64) ist
zurück in der Hitparade und
steht jetzt mit dem Best-of-Album „40 Jahre – 40 Hits“ auf
Platz zwei der offiziellen AlbumCharts. Das teilte am Freitag
GfK Entertainment mit. Der frühere Schlagerkönig spielte für
die Anfang März erschienene
Doppel-CD auch drei neue Lieder ein. Petry lässt in den Charts
sogar Adele hinter sich, die auf
Platz drei steht („25“). Platz eins
ist wie in der Vorwoche der
Soundtrack zum Kinofilm „Bibi
& Tina – Mädchen gegen
Jungs“. In den Single-Charts
bleibt die Spitze unverändert: DJ
Alan Walker mit „Faded“ steht
auf Platz eins.
KURZKRITIK
lit.Cologne solidarisch
mit den Flüchtlingen
Köln. Beim Benefiz-Abend der
lit.Cologne in der Kölner Arena
geht es um die Flüchtlinge und
um die Kraft der Sprache. Wobei
letztere schon beim Titel der
Veranstaltung versagt. „Auch
ihr seid jetzt Deutschland!“ Und
die, die nicht Deutschland sein
wollen? Die weder Goethe noch
Bratwürste oder Helene Fischer
mögen? Sondern bloß ihr Leben
retten? 7200 Menschen sind in
Köln dabei, wenn prominente
Autoren, Kabarettisten und Musiker zum Schulterschluss gegen
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit antreten. Zugute
kommt der Erlös des Abends –
bis zu 50 000 Euro – der Ende
August 2015 gegründeten Til
Schweiger Foundation. Sie fördert damit vor allem Sprachkurse für geflüchtete Kinder
und Erwachsene. Moderiert von
Sportschau-Mann Matthias Opdenhövel ist beim Benefizabend
viel von Toleranz, von Konzilianz und Humanität die Rede,
von Solidarität, Integration und
Edukation. Man könnte dazu
auch einfacher und leichter verständlich sagen: Menschlichkeit. Über all dem – Cordula
Stratmanns Lesung von Stefans
Zweigs „Die Welt von Gestern“,
Frank Schätzings Auftritt, der
sagt „Das Wort Flüchtling wird
gebrandmarkt wie eine neue
Spezies!“, und Herbert Grönemeyer (Bild), der in „Roter
Mond“ diejenigen besingt, die
keinen festen Boden mehr unter
den Füßen haben – liegt leitmotivisch das Merkelsche „Wir
schaffen das!“
(sus/Foto: Thomas Brill)
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