VK2-7/15 - Bundeskartellamt

2. Vergabekammer des Bundes
VK 2 - 7/15
Beschluss
In dem Nachprüfungsverfahren der
[…]
- Antragstellerin Verfahrensbevollmächtigte:
[…],
[…],
gegen
[…],
- Antragsgegnerin -
Verfahrensbevollmächtigte:
[…],
wegen des Abschlusses wirkstoffbezogener Rahmenrabattvereinbarungen gemäß § 130a
Abs. 8 SGB V ([…]) ([…]) hat die 2. Vergabekammer des Bundes durch die Vorsitzende
Direktorin
beim
Bundeskartellamt
Dr. Herlemann,
den
hauptamtlichen
Beisitzer
Regierungsdirektor Zeise und die ehrenamtliche Beisitzerin Mundt auf die mündliche
Verhandlung vom 2. März 2015 am 16. März 2015 beschlossen:
-21. Der Antragsgegnerin wird untersagt, im laufenden Vergabeverfahren einen Zuschlag
im streitgegenständlichen […] zu erteilen. Ihr wird aufgegeben, bei fortbestehender
Beschaffungsabsicht das Vergabeverfahren in den Stand vor Versendung der
Vergabeunterlagen
zurückzuversetzen,
diese
in
Übereinstimmung
mit
der
Rechtsauffassung der Kammer zu überarbeiten und den Interessenten am Auftrag auf
dieser Grundlage Gelegenheit zur erneuten Angebotsabgabe zu geben.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens (Gebühren und Auslagen).
3. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der
Antragstellerin trägt die Antragsgegnerin.
4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war
notwendig. Soweit die Antragstellerin eine zweite Rechtsanwaltskanzlei mit der
Wahrnehmung ihrer Interessen im vorliegenden Nachprüfungsverfahren beauftragt
hat, war dies nicht notwendig.
Gründe:
I.
1.
Die Antragsgegnerin (Ag) schrieb im Supplement zum Amtsblatt der EU vom […] den
Abschluss wirkstoffbezogener Rahmenrabattvereinbarungen gemäß § 130a Abs. 8 SGB
V ([…]) europaweit im offenen Verfahren aus. Die Ausschreibung ist in […] sollen gemäß
Ziffer II.1.4 der Bekanntmachung drei Rahmenvertragspartner den Zuschlag erhalten.
Die Antragstellerin (ASt) vertreibt das Original-Präparat […]. Dieses ist zugelassen zur
Behandlung von Erwachsenen mit […]. Neben der ASt haben seit November 2014
Generika-Hersteller Zulassungen für […] Arzneimittel erhalten, da der Unterlagenschutz
für […] grundsätzlich abgelaufen ist. Die Indikation „[…]“ ist allerdings weiterhin durch das
Patent […] geschützt. Inhaberin dieses Patents ist die […]. Diese hat der ASt die Nutzung
des Patents für den Vertrieb von […] in Deutschland gestattet.
Für die Angebotskalkulation hat die Ag den Bietern die im Zeitraum 1. Juli 2013 bis
30. Juni
2014
abgegebenen
Einzeldosen
der
[…]
Präparate
in
der
Anlage
„Angebotstabelle in elektronischer Form, Angebotsblatt […]“ zur Verfügung gestellt. Es
-3wird
dabei
nicht
zwischen
patentgeschützten
und
nicht
patentgeschützten
Indikationsbereichen unterschieden.
Alleiniges Zuschlagskriterium ist gemäß Ziffer I.10 der Vergabeunterlagen zu
„100 % (…) die maximale Ersparnis über das jeweilige Fachlos gemäß Anlage:
„Angebotstabelle in elektronischer Form.
Die Berechnung der maximalen Ersparnis erfolgt nach folgender
Berechnungsformel: Summe der je Packungsgrößenkennzeichnung (…)
erzielbaren Einsparung (…) pro Los.
Dabei gilt: Rabattierter Umsatz (…) = Anzahl abgegebener abgeteilter Einzeldosen
multipliziert mit Rabatt-ApU.“
Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 20. Januar 2015 rügte die ASt
gegenüber der Ag, dass sie durch die Ausschreibungskonzeption in ihren Rechten verletzt
werde. Allein sie sei in der Lage, eine rechtskonforme Vertragsdurchführung zu
gewährleisten. Mit der Ausschreibung ermögliche die Ag die Verletzung einer
patentgeschützten Wettbewerbsposition der ASt, sie impliziere durch ihr Mengengerüst
ein falsches Auftragsvolumen und ignoriere die mangelnde (rechtliche) Leistungsfähigkeit
der Generika-Hersteller.
Mit Schreiben vom 26. Januar 2015 erklärte die Ag, der Rüge nicht abhelfen zu wollen.
Sie lehnte eine weitere Aufschlüsselung der Abgabemengen in die verschiedenen
Indikationsbereiche ab. Die Ausschreibung richte sich an markterfahrene Bieter, denen
die allgemein verfügbaren Verordnungszahlen und deren Aufteilung in die verschiedenen
Indikationen bekannt seien. Der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V sehe vor, dass
für den Austausch auf Apothekenebene die Übereinstimmung in einem einzigen
Anwendungsgebiet ausreichend sei. Patentrechtliche Hintergründe seien daher ohne
Belang. Wenn der Arzt die Abgabe eines Generikums ermögliche, sei davon auszugehen,
dass er dies bewusst tue. Dann sei in der Folge der Generikahersteller auch berechtigt,
das Arzneimittel zu liefern.
Am 4. Februar 2015 bat ein Bieter per Email um die Beantwortung folgender Fragen:
„1. Sie schreiben in […] aus. Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass die
Indikation „Behandlung von Erwachsenen mit […]“ noch patentgeschützt ist. Wir
-4bitten Sie zu bestätigen, dass diese patentgeschützte Indikation nicht Gegenstand
dieser Ausschreibung ist.
2. Ist es richtig, dass die abgegebenen Einzeldosen laut
Angebotstabelle bei […] alle Indikationen umfassen?“
004_Anlage
Die diesbezüglichen Antworten der Ag lauten wie folgt:
„Frage 22:
Wir verweisen auf Ziff. I.2.2 der Vergabeunterlagen nach der sich die jeweils
ausgeschriebenen Packungsgrößen, Wirkstoffstärken und Darreichungsformen
aus den elektronischen Angebotstabellen für jedes Los ergeben. Diese stellen den
Beschaffungsbedarf dar.
Frage 23:
Die Zahlen beziehen sich auf alle in der Vergangenheit zu den
ausschreibungsgegenständlichen Arzneimitteln abgegebenen Einzeldosen.”
2.
Die ASt stellte mit am 9. Februar 2015 bei der Vergabekammer des Bundes
eingegangenem
Schreiben
ihres
Verfahrensbevollmächtigten
einen
Antrag
auf
Nachprüfung. Diesen Antrag übermittelte die Vergabekammer der Ag am selben Tag.
a)
Die ASt trägt vor, dass die Ag sie durch Ihre Ausschreibungskonzeption in ihren
Rechten verletze.
Die fehlende Berücksichtigung des zugunsten der ASt patentgeschützten
Indikationsbereiches
„[…]“
in
der
Ausschreibung
werde
im
Fall
der
Zuschlagserteilung zwangsläufig zu Patentverletzungen führen. Denn der Apotheker
könne bei einer Verordnung von […] nicht erkennen, aufgrund welcher Indikation
die Verordnung vom Arzt erfolgt sei. Er werde daher eine Substitution mit dem aus
der Apothekensoftware ersichtlichen vertragsgegenständlichen Generikum des
Rabattvertragspartners
vornehmen,
ohne
die
patentrechtliche
Situation
berücksichtigen zu können.
Die Ag nehme billigend in Kauf, dass eine Substitution nicht nur in den
austauschbaren Indikationsbereichen erfolgen werde, sondern auch in dem
zugunsten der ASt geschützten Bereich. Diese Vorgehensweise verletze den
Wettbewerbs- sowie den Gleichbehandlungsgrundsatz, weil die Ag den GenerikaHerstellern durch die faktische Beseitigung des Patentschutzes einen unzulässigen
-5Wettbewerbsvorteil verschaffe. Die Ausschreibung der Ag gewährleiste nicht, dass
bei der späteren Vertragsdurchführung eine patentrechtswahrende Verordnung
seitens der Ärzte erfolgen werde. Im Gegenteil fördere sie Verletzungshandlungen
seitens der Ärzte. Denn der Arzt begehe eine Patentverletzung, wenn er zur
Behandlung […] eine Substitution zulasse und nicht ausdrücklich […] verordne. Die
ASt könne nach erfolgter Substitution ihres Original-Präparats kaum eine
Patentverletzung der Ärzte oder Apotheker nachweisen oder gar verfolgen, weil die
Indikation aus der Verordnung nicht ersichtlich sei. Daher müsse dieser Situation
bereits durch das Ausschreibungsdesign begegnet werden. Im Idealfall dadurch,
dass die Ag die patentgeschützte Indikation aus dem Beschaffungsbedarf nehme.
Das
von
der
Ag
vorgegebene
Mengengerüst
beinhalte
auch
die
im
patentgeschützten Indikationsbereich abgegebenen Dosen. Dieser mache (nach
Angaben von IMS Health) ca. […] aller ärztlichen Verordnungen aus. Die Ag bringe
diesen Bereich jedoch nicht von der Gesamtmenge in Abzug, sondern verlange
vielmehr in den Vergabeunterlagen, dass die Bieter uneingeschränkt in der Lage
sein
müssten,
die
angegebenen
Verordnungen
zu
bedienen.
Auch
die
Angebotskalkulation solle auf der Grundlage der angegebenen Mengen erfolgen.
Die Ag erwecke dadurch den Anschein, dass die Generika-Hersteller auch im
geschützten Indikationsbereich mit einer patentrechtsverletzenden Verordnung mit
Substitutionsmöglichkeit kalkulieren sollten. Sollten die Bieter den Vorgaben folgend
den patentgeschützten Bereich zur Grundlage ihres Angebots machen, würden sie
auf der Basis völlig überhöhter Abgabemengen entsprechend zu hohe Rabattsätze
kalkulieren. Sollten einige Bieter die patentrechtliche Situation durchschauen, wären
deren Angebote mit den Angeboten derjenigen Bieter, die den Angaben der Ag
vertrauten, nicht vergleichbar. Die Ag würde völlig unterschiedliche Einsparungen
erzielen, je nachdem ob (nur) Generika-Hersteller den Zuschlag erhielten oder auch
die ASt, die die gesamte Indikationsbreite abdecken könne.
Die Ag blende zudem aus, dass die Generika-Hersteller rechtlich nicht voll
leistungsfähig seien. Zwar könne für ein […] Generikum arzneimittelrechtlich eine
Zulassung auch für die patentgeschützte Indikation beantragt werden. Diese werde
auch erteilt, allerdings dürfe der Hersteller nicht mit dem patentgeschützten Bereich
werben (sog. Carve Out). Der Beipackzettel dürfe ebenfalls keine Angaben zur
Verwendung des Arzneimittels zur Behandlung […] enthalten (sog. Skinny Label).
Für die Behandlung […] sei trotz bestehender Zulassung „im Hintergrund“ dennoch
-6nur das Original-Produkt der ASt verordnungsfähig, da anderenfalls das zu ihren
Gunsten bestehende Patent verletzt werde. Der Arzt könne allenfalls aus den
Fachinformationen der Generika-hersteller, nicht jedoch aus seiner Software
erkennen, dass die Generika-Hersteller keine Zulassung in dem Bereich „[…]“
hätten. Daher müsse die Ag die Apothekenkammern sowie die Kassenärztlichen
Vereinigungen über das zugunsten der ASt bestehende Patenrecht informieren.
Die Ag könne auch dem § 129 Abs. 1 SGB V bzw. dem Rahmenvertrag nach § 129
Abs. 2 SGB V keine Rechtfertigung für eine Substitution im patentgeschützten
Indikationsbereich entnehmen. Denn unabhängig davon, dass durch die Norm ein
Austausch nur dem Grunde nach gestattet werde, könne man ihr in Bezug auf den
bestehenden Patentschutz keinesfalls die Gestattung einer Rechtsverletzung
entnehmen. Ebenso wenig sei der Vergleich mit dem rabattvertragsfreien Zustand
maßgeblich. Zwar könne der Apotheker, wenn die Substitution seitens des Arztes
zugelassen wurde, auch jetzt unter den drei preisgünstigsten Arzneimitteln wählen.
Allerdings würden Ärzte und Apotheker zukünftig durch den Rabattvertrag konkret
angehalten,
eine
Substitution
des
Original-Präparats
zuzulassen
bzw.
vorzunehmen, wodurch sich das Risiko einer patentrechtswidrigen Substitution
erhöhe. Inwieweit die Ag durch ihre Vorgehensweise zu Patentrechtsverletzungen
anstifte, sei Gegenstand einer gesonderten Verfolgung.
Die Kammer sei an einer Entscheidung auch nicht aufgrund des § 104 Abs. 2 GWB
gehindert.
Auch
wenn
das
Ausgangsproblem
in
einer
besonderen,
weil
patentrechtlich geprägten Wettbewerbssituation besteht, seien die Auswirkungen
durchaus vergaberechtlich. So hätte die Ag bereits bei der Definition des
Beschaffungsbedarfs
und
der
Ausgestaltung
der
Vergabeunterlagen
den
patentgeschützten Indikationsbereich beachten müssen. Vergaberechtsverstöße
ergäben sich aus dessen Nichtbeachtung – wie bereits ausgeführt – im Rahmen der
Eignungsprüfung,
der
Korrespondenz mit
den
Bietern
und
der
späteren
Vertragsdurchführung. Darüber hinaus sei es in der Rechtsprechung anerkannt,
dass auch spezialgesetzliche Vorfragen im Vergabenachprüfungsverfahren geklärt
werden müssen. Die Ag sei als Körperschaft des öffentlichen Rechts an Recht und
Gesetz gebunden und könne sich nicht mit Verweis auf ihre Bestimmungsfreiheit
vom Patentrecht lösen.
-7Die ASt beantragt,
1.
die Vergabestelle anzuweisen, das Vergabeverfahren für das Fachlos […]
aufzuheben,
hilfsweise:
das Vergabeverfahren für das Fachlos […] in das Stadium vor Versendung der
Vergabeunterlagen an die Bieter zurückzusetzen und der Vergabestelle
aufzugeben, die EU-Vergabebekanntmachung sowie die Vergabeunterlagen
unter
Berücksichtigung
der
Rechtsauffassung
der
Vergabekammer
zu
überarbeiten und sodann im EU-Amtsblatt zu korrigieren bzw. an die Bieter zu
versenden,
2.
auszusprechen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für die ASt
notwendig gewesen ist,
3.
b)
Akteneinsicht gemäß § 111 Abs. 1 GWB zu gewähren.
Die Ag beantragt:
1.
Der
Nachprüfungsantrag
wegen
der
Vergabe
„Abschluss
von
Arzneimittelrabattverträgen nach § 130a Abs. 8 SGB V; […], wird insgesamt
zurückgewiesen.
2.
Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Ag wird für notwendig
erklärt.
3.
Die Kosten des Verfahrens werden insgesamt der ASt auferlegt.
Die Ag ist der Auffassung, es fehle der ASt bereits an der Antragsbefugnis. Denn die ASt
stütze ihren Nachprüfungsantrag auf die angebliche Verletzung ihrer patentrechtlichen
Wettbewerbssituation. Anhaltspunkte für vergaberechtliche Anknüpfungsnormen seien
nicht ersichtlich. Für patentrechtliche Vorwürfe sei die Kammer jedoch nicht zuständig.
Auch dürfe sie angesichts der Schwere der Vorwürfe der ASt und der bislang ungeklärten
und komplexen patentrechtlichen Lage im sozialrechtlichen Gesamtgefüge in einem FünfWochen-Verfahren über die angeblichen Patentverstöße befinden. Darüber hinaus
-8bestünden schon erhebliche Zweifel an der patentrechtlichen Aktivlegitimation der ASt, da
sie nur eine „Autorisierung“ des Patentinhabers vorweisen könne.
Der Nachprüfungsantrag sei auch unbegründet. Sie habe ihren Beschaffungsbedarf
ordnungsgemäß definiert. Die Ag treffe dabei weder vergabe- noch sozialrechtlich die
Pflicht, die Wahrung von Patentrechten eines potentiellen Bieters sicherzustellen, sie
verletzte aber auch durch ihr Ausschreibungsdesign keine Patentrechte, da ihr kein
„sinnfälliges Herrichten“ im Sinne einer Ausrichtung (gerade) auf die patentgeschützte
Verwendung
vorgeworfen
werden
könne.
Auch
zulassungsrechtlich
werde
die
patentrechtliche Situation ausgeblendet: Die Generika-Hersteller könnten auch für den
geschützten Indikationsbereich „[…]“ Zulassungen beantragen, sie dürfen lediglich nicht
damit werben oder Angaben hierzu auf dem Beipackzettel ausweisen.
Auch
sei
die
ASt
nicht
eindeutig
im
Wettbewerb
privilegiert.
Denn
der
Substitutionsmechanismus gemäß § 129 Abs. 2 S. 3 SGB V unterscheide auf
Nachfrageseite
nicht
zwischen
patentgeschützten
und
nicht
patentgeschützten
Indikationen. Da die Überschneidung der Präparate nur bei einer Indikation zu ihrer
Substitution ausreiche, erlaube das Sozialrecht in Abweichung vom Patentrecht auch eine
Substitution bezüglich des (ansonsten) patentgeschützten Indikationsbereichs. Ein
Wettbewerbsvorteil der ASt bestehe daher insoweit nicht. Es sei vergaberechtlich zur
Herstellung vergleichbarer Angebote ausreichend, wenn aus Sicht der Marktgegenseite,
d.h. der verordnenden Ärzte, eine Austauschbarkeit bestehe. Dies sei aufgrund der
Überschneidung bei zwei von drei Indikationsbereichen gegeben. Sozialrechtlich hätten die
Angebote daher als vergleichbar zu gelten.
Auch ohne Rabattvertrag werde gemäß § 129 Abs. 2 S. 4 SGB V i.V.m. dem
Rahmenvertrag durch den Apotheker eines der drei preisgünstigsten Arzneimittel
abgegeben. Da die Indikation nicht ersichtlich sei, bestehe bereits jetzt die Möglichkeit,
dass der Apotheker auch im patentgeschützten Bereich ein Generikum abgebe. Der Arzt
könne anhand der Fachinformation der Generika-Hersteller erkennen, dass keine
Zulassung für die Behandlung […] ausgewiesen sei und müsse dann […] unter
Substitutionsausschluss verordnen. Dies liege aber im Verantwortungsbereich des Arztes,
die Ag hätten hierauf keinen Einfluss.
Im Umkehrschluss aus § 3 EG Abs. 4 lit. c) VOL/A, wonach der Auftraggeber berechtigt,
nicht jedoch verpflichtet sei bei bestehendem Patentschutz ein Verhandlungsverfahren
ohne Teilnahmewettbewerb durchzuführen, müsse auch ein anderes Vergabeverfahren
-9zulässig sein. Im vorliegenden Fall könne der von der Ag definierte Beschaffungsbedarf
durch andere Anbieter als die ASt befriedigt werden, so dass ein offenes Verfahren auch
bezüglich des patentgeschützen Bereichs möglich sei. So blende die ASt etwa die Parallelimporteure völlig aus.
Dass der/die Zuschlagsempfänger, sollten Generika-Hersteller den Zuschlag erhalten,
gegebenenfalls nicht alle Indikationen abdecken könnten, sei allein das wirtschaftliche
Risiko der Ag. Denn diese müsse dann eine schlechtere Umsetzung des Rabattvertrages
und damit eine geringere Einsparung hinnehmen. Dies sei jedoch immer der Fall, wenn
aufgrund der unterschiedlichen Abdeckung von Anwendungsgebieten/Darreichungsformen/Packungsgrößen
verschiedener
Arzneimittel
andere
Umsetzungsquoten
resultierten.
Die zur Verfügung gestellten Kalkulationsgrundlagen seien ebenfalls ausreichend.
Rahmenvereinbarungen wohne typischerweise ein erhebliches Kalkulationsrisiko inne.
Auch verfüge die Ag selbst nicht über Daten zu den unterschiedlichen Indikationen, da
diese nicht auf der ärztlichen Verordnung angegeben würden. Jedenfalls durch die
(mögliche) Beteiligung der Parallelimporteure sei eine Reduktion der Abgabemengen auf
nur den nicht patentgeschützten Bereich nicht möglich. Denn diese könnten ebenso wie die
ASt alle Indikationen abdecken.
Die anderen pharmazeutischen Unternehmen seien auch leistungsfähig. Wenn sich die
Generika-Hersteller an einer Ausschreibung beteiligten, die sich allein an den Kriterien
Darreichungsform,
Packungsgröße
und Wirkstoff
orientiere,
so
seien
diese
als
leistungsfähig anzuerkennen. Der generelle Vorwurf der patentrechtswidrigen Abgabe
eines Angebots durch die Generika-Hersteller durch deren Beteiligung auch am
patentgeschützten Indikationsbereich seitens der ASt gehe daher fehl. Es sei jedenfalls das
Risiko des Bieters, nicht das der Ag, wenn durch die Beteiligung am Vergabeverfahren oder
der späteren Vertragsdurchführung gegebenenfalls Patentrechte verletzt würden. Jeder
Bieter müsse selbst beurteilen, ob er für den ganzen Beschaffungsbedarf anbieten könne
oder auch nicht. Die Angebotslage zeige jedoch, dass sich auch Generika-Hersteller
beteiligt hätten.
Der ASt wurde in Abstimmung mit der Ag Einsicht in die Vergabeakte gewährt. In der mündlichen Verhandlung am 2. März 2015 hatten die Beteiligten Gelegenheit, ihre Standpunkte darzulegen. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie
- 10 auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegen haben, wird ergänzend
Bezug genommen.
II.
Der zulässige Nachprüfungsantrag ist begründet.
1.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
a)
Die Zuständigkeit der Vergabekammer des Bundes ist eröffnet, da sich der
Nachprüfungsantrag auf einen Auftrag bezieht, der dem Bund zuzurechnen ist und
dessen
Auftragswert
oberhalb
des
einschlägigen
Schwellenwerts
liegt.
Insbesondere handelt es sich bei der Ag als eine gesetzliche Krankenkassen um
einen öffentlichen Auftraggeber gemäß § 98 Nr. 2 GWB (vgl. EuGH, Urteil vom 11.
Juni 2009, Rs. C-300/07; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3. September
2009, L 21 KR 51/09 SFB; VK Bund, Beschluss vom 15. Januar 2010, VK 1 –
227/09 m.w.N.). Bei den ausgeschriebenen Rabattverträgen handelt es sich um
Rahmenvereinbarungen im Sinne des § 4 EG VOL/A, welche öffentlichen Aufträgen
gleichgestellt sind.
Auch steht § 104 Abs. 2 GWB der Zuständigkeit der Kammer für das
Nachprüfungsverfahren nicht entgegen, weil – so die Ag – patentrechtliche Fragen
und nicht Rechte aus § 97 Abs. 7 GWB oder sonstige Ansprüche i.S.d. § 104 Abs. 2
GWB von der ASt ins Feld geführt würden. Dem Grunde nach könnte auch eine
patentrechtliche Vorfrage im Einzelfall im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens
mitentschieden werden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Februar 2005, VIIVerg
91/04).
Letztlich
kommt
es
hierauf
aber
nicht
an,
denn
der
verfahrensgegenständliche Streit ist – wie zu zeigen sein wird – allein auf der
Grundlage
vergaberechtlicher
Normen
zu
entscheiden.
Es
geht
um
die
Auswirkungen, welche die patentrechtliche Situation auf die Ausgestaltung des
Vergabeverfahrens hat, mithin um vergaberechtliche Konsequenzen aus der
patentrechtlichen Lage, nicht aber um die isolierte Feststellung von Patentverstößen
durch die Ag. Dass in Bezug auf eine Indikation Patentschutz besteht, ist
unbestritten.
- 11 -
b)
Die ASt ist auch antragsbefugt gemäß § 107 Abs. 2 GWB. Sie trägt sinngemäß und
kurz gefasst vor, dass die Vergabevorgaben keine Basis für einen fairen
Wettbewerb darstellen und mithin keine vergleichbaren Angebote erwarten lassen,
wodurch der ASt ein Schaden in Form einer möglichen Beeinträchtigung oder
Verschlechterung ihrer Zuschlagschancen zu entstehen droht. Auch wenn die ASt
im Ausgangspunkt die patentrechtliche geschützte Indikation für ihre Argumentation
heranzieht, macht sie damit dennoch die Verletzung bieterschützender Normen des
Vergaberechts geltend.
c)
Die ASt hat die geltend gemachten Vergaberechtsverstöße rechtzeitig gemäß § 107
Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 3 GWB gerügt. Die ASt hat den Nachprüfungsantrag auch
innerhalb der Frist von 15 Kalendertagen nach Eingang der Mitteilung der Ag über
die Nichtabhilfe eingereicht (vgl. § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB).
2.
Der Nachprüfungsantrag ist begründet. Die ASt wird durch die Ausgestaltung des
Vergabeverfahrens in ihren Rechten aus § 97 Abs. 5, Abs. 7 GWB, § 19 EG Abs. 9
VOL/A, § 4 EG Abs. 1 Satz 2 VOL/A verletzt. Denn die Ag berücksichtigt bei der
Ermittlung
des
wirtschaftlichsten
Angebots
nicht
in
ausreichendem
Maße
die
patentrechtliche Ausgangs- und damit die zukünftige Substitutionssituation bei der
Vertragsdurchführung, die unmittelbar Auswirkung auf die Wirtschaftlichkeit der Angebote
hat (dazu sub. a)). Darüber hinaus sind die Vergabeunterlagen jedenfalls partiell
intransparent (dazu sub. b)), weshalb sie die Ag überarbeiten muss.
a) Die von der Ag unterlassene Berücksichtigung der unterschiedlichen Abdeckung der
Indikationen
durch
die
verschiedenen
Marktteilnehmer
verstößt
gegen
das
Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 97 Abs. 5 GWB, § 19 EG Abs. 9 VOL/A). Die Kriterien zur
Ermittlung
des
wirtschaftlichsten
Angebots
sind
nicht
mehr
von
der
Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers gedeckt (dazu sub. (1)). Die
patentrechtliche Ausgangslage ist auch nicht aufgrund der sozialrechtlichen
Determinaten irrelevant (dazu sub. (2)).
(1) Die Vorgaben der Ag zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots bilden die
Wirtschaftlichkeit der zu erwartenden Angebote unzureichend ab und verletzt die
ASt daher in ihren Rechten aus § 97 Abs. 5 GWB, § 19 EG Abs. 9 VOL/A.
- 12 -
Zwar ist die Ag hinsichtlich der Bestimmung des Auftragsgegenstands (OLG
Düsseldorf, Beschluss vom 1. August 2012 - VII-Verg 10/12 m.w.N), und auch
der Festlegung der Zuschlagskriterien (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1.
August 2012, VII-Verg 105/11) weitestgehend frei. Bei der Festlegung der
Kriterien für die Zuschlagsentscheidung muss jedenfalls ein Bezug zum
Auftragsgegenstand vorliegen (vgl. Art. 53 Abs. 1 lit. b) Richtlinie 2004/18/EG
und Erwägungsgrund Rn. 46 bzw. Art. 67 Abs. 2 Richtlinie 2014/24/EU). Die Ag
hält jedoch mit dem von ihr vorgegebenen Wertungsvorgang den von ihr selbst
hergestellten Bezug zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots nicht ein:
Denn sie hat zunächst das wirtschaftlichste Angebot in ihren Vergabeunterlagen
definiert als dasjenige mit der maximal zu erzielenden Ersparnis über das
jeweilige Fachlos, d.h. die Summe der in den jeweiligen Packungsgrößen
abgegebenen Einzeldosen multipliziert mit dem vom Bieter angegebenen RabattApU. Die Möglichkeiten der pharmazeutischen Unternehmen, den von der Ag
definierten
Beschaffungsbedarf
Indikation
„[…]“
zu
unter
bedienen,
Einschluss
stellen
sich
der
patentgeschützten
jedoch
aufgrund
des
Patentrechtschutzes höchst unterschiedlich dar. Aus der unterschiedlichen
Abdeckungsmöglichkeit
bezüglich
der
Indikationen
folgt
auch
ein
unterschiedliches Einsparungspotential der jeweiligen Angebote. Während ASt
und gegebenenfalls Parallelimporteure die Indikationen zu 100 % abdecken
können, bedienen die Generika-Hersteller nur zwei der drei Indikationen, die
jedoch (die Zahlen von IMS Health zugrunde legend) anteilig in etwa […] der
verordneten und zu Lasten der Ag abgegebenen Präparate ausmachen. Dies
führt dazu, dass – unbeschadet der sonstigen Umsetzungsquote bei der
Vertragsdurchführung
–
das
Einsparpotential
derjenigen
Bieter,
deren
Arzneimittel alle Indikationen abdecken, im Ausgangspunkt auch […] so hoch ist.
So wird die Ag bei gleichem Rabatt-ApU von Generika-Hersteller und (z.B.) der
ASt bei Bezuschlagung der ASt eine […] so hohe Einsparung generieren. Dies
wird jedoch durch die Außerachtlassung ihrer Indikationsbandbreite nicht bei der
Wirtschaftlichkeitsbetrachtung berücksichtigt. Eine – nach den Vorgaben der Ag
selbst – […] so hohe Wirtschaftlichkeit muss dem Bieter auch einen Vorteil bei
der Zuschlagsentscheidung bringen, da der Zuschlag ansonsten (u.U.) gerade
nicht auf das wirtschaftlichste Angebot erfolgt. Daher hat die Ag einen
- 13 Gewichtungsfaktor, etwa orientiert an den von der ASt vorgelegten Daten von
IMS Health, zu bilden, den Bietern bekannt zu geben und danach zu werten.
Die Ag kann sich daher auch nicht darauf zurückziehen, dass es allein ihr
wirtschaftliches Risiko sei, wie erfolgreich die spätere Umsetzung ist, so dass die
Bieter von den unterschiedlichen Indikationsbandbreite nicht berührt würden und
diese daher vernachlässigbar wäre. Denn das (maximale) Einsparungspotential
wurde von der Ag gerade als allein ausschlaggebendes Kriterium für die
Zuschlagsentscheidung definiert. Dann muss das Einsparungspotential aber
auch korrekt erfasst werden. Die Bieter haben einen Anspruch darauf, dass die
Zuschlagsentscheidung auch wirklich auf der bekannt gemachten Basis erfolgt.
(2) Die Ag kann diesem Erfordernis nach entsprechender Gewichtung der
Indikationsbandbreiten zur Herstellung einer vergleichbaren Wirtschaftlichkeit
auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass § 129 Abs. 1 S. 2 SGB V die
grundsätzliche Substitution bei Vorliegen der Zulassung des Arzneimittels „für ein
gleiches Anwendungsgebiet“ erlaubt und dass die Angebote somit bereits aus
sozialrechtlicher Sicht vergleichbar seien bzw. jedenfalls als vergleichbar zu
gelten hätten. Denn die arzneimittelrechtliche Zulassungssituation lässt keine
Aussage
darüber
vergaberechtliche
zu,
wie
der
Wirtschaftlichkeitsvergleich
Zuschlagsentscheidung
angesichts
Vertragsdurchführung zu erwartenden Umsetzung
der
bei der
für
die
in
der
Abgabe der
unterschiedlichen Präparate auszugestalten ist.
Das Patentrecht der ASt für die Verwendung von […] zur Behandlung […] muss
auch nicht hinter Sozialrecht zurücktreten bzw. wird nicht durch dieses verdrängt.
Der Ansicht der Ag, wonach § 129 Abs. 1 S. 2 SGB V auch das zugunsten der
ASt bestehende Patentrecht derogiere, kann nicht gefolgt werden. Selbst wenn
man durch die Formulierung „haben abzugeben, (…) das für ein gleiches
Anwendungsgebiet zugelassen ist“ in § 129 Abs. 1 S. 2 SGB V widerstreitende
Interessen zwischen dem Sozialrecht auf der einen und dem Patentrecht auf der
anderen Seite annähme, ist die von der Ag vorgenommene Auslegung des
Sozialrechts im Sinne eines generellen Vorranges nur schwer mit grundlegenden
Prinzipien des Rechtsstaates in Einklang zu bringen. Gerät ein Recht mit einem
anderen Recht in Widerstreit, müssen beide zu einem angemessenen Ausgleich
- 14 gebracht werden. Dies erfordert eine Abwägung der widerstreitenden Belange
und verbietet es, einem davon generell – wie etwa hier dem Sozialrecht –
Vorrang einzuräumen (vgl. BVerfGE 77, 240 [253]). Bei Herstellung der zu
fordernden praktischen Konkordanz ist im vorliegenden Fall zu beachten, dass
das Patentrecht Eigentumsqualität und damit Verfassungsrang aufweist und
somit nur durch Gesetz (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG) eingeschränkt werden kann. Es
erscheint schon mehr als fraglich, ob durch die Formulierung „haben abzugeben
(…) das für ein gleiches Anwendungsgebiet zugelassen ist“ der Gesetzgeber
überhaupt an einen Eingriff zulasten geistigen Eigentums gedacht hat; wie
dargelegt, kann dem Gesetzgeber keinesfalls unterstellt werden, dass er im
Sozialrecht geistige Eigentumsrechte, die er mit dem Patentrecht an anderer
Stelle einräumt, verletzt. Jedenfalls hat er auch dem Zitiergebot des Art. 19 Abs.
1 S. 2 GG nicht genügt und das Grundrecht aus Art. 14 GG nicht benannt. Eine
Aufhebung des Patentschutzes bei […] kommt schon deshalb nicht in Betracht.
Daher hat die Ag auch zu berücksichtigen, dass die patentrechtliche
Sonderstellung der Indikation „[…]“ bei der Abgabe der Arzneimittel seinen
Niederschlag findet. Dabei muss von einem rechtmäßigen Verhalten der Ärzte
dergestalt ausgegangen werden, dass diese bei der Verordnung für die
Indikation „[…]“ die fehlende Zulassung der Generika-Hersteller berücksichtigen
und
daher
das
Originalpräparat
unter
Ausschluss
der
Aut-idem-
Ersetzungsbefugnis verordnen. Die Ag darf daher nicht die Unterstellung einer
„wilden Substitution“ zu Lasten des Patentinhabers und mithin ein das Patent
verletzendes Verhalten zum Maßstab ihrer Ausschreibung machen.
(3) Die Ag hat in der Rügeerwiderung und auch in der mündlichen Verhandlung
eingeräumt, dass Daten zur Quantifizierung des Anteils des Indikationsbereichs
„[…]“ an der insgesamt zu ihren Lasten abgegebenen […] Präparate beschaffbar
und
auch
ausweisbar
sind
(zu
den
analogen
Betrachtungen
beim
Auftragsvolumen: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. März 2012 – VII Verg
90/11; Beschluss vom 7. Dezember 2011 – VII Verg 96/11; Beschluss vom 18.
April 2012 – VII Verg 93/11; Beschluss vom 2. Dezember 2009 - VII-Verg 39/09).
Zwar verfügt die Ag selbst nicht über entsprechende Daten, weil die Indikation
nicht auf der Verordnung angegeben wird; hier müsste wohl erst ein Abgleich mit
den sonstigen Abrechnungen, aus denen sich das Krankheitsbild ergibt,
- 15 stattfinden. Allerdings sind empirisch erhobene Daten erhältlich, die die
Verteilung der […] Präparate auf die drei Indikationen ausweisen (etwa über IMS
Health). Entsprechend dieser Werte muss die Ag einen Gewichtungsfaktor
benennen, der die unterschiedliche Abdeckung der Indikationen angemessen
zum
Ausdruck
bringt
und
ihn
zur
Berechnung
des
zu
erwartenden
Einsparpotentials der jeweiligen Angebote anwenden.
b) Im Zuge der Korrektur der Vergabeunterlagen ist den Bietern zur transparenten
Darstellung des Auftragsvolumens in der Anlage „Angebotstabelle in elektronischer
Form, Angebotsblatt […]“ - analog zu den obigen Ausführungen - der Anteil der auf
den
patentgeschützten
Indikationsbereich
fallenden
abgegebenen
Mengen
auszuweisen. Auch wenn bei Rahmenvereinbarungen die Grundsätze zur eindeutigen
und erschöpfenden Leistungsbeschreibung gemäß § EG 8 Abs. 1 VOL/A nur
eingeschränkt gelten (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. April 2012, VII-Verg
93/11), so muss das zu erwartende Auftragsvolumen jedenfalls so genau wie möglich
bekannt gegeben werden, § 4 EG Abs. 1 S. 2 VOL/A. Jedenfalls in Bezug auf die
Generika-Hersteller muss vermieden werden, dass ein zu hohes Abgabevolumen
durch die Einbeziehung der Wirkstoffmengen, die für […] verordnet wurden, suggeriert
wird. Die Wirkstoffmengen sind kalkulationsrelevant.
c)
Die Ag hat daher bei fortbestehender Beschaffungsabsicht das Vergabeverfahren in
den Stand vor
Versendung
der
Vergabeunterlagen zurückzuversetzen,
die
Zuschlagskriterien in Bezug auf die oben ausgeführte Gewichtung der abgedeckten
Indikationsbereiche zu modifizieren, klarzustellen, dass Angebote von GenerikaHerstellern nicht den patentgeschützten Indikationsbereich „[…]“ betreffen (können)
und die diesbezügliche „Restmenge“ auszuweisen. Darüber hinaus hat die Ag in den
Vergabeunterlagen aufzunehmen, dass sie unmittelbar nach dem Zuschlag die
Kassenärztlichen Vereinigungen und die Apothekenverbände über den Patentschutz
entsprechend informiert. Die Ag als Herrin des Vergabeverfahrens trifft die
Obliegenheit sicherzustellen, dass die Abläufe in Umsetzung des Vertrags auch
möglichst denjenigen Annahmen entsprechen, die richtigerweise der Ausschreibung
zugrunde liegen. Hierfür ist eine Information der Ärzte und Apotheker notwendig.
Auf der Grundlage dieser veränderten Vergabeunterlagen ist den Bietern dann
Gelegenheit zu geben, neue Angebote abzugeben.
- 16 -
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 und 4 GWB.
Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die ASt war angesichts der
Schwierigkeiten des Nachprüfungsverfahrens an der Schnittstelle zwischen Patent- und
Vergaberecht notwendig. Nicht notwendig war aber die Hinzuziehung einer zweiten Kanzlei, da
davon auszugehen ist, dass – soweit die ursprünglichen Verfahrensbevollmächtigten das
Patentrecht nicht ausreichend abdecken sollten – eine interne Informationsweitergabe an die
ursprünglichen Verfahrensbevollmächtigten mit deren alleinigem Auftreten im Außenverhältnis
möglich gewesen wäre.
IV.
Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist
schriftlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, beim Oberlandesgericht Düsseldorf – Vergabesenat –, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf,
einzulegen.
Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.
Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dies gilt nicht für
Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.
Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der
Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der
Beschwerdefrist. Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das
- 17 Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern.
Dr. Herlemann
Zeise