Politik Korruptions-Gesetz: Sonder-Strafrecht für Ärzte Gut ein halbes Jahr befand sich das „Anti-Korruptionsgesetz“ für das Gesundheitswesen in der Ressortabstimmung. Was Ende Juli als Kabinettsbeschluss das Licht der Welt erblickte, war nach Ansicht vieler eine Verschlimmbesserung gegenüber dem Referentenentwurf aus dem Hause des Bundesjustizministers, der seit Ende Januar im politischen Berlin kursierte. FOTO: HALFPOINT - FOTOLIA D urch die Neuregelung einer Bestechlichkeit für Heilberufe in den Paragrafen 299a und 299b StGB wird ein neuer Sonderstraftatbestand für Ärzte definiert“, stellt der Bundesvorsitzende des NAV-Virchow-Bundes, Dr. Dirk Heinrich fest. Zwar erkenne man die lauteren Absichten des Gesetzgebers an, Korruption im Gesundheitswesen zu bekämpfen, „aber nicht, in dem man bestehendes Vertrauen in die Heilberufe massiv beschädigt und erwünschte Kooperation nicht eindeutig genug ausschließt“, so Dr. Heinrich. Dabei ist bereits heute schon die Palette der juristischen Werkzeuge gegen ärztliches Fehlverhalten breit gefächert: Es wird bereits strafrechtlich durch die Körperverletzungsund Tötungsdelikte, zivilrechtlich durch die Arzthaftung, berufsrechtlich durch die Berufsgerichtsbarkeit, vertragsarztrechtlich durch Disziplinar- und Zulassungsentziehungsverfahren und approbationsrechtlich durch den Widerruf der Approbation geahndet. „Doch leider haben die Selbstreinigungskräfte der ärztlichen Körperschaften in der Vergangenheit nicht dazu ausgereicht“, räumt Dr. Heinrich ein. Darüber hinaus ist auch mit dem Kabinettsentwurf des Korruptionsgesetzes für den Arzt nicht zweifelsfrei erkennbar, ob sein medizinisch und wirtschaftlich sinnvolles Handeln am Ende nicht doch strafbar wird. „Damit wird das von der Ärzteschaft gleichermaßen getragene Ziel, das Vertrauen der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen zu schützen und den Wettbewerb im Gesundheitswesen zu stützen durch fehlende Praxistauglichkeit verfehlt“, befürchtet der Bundesvorsitzende des Verbandes der niedergelassenen Ärzte. Arzt lehnt Geldgeschenk ab – Unkalkulierbares Risiko durch Anti-Korruptionsgesetz Zwar werde im Kabinettsbeschluss inzwischen eine „gesundheitspolitisch gewollte“ Zusammenarbeit anerkannt und einzelne Kooperationsformen des Sozialgesetzes exemplarisch aufgelistet, es bleibe jedoch ein erhebliches, nicht kalkulierbares Strafbarkeits- und Kriminalisierungsrisiko für alle im Gesundheitswesen maßgeblichen Akteure durch die nach wie vor bestehende Weite und Unschärfe des Tatbestandes. Außerdem waren die exemplarisch aufgezählten Kooperationsformen (prä- und poststationäre Behandlung, ambulante Behandlung in Krankenhäusern (§ 115b), die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (§ 116b) oder die sektorenübergreifende Versorgung (§ 140) allesamt zum Zeitpunkt ihres Entstehens gesetzwidrig. „Innovative Versorgungsmodelle können sich unter dem Damoklesschwert des Korruptionsstrafrechts zukünftig kaum mehr entwickeln“, befürchtet Dr. Heinrich. Des Weiteren bleibt der Bezug bei der Strafbarkeit auf das jewei- 17 — der niedergelassene arzt 08/2015 lige Berufsrecht ein Verstoß gegen den Grundsatz des Gesetzesvorbehaltes, auch wenn der Berufsrechtsbezug jetzt abgemildert formuliert ist. Dem Gesetzesvorbehalt zufolge hat ausschließlich der demokratisch legitimierte Gesetzgeber über eine etwaige Strafbarkeit zu entscheiden und nicht die Berufsrechtlichen Regelungen, die zudem die jeweiligen berufsständischen Kammern in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich ausgestalten können. Insbesondere das nun implementierte ausdrückliche Antragsrecht von Krankenkassen und Versicherungsunternehmen birgt ein hohes Konfliktpotential und eine einseitige Verzerrung des Wettbewerbs zugunsten von Kassen und Versicherungen, befürchtet auch die Allianz deutscher Ärzteverbände, der Zusammenschluss der großen ärztlichen Berufsverbände. So könnten sich zukünftig Kostenträger zur „Lösung“ wirtschaftlicher Konfliktfragen strafrechtlicher Mittel bedienen und Strafanträge gegen Leistungserbringer stellen – und sei es nur, um aus Sicht des Strafantragstellers begehrenswerte, aber ansonsten diesem verborgene Informationen aus Ermittlungsakten zutage zu fördern. „In den Auswirkungen wird dieses Gesetz jedenfalls nicht dazu beitragen, dem ärztlichen Nachwuchs die Niederlassung attraktiv zu machen und dadurch auch zukünftig die flächendeckende Versorgung durch Praxisärzte zu gewährleisten“, stellt Dr. Heinrich fest. Klaus Greppmeir
© Copyright 2024 ExpyDoc