Matthias Kistmacher Fotograieren wie früher Unterwegs mit der zweiäugigen Rolleilex Matthias Kistmacher Fotograieren wie früher Fotograieren wie früher Unterwegs mit der zweiäugigen Rolleilex Matthias Kistmacher Impressum © 2016 Matthias Kistmacher Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de Textformatierung und Buchcover: Sabine Tränert ISBN: 978-3737592888 Printed in Germany Bibliograische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliograie; detaillierte bibliograische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Inhalt Vorwort 6 1 Rund um die zweiäugige Rolleilex - Besondere 3 Nach der Fototour mit der zweiäugigen Rolleif- Eigenschaften, spannende Herausforderungen 9 lex - Vom belichteten (Schwarzweiss-) Film bis zum Fotoabzug 78 3.1 Die Negativentwicklung 79 3.2 Die Positiventwicklung 81 Nachwort 84 1.1 Das Bedienkonzept - Alles manuell und im Finale ein Kurbelschwung! 9 1.2 Das Bildformat - Quadratisch, praktisch, 6 x 6 cm! 11 1.3 Die Brennweite - Fix und doch variabel 12 1.4 Die Bildanzahl - Zwölf sind genug 12 1.5 Der Markt für die Rolleilexen heute - Es gibt sie noch 14 2 Unterwegs mit der zweiäugigen Rolleilex – „Gibt es dafür noch Filme?“ 15 Auf und neben den Straßen Hannovers 16 Beim Treffen alter Käfer 45 Begegnungen im Mittelalter 54 An der wilden Ilse 66 5 Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, liebe Freunde der Fotograie, nie zuvor wurde so viel fotograiert wie heute, Schät- seit dem Jahr 1928 im Hause Franke & Heidecke, zungen zufolge werden weltweit etwa drei Milliarden Braunschweig, hergestellten zweiäugigen Rolleilex- Fotos täglich ins Internet gestellt. Die digitale Foto- kameras aus dem Produktionsjahr 1960; der Rolleif- technik, verpackt in unzähligen Digitalkameras und lex 2,8 F. Smartphones, generiert eine Massenbilderlut, die die visuelle Wahrnehmung des Menschen vor immer Im ersten Abschnitt „Rund um die zweiäugige Rol- größere Herausforderungen stellt. Denn Bilder ent- leilex“ widme ich mich zunächst den besonderen stehen nicht nur, sondern sie wollen zugleich auch technischen Eigenschaften dieser „älteren Dame“, einer Bewertung in einem sekundenschnellen Aus- die sie für eine entschleunigte Art des Fotograierens leseprozess via Kamerasensor unterzogen werden. geradezu prädestinieren. Dabei gehe ich bei Weitem Fotos kosten heute nichts mehr und lassen sich be- nicht auf alle technischen Eigenschaften und Feinhei- liebig oft kopieren und verbreiten – oft nur für einen ten dieser Kamera ein, sondern beleuchte nur solche kurzen lüchtigen Augenblick der Wahrnehmung ihrer intensiver, die die Art des Fotograierens im oben er- Betrachter. Die so beschleunigte Ablichtung der Welt wähnten Sinne unterstützen. steht jedoch im Gegensatz zum heutigen Wunsch vieler Menschen nach einer verlangsamten Erfas- Im zweiten Abschnitt „Unterwegs mit der zweiäu- sung des Hier und Jetzt. Eine mit Bedacht und Acht- gigen Rolleilex“ berichte ich anhand von Bildbei- samkeit betriebene Fotograie kann hier ein Mittel spielen von eigenen Auslügen mit dieser Kamera. a) sein, mit dem es gelingt, in Bildern auch einmal die Eine Auswahl von Motiven aus verschiedene Sujets Zeit still stehen zu lassen und sie auf diese Weise von Street bis Landschaft sollen das breite Einsatz- selten und damit wertvoll zu machen. spektrum der Kamera aufzeigen. Begleitet werden die Fotos von Texten, die etwas über die gezeigten Mit dem vorliegenden Buch möchte ich interessier- Motive selbst und auch über die Art, wie sie entstan- ten Fotoamateuren den Weg der klassischen ilmba- den sind, erzählen. sierten Fotograie als Möglichkeit vorstellen, zu einer entschleunigten Wahrnehmung der Umwelt zu gelan- Der dritte Abschnitt möchte die Lust bei Ihnen als gen. Hierzu bediene ich mich einer Vertreterin der Leserin und Leser wecken, es einmal selbst mit dem 6 Entwickeln von Fotos zu probieren. Dabei wird der Weg vom belichteten (Schwarzweiss-) Film bis zu den fertigen Bildabzügen - komplett in Eigenregie! in Grundzügen beleuchtet, ohne allerdings auf alle Feinheiten und Finessen der einzelnen Arbeitsschritte einzugehen. Und nun, liebe Leserinnen und Leser, wünsche ich Ihnen viel Freude bei Ihrem eigenen Abenteuer „Fotograieren anno 1960“ mit diesem (oder einem ähnlichen) charmanten Kameraklassiker wie die „alte Dame“ Rolleilex 2,8 F. Matthias Kistmacher 7 Fotograieren wie früher Die zweiäugige Rolleilex 2,8 F aus dem Produktionsjahr 1960. 8 Rund um die zweiäugige Rolleilex 1 Rund um die zweiäugige Rolleilex Besondere Eigenschaften, spannende Herausforderungen 1.1 Das Bedienkonzept - Alles manuell und im Finale ein Kurbelschwung! Jede Rolleilex besteht als „TLR (Twin Lens Relex)“- Kamera zunächst einmal aus zwei räumlich voneinander getrennten Kameras; einer Sucherkamera (oberes Objektiv) und einer Aufnahmekamera (unteres Objektiv). Dies hat im praktischen Einsatz den großen Vorteil, dass das Motiv ständig, d.h. vor, während und nach der Aufnahme für den Fotografen sichtbar und kontrollierbar bleibt. Der brillante optische Sucher und die eingebaute helEntfernungseinstellung und Belichtungsmessung. le Einstellscheibe der Rolleilex 2,8 F ermöglichen es dem Fotografen, sein Motiv mit der gleichen Detailgenauigkeit und Übersicht zu komponieren, wie es Die damit verbundene hohe Detailfülle und Tiefe des das menschliche Auge selbst leisten würde. Insofern Motivs waren schlicht überwältigend. Damit dieser entwickelt man zu seinem Motiv von Anfang an eine Eindruck nicht von störendem Seitenlicht getrübt wird, enge Beziehung und Nähe. Das Bild aus dem Sucher ist die Einstellscheibe von einem Faltlichtschacht um- ist so identisch mit dem, welches die Aufnahmekame- geben. ra belichtet. Auf diese Weise werden das menschliche Sehen und jenes der Kamera miteinander vereint. Als Trotz ihrer für heutige Verhältnisse eher spartani- ich zum ersten Mal ein Motiv auf der ca. 5,5 cm x schen Ausstattung bietet die Rolleilex ihrem Anwen- 5,5 cm großen Einstellscheibe betrachtete, bot sich der alles, was dieser zu einem guten Foto braucht. mir eine beeindruckende Szenerie, bei der ich den Vorausgesetzt wird nur die Bereitschaft, sich auf Eindruck bekam, die Kamera böte mir ein dreidimen- das Abenteuer „komplett manuelle Bedienung anno sionales und damit getreues Abbild der Wirklichkeit. 1960“ einzulassen. Denn im Gegensatz zu aktuellen 9 Fotograieren wie früher Kameras, die mit ihren unzähligen Motivprogrammen zuvor beschriebenen, besonders hellen und mit Git- und Sonderfunktionen wie Gesichtserkennung etc. ternetzlinien versehenen Einstellscheiben der „neu- das Fotograieren nahezu automatisieren, war ein ren“ Rolleilexen ab Mitte der 1950er-Jahre zu ver- eingebauter Belichtungsmesser in der Rolleilex 2,8 danken ist. Denn bereits die Auswirkungen auch nur F bereits purer Luxus. minimalster Justierungen von Schärfe und Entfernungseinstellung werden hier sofort sicht- und erfahr- Seine Energie bezieht der Belichtungsmesser aus bar. einer Reihe von Seelenzellen, die sich am Kopf der Kamera-Frontplatte beinden. Diese Energiequelle ist Gerade die Schärfe- / Unschärferegionen lassen sich - einmal versiegt - leider nicht erneuerbar. Die Funk- so optimal visuell kontrollieren und mit Blick auf deren tionstüchtigkeit des Belichtungsmessers hängt davon Bildwirkungen abschätzen. Für kleinste Details lässt ab, wie die Kamera über die vergangenen Jahrzehn- sich zusätzlich eine Lupe aufklappen, die dezent im te gelagert wurde. War sie beispielsweise über länge- Lichtschacht untergebracht ist. re Zeit hoher Lichtintensität ausgesetzt, können die Selenzellen heute nahezu erschöpft sein. Mein Lieblingsutensil kommt schließlich im Finale des Einstellvorgangs ins Spiel: die praktische wie form- Es empiehlt sich daher, im Zweifelsfall auf einen ex- schöne Kurbel, die sich an der rechten Außenseite ternen Belichtungsmesser zurückzugreifen, mit dem des Gehäuses beindet. Ein Pendelschwung, der sich das Messergebnis der Kamera überprüft werden aus einer vollen Vorwärtsdrehung zum Weitertrans- kann. Der eigentliche Belichtungsabgleich und damit port des Films sowie einer halben Rückwärtsdrehung die Einstellung der jeweils passenden Zeit- /Blen- zum Spannen des Verschlusses vor der nächsten den-Kombination erfolgt über zwei kleine Rädchen, Belichtung zusammensetzt, macht sie gewisserma- die sich zwischen den Objektiven beinden. Aufgrund ßen zur Schaltzentrale der Kamera. dieser wenigen Bedienelemente ist die Kamera beinahe intuitiv zu bedienen. Danach folgt ein sanfter Druck auf den Auslöser, der in gut erreichbarer „Zeigeinger-Position“ angebracht Eine interessante Prozedur ist auch die Einstellung ist, und das Motiv ist durch ein Klicken im Flüsterton der Motivschärfe über einen seitlich angebrachten „im Kasten“. Jetzt hat wiederum die Kurbel ihren Auf- Entfernungseinstellknopf, wird doch dabei die ge- tritt. Durch diese sehr bewusste Wahl jedes einzelnen samte Frontplatte der Rolleilex mitbewegt. Dieser Aufnahmeparameters wird ein tieferes Verständnis Vorgang gerät in der Aufnahmepraxis aus meiner für den fotograischen Aufnahmeprozess erreicht. 10 Rund um die zweiäugige Rolleilex Für die Praxis bedeutet dies, dass bei einem quadratischen Bildformat die Entscheidung, ob ein Motiv im Hoch- oder Querformat fotograiert wird, entfällt. Gerade unter Aufnahmebedingungen, in denen der Faktor Zeit eine besondere Rolle spielt, liegt hier ein nicht zu unterschätzender Vorteil im Vergleich mit anderen Bildformaten. Etwas gewöhnungsbedürftig erscheint dagegen die Tatsache, dass die Mattscheibe der Rolleilex ein seitenverkehrtes Bild liefert. Die „Kurbel“ der Rolleilex. Nichts wird von der Kamera vorgegeben, nichts erfolgt zufällig. Alles muss in Selbsterfahrung vom Fotografen erarbeitet und entdeckt werden – ein von Anfang an kreativer, ja fast meditativer Vorgang! 1.2 Das Bildformat - Quadratisch, praktisch, 6 x 6 cm! Die doppeläugige Rolleilex liefert als Mittelformatkamera stets ein quadratisches Bild im Negativformat Der Blick durch den quadratischen Sucher. 6 x 6 cm. Dieses bietet später noch alle Möglichkei- Dies führt zuweilen zu Irritationen, in welche Richtung ten zur Umarbeitung auf andere Formate, respektive die Kamera in der Aufnahmesituation denn nun zu be- Ausschnitte. Die hohe Abbildungsqualität des Auf- wegen sei. Bei mir stellte sich diese Entscheidungs- nahmeobjektivs der Rolleilex sowie das technisch indung anfangs als etwas bizarr anmutende „Kame- bedingte sehr hohe Aulösungsvermögen eines Mit- ra-Schwenk-Aktionen“ dar, wobei sich mir später zwei telformatnegativs liefern dazu eine hervorragende Möglichkeiten der Abhilfe boten. Die erste besteht Bildqualität und Schärfe. darin, neben dem Einblick in den Lichtschachtsucher 11 Fotograieren wie früher 1.4 Die Bildanzahl - Zwölf sind genug auch einmal aufzuschauen und das zu fotograierende Motiv zu ixieren, während ich die Bildkomposition im Detail festlege. Im Anschluss daran geht mein Dies mag zunächst als eine gewaltige Einschränkung Blick wieder zurück zur Einstellscheibe, um mich zu der fotograischen Freiheit erscheinen, jedoch trifft vergewissern, die Kamera nicht in die falsche Rich- nach meiner Erfahrung eher das Gegenteil zu. Denn tung zu bewegen. Alternativ - und hier liegt die zweite die oft zeitaufwendige Suche nach der „richtigen“ Möglichkeit zur Lösung - bietet sich auch die Verwen- Brennweite bzw. dem „passenden“ Objektiv für eine dung eines speziellen Prismensuchers als Zubehör bestimmte Motivsituation entfällt. Der Fotograf erar- zur Rolleilex an. beitet sich sein Motiv daher „mit den Füßen“ statt am Zoomring des Objektivs zu drehen oder das Objektiv 1.3 Die Brennweite - Fix und doch variabel zu wechseln. Insofern unterstützt die Rolleilex den Fotografen hier einmal mehr darin, sich voll und ganz Alle doppeläugigen Rolleilexen verfügen über ein auf das wichtigste, nämlich sein Motiv, zu konzentrie- eingebautes Objektiv mit Festbrennweite, welches ren. Allerdings boten Hersteller wie Zeiss später Vor- modellabhängig in Typ, Brennweite und maximaler sätze („Mutare“) für das Normalobjektiv der Rolleilex Blendenöffnung variiert. Im Falle der 2,8 F ist es ein an, mit denen ein Teleeffekt mit 1,5-facher Vergröße- 80 mm Objektiv, das einem Kleinbild-äquivalent von rung bzw. ein Weitwinkeleffekt mit 0,7-facher Vergrö- 50 mm und damit der sogenannten „Normalbrenn- ßerung erreicht wird. weite“ entspricht. Die heutigen, für die digitale Fotowelt konzipierten Speichermedien bieten einen nahezu unbegrenzten Platz für die Speicherung der gemachten Aufnahmen, wobei die Kostenfrage im Grunde keine Rolle mehr spielt. Für die Art des Fotograierens bedeutet dies, dass Motive oftmals schon obligatorisch in allen denkbaren Perspektiven und Details zigfach in kürzester Zeit abgelichtet werden - und dies auch unter nicht immer optimalen Aufnahmebedingungen. Oft wird dabei mit der Erwartung fotograiert, die so entstandene Bilderlut enthielte quasi schon „von selbst“ genügend gute Fotos. Die Sichtung und Auslese der 12 Rund um die zweiäugige Rolleilex Bilder erfolgt dann entweder sofort unter den sehr Detail zu Tage tritt oder die Lichtverhältnisse doch eingeschränkten Möglichkeiten kleiner digitaler Sen- nicht optimal sind. Hinzu kommt, dass ein Filmwech- soren oder später am heimischen PC. sel mit der Rolleilex ein gewisses Fingerspitzenge- Ganz anders gestaltet sich dieser Vorgang in der Rol- fühl verlangt und nicht „nebenbei“ zu bewerkstelligen leilex-Fotograie. Die Kamera wird in der Regel mit ist. einem 120er Rollilm bestückt, der „ganze“ zwölf Belichtungen im Format 6 x 6 cm erlaubt. Was heißt dies Die Begrenzung auf ein Dutzend Aufnahmen pro nun für die fotograische Praxis? Film führt den Rolleilex-Fotografen so zu einer jeweils sehr bewussten Auseinandersetzung mit seinen Motiven. Er muss sich besonders aktiv um dieses bemühen und alle Aufnahmeverhältnisse sowie technischen Parameter intensiv prüfen, ehe er sich zu einer Belichtung entschließt. Dies führt nach meiner Ansicht geradezu zwangsläuig zu qualitativ guten Fotos - auch ohne die heute nahezu obligatorische digitale Nachbearbeitung via Computer. Letztere braucht es im Grunde kaum, da die technischen Eigenschaften sowie die begrenzte Aufnahmekapazität eines Rollilms den Anwender im bewussten Umgang mit Motiven schult und vor einem allzu unkritischen „Draulosfotograieren“ schützt. Es stellt sich so die Erkenntnis ein: „Zwölf Auslösungen sind Rollilme im Format 120 liefern zwölf Negative in der Größe 6 x 6 cm. genug“. Ein Dozent für Fotograie sagte mir einmal: Wenn es einem ambitionierten Amateur gelingt, pro Wenn einem nur zwölf Belichtungen bis zum nächs- Monat ein so gutes Foto zu machen, dass er es sich ten Filmwechsel zur Verfügung stehen, überlegt an die Wand hängen bzw. es ausstellen würde, so man sich jeweils ganz genau, ob und wenn ja, was war es ein erfolgreicher fotograischer Monat. In ei- fotograiert wird. Manchmal ist es sogar die bessere nem Jahr wären demnach schon zwölf Fotos dieser Entscheidung, eine bereits im Kopf konzipierte Auf- Qualität eine gute Ausbeute. nahme doch nicht zu machen, da beispielsweise im letzten Moment vor dem Auslösen ein störendes 13 Fotograieren wie früher 1.5 Der Markt für die Rolleilexen heute - Es gibt gut erhaltenes Exemplar des Spitzenmodells Rollei- sie noch lex 2,8 F aus den 1960er-Jahren vor ca. zehn Jahren noch für etwa 1.000 DM erhältlich, so muss heute Das Interesse an den seit 1928 hergestellten hierfür mindestens der gleiche Preis in Euro bezahlt doppeläugigen Rolleilexen nahm bereits in den werden. Exemplare des gleichen Typs in „Vitrinen- 1970er-Jahren angesichts neuerer technologischer qualität“ können durchaus auch mit nahezu dem dop- Entwicklungen deutlich ab. Infolgedessen wurde die pelten Betrag zu Buche schlagen. Nicht so gefragte Serienproduktion Ende des Jahrzehnts eingestellt oder nicht ganz so hochwertige Modelltypen wie die und die Rolleilex - von einigen Sondereditionen in Rolleilexen 3,5 A, B oder C sind jedoch mit etwas Kleinstaulage abgesehen - ab 1977 nur noch auf Glück und im Zustand „gut gebraucht“ für 300 - 500 Sonderwunsch gefertigt. Euro zu haben. Hinzurechnen sollte man noch einmal 100 - 200 Euro für eine Generalüberholung der Seit einigen Jahren führt die Firma DHW Fototechnik Kamera durch einen ausgewiesenen Rolleilex-Fach- aus Braunschweig die Tradition dieser großartigen betrieb, da etwa der Verschluss der Kamera aufgrund Kameratypen an deren Geburtsstätte als handwerk- langjährigen Nichteinsatzes verharzt sein kann. Da- licher Manufakturbetrieb weiter und fertigt einige die- nach hält man jedoch wieder eine auf Jahrzehnte hin ser Kameramodelle in liebevoller Handarbeit sowie in hervorragend funktionierende und zuverlässig ein- sehr kleiner Stückzahl. Diese Kameras blieben zwar setzbare Kamera in den Händen. dem grundlegenden Bedienkonzept der zweiäugi- Als recht zeit- und geldaufwendig kann sich zuwei- gen treu, verfügen jedoch über teils modernste Ka- len die Suche nach Ersatz- und Zubehörteilen für die meratechnik, z. B. bei der Blitzsynchronisation. Die Rolleilexen im jeweiligen Originalzustand gestalten. Modelle zielen mit Preisen von ca. 4.000 bis 6.000 Für Sonnenblenden, Objektivdeckel, Tragegurte oder Euro (Grundausstattung) jedoch eher auf den gut Bereitschaftstaschen werden teils horrende Preise betuchten Liebhaber oder Proianwender denn den verlangt – und gezahlt. Beim Kauf eines „neuen“ Ka- ambitionierten Fotoamateur ab. Dem entgegen indet meraexemplars sollte man daher auch darauf achten, sich besonders bei den einschlägigen Onlineaukti- mindestens zwei der genannten Zubehörteile gleich onshäusern sowie vielen stationären Fotohändlern mitgeliefert zu bekommen. Leichter und deutlich auch heute noch ein sehr reichhaltiges Angebot klas- günstiger können hingegen diverse Kamerailter zur sischer gebrauchter Rolleilexen aus vergangenen Rolleilex erstanden werden, auch, weil in diesem Jahrzehnten. Die Preisentwicklung hat dabei in den Bereich inzwischen zahlreiche Nachbauten diverser vergangenen Jahren deutlich angezogen. War ein Firmen erhältlich sind. 14 Unterwegs mit der zweiäugigen Rolleilex 2 Unterwegs mit der zweiäugigen Rolleilex – „Gibt es dafür noch Filme?“ Wie bin ich auf die Idee gekommen, mit einer über Schon beim ersten Betrachten der Rolleilex fragte fünfzig Jahre alten Kamera, loszuziehen und auf Mo- ich mich: Was hat die Kamera schon alles gesehen, tivjagd zu gehen? Wie hat meine Leidenschaft für was abgelichtet? Wer hat schon alles mit ihr foto- die zweiäugigen eigentlich ihren Anfang genommen? graiert? Irgendwie fühlte ich mich als jemand, der Hierzu eine kleine Geschichte. diese früheren Erlebnisse der Kamera in das Hier und Jetzt weitertragen wollte bzw. musste. Und am Es ist noch früh am Morgen, als ein älterer Herr an besten konnte ich dies tun, wenn ich mit ihr fotogra- einer auf einem Stativ befestigten Kamera diverse ierte. Dabei bemerkte ich relativ schnell, dass diese Einstellungen vornimmt und einen einsam stehen- besondere Kamera nicht bloß als technisches Gerät den, vom Nebel eingehüllten Baum ins Visier nimmt. fungierte, sondern auch als eine Brücke, um mit Men- Er macht dies sehr behutsam und langsam in einem schen ins Gespräch zu kommen. Egal ob auf dem fast rituellen Zusammenspiel zwischen einem Hand- Viktualienmarkt in München oder auf dem Flohmarkt belichtungsmesser und seiner Kamera und wirkt da- in Hannover - stets folgen den interessierten Blicken bei wie ein Dirigent eines Orchesters der „Grillen“, auf die Rolleilex auch Fragen von Passanten wie dessen leisester Ton bereits ohrenbetäubend wäre. „Gibt es dafür noch Filme“ oder „So eine hatte ich Von dieser Szene aus einem Krimi der Reihe „Inspec- früher auch“. Schon entwickelt sich ein Gespräch, tor Barnaby“ ging für mich ein schwer beschreibbarer durch das sich schon so manche kleine Portraitserie Zauber aus, der auch und gerade mit dieser recht mit dem fragenden anschloss. Von daher weiß man ungewöhnlichen Kamera zusammenhängen mochte vor einem Fotospaziergang mit der zweiäugigen nie und dem ich auf die Spur kommen wollte. Nach ei- so genau, was sich neben dem reinen und geplanten niger Recherche hatte ich herausgefunden, um wel- ablichten der gewünschten Motive noch so an span- che Kamera es sich handelte und alsbald ein solches nenden und spontanen Eindrücken ergibt. Und gera- Exemplar erstanden. Es stammte aus dem Produk- de hier liegt ein Teil des Zaubers, der heute und auch tionsjahr 1960 und befand sich im Besitz eines pen- noch künftig von diesem Kamera-Klassiker ausgeht. sionierten Schulleiters, der die Kamera von seinem Vater geerbt hatte. 15 Fotograieren wie früher Auf und neben den Straßen Hannovers Blick durch die Altstadt zur Marktkirche. 16 Unterwegs mit der zweiäugigen Rolleilex Hannover – meine Heimatstadt seit dreißig Jahren! Dabei soll jedoch der Anspruch verfolgt werden, mit In dieser Zeit habe ich diese Stadt kennen und lie- jeweils einigen wenigen Bildbeispielen in sämtliche ben gelernt sowie in den vergangenen Jahren auch Facetten einer mittleren Großstadt – und hier eig- häuig mit der Rolleilex erkundet. Der dabei entstan- net sich Hannover geradezu vortreflich - hineinzu- dene Blick auf und in diese Stadt muss zwangsläuig schnuppern. Fotograiert habe ich während meiner subjektiv bleiben, denn auch ich sehe – wie eigentlich Streifzüge durch Hannover nicht nach einem vorher jeder Betrachter – nicht das, was ist, sondern das, festgelegten Konzept oder einer vorab komponier- was ich sehen möchte. Insofern kann es auf den fol- ten Bild-/Themenidee, sondern getreu dem Reiz des genden Seiten nicht darum gehen, Hannover in allen spontanen Impulses oder schlicht im Sinne dessen, denkbaren urbanen Genres gebührend zu portrai- was mir auf und neben den Straßen Hannovers ge- tieren. Nein, es ist mir lediglich wichtig, am Beispiel iel. Hannovers zu verdeutlichen, welch unterschiedliche Motive sich in einer Stadt inden und auch oder gerade mit den technisch durchaus limitierten Eigenschaften der Rolleilex auf Film bannen lassen. 17 Fotograieren wie früher Das 1913 im wilhelminischen Stil erbaute neue Rathaus von Hannover. 18 Unterwegs mit der zweiäugigen Rolleilex Umsäumt wird das neue Rathaus vom Maschpark, der mit seinen schön angelegten Teichen und sehr alten Baumbeständen mitten in der Stadt zum Verweilen einlädt. Hinzu kommen mehrere Brücken, die sich durch ihre reichen und kunstvollen Verzierungen mit Blätter- und Blumenornamenten attraktiv ins natürliche Umfeld einfügen. Eine dieser denkmalgeschützten Brücken ist beliebter Treffpunkt für Paare, die ihre Verbundenheit dort seit einigen Jahren durch das Befestigen von Liebesschlössern am Geländer einer dieser Brücken bekunden – ganz nach pariser Tradition. Die beiden auf dem unteren Foto bemerkten mich zunächst nicht und schauten dann ungläubig auf meine etwas antiquierte Kamera. Schließlich wollten sie sich selbst überzeugen, dass es das gute Stück noch „tut“ und ließen sich von mir fotograieren. 19 Fotograieren wie früher Blick durch die Fußgängerzone zum Hauptbahnhof. 20 Ende der Leseprobe von: Fotografieren wie früher - - Unterwegs mit der zweiäugigen Rolleiflex Matthias Kistmacher Hat Ihnen die Leseprobe gefallen? Das komplette Buch können Sie bestellen unter: http://epub.li/1Y79ENX
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