Fotografieren wie früher

Matthias Kistmacher
Fotograieren wie früher
Unterwegs mit der zweiäugigen Rolleilex
Matthias Kistmacher
Fotograieren wie früher
Fotograieren wie früher
Unterwegs mit der zweiäugigen Rolleilex
Matthias Kistmacher
Impressum
© 2016 Matthias Kistmacher
Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
Textformatierung und Buchcover: Sabine Tränert
ISBN: 978-3737592888
Printed in Germany
Bibliograische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliograie; detaillierte bibliograische
Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Inhalt
Vorwort
6
1 Rund um die zweiäugige Rolleilex - Besondere
3 Nach der Fototour mit der zweiäugigen Rolleif-
Eigenschaften, spannende Herausforderungen 9
lex - Vom belichteten (Schwarzweiss-) Film bis
zum Fotoabzug
78
3.1 Die Negativentwicklung
79
3.2 Die Positiventwicklung
81
Nachwort
84
1.1 Das Bedienkonzept - Alles manuell und im Finale
ein Kurbelschwung!
9
1.2 Das Bildformat - Quadratisch, praktisch,
6 x 6 cm!
11
1.3 Die Brennweite - Fix und doch variabel
12
1.4 Die Bildanzahl - Zwölf sind genug
12
1.5 Der Markt für die Rolleilexen heute - Es gibt
sie noch
14
2 Unterwegs mit der zweiäugigen Rolleilex –
„Gibt es dafür noch Filme?“
15
Auf und neben den Straßen Hannovers
16
Beim Treffen alter Käfer
45
Begegnungen im Mittelalter
54
An der wilden Ilse
66
5
Vorwort
Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Freunde der Fotograie,
nie zuvor wurde so viel fotograiert wie heute, Schät-
seit dem Jahr 1928 im Hause Franke & Heidecke,
zungen zufolge werden weltweit etwa drei Milliarden
Braunschweig, hergestellten zweiäugigen Rolleilex-
Fotos täglich ins Internet gestellt. Die digitale Foto-
kameras aus dem Produktionsjahr 1960; der Rolleif-
technik, verpackt in unzähligen Digitalkameras und
lex 2,8 F.
Smartphones, generiert eine Massenbilderlut, die
die visuelle Wahrnehmung des Menschen vor immer
Im ersten Abschnitt „Rund um die zweiäugige Rol-
größere Herausforderungen stellt. Denn Bilder ent-
leilex“ widme ich mich zunächst den besonderen
stehen nicht nur, sondern sie wollen zugleich auch
technischen Eigenschaften dieser „älteren Dame“,
einer Bewertung in einem sekundenschnellen Aus-
die sie für eine entschleunigte Art des Fotograierens
leseprozess via Kamerasensor unterzogen werden.
geradezu prädestinieren. Dabei gehe ich bei Weitem
Fotos kosten heute nichts mehr und lassen sich be-
nicht auf alle technischen Eigenschaften und Feinhei-
liebig oft kopieren und verbreiten – oft nur für einen
ten dieser Kamera ein, sondern beleuchte nur solche
kurzen lüchtigen Augenblick der Wahrnehmung ihrer
intensiver, die die Art des Fotograierens im oben er-
Betrachter. Die so beschleunigte Ablichtung der Welt
wähnten Sinne unterstützen.
steht jedoch im Gegensatz zum heutigen Wunsch
vieler Menschen nach einer verlangsamten Erfas-
Im zweiten Abschnitt „Unterwegs mit der zweiäu-
sung des Hier und Jetzt. Eine mit Bedacht und Acht-
gigen Rolleilex“ berichte ich anhand von Bildbei-
samkeit betriebene Fotograie kann hier ein Mittel
spielen von eigenen Auslügen mit dieser Kamera. a)
sein, mit dem es gelingt, in Bildern auch einmal die
Eine Auswahl von Motiven aus verschiedene Sujets
Zeit still stehen zu lassen und sie auf diese Weise
von Street bis Landschaft sollen das breite Einsatz-
selten und damit wertvoll zu machen.
spektrum der Kamera aufzeigen. Begleitet werden
die Fotos von Texten, die etwas über die gezeigten
Mit dem vorliegenden Buch möchte ich interessier-
Motive selbst und auch über die Art, wie sie entstan-
ten Fotoamateuren den Weg der klassischen ilmba-
den sind, erzählen.
sierten Fotograie als Möglichkeit vorstellen, zu einer
entschleunigten Wahrnehmung der Umwelt zu gelan-
Der dritte Abschnitt möchte die Lust bei Ihnen als
gen. Hierzu bediene ich mich einer Vertreterin der
Leserin und Leser wecken, es einmal selbst mit dem
6
Entwickeln von Fotos zu probieren. Dabei wird der
Weg vom belichteten (Schwarzweiss-) Film bis zu
den fertigen Bildabzügen - komplett in Eigenregie! in Grundzügen beleuchtet, ohne allerdings auf alle
Feinheiten und Finessen der einzelnen Arbeitsschritte einzugehen.
Und nun, liebe Leserinnen und Leser, wünsche ich
Ihnen viel Freude bei Ihrem eigenen Abenteuer „Fotograieren anno 1960“ mit diesem (oder einem ähnlichen) charmanten Kameraklassiker wie die „alte
Dame“ Rolleilex 2,8 F.
Matthias Kistmacher
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Fotograieren wie früher
Die zweiäugige Rolleilex 2,8 F aus dem Produktionsjahr 1960.
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Rund um die zweiäugige Rolleilex
1 Rund um die zweiäugige Rolleilex
Besondere Eigenschaften, spannende Herausforderungen
1.1 Das Bedienkonzept - Alles manuell und im
Finale ein Kurbelschwung!
Jede Rolleilex besteht als „TLR (Twin Lens Relex)“- Kamera zunächst einmal aus zwei räumlich
voneinander getrennten Kameras; einer Sucherkamera (oberes Objektiv) und einer Aufnahmekamera
(unteres Objektiv). Dies hat im praktischen Einsatz
den großen Vorteil, dass das Motiv ständig, d.h. vor,
während und nach der Aufnahme für den Fotografen
sichtbar und kontrollierbar bleibt.
Der brillante optische Sucher und die eingebaute helEntfernungseinstellung und Belichtungsmessung.
le Einstellscheibe der Rolleilex 2,8 F ermöglichen es
dem Fotografen, sein Motiv mit der gleichen Detailgenauigkeit und Übersicht zu komponieren, wie es
Die damit verbundene hohe Detailfülle und Tiefe des
das menschliche Auge selbst leisten würde. Insofern
Motivs waren schlicht überwältigend. Damit dieser
entwickelt man zu seinem Motiv von Anfang an eine
Eindruck nicht von störendem Seitenlicht getrübt wird,
enge Beziehung und Nähe. Das Bild aus dem Sucher
ist die Einstellscheibe von einem Faltlichtschacht um-
ist so identisch mit dem, welches die Aufnahmekame-
geben.
ra belichtet. Auf diese Weise werden das menschliche
Sehen und jenes der Kamera miteinander vereint. Als
Trotz ihrer für heutige Verhältnisse eher spartani-
ich zum ersten Mal ein Motiv auf der ca. 5,5 cm x
schen Ausstattung bietet die Rolleilex ihrem Anwen-
5,5 cm großen Einstellscheibe betrachtete, bot sich
der alles, was dieser zu einem guten Foto braucht.
mir eine beeindruckende Szenerie, bei der ich den
Vorausgesetzt wird nur die Bereitschaft, sich auf
Eindruck bekam, die Kamera böte mir ein dreidimen-
das Abenteuer „komplett manuelle Bedienung anno
sionales und damit getreues Abbild der Wirklichkeit.
1960“ einzulassen. Denn im Gegensatz zu aktuellen
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Fotograieren wie früher
Kameras, die mit ihren unzähligen Motivprogrammen
zuvor beschriebenen, besonders hellen und mit Git-
und Sonderfunktionen wie Gesichtserkennung etc.
ternetzlinien versehenen Einstellscheiben der „neu-
das Fotograieren nahezu automatisieren, war ein
ren“ Rolleilexen ab Mitte der 1950er-Jahre zu ver-
eingebauter Belichtungsmesser in der Rolleilex 2,8
danken ist. Denn bereits die Auswirkungen auch nur
F bereits purer Luxus.
minimalster Justierungen von Schärfe und Entfernungseinstellung werden hier sofort sicht- und erfahr-
Seine Energie bezieht der Belichtungsmesser aus
bar.
einer Reihe von Seelenzellen, die sich am Kopf der
Kamera-Frontplatte beinden. Diese Energiequelle ist
Gerade die Schärfe- / Unschärferegionen lassen sich
- einmal versiegt - leider nicht erneuerbar. Die Funk-
so optimal visuell kontrollieren und mit Blick auf deren
tionstüchtigkeit des Belichtungsmessers hängt davon
Bildwirkungen abschätzen. Für kleinste Details lässt
ab, wie die Kamera über die vergangenen Jahrzehn-
sich zusätzlich eine Lupe aufklappen, die dezent im
te gelagert wurde. War sie beispielsweise über länge-
Lichtschacht untergebracht ist.
re Zeit hoher Lichtintensität ausgesetzt, können die
Selenzellen heute nahezu erschöpft sein.
Mein Lieblingsutensil kommt schließlich im Finale des
Einstellvorgangs ins Spiel: die praktische wie form-
Es empiehlt sich daher, im Zweifelsfall auf einen ex-
schöne Kurbel, die sich an der rechten Außenseite
ternen Belichtungsmesser zurückzugreifen, mit dem
des Gehäuses beindet. Ein Pendelschwung, der sich
das Messergebnis der Kamera überprüft werden
aus einer vollen Vorwärtsdrehung zum Weitertrans-
kann. Der eigentliche Belichtungsabgleich und damit
port des Films sowie einer halben Rückwärtsdrehung
die Einstellung der jeweils passenden Zeit- /Blen-
zum Spannen des Verschlusses vor der nächsten
den-Kombination erfolgt über zwei kleine Rädchen,
Belichtung zusammensetzt, macht sie gewisserma-
die sich zwischen den Objektiven beinden. Aufgrund
ßen zur Schaltzentrale der Kamera.
dieser wenigen Bedienelemente ist die Kamera beinahe intuitiv zu bedienen.
Danach folgt ein sanfter Druck auf den Auslöser, der
in gut erreichbarer „Zeigeinger-Position“ angebracht
Eine interessante Prozedur ist auch die Einstellung
ist, und das Motiv ist durch ein Klicken im Flüsterton
der Motivschärfe über einen seitlich angebrachten
„im Kasten“. Jetzt hat wiederum die Kurbel ihren Auf-
Entfernungseinstellknopf, wird doch dabei die ge-
tritt. Durch diese sehr bewusste Wahl jedes einzelnen
samte Frontplatte der Rolleilex mitbewegt. Dieser
Aufnahmeparameters wird ein tieferes Verständnis
Vorgang gerät in der Aufnahmepraxis aus meiner
für den fotograischen Aufnahmeprozess erreicht.
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Rund um die zweiäugige Rolleilex
Für die Praxis bedeutet dies, dass bei einem quadratischen Bildformat die Entscheidung, ob ein Motiv
im Hoch- oder Querformat fotograiert wird, entfällt.
Gerade unter Aufnahmebedingungen, in denen der
Faktor Zeit eine besondere Rolle spielt, liegt hier ein
nicht zu unterschätzender Vorteil im Vergleich mit anderen Bildformaten.
Etwas gewöhnungsbedürftig erscheint dagegen die
Tatsache, dass die Mattscheibe der Rolleilex ein seitenverkehrtes Bild liefert.
Die „Kurbel“ der Rolleilex.
Nichts wird von der Kamera vorgegeben, nichts erfolgt zufällig. Alles muss in Selbsterfahrung vom Fotografen erarbeitet und entdeckt werden – ein von
Anfang an kreativer, ja fast meditativer Vorgang!
1.2 Das Bildformat - Quadratisch, praktisch,
6 x 6 cm!
Die doppeläugige Rolleilex liefert als Mittelformatkamera stets ein quadratisches Bild im Negativformat
Der Blick durch den quadratischen Sucher.
6 x 6 cm. Dieses bietet später noch alle Möglichkei-
Dies führt zuweilen zu Irritationen, in welche Richtung
ten zur Umarbeitung auf andere Formate, respektive
die Kamera in der Aufnahmesituation denn nun zu be-
Ausschnitte. Die hohe Abbildungsqualität des Auf-
wegen sei. Bei mir stellte sich diese Entscheidungs-
nahmeobjektivs der Rolleilex sowie das technisch
indung anfangs als etwas bizarr anmutende „Kame-
bedingte sehr hohe Aulösungsvermögen eines Mit-
ra-Schwenk-Aktionen“ dar, wobei sich mir später zwei
telformatnegativs liefern dazu eine hervorragende
Möglichkeiten der Abhilfe boten. Die erste besteht
Bildqualität und Schärfe.
darin, neben dem Einblick in den Lichtschachtsucher
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Fotograieren wie früher
1.4 Die Bildanzahl - Zwölf sind genug
auch einmal aufzuschauen und das zu fotograierende Motiv zu ixieren, während ich die Bildkomposition im Detail festlege. Im Anschluss daran geht mein
Dies mag zunächst als eine gewaltige Einschränkung
Blick wieder zurück zur Einstellscheibe, um mich zu
der fotograischen Freiheit erscheinen, jedoch trifft
vergewissern, die Kamera nicht in die falsche Rich-
nach meiner Erfahrung eher das Gegenteil zu. Denn
tung zu bewegen. Alternativ - und hier liegt die zweite
die oft zeitaufwendige Suche nach der „richtigen“
Möglichkeit zur Lösung - bietet sich auch die Verwen-
Brennweite bzw. dem „passenden“ Objektiv für eine
dung eines speziellen Prismensuchers als Zubehör
bestimmte Motivsituation entfällt. Der Fotograf erar-
zur Rolleilex an.
beitet sich sein Motiv daher „mit den Füßen“ statt am
Zoomring des Objektivs zu drehen oder das Objektiv
1.3 Die Brennweite - Fix und doch variabel
zu wechseln. Insofern unterstützt die Rolleilex den
Fotografen hier einmal mehr darin, sich voll und ganz
Alle doppeläugigen Rolleilexen verfügen über ein
auf das wichtigste, nämlich sein Motiv, zu konzentrie-
eingebautes Objektiv mit Festbrennweite, welches
ren. Allerdings boten Hersteller wie Zeiss später Vor-
modellabhängig in Typ, Brennweite und maximaler
sätze („Mutare“) für das Normalobjektiv der Rolleilex
Blendenöffnung variiert. Im Falle der 2,8 F ist es ein
an, mit denen ein Teleeffekt mit 1,5-facher Vergröße-
80 mm Objektiv, das einem Kleinbild-äquivalent von
rung bzw. ein Weitwinkeleffekt mit 0,7-facher Vergrö-
50 mm und damit der sogenannten „Normalbrenn-
ßerung erreicht wird.
weite“ entspricht.
Die heutigen, für die digitale Fotowelt konzipierten
Speichermedien bieten einen nahezu unbegrenzten
Platz für die Speicherung der gemachten Aufnahmen, wobei die Kostenfrage im Grunde keine Rolle
mehr spielt. Für die Art des Fotograierens bedeutet
dies, dass Motive oftmals schon obligatorisch in allen
denkbaren Perspektiven und Details zigfach in kürzester Zeit abgelichtet werden - und dies auch unter
nicht immer optimalen Aufnahmebedingungen. Oft
wird dabei mit der Erwartung fotograiert, die so entstandene Bilderlut enthielte quasi schon „von selbst“
genügend gute Fotos. Die Sichtung und Auslese der
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Rund um die zweiäugige Rolleilex
Bilder erfolgt dann entweder sofort unter den sehr
Detail zu Tage tritt oder die Lichtverhältnisse doch
eingeschränkten Möglichkeiten kleiner digitaler Sen-
nicht optimal sind. Hinzu kommt, dass ein Filmwech-
soren oder später am heimischen PC.
sel mit der Rolleilex ein gewisses Fingerspitzenge-
Ganz anders gestaltet sich dieser Vorgang in der Rol-
fühl verlangt und nicht „nebenbei“ zu bewerkstelligen
leilex-Fotograie. Die Kamera wird in der Regel mit
ist.
einem 120er Rollilm bestückt, der „ganze“ zwölf Belichtungen im Format 6 x 6 cm erlaubt. Was heißt dies
Die Begrenzung auf ein Dutzend Aufnahmen pro
nun für die fotograische Praxis?
Film führt den Rolleilex-Fotografen so zu einer
jeweils sehr bewussten Auseinandersetzung mit
seinen Motiven. Er muss sich besonders aktiv um
dieses bemühen und alle Aufnahmeverhältnisse
sowie technischen Parameter intensiv prüfen, ehe er
sich zu einer Belichtung entschließt. Dies führt nach
meiner Ansicht geradezu zwangsläuig zu qualitativ
guten Fotos - auch ohne die heute nahezu obligatorische digitale Nachbearbeitung via Computer. Letztere braucht es im Grunde kaum, da die technischen
Eigenschaften sowie die begrenzte Aufnahmekapazität eines Rollilms den Anwender im bewussten
Umgang mit Motiven schult und vor einem allzu
unkritischen „Draulosfotograieren“ schützt. Es stellt
sich so die Erkenntnis ein: „Zwölf Auslösungen sind
Rollilme im Format 120 liefern zwölf Negative
in der Größe 6 x 6 cm.
genug“. Ein Dozent für Fotograie sagte mir einmal:
Wenn es einem ambitionierten Amateur gelingt, pro
Wenn einem nur zwölf Belichtungen bis zum nächs-
Monat ein so gutes Foto zu machen, dass er es sich
ten Filmwechsel zur Verfügung stehen, überlegt
an die Wand hängen bzw. es ausstellen würde, so
man sich jeweils ganz genau, ob und wenn ja, was
war es ein erfolgreicher fotograischer Monat. In ei-
fotograiert wird. Manchmal ist es sogar die bessere
nem Jahr wären demnach schon zwölf Fotos dieser
Entscheidung, eine bereits im Kopf konzipierte Auf-
Qualität eine gute Ausbeute.
nahme doch nicht zu machen, da beispielsweise im
letzten Moment vor dem Auslösen ein störendes
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Fotograieren wie früher
1.5 Der Markt für die Rolleilexen heute - Es gibt
gut erhaltenes Exemplar des Spitzenmodells Rollei-
sie noch
lex 2,8 F aus den 1960er-Jahren vor ca. zehn Jahren noch für etwa 1.000 DM erhältlich, so muss heute
Das Interesse an den seit 1928 hergestellten
hierfür mindestens der gleiche Preis in Euro bezahlt
doppeläugigen Rolleilexen nahm bereits in den
werden. Exemplare des gleichen Typs in „Vitrinen-
1970er-Jahren angesichts neuerer technologischer
qualität“ können durchaus auch mit nahezu dem dop-
Entwicklungen deutlich ab. Infolgedessen wurde die
pelten Betrag zu Buche schlagen. Nicht so gefragte
Serienproduktion Ende des Jahrzehnts eingestellt
oder nicht ganz so hochwertige Modelltypen wie die
und die Rolleilex - von einigen Sondereditionen in
Rolleilexen 3,5 A, B oder C sind jedoch mit etwas
Kleinstaulage abgesehen - ab 1977 nur noch auf
Glück und im Zustand „gut gebraucht“ für 300 - 500
Sonderwunsch gefertigt.
Euro zu haben. Hinzurechnen sollte man noch einmal 100 - 200 Euro für eine Generalüberholung der
Seit einigen Jahren führt die Firma DHW Fototechnik
Kamera durch einen ausgewiesenen Rolleilex-Fach-
aus Braunschweig die Tradition dieser großartigen
betrieb, da etwa der Verschluss der Kamera aufgrund
Kameratypen an deren Geburtsstätte als handwerk-
langjährigen Nichteinsatzes verharzt sein kann. Da-
licher Manufakturbetrieb weiter und fertigt einige die-
nach hält man jedoch wieder eine auf Jahrzehnte hin
ser Kameramodelle in liebevoller Handarbeit sowie in
hervorragend funktionierende und zuverlässig ein-
sehr kleiner Stückzahl. Diese Kameras blieben zwar
setzbare Kamera in den Händen.
dem grundlegenden Bedienkonzept der zweiäugi-
Als recht zeit- und geldaufwendig kann sich zuwei-
gen treu, verfügen jedoch über teils modernste Ka-
len die Suche nach Ersatz- und Zubehörteilen für die
meratechnik, z. B. bei der Blitzsynchronisation. Die
Rolleilexen im jeweiligen Originalzustand gestalten.
Modelle zielen mit Preisen von ca. 4.000 bis 6.000
Für Sonnenblenden, Objektivdeckel, Tragegurte oder
Euro (Grundausstattung) jedoch eher auf den gut
Bereitschaftstaschen werden teils horrende Preise
betuchten Liebhaber oder Proianwender denn den
verlangt – und gezahlt. Beim Kauf eines „neuen“ Ka-
ambitionierten Fotoamateur ab. Dem entgegen indet
meraexemplars sollte man daher auch darauf achten,
sich besonders bei den einschlägigen Onlineaukti-
mindestens zwei der genannten Zubehörteile gleich
onshäusern sowie vielen stationären Fotohändlern
mitgeliefert zu bekommen. Leichter und deutlich
auch heute noch ein sehr reichhaltiges Angebot klas-
günstiger können hingegen diverse Kamerailter zur
sischer gebrauchter Rolleilexen aus vergangenen
Rolleilex erstanden werden, auch, weil in diesem
Jahrzehnten. Die Preisentwicklung hat dabei in den
Bereich inzwischen zahlreiche Nachbauten diverser
vergangenen Jahren deutlich angezogen. War ein
Firmen erhältlich sind.
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Unterwegs mit der zweiäugigen Rolleilex
2 Unterwegs mit der zweiäugigen Rolleilex – „Gibt es dafür noch Filme?“
Wie bin ich auf die Idee gekommen, mit einer über
Schon beim ersten Betrachten der Rolleilex fragte
fünfzig Jahre alten Kamera, loszuziehen und auf Mo-
ich mich: Was hat die Kamera schon alles gesehen,
tivjagd zu gehen? Wie hat meine Leidenschaft für
was abgelichtet? Wer hat schon alles mit ihr foto-
die zweiäugigen eigentlich ihren Anfang genommen?
graiert? Irgendwie fühlte ich mich als jemand, der
Hierzu eine kleine Geschichte.
diese früheren Erlebnisse der Kamera in das Hier
und Jetzt weitertragen wollte bzw. musste. Und am
Es ist noch früh am Morgen, als ein älterer Herr an
besten konnte ich dies tun, wenn ich mit ihr fotogra-
einer auf einem Stativ befestigten Kamera diverse
ierte. Dabei bemerkte ich relativ schnell, dass diese
Einstellungen vornimmt und einen einsam stehen-
besondere Kamera nicht bloß als technisches Gerät
den, vom Nebel eingehüllten Baum ins Visier nimmt.
fungierte, sondern auch als eine Brücke, um mit Men-
Er macht dies sehr behutsam und langsam in einem
schen ins Gespräch zu kommen. Egal ob auf dem
fast rituellen Zusammenspiel zwischen einem Hand-
Viktualienmarkt in München oder auf dem Flohmarkt
belichtungsmesser und seiner Kamera und wirkt da-
in Hannover - stets folgen den interessierten Blicken
bei wie ein Dirigent eines Orchesters der „Grillen“,
auf die Rolleilex auch Fragen von Passanten wie
dessen leisester Ton bereits ohrenbetäubend wäre.
„Gibt es dafür noch Filme“ oder „So eine hatte ich
Von dieser Szene aus einem Krimi der Reihe „Inspec-
früher auch“. Schon entwickelt sich ein Gespräch,
tor Barnaby“ ging für mich ein schwer beschreibbarer
durch das sich schon so manche kleine Portraitserie
Zauber aus, der auch und gerade mit dieser recht
mit dem fragenden anschloss. Von daher weiß man
ungewöhnlichen Kamera zusammenhängen mochte
vor einem Fotospaziergang mit der zweiäugigen nie
und dem ich auf die Spur kommen wollte. Nach ei-
so genau, was sich neben dem reinen und geplanten
niger Recherche hatte ich herausgefunden, um wel-
ablichten der gewünschten Motive noch so an span-
che Kamera es sich handelte und alsbald ein solches
nenden und spontanen Eindrücken ergibt. Und gera-
Exemplar erstanden. Es stammte aus dem Produk-
de hier liegt ein Teil des Zaubers, der heute und auch
tionsjahr 1960 und befand sich im Besitz eines pen-
noch künftig von diesem Kamera-Klassiker ausgeht.
sionierten Schulleiters, der die Kamera von seinem
Vater geerbt hatte.
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Fotograieren wie früher
Auf und neben den Straßen Hannovers
Blick durch die Altstadt zur Marktkirche.
16
Unterwegs mit der zweiäugigen Rolleilex
Hannover – meine Heimatstadt seit dreißig Jahren!
Dabei soll jedoch der Anspruch verfolgt werden, mit
In dieser Zeit habe ich diese Stadt kennen und lie-
jeweils einigen wenigen Bildbeispielen in sämtliche
ben gelernt sowie in den vergangenen Jahren auch
Facetten einer mittleren Großstadt – und hier eig-
häuig mit der Rolleilex erkundet. Der dabei entstan-
net sich Hannover geradezu vortreflich - hineinzu-
dene Blick auf und in diese Stadt muss zwangsläuig
schnuppern. Fotograiert habe ich während meiner
subjektiv bleiben, denn auch ich sehe – wie eigentlich
Streifzüge durch Hannover nicht nach einem vorher
jeder Betrachter – nicht das, was ist, sondern das,
festgelegten Konzept oder einer vorab komponier-
was ich sehen möchte. Insofern kann es auf den fol-
ten Bild-/Themenidee, sondern getreu dem Reiz des
genden Seiten nicht darum gehen, Hannover in allen
spontanen Impulses oder schlicht im Sinne dessen,
denkbaren urbanen Genres gebührend zu portrai-
was mir auf und neben den Straßen Hannovers ge-
tieren. Nein, es ist mir lediglich wichtig, am Beispiel
iel.
Hannovers zu verdeutlichen, welch unterschiedliche
Motive sich in einer Stadt inden und auch oder gerade mit den technisch durchaus limitierten Eigenschaften der Rolleilex auf Film bannen lassen.
17
Fotograieren wie früher
Das 1913 im wilhelminischen Stil erbaute neue Rathaus von Hannover.
18
Unterwegs mit der zweiäugigen Rolleilex
Umsäumt wird das neue Rathaus vom Maschpark,
der mit seinen schön angelegten Teichen und sehr
alten Baumbeständen mitten in der Stadt zum Verweilen einlädt. Hinzu kommen mehrere Brücken, die
sich durch ihre reichen und kunstvollen Verzierungen
mit Blätter- und Blumenornamenten attraktiv ins natürliche Umfeld einfügen.
Eine dieser denkmalgeschützten Brücken ist beliebter Treffpunkt für Paare, die ihre Verbundenheit dort
seit einigen Jahren durch das Befestigen von Liebesschlössern am Geländer einer dieser Brücken
bekunden – ganz nach pariser Tradition. Die beiden
auf dem unteren Foto bemerkten mich zunächst nicht
und schauten dann ungläubig auf meine etwas antiquierte Kamera. Schließlich wollten sie sich selbst
überzeugen, dass es das gute Stück noch „tut“ und
ließen sich von mir fotograieren.
19
Fotograieren wie früher
Blick durch die Fußgängerzone zum Hauptbahnhof.
20
Ende der Leseprobe von:
Fotografieren wie früher - - Unterwegs mit der zweiäugigen Rolleiflex
Matthias Kistmacher
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