Die Waffensalbe - Heilmittel oder "Gaukelwerk"? .Die Streitschriften des Jesuiten Jean Roberti in dem 1662 erschienen Sammelband "Theatrum sympatheticum auctum" Jean Roberti wurde 1569 in St. Hubert in den Ardennen, dem heutigen Belgien, geboren. Er studierte Artes Liberales in Löwen, danach Theologie in Köln und trat mit 25 Jahren in den Jesuitenorden ein. Danach lehrte er Artes liberales und Rhetorik in Trier. Im Jahr 1600 empfing er die Priesterweihe.. Weitere Wirkungsstätten waren Würzburg und Mainz - wo er zumDoktor der Theologie promoviert wurde - Fulda, Paderborn, Trier, Luxemburg und Lüttich. 1650, 81jährig zog er sich ins Kloster Namur zurück, wo er am 14. Februar 1651 starb. In seinen Hauptwerken beschäftigte sich Jean Roberti mit Heiligen, vor allem dem Heiligen Hubertus, und Aposteln. Seine Frühwerke(1615 - 1621) sind - z.T.- in dem Sammelband "Theatrum sympatheticum auctum" veröffentlicht. Dieser enthält Schriften von Gelehrten aus dem 17. Jahrhundert, die sich mit der Theorie des "animalischen Magnetismus", mit "Sympathie und Antipathie"befassten, auf deren Wirkung: "Heilen auf Entfernung" auch die Waffensalbe beruhen sollte Wir finden die Waffensalbe, lat. Unguentum sympatheticum amarium - erstmals in dem 1572 in Basel veröffentlichten und Paracelsus zugeschriebenem Werk "Archidoxa magica" behandelt, das allerdings Sudhoff später als Pseudoepigraph erkannte. Paracelsus war von der medizinischen Wirkung eines Magneten überzeugt. Die Bestandteile der Waffensalbe waren neben Menschenschmalz(1 Unze), Menschenblut(1 Unze), Lein- oder Rosenöl (2 Unzen), sowie Ton vor allem "Mumie", (für P. ein Auszug aus dem Mikrokosmos mit magnetischen Eigenschaften). Hinzu kam "usnea". Dies war das Abgeschabte des Schädels eines frisch Gehängten. Ebenso wie die Rezeptur war auch die Gebrauchsanweisung sonderlich: Nicht die Wunde des Verletzten wurde mit der Salbe bestrichen, sondern die Waffe,die die Wunde verursacht hat´, oder ein Holz, das in der Wunde blutig gemacht wurde. Dies bedeutete: "Wirkung auf Entfernung". Als bekennender Priester fühlte sich Jean Roberti verpflichtet, Themen aufzugreifen, die nicht mit der katholischen Theologie in Einklang standen. Für ihn gab es kein "Heilen auf Entfernung", und somit verneinte er völlig die Wirkung der Waffensalbe. In der damaligen wissenschaftlichen Welt gab es übrigens viele Befürworter der Waffensalbe, z. B. Tommaso Campanella. Die wichtigsten Widersacher von Roberti im Streit über die "Wirkung der Waffensalbe" waren: 1. Rudolphus Goclenius(1571 - 1621), Marburger Mediziner und Physiker, Protestant (Calvinist) und 2. Joan Baptiste van Helmont (1579 - 1644/) Arzt, Chemiker und Naturforscher Auch ihre Werke sind im Theatrum sympatheticum auctum veröffentlicht. Nun zu 3 Frühwerken Robertis, in denen er seine Widersacher im Streit um die Waffensalbe angreift: 1. Tractatus novi de magnetica vulnerum curatione, brevis anatome Die Lehre des "animalischen Magnetismus" löste unter Gelehrten eine heftige Diskussion aus. So behandelte Rudolphus Goclenius(, ein Anhänger des Paracelsus die Theorie des "animalischen Magnetismus" in einem 1608 in Marburg erschienen Werk .. Roberti beschuldigte daraufhin Goclenius des Götzendienstes, der Gotteslästerung, des Aberglaubens, der Magie und der Geisterbeschwörung.. Seine Angriffe wenden sich zunächst gegen die Calvinisten im Allgemeinen. Er wirft ihnen vor, die Wunder der Katholiken zu verachten, selbst jedoch an noch größere Wunder zu glauben, z.B. wenn Goclenius behaupte, die Waffensalbe wirke auf gleiche Weise wie ein "Stein, der den Tieren Krankheiten nimmt, wenn sie das Wasser, in dem er gewaschen wurde, trinken". Nach Roberti's Ansicht kann aine Wunde nicht ohne unmittelbare Anwendung eines Arzneimittels heilen. Er wirft Goclenius vor, aus einem "nichts" ein "etwas" zu machen. Dieses "Etwas sei jedoch reines "Blendwerk", "Gaukelwerk". Wenn Goclenius von einem "höheren Meister " spreche, der in unserem "Mysterium" zu suchen sei, so könne es sich nur um "Cacodaemonus", den Teufel, handeln. Roberti zieht Paralellen zum calvinistischen Abendmahl: Brot und Wein sind hier lediglich Zeichen, die die Vereinigung mit Christus im Glauben sichtbar machen.Des weiteren antwortet Roberti polemisch:" Deine Salbe hat nie weder einen Mückenstich noch einen Flohbiß geheilt, geschweige denn größere Wunden. Halte mir nicht die Erfahrung des Volkes entgegen, wenn es Dornen oder Nägel aus den Fußsohlen zieht: sie geben ausgelassenen Speck darauf. Du tust mir leid, der du mit solcher Mühe die Köpfe von Räubern und ihre Eingeweide für dein Unguentum durchsuchst, während das ungelehrte Volk sich leichter mit etwas Schweinefett als Heilmittel begnügt, was dasselbe leistet.".. So bedeutet die Salbe für Robert kein Heilmittel, sondern nur ein "leeres Bild, hinter dem sich der Teufel verbirgt".Der erste, der diese Lehre von einem "verdammten Geist" empfangen habe, sei einen Pakt mit dem Teufel eingegangen: Paracelsus. In den letzten Thesen des Traktates stellt Roberti heraus, daß es niemandem, auch nicht Goclenius, gelungen sei, die Wirksamkeit der Waffensalbe stichhaltig zu beweisen. Er wirft Goclenius "Sucht nach ewigem Ruhm" vor, eine für Roberti typisch calvinistische Haltung. Abschließend stellt er fest, die Waffensalbe sei von demselben "Schurken", dem Teufel, daher sei "das ganze Buch schädlich für die Christenheit". 2. "Goclenius heautontimorumenos" Gegen die Anschuldigungen des Roberti verteidigt sich wiederum Goclenius ( mit der 1617 in Marburg erschienen Schrift "Synarthrosis magnetica").Roberti antwortet mit: "Goclenius Heautontimorumenos"(=Selbstpeiniger),Luxemburg. Diese Schrift bringt aber nichts Neues. Roberti fordert erneut einen Beweis für die magnetische Heilung, die Wirkung der Waffensalbe. Er nennt u.a. die medizinische Fakultät von Paris, die die Wirkung ablehne. Goclenius hingegen bekenne sich zu Autoritäten, die keine seien, wie z.B.den "gottlosen " Faust, Paracelsus und die Rosenkreuzer. Erneut wirft Roberti vor, Theorien aufzustellen, ohne sie beweisen zu können. Zur "Wirkung auf Entfernung" schreibt er: "die Natur der Dinge ..und der Menschenverstand lassen es nicht zu, daß jene stinkende Salbe auf einen weit entfernten Menschen und dessen Wunde eine Wirkung ausübt".Roberti beruft sich auf die Heilige Schrift als höchste Autorität, in der geschrieben steht, daß selbst die Engel in die Nähe der Menschen gehen müßten, um auf sie einzuwirken. Auch die Sonne könne nicht scheinen, wenn sie vom Mond verdeckt werde."Sympathie" heißt für Roberti Freundschaft, Eintracht. Den letzten Abschnitt beschließt Roberti mit den Worten:"Rhodus et Saltus" also: "Bekenne Dich Goclenius und beweise!". Goclenius entgegnet daraufhin mit einer weiteren Streitschrift, in der er die Thesen von Roberti heftig widerlegt: Roberti wolle unbedingt das letzte Wort haben. .Tatsächlich antwortet Roberti sofort mit dem Büchlein "Goclenius magus serio delirans". In der Gelehrtenwelt kümmert sich inzwischen niemand mehr um die in reine Personenstreitereien ausartende Diskussion der beiden. 3. "Curationis magneticae, et Unguenti armarii, Magica Impostura". Nach dem Erscheinen von "Heautontimorimenos" greift ein weiterer Paracelsusanhänger in den Streit um den "animalischen Magnetismus" ein: Joan Baptiste Van Helmont(1579 - 1644). In einem, ebenfalls im Theatrum sympatheticum vertretenen Buch ("De magnetica vulnerum curatione.") erklärt er den "animalischen Magnetismus" als bewiesen und bezeichnet ihn als " eine den Körpern innewohnende Eigenschaft". Auch Heilungen durch Reliquien führt er auf den "animalischen Magnetismus" zurück. Roberti entgegnet mit dem Werk: "Curationes magneticae, et Unguenti Armarii, Magica Impostura". Dies war die letzte Schrift von Roberti über die Waffensalbe.Hier wirft er Van Helmont Betrügerei, Unwissenheit und Unbedachtheit bei der Erklärung der Natur der Waffensalbe vor. Die magnetische Wirkung beruhe auf Techniken des Teufels und der Pseudoalchemisten. Roberti kommt nochmals auf das Rezept der Waffensalbe zurück. Laut Goclenius benötige man die "usnea"(=Abgeschabte vom Kopf) eines gehängten Verbrechers, während Van Helmont vorschlage, man könne die "usnea" eines beliebigen Gehängten, auch eines Jesuiten nehmen. Roberti schließt auch dieses Buch mit "Rhodus et Saltus" d.h.: "Bekenne Dich Van Helmont und beweise die Wirksamkeit der Salbe!" Zusammenfassung Es ist die Zeit der Reformation und Gegenreformation. Mit seinen Streitschriften will Jean Roberti beweisen, daß der "animalische Magnetismus" und die Wirkung der Waffensalbe "Gauckelwerck" = Teufelswerk" sind. Roberti hat mit Polemik die Wirkung der Waffensalbe verneint, da sie im Widerspruch zum katholischen Glauben stehen. Als Katholik und Theologe der Gegenreformation ist ihm schließlich gelungen, das protestantische Wallonien der katholischen Kirche zurückzugewinnen. Literaturverzeichnis 1. Quellen Roberti, Jean: Tractatus novi de Magnetica Vulnerum Curatione Authore D. Rodolpho Goclenio. Med. D. et Professore Marpurg ordinario, brevis anatome. Löwen 1616. In: Theatrum Sympatheticum auctum, hrsg. v. Sylvester Rattray. Nürnberg 1662, 226-236. Roberti, Jean: Goclenius Heautontimorumenos: id est, Curationis Magneticae, et Unguenti Armarii ruina. Ipso Rodolpho Goclenio Juniore, nuper Pare Parente, et Patrono; nunc cum Sigillis, et Characteribus Magicis, ultro proruente, et praecipitante. Luxemburg 1618. In: Theatrum Sympatheticum auctum s.o., 309-456 Roberti, Jean: Curationes Magneticae, et Unguenti Armarii magica impostura clare demonstrata a iohanne Roberti Jesu Sacerdote, S. Theol. Doct. Modesta Responsio. Ad perniciosam Disputationem Io. Baptistae ab Helmont Bruxellensis Medici Pyrotechnici, contra eundem Roberti acerbe conscriptam. Luxemburg 1621 (Bibliotheque nationae Lux.) 2. Sekundärliteratur Biedermann, Hans: Handlexikon der magischen Künste. 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Berlin 1967 Schnidt, Franz-Josef: Pulvis Sympatheticus und Unguentum Armarium bei einigen Ärzten des 15. - 18. Jahrhunderts. Heft V/1: Rudolph Goclenius Junior(1572 - 1621), Tractatus de magnetica vulnerum curatione, Marburg 1608. - Manuscript, Hamm 1978 - . Schneider, Wolfgang: Lexikon zur Arzneimittelgeschichte.7 Bände.Frankfurt/M. 1968 - 1975. Sommervogel, Carlos: Bibliothèque de la Compagnie de Jésus.Bd 6, Brüssel, Paris 1895. Vannérus, J.: Roberti Jean. In: Biographie universelle, ancienne et moderne. Bd. 38. Paris 1824, Sp. 515-532. Zedler, Johann Heinrich: Grosses vollständiges Universallexikon aller Wissen- schaften und Künste. 64 Bde. Halle, Leipzig 1732 - 1750 (Nachdruck Graz 1961 - 1964)
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