Dokument Datenbank flexible Arbeitszeitmodelle Das bewohner- und mitarbeiterorientierte Arbeitszeitsystem eines Altenheims Unternehmen: Franziskusheim gGmbH Homepage: www.franziskusheim-glk.de Anschrift: Zum Kniepbusch 5 52511 Geilenkirchen Ansprechpartner: Herr Alfons Nickels (Geschäftsführer, DW-100) Tel.: 02451/6209-0 [email protected] Branche: Soziale Dienstleistungen Mitarbeiterzahl: ca. 100 Kategorie: Dienstplangestaltung Das bewohner- und mitarbeiterorientierte Arbeitszeitsystem eines Altenheims Inhalt 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. Das Franziskusheim - mehr als ein Dach über dem Kopf Anlage 5b der AVR Caritas - Grundlage für die Flexibilisierung der Dienstzeiten Das Vorgehen - Mitarbeitervertretung und Mitarbeiter1 müssen beteiligt werden Inhaltliche Projektarbeit unter Beteiligung der Mitarbeiter des Pilotbereiches Die weiterentwickelte Dienstvereinbarung EDV-gestützte Dienstplangestaltung Die Durchführungsphase - von den ersten Erfahrungen bis zur heutigen Praxis Empfehlungen aus der Projektarbeit 1. Das Franziskusheim - mehr als ein Dach über dem Kopf Das Franziskusheim ist ein Alten- und Pflegeheim mit - derzeit - 126 Bewohnern in der Trägerschaft der Franziskusheim gGmbH , zu der darüber hinaus eine Wohnanlage zum betreuten Wohnen mit 24 Altenwohnungen gehört. Für die ca. 100 Mitarbeiter dieses sozialen Dienstleisters gelten die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR Caritas). Seit 1995 positioniert sich das Franziskusheim gegenüber der Vielzahl regionaler Wettbewerber im Kreisgebiet neu, indem es kontinuierlich seine Vorteile gegenüber anderen Alten- und Pflegeheimen herausarbeitet. Hierzu zählen die Verantwortlichen des Franziskusheims u.a. die in Abbildung 1 genannten Maßnahmen: Abbildung 1 - Betreuungs- und Beschäftigungsvorteile im Franziskusheim Betreuungs- und Beschäftigungsvorteile im Franziskusheim o o Auf den Einsatz geringfügig Beschäftigter wird verzichtet, um die Bewohner kontinuierlich in hoher Qualität versorgen zu können. Die Fremdvergabe von Leistungen wird aus Gründen der Qualitätssicherung, zugunsten der Kontinuität in der Pflege sowie unter sozialpolitischen o o o o o o o Gesichtspunkten abgelehnt, so dass alle Leistungen durch eigene Mitarbeiter erbracht werden. Das Franziskusheim beschäftigt drei diplomierte Sozialpädagogen, damit die Bewohner von Mitarbeitern betreut werden, die für deren Belange - im Gegensatz zu den häufig in anderen Altenheimen für die Pflege eingesetzten Zivildienstleistenden - qualifiziert sind. Zivildienstleistende werden im Franziskusheim ausschließlich zur Unterstützung des sozialpädagogischen Bereichs eingesetzt. Mit 65% werden mehr examinierte Pflegekräfte eingesetzt, als die Heimpersonalverordnung mit mindestens 50% vorsieht. Die Pflegedokumentation wird per EDV - ermöglicht durch die edv-technische Vernetzung des Hauses - und nicht mehr manuell geführt. Alle Produkte und Dienstleistungen, die in der Region bezogen werden können, werden hier gekauft. Zur Qualitätssicherung führt das Franziskusheim unangemeldete Lieferantenaudits durch. Die Veranstaltungen des Franziskusheims können auch nicht im Heim wohnende Senioren über 60 Jahre kostenlos besuchen. Hierdurch werden einerseits Kontakte für die Bewohner geknüpft, andererseits kann man Außenstehenden etwaige Ängste vorm Altenheim nehmen. Schüler einer Geilenkirchener Schule verbringen im Rahmen des Arbeitskreises "Franziskusheim" regelmäßig ihren Unterricht sowie ihre Freizeit mit Schwersthilfebedürftigen, aber auch Projekt- und gemeinsame Urlaubswochen. Das umfangreiche Programm der Betreuung und Freizeitgestaltung im Wohnwie auch im Pflegebereich reicht von Gruppenangeboten wie Sitztanz, Gedächtnistraining, Kegeln, Handarbeit, Musik-Cafés, Seidenmalerei und Tonarbeiten über kulturelle Veranstaltungen bis hin zu Ausflügen und Urlauben. Aber auch Einzelangebote im Zimmer der Bewohner wie z. B. Vorlesen oder Gespräche sind selbstverständlich. 2. Anlage 5b der AVR Caritas - Grundlage für die Flexibilisierung der Dienstzeiten Neuregelung der AVR Caritas löst Arbeitszeitflexibilisierung aus Im vielen Pflege- und Betreuungseinrichtungen wird häufig (noch) an unflexiblen Arbeitszeitmodellen festgehalten, wie es auch im Franziskusheim lange der Fall war. Der Flexibilisierung der Arbeitszeit in Sozialbetrieben der Caritas standen bisher vor allem die einschränkenden Regelungen der AVR Caritas entgegen. Darüber hinaus erschweren die Unbeweglichkeit von Führungskräften, die Neigung vieler Mitarbeiter, an alten Strukturen festzuhalten sowie Widerstände von Mitarbeitervertretungen Flexibilisierungsbemühungen. An dieser Stelle ist es allerdings wichtig anzumerken, dass insbesondere letzteres für das Franziskusheim nicht gilt. Im Gegenteil: Hier wird mit der Mitarbeitervertretung gut zusammengearbeitet, so dass beispielsweise die Schlichtungsstelle noch nie angerufen werden musste. Die Mitarbeitervertretung wird immer sofort informiert, wenn Veränderungen als notwendig erkannt werden. Davon profitiert auch die Heimleitung, da die Akzeptanz für Veränderungen steigt und der Informationsfluss auch in die andere Richtung besser funktioniert. Die Betriebsparteien gehen so ungezwungen miteinander um, dass es keiner routinemäßigen Termine für den gegenseitigen Austausch bedarf. "Wir treffen uns statt dessen, wenn es erforderlich ist", erklärt Herr Nickels. Seit 1. Januar 1998 eröffnet die neue Anlage 5b der AVR Caritas "Mobilzeit durch Dienstvereinbarung" die Möglichkeit, die Arbeitszeit zu flexibilisieren - unter der Voraussetzung, dass hierfür eine Dienstvereinbarung mit der Mitarbeitervertretung geschlossen wird. Im Franziskusheim stand die Neugestaltung des über Jahre praktizierten Arbeitszeitmodells schon lange auf der Tagesordnung, um die Arbeitszeiten besser an die Bedürfnisse der Bewohner und die der Mitarbeiter anpassen zu können, aber auch aus ökonomischen Gründen. Anlage 5b der AVR Caritas bot nun die Chance für die angestrebten grundlegenden Veränderungen. Dass das Franziskusheim die Arbeitszeitumgestaltung bald angegangen ist, war dem diesbezüglichen dringenden Interesse der Abteilungsleiter geschuldet. Probleme der alten Arbeitszeitregelung und Projektziele Die Zielsetzung bewegte sich auf unterschiedlichen Ebenen, wobei die in Abbildung 2 aufgeführten und näher erläuterten Ziele im Vorfeld nicht gewichtet wurden. Abbildung 2 - Ziele der Arbeitszeitflexibilisierung • Ziele der Arbeitszeitflexibilisierung Höhere Orientierung der Arbeitszeiten an externen und internen Kunden: Die Söhne und Töchter von potentiellen Bewohnern stehen meist selbst im Berufsleben und haben oft nur am Abend und am Wochenende Zeit, sich über Betreuungsmöglichkeiten zu informieren. Die zuständigen Mitarbeiter waren jedoch in der Regel nur montags bis freitags von 8.00 Uhr bis 17.00 Uhr anwesend. Gegenüber dem internen Kunden zeigte sich die starre Arbeitszeitregelung als ein Gemisch aus Sachzwängen und Organisationsdefiziten. So war am Wochenende bei gegenüber der Woche geringerer Besetzung im Pflegebereich der Sozialdienst nicht anwesend, obwohl er mit seinen Betreuungsangeboten zur Entlastung des Pflegepersonals hätte beitragen können. Darüber hinaus orientierten sich die Grund- und Behandlungspflegezeiten ebenso wenig an den Bedürfnissen der Bewohner wie es die Zeitkorridore für die Einnahme der Mahlzeiten taten. • Stärkere Ausrichtung der Personalbesetzung am schwankenden Arbeitsanfall: Besonders unwirtschaftlich war, dass unabhängig vom Arbeitsanfall und der Art der zu erbringenden Arbeit, von Schichtbeginn bis Schichtende Mitarbeiter in gleichbleibender Quantität und Qualität (sprich: Qualifikation) zur Arbeit eingeteilt waren. Während zu Hochlastzeiten nur die Mindestbesetzung garantiert wurde, gab es zu Niedriglastzeiten einen deutlichen Qualitäts- und Quantitätsüberhang. Letzter hatte den Nachteil, dass teure examinierte Mitarbeiter mit hoher Qualifikation für pflegefremde Tätigkeiten - wie zum Beispiel dem Wegfahren von Abfall und Wäsche oder dem Auswaschen von Betten und Rollstühlen - und damit für Arbeiten eingesetzt wurden, die von erheblich billigeren Hilfskräften erbracht werden konnten. Die hieraus resultierende kontinuierliche Unterforderung führte zu Arbeitsplatzunzufriedenheit. Herr Nickels hierzu: "Manche Mitarbeiter fragten sich schon, wozu sie ihren Beruf erlernt haben." • Bessere Berücksichtigung von Mitarbeiterinteressen, Förderung der Eigenverantwortung und Erhöhung der Flexibilität in der täglichen Arbeit im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten:U.a. das geänderte Freizeitverhalten der Mitarbeiter, andere Formen des Zusammenlebens, die steigende Zahl alleinerziehendender Mütter sowie die zunehmende Berufstätigkeit beider Partner riefen bei den Mitarbeitern in den letzten Jahren veränderte Ansprüche und Bedürfnisse bezüglich ihrer Arbeitszeiten hervor. Im Zuge starrer, sich in regelmäßigem Rhythmus wiederholender Schichtpläne zwei Wochen Frühdienst, eine Woche Spätdienst - ergaben sich Konflikte im Privatbereich, die sich nachteilig auf die Arbeitsplatzzufriedenheit der Mitarbeiter und ihre Arbeitsleistung auswirkten. Unter Berücksichtigung einer Mindestbesetzung, bezogen auf die Anzahl der Mitarbeiter und deren Qualifikation, sollte die Mitarbeiter eigenverantwortlich über die Notwendigkeit der Anwesenheit sowie die passenden Zeiten entscheiden. Damit sollte beispielsweise auch verhindert werden, dass Frauen gestresst zur Arbeit kommen, wenn sie kurzfristig die Kinderbetreuung neu organisieren müssen. • Förderung des Teamprozesses: Die Verantwortlichen des Franziskusheims erwarteten, dass sich die Erreichung dieses Ziels als positiver Nebeneffekt ergeben würde. Ihrer Ansicht nach lebt ein flexibles Arbeitszeitsystem davon, dass nicht nur die Anund Abwesenheiten, sondern auch die Aufgaben innerhalb eines Teams abgestimmt werden. Zur Förderung des Teamprozesses sollte deshalb auch die Rolle der Führungskraft neu definiert werden. Kontroll- und Aufsichtsfunktion derselben sollten in den Hintergrund treten, so dass sie statt dessen bei eventuellen Uneinigkeiten als Berater und Vermittler fungieren kann. 3. Das Vorgehen - Mitarbeitervertretung und Mitarbeiter müssen beteiligt werden Information als erster Schritt der unabdingbaren Beteiligung Unmittelbar nachdem sich die Betriebsleitung nach intensiven Diskussionen darauf geeinigt hatte, die sogenannte "Mobilzeit per Dienstvereinbarung" umsetzen zu wollen, informierte sie die Mitarbeitervertretung hierüber. Von da an arbeiteten die Betriebspartner gemeinsam - vom Projektablauf bis hin zum Konzept der neuen Arbeitszeitregelung. So bestand auch Einigkeit darüber, dass ab einem bestimmten Punkt die Mitarbeiter in dieses Projekt einbezogen werden sollten, um jeden Anschein von Manipulation zu vermeiden, eine breite Akzeptanz in der Mitarbeiterschaft zu erzielen sowie das Potenzial verantwortungsbewusster Akteure zu nutzen. Ein Zeitrahmen für die Entwicklung und Umsetzung des neuen Arbeitszeitmodells wurde nicht festgelegt - angesichts der Komplexität der zu beachtenden Gesetze und Bestimmungen sowie der zu berücksichtigenden internen und externen Rahmenbedingungen, aber auch, weil die Arbeitszeitgestaltung für die Mitarbeiter ein überaus sensibles Thema ist. Im Oktober 1998 stellte die Heimleitung der Mitarbeitervertretung auf einer vierstündigen Klausursitzung Anlage 5b der AVR Caritas vor. Jedes Mitglied der Mitarbeitervertretung erhielt hier auch umfangreiche Informationsmaterialien zur Arbeitszeitflexibilisierung - wie Zusammenstellungen von Vorteilen bzw. (vermeintlichen) Nachteilen aus Sicht der Kunden, der Mitarbeiter und des eigenen Hauses, eine Übersicht über potenzielle Umsetzungsschwierigkeiten und Texte zu Praxisbeispielen aus der Privatwirtschaft. Die Mitarbeitervertretung sah einen Zeitrahmen von drei Monaten für die interne Beratung über Sinn und Zweck der Einführung eines flexiblen Arbeitszeitmodells sowie ggf. bereits zur Erarbeitung eigener Ausgestaltungsvorschläge als erforderlich an. Anfang Dezember signalisierte sie dann, dass sie die Flexibilisierung der Dienstzeiten sowie der Dienstplanung für erstrebenswert hielt, so dass für Anfang Januar 1999 eine Ganztagesklausur zur konkreten Planung des Vorgehens für die Entwicklung des Arbeitszeitkonzeptes anberaumt wurde. In dieser Phase des Entwicklungsprozesses - auch hierüber waren sich die Betriebspartner einig - wurden die Mitarbeiter noch nicht über die anstehenden Veränderungen informiert, um Unruhe und Missverständnisse auszuschließen. Organisatorische und finanzielle Grundlagen In der Ganztagesklausur wurde zur Ausarbeitung der Details des neuen Arbeitszeitmodells eine Arbeitsgruppe "Modellprojekt Mobilzeit" aus Heimleiter, Pflegedienstleiterin, zwei Vertreterinnen der Mitarbeitervertretung, zwei Wohnbereichsleiterinnen sowie je einer Mitarbeiterin des Bereichs Hauswirtschaft bzw. Pflege gebildet, die in der Folgezeit jede Woche maximal zwei Stunden tagte. In Bezug auf die inhaltliche Arbeit einigten sich die Betriebspartner nach sechsstündigen intensiven Verhandlungen, die beide Seiten mehrfach kurzzeitig für Beratungszwecke unterbrochen hatten, die Vorgaben der Anlage 5b der AVR Caritas als Grundlage für die Arbeit der Arbeitsgruppe anzusehen. Herr Nickels schätzt rückblickend ein, dass die Arbeitsgruppe vom ersten Tag an hochmotiviert, engagiert und sehr stark an der Sache orientiert, gearbeitet hat. "Jedem Arbeitsgruppenmitglied war bewusst, dass mit der eventuellen Einführung einer flexiblen Arbeitszeit angesichts der grundsätzlichen Veränderungen eine Entscheidung mit erheblichen Auswirkungen auf Bewohner und Mitarbeiter gefällt werden würde." Um die Umstellung des Arbeitszeitsystems ggf. 1999 in Angriff nehmen zu können, hatte die Heimleitung bereits 1998 im 99er Haushaltsplan vorsorglich ein Budget hierfür eingerichtet. Dieses berücksichtigte Mittel für den Personalaufwand (im wesentlichen für die Arbeitsgruppenarbeit, die Treffen zwischen Heimleitung und Mitarbeitervertretung sowie die Sitzungen mit den Mitarbeitern des Modellbereichs), für die Anschaffung von Fachliteratur und Bürobedarf sowie DM 6.000 für neue Software für die Erweiterung des bestehenden Personalprogramms auf ein Dienstplanprogramm. Modellversuch ebnet Weg für flächendeckende Umsetzung Im Rahmen der Ganztagesklausur vereinbarten die Betriebspartner weiter angesichts der Komplexität des Sozialbetriebes - mit einem Modellversuch in eine flexiblere Arbeitszeitwelt zu starten. Dieser sollte auf der sogenannten ersten Pflegeetage, auf der 16 Mitarbeiter schwerstpflegebedürftige Bewohner betreuen, vom 1. April bis 31. August 1999 durchgeführt werden - unter der Voraussetzung, dass unter Akzeptanzgesichtspunkten mindestens zwei Drittel der betroffenen Mitarbeiter dem Modellversuch zustimmen. Der konkrete Bereich wurde ausgewählt, weil die Betriebspartner erwarteten, dass positive Erfahrungen in diesem die flächendeckende Umsetzung wesentlich erleichtern würden. 4. Inhaltliche Projektarbeit unter Beteiligung der Mitarbeiter des Pilotbereiches Analyse des betrieblichen Bedarfs Das anhand der Bedarfe des Modellbereichs entwickelte Arbeitszeitmodell musste - angesichts der geplanten Ausdehnung auf den Gesamtbetrieb - auch die Erfordernisse der anderen Abteilungen - Pflegebereiche, Küche, Reinigung, Verwaltung, Sozialdienst, Wäscherei, Hausmeisterei berücksichtigen, so dass die Arbeitsgruppe diese sowie bereichsübergreifende Fragestellungen von Beginn an in ihre Überlegungen einbezog. Wichtigste Voraussetzung für die weitere Arbeit war die Erhebung der Hochund Niedriglastzeiten - angefangen in der ersten Pflegeetage, aber im nächsten Schritt bereits auch für die anderen Abteilungen vorgenommen. Bei der diesbezüglichen Analyse stellte sich heraus, dass das brauchbarste Ergebnis von den Personen kommt, die den Bedarf durch ihre Einbindung ins Tagesgeschäft am besten kennen - von den Mitarbeitern. Festlegung einer quantitativen und qualitativen Mindestbesetzungsstärke Davon ausgehend diskutierte die Arbeitsgruppe mit den Mitarbeitern die Mindestbesetzungsstärke unter Berücksichtigung der benötigten Qualifikationen. Deren Festlegung war bedeutsam, weil sie nicht unterschritten werden darf, jedoch die individuellen Gestaltungsspielräume der Mitarbeiter einschränkt. Im Franziskusheim unterscheiden sich die Zeiten hohen bzw. niedrigen Arbeitsanfalls nicht nur durch das Arbeitsvolumen, sondern auch durch die Art der Tätigkeiten und der hierfür benötigten Qualifikationen. So wird in der Hochlastphase im Pflegebereich sowohl Grund- als auch Behandlungspflege durchgeführt. Letztere ist eine der Aufgaben, die aufgrund gesetzlicher Vorgaben ausschließlich von examinierten Pflegekräften wahrgenommen werden darf, so dass deren Anzahl in der Hochlastphase höher liegen muss. In Niedriglastzeiten können dagegen auch sogenannte Pflegehilfskräfte zur Arbeit eingeteilt werden, weil überwiegend weniger anspruchsvolle Tätigkeiten anfallen. Mindestens eine examinierte Pflegekraft pro Wohnbereich muss jedoch auch während dieser Zeiten präsent sein. Diskussion des Arbeitszeitrahmens Auch der frühest mögliche Arbeitsbeginn bzw. das spätest mögliche Arbeitsende musste sich am Bedarf der internen und externen Kunden orientieren. Demzufolge ermittelte die Arbeitsgruppe im ersten Schritt den diesbezüglichen Kundenbedarf aller Bereiche, um anschließend die Verknüpfungen der einzelnen Bereiche festzustellen und auf die Kundenwünsche abzustimmen. Zwei Beispiele: • Für die Verwaltung macht es keinen Sinn, schon um 6.00 Uhr mit der Arbeit beginnen zu können, da weder seitens der Bewohner, der Interessenten und der Mitarbeiter ein Bedarf besteht noch die eigenen Dienstleister - wie Sozialämter oder Krankenkassen - ansprechbar sind. Allerdings kann mit der Verlagerung der Arbeitszeit in den Abend die Beratung von Interessenten besser realisiert werden. • Auch im Pflegebereich ist ein zu früher Arbeitsbeginn nicht erforderlich. So zeigt die Erfahrung, dass die meisten Bewohner erst ab 7:00 Uhr gepflegt werden möchten. Stichtagsbezogenes oder fortlaufendes Zeitkontos Hier setzte sich die Arbeitsgruppe mit den Vor- und Nachteilen von zwei Arten von in der Praxis vorkommenden Zeitkonten auseinander - den stichtagsbezogenen Zeitkonten, die zu einem festen Stichtag (z.B. Monats-, Quartals- oder Jahresende) abgerechnet werden, und dem Zeitkonto mit fortlaufender Saldierung (z.B. das Ampelkonto). Angesichts der Nachteile der erst Genannten vgl. den einschlägigen Artikel von Dr. Andreas Hoff unter http://www.arbeitszeitberatung.de/dateien/publikationen/pub31zeitkonten_teil1.htm entschied sich die Arbeitsgruppe für den Einsatz eines Ampelkontos, wie es 1990 bei der Bremer Landesbank entwickelt wurde, und diskutierte im folgenden über den Umfang der Ampelphasen im Plus- und Minusbereich. Einigkeit bestand dahingehend, dass das in den AVR Caritas vorgegebene Maximalbudget in Höhe von +/-115,5 Stunden vorerst nicht ausgeschöpft, sondern die Grenzen relativ eng gesetzt werden sollten - allerdings mit der Option, diese nach einer Phase der Gewöhnung zu erweitern. Herr Nickels erinnert sich, dass Heim- und Pflegedienstleitung größere Ampelphasen und damit mehr Gestaltungsfreiräume für die Mitarbeiter vorschlugen, als die übrigen Mitglieder der Arbeitsgruppe wünschten. Vermutlich, so Herr Nickels weiter, hätten - hinsichtlich der Minusstunden - entsprechende Ängste der Mitarbeiter ("Wir wollen dem Dienstgeber nichts schuldig bleiben") diese Haltung geprägt. Unterstützung der Teamabstimmung durch "Spielregeln" Des weiteren befasste sich die Arbeitsgruppe mit den Voraussetzungen für das reibungslose Funktionieren der Abstimmung im Team - wie zum Beispiel ausführlicher gegenseitiger Information - und erarbeitete "Spielregeln" für den Fall, dass diese Teamabstimmung versagen würde. Im Nichteinigungsfall gilt, dass • bei niedrigem Arbeitsanfall - das Teammitglied mit dem höchsten Plussaldo frei machen muss. • bei Unterschreitung der Mindestbesetzung - bevorzugt das Teammitglied mit dem höchsten Plussaldo zu Hause bleiben darf, während die anderen sich zur Arbeit einteilen müssen. • bei nicht im Team zu lösenden Streitfällen die Abteilungsleitung eine Schlichterrolle übernimmt und eine verbindliche Entscheidung herbeiführen kann. Auseinandersetzung mit Ängsten der Führungskräfte Nach den ersten inhaltlichen Informationen über das Vorhaben zeigte sich, dass einige Abteilungsleiter Probleme mit den Veränderungen hatten. So wurde die angedachte Aufgabe des "Privilegs" zum Schreiben des Dienstplans sowie der hiermit empfundene Machtverlust überaus kritisch gesehen. "Mitarbeiter konnten ja nicht mehr bevorzugt werden und die Führungskraft musste sich statt dessen auf wesentliche Aufgaben konzentrieren", weiß Herr Nickels um die Ablehnungsgründe. Die Arbeitsgruppe argumentierte dagegen, dass die Führungskräfte ihre Möglichkeiten beim Dienstplanschreiben verschenken würden und letztlich hierfür auch zu teuer seien. Mit dieser Positivdarstellung konnten vielen Führungskräften ihre Ängste genommen werden. Beteiligung der Mitarbeiter der Modellabteilung Anfang März 1999 fand eine Informationsveranstaltung mit den Mitarbeitern des Modellbereichs statt, auf der Arbeitgeber und Mitarbeitervertretung gemeinsam ausführlich das Anliegen, dessen Konsequenzen sowie den von der Arbeitsgruppe vorgelegten Vorschlag für die neue Arbeitszeit-Dienstvereinbarung vortrugen. Abbildung 3 - Ablauf der Informationsveranstaltung • • • • • Ablauf der Informationsveranstaltung Auswahl des Pilotbereichs: Einleitend begründete die Arbeitsgruppe, warum die erste Pflegeetage als Projektabteilung ausgewählt worden war und wies ausdrücklich darauf hin, dass die endgültige Entscheidung hierüber von den Mitarbeitern getroffen werde. Vorteile und Veränderungen: An eine Darstellung der Vorteile für den Betrieb sowie für den einzelnen Mitarbeiter schloss sich die Präsentation der grundlegenden Veränderungen anhand von Overheadfolien an. Musterdienstpläne: Es wurden Musterdienstpläne vorgestellt, an denen potentielle Auswirkungen auf die Personalbesetzung in den Sommermonaten (Urlaubszeit) und die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten des einzelnen Mitarbeiters erläutert werden konnten. Umdenken: Die Arbeitsgruppe ging auch auf mögliche Umsetzungsschwierigkeiten ein, wobei sie als größte Barriere das erforderliche Umdenken jedes Einzelnen identifizierte. Diskussion: Herr Nickels erinnert sich, dass die Atmosphäre von Neugierde sowie Offenheit für Neues geprägt war. Und als die Mitarbeiter sahen, welche Möglichkeiten sich für den einzelnen boten, beteiligten sie sich so interessiert an der Diskussion, dass nicht mehr um das Ob der Einführung eines flexiblen Arbeitszeitmodells • diskutiert, sondern konkret über das Wie - also die Regelungsdetails - nachgedacht wurde. "Auffällig war, dass das größere Zeitangebot für die Betreuung der Bewohner in Folge der höheren Besetzungsstärke zu Hochlastzeiten für die Mitarbeiter einen erheblich höheren Stellenwert hatte, als die Vergrößerung der Gestaltungsspielräume für ihre eigene Frei- bzw. Dienstzeit." Auf die formale Erhebung der Zustimmung zum geplanten Projekt konnte die Arbeitsgruppe angesichts des geschilderten Verlaufs der fast zweistündigen Diskussion verzichten. Die positive Einstellung der Mitarbeiter gipfelte in der Aussage "Packen wir es offen und ohne Vorbewertung an, und schauen wir einmal, wie sich alles entwickelt." Allerdings war den Mitarbeitern trotz allem die Sicherheit wichtig, bei nachteiligen Erfahrungen aus der Erprobung aussteigen bzw. im Laufe des Projektes Änderungen einbringen zu können. Anschließend unterschrieben Heimleitung und Mitarbeitervertretung die Dienstvereinbarung. Vor Start des Projektes schulte die Pflegedienstleiterin die Mitarbeiter noch in der Handhabung des EDV-Dienstplanprogramms. Sie war es auch, die vor allem als Ansprechpartnerin für eventuelle Umsetzungsprobleme während der Projektzeit zur Verfügung stand. 5. Die weiterentwickelte Dienstvereinbarung Nachstehend wird die derzeit geltende Dienstvereinbarung dargestellt, wobei auf ggf. erfolgte Modifikationen während der Laufzeit explizit hingewiesen wird. Änderungen der Dienstvereinbarung besprechen Heimleitung und Mitarbeitervertretung übrigens immer dann, wenn sich diese als erforderlich herausstellen. Die jeweils in einem Satz schriftlich festgehaltenen Änderungen können dann sofort praktiziert werden, ohne dass laufend die ganze Dienstvereinbarung neu verhandelt werden muss. "Was die Mitarbeiter als Fachleute erkennen, wird unbürokratisch geändert", unterstreicht Herr Nickels. Lediglich am Jahresende prüfen die Betriebspartner, ob die Dienstvereinbarung zu ändern ist. Geltungsbereich Die Dienstvereinbarung gilt für alle - auch Teilzeit- - Mitarbeiter des Franziskusheims. Bei ihrem Inkrafttreten war sie für die Modellphase auf die Mitarbeiter des Pflegebereichs der sogenannten 1. Etage begrenzt. Arbeitszeit Grundlage der Dienstvereinbarung sind die zu erbringenden Jahresarbeitsstunden, wie sie sich für Vollzeitbeschäftigte aus der tariflichen Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden ergeben. Arbeitszeitkonto Auf dem - mittels edv-technischer Unterstützung geführten - Zeitkonto werden Über- und Unterschreitungen der anteiligen Vertragsarbeitszeit saldiert. Es wird als Ampelkonto geführt, wobei dieses nach einigen Erfahrungen von einem dreiphasigen auf ein zweiphasiges Ampelkonto vereinfacht werden konnte. So startete das Franziskusheim mit einer Grünphase von +/-21, einer Gelbphase von +/-35 (Rücksprache mit dem unmittelbaren Vorgesetzten bzw. im Minusbereich Zustimmung der Abteilungsleitung) und einer Rotphase über +/-35 Stunden (vor Überschreitung Information der Pflegedienstleitung). Heute gilt, dass die Grünphase den Bereich von +/-115 Stunden - also analog der Regelung in den AVR Caritas - umfasst. In diesem Bereich verfügt und entscheidet der Mitarbeiter über seine Arbeitszeit. Bei Erreichen von +/-115 Stunden muss die Abteilungsleitung im Pflegebereich die Pflegedienstleitung und in allen anderen Bereichen die Heimleitung informieren, damit Rücksteuerungsmaßnahmen eingeleitet werden können. Im wesentlichen geht es aber darum, wie Herr Nickels beschreibt, mit dem Mitarbeiter über die Gründe für die Abweichungen ins Gespräch zu kommen. Im Einzelfall können auch einmal Überschreitungen der Rotphase abgesprochen werden beispielsweise zur Stärkung des Sonntagsdienstes oder für Vertretungen. Zeitguthaben können zwischen einer und 115 Stunden abgebaut werden. Die Mindestvorgabe von einer Stunde dient dem Schutz des Arbeitnehmers, der bei vorzeitiger Beendigung der Arbeit nicht einfach nach Hause geschickt werden soll. Erkrankt der Mitarbeiter während des Zeitausgleichs, wird das Zeitkonto um diese Stunden gemindert, sofern der Mitarbeiter an dem entsprechenden Tag im Dienstplan zur Arbeit eingeteilt war. Das Zeitkonto ist bei Beendigung des Dienstverhältnisses, bei Antritt eines Erziehungsurlaubes sowie bei Antritt eines Sonderurlaubs gemäß § 10 Anlage 14 der AVR Caritas auszugleichen. Ggf. verbleibende Zeitguthaben werden als zeitzuschlagspflichtige Überstunden vergütet, während eventuelle Minusstunden mit dem Entgelt verrechnet werden können. Hierüber entscheidet die Heimleitung unter Beteiligung der Mitarbeitervertretung. Allerdings werden mindest ein Jahr im Unternehmen beschäftigten Mitarbeitern, die plötzlich aus persönlichen Gründen ausscheiden müssen, bis zu 49 Minusstunden - bzw. nach Ermessen der Heimleitung im Einzelfall auch darüber hinaus - erlassen. Auch hier ist die Mitarbeitervertretung zu beteiligen. Diese Regelung wurde nach den Erfahrungen der Pilotphase, in Reaktion auf diesbezügliche Ängste der Mitarbeiter getroffen. Bei geplantem Ausscheiden können Minusstunden mit Urlaubstagen - mit Ausnahme des gesetzlichen Mindesturlaubes gemäß § 3 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz verrechnet werden. Fortzahlung der Vergütung Es gilt grundsätzlich das Lohnausfallprinzip, wonach die an diesem Tag dienstplanmäßig oder betriebsüblich festgelegte Arbeitszeit zu vergüten ist. Laufzeit der Dienstvereinbarung Die Dienstvereinbarung beginnt am 1. Januar 2000 und ist nicht befristet. Hierin unterscheidet sich die Dienstvereinbarung von der für die Probephase abgeschlossene, die vom 1. April 1999 bis 30. September 1999 galt und ohne Kündigung durch eine der beiden Vertragsparteien endete. Es wird festgelegt, dass eine Nachwirkung über das Ende der Dienstvereinbarung hinaus ausgeschlossen ist. Heute kann diese Dienstvereinbarung nur im Einvernehmen zwischen Dienstgeber und Mitarbeitervertretung gekündigt werden. Zusatzvereinbarungen Zusatzvereinbarungen oder Veränderungen dieser Dienstvereinbarung können nur in beiderseitigem Einvernehmen erfolgen und bedürfen zwingend der Schriftform. 6. EDV-gestützte Dienstplangestaltung Warum überhaupt EDV eingesetzt wird Die Dienstplangestaltung erfolgt mittels EDV-technischer Unterstützung, weil das Franziskusheim diese Art der Dienstplanung für einfacher, genauer, leichter nachvollziehbar und transparenter hält. Die permanent von den Mitarbeitern vorgenommenen Abweichungen vom Dienstplan - und damit auch eventuelle Unterschreitungen der für den Personaleinsatz maßgeblichen Mindestbesetzung - werden auf einen Blick sichtbar, so dass bei Bedarf sofort gegengesteuert werden kann. In der Praxis hat sich gezeigt, dass auf dieser Grundlage vor allem auch kurzfristige Entscheidungen sehr gut getroffen werden können. "Der Mitarbeiter, jeder hat ja Zugang zu dem System, schaut einfach nach, ob die Mindestbesetzungsstärke unterschritten würde, wenn er vorzeitig das Haus verlässt", beschreibt Herr Nickels das Verfahren. Zum konkreten System ergänzt er noch, dass sich die Verantwortlichen nach den unbefriedigenden Erfahrungen mit dem "selbstgestrickten" System (vgl. unter 6) am Markt nach verfügbaren Produkten umgeschaut und sich für die speziell für Krankenhäuser und Altenheime entwickelte Software PEBI der Firma THS, Stuttgart, entschieden haben. Wie der Dienstplan entsteht Aus systemtechnischen Gründen wird in der Dienstplanungssoftware für jeden Mitarbeiter ein Rollierplan für den Folgemonat hinterlegt, der jedoch für den tatsächlichen Arbeitseinsatz sowie die zeitkontenmäßige Verrechnung ohne Belang ist. In der Praxis tragen sich die Mitarbeiter bei der monatlichen Dienstplanung - übrigens direkt am PC - in ein Leerblatt unter Berücksichtigung der quantitativen und qualitativen Mindestbesetzung zu den Tagen und Zeiten zum Dienst ein, die sie bevorzugen. Der Dienstplan entsteht so zügig, dass in einer Dienstbesprechung maximal eine Viertelstunde hierfür beansprucht werden würde. Die Mitarbeiter entscheiden schnell, in dem Bewusstsein noch laufend Änderungen an dem Dienstplan vornehmen zu können. In der Regel tragen sie sich erst einmal für die Standardschichten ein. 14 Tage vor Monatsbeginn wird der neue Dienstplan ausgehängt. Modifiziert ein Mitarbeiter den Dienstplan, muss er sich hierüber mit den anderen Mitgliedern seines Teams abstimmen. Das bedeutet in der Praxis, wenn die Mindestbesetzung nicht unterschritten wird, erklärt einfach die Änderung. Sofern die Mindestbesetzung aber droht unterschritten zu werden, liegt es in seiner Verantwortung für eine Vertretung - im Notfall auch etagen- also teamübergreifend - zu sorgen. Ist das geklärt, muss er den Abteilungsleiter über die Änderung nicht informieren. Er trägt die Abweichung vom ursprünglich geplanten Dienst lediglich noch in das System ein, an dem er übrigens auch seine Arbeitszeit erfasst. Abteilungs- oder auch Heimleitung greifen in die Teamabstimmung nicht ein, übrigens auch dann nicht, wenn die Mindestbesetzung zu bestimmten Zeiten und nur vorübergehend überschritten wird. Zunächst wird davon ausgegangen, dass der höhere Personaleinsatz durch zusätzlich übernommene Aufgaben begründet ist. Erst bei hoher und länger andauernder Mehrbesetzung hinterfragt die Heimleitung deren Notwendigkeit. Dass die Teamabstimmung so gut funktioniert, dass beispielsweise Änderungen des Dienstplans bisher immer im eigenen Team geklärt werden konnten, führt Herr Nickels darauf zurück, dass sich im Zuge des gleichzeitig durchgeführten Personalentwicklungsprozesses die Atmosphäre in den Teams verbessert habe, einzelne das Team nicht mehr dominierten, die Mitarbeiter kompetenter seien und verantwortungs- und selbstbewusster handelten. "Und die Mitarbeiter haben einfach auch ein großes Interesse daran zu zeigen, dass ihr System funktioniert", begründet er. Weitere positive Erfahrung ist, dass sich die Mitarbeiter kaum noch mit den Themen "Dienstplan" und "Aushilfen" beschäftigen und auch die Führungskräfte hiervon entlastet sind. 7. Die Durchführungsphase - von den ersten Erfahrungen bis zur heutigen Praxis Erfahrungsaustausch nach drei Monaten Ende Juni 1999 tauschten die Beteiligten - Mitarbeiter der ersten Pflegeetage, Heimleitung und Mitarbeitervertretung - erste Erfahrungen mit dem laufenden Projekt aus. Diese mit einem Bericht vorbereitete Zwischenauswertung beraumten die Betriebspartner an, um von Problemen, die wichtigsten sind in Abbildung 4 zusammengefasst, Kenntnis zu erlangen, aber insbesondere auch, um Anregungen der Mitarbeiter aufnehmen und diese ggf. in die Gestaltung der flächendeckenden Regelung einbringen zu können. Abbildung 4 - Wichtige Probleme bei der Einführung des neuen Arbeitszeitmodells • • • Fehler der zuerst eingesetzten Software: Als ein unter Akzeptanzgesichtspunkten nicht unerhebliches Problem sprach der Bericht die bereits unmittelbar nach Start des Projektes deutlich gewordenen Unzulänglichkeiten der zuerst eingesetzten Software an. So berücksichtigte dieses nicht alle vom Pflegeteam festgelegten Arbeitszeitmodelle und es übertrug die Kontensalden der Mitarbeiter fehlerhaft in den Folgemonat. Und obwohl der Softwareentwickler die Fehler kurzfristig, da er in der Region ansässig ist, beheben konnte, waren die Mitarbeiter - insbesondere durch die falsche Übertragung der Salden - verunsichert. Feste Verankerung von Gewohnheiten: Die größten Schwierigkeiten für eine erfolgreiche Umsetzung bestanden darin, dass die bisherige Arbeits(zeit)weise in den Köpfen der Mitarbeiter so fest verankert war, dass ein Umdenkungsprozess nur peu à peu in Gang gebracht werden konnte. Schließlich hatten manche Mitarbeiter über viele Jahre in einem engen (Arbeitszeit-)Korsett gesteckt. Dass betrifft allerdings nicht nur eigene Mitarbeiter, sondern teilweise auch neue Kollegen, die sich zwar gezielt mit Hinweis auf das Arbeitszeitmodell bewerben, dann aber doch erst lernen müssen, mit den Freiräumen umzugehen. Demzufolge hatte sich auch weder die Dienstplangestaltung wesentlich verändert noch nutzten die Mitarbeiter die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten. Statt dessen achteten die meisten peinlichst darauf, am Monatsende ihr Zeitkonto möglichst ausgeglichen zu haben. So gab es einige Mitarbeiter deren Zeitkonten - allerdings nur geringfügig - im Plusbereich waren, aber keinen einzigen Mitarbeiter, dessen Zeitkonto - übrigens trotz urlaubsschwacher Zeit Minussalden aufwies. In anschließend geführten Einzelgesprächen begründeten die Mitarbeiter ihr Verhalten: "ich schulde nicht gerne etwas", "was ist, wenn ich plötzlich ausscheiden muss" und "was denken andere (die Leitung), wenn ich im Minusbereich bin". Die Heimleitung entschied sich daraufhin, diese Probleme und die neuen Gestaltungsmöglichkeiten am konkreten Beispiel einer Mitarbeiterin zu thematisieren. Die Mitarbeiterin beklagte häufiger, dass sie ihr Ferienhaus an der holländischen Nordseeküste wegen der ungünstigen Lage ihrer Dienste zu selten nutzen könne. Anhand der Dienstpläne der vergangenen drei Monate demonstrierte die Heimleitung, dass ein selbst gestalteter Dienstplan zusätzliche Tage sowie verlängerte Wochenenden an der See beschert hätte. Darüber hinaus versuchte die Heimleitung, den Mitarbeitern zu vermitteln, dass Mitarbeiter mit Minusstunden für den Dienstgeber grundsätzlich "gute" Mitarbeiter seien. Schließlich sitzen diese ihre Zeit bei geringem Arbeitsanfall nicht nur für ein ausgeglichenes Zeitkonto ab. Dass die Bemühungen zur Verbesserung der Umsetzung gefruchtet hatten, zeigte bereits der Dienstplan für August: Die ersten "mutigen" Mitarbeiter experimentierten verantwortungsbewusst mit ihren Gestaltungsmöglichkeiten. Hieraus leitet Herr Nickels eine aus seiner Sicht wichtige Empfehlung ab: "Ein konkret demonstriertes Beispiel bewirkt mehr als die schönsten theoretischen Modelle." Dauer der Pilotphase: Nach Ablauf von drei Monaten stellten die Verantwortlichen fest, dass der Zeitraum für die Erprobung, die ja die Voraussetzung für die Entscheidung über eine flächendeckende Einführung des neuen Arbeitszeitmodells sein sollte, zu kurz angesetzt war. Da die evtl. Einführung für den Gesamtbetrieb jedoch ohnehin erst für den 1. Januar 2000 geplant war, vereinbarten Heimleitung und Mitarbeitervertretung in einer Zusatzvereinbarung zur Dienstvereinbarung nach Absprache mit den Mitarbeitern der beteiligten Etage, das Projekt auf neun Monate bis zum 31. Dezember 1999 zu verlängern. Erkenntnisse nach sieben Monaten Nach sieben Monaten Projektzeit zeigte sich im Oktober 1999, dass alle Mitarbeiter der Projektabteilung in der Lage waren, verantwortungsbewusst und weitgehend selbstbestimmt die Möglichkeiten der flexiblen Arbeitszeit zu nutzen. So hatten sie personelle Engpässe - selbst in der Haupturlaubszeit - verhindert, bewohnerorientiert gearbeitet und von den Vorteilen für die zeitliche Gestaltung ihres Privatlebens profitiert. Inzwischen beneideten die Mitarbeiter der anderen Bereiche, die das Projekt zuerst skeptisch beäugt hatten, wie sich Herr Nickels erinnert, die Mitarbeiter der Projektabteilung um deren Möglichkeiten und drängten auf die schnelle Einführung im Gesamtbetrieb - mit Ausnahme des Reinigungsdienstes. Dessen Mitarbeiter waren erst bereit, sich von ihren Arbeitszeitbesitzständen zu trennen, als die Geschäftsführung deutlich gemacht hatte, dass es grundsätzlich auch Alternativen zu einem internen Reinigungsdienst gebe. Nach einen klärenden Gespräch kamen dann aber gerade auch aus diesem Bereich wertvolle Ideen und Anregungen für die Umsetzung der Dienstvereinbarung. In den anderen Bereichen traten die o.g. Umsetzungsprobleme nicht mehr auf. Grund hierfür ist u.a., dass über das Arbeitszeitmodell vielmehr und vor allem mit den Mitarbeitern der Projektabteilung kommuniziert wurde. Zufriedenheit nach drei Jahren Anwendung und Vorbildwirkung Die Sicht der Bewohner: • Zu Hochlastzeiten sind 30% mehr Mitarbeiter als in der Vergangenheit eingesetzt, wodurch bewohnerorientierter gearbeitet und Hilfe zur Selbsthilfe gegeben wird. Der Mitarbeiter betreut den Bewohner heute so, dass dieser seine Ressourcen ausschöpfen kann. Das heißt, der Mitarbeiter nimmt sich die Zeit - und denkt nicht mehr "ich muss schnell fertig werden" -, den Bewohner jene noch selbst zu bewältigende Dinge, auch selbst erledigen zu lassen. • Die nunmehr von zwei Mitarbeitern durchgeführte Grundpflege ist für den Bewohner schonender - wie zum Beispiel, wenn der Bewohner nicht mehr allein gebadet wird. • Der Bewohner wird dann gepflegt, wenn er es möchte und nicht dann, wenn der Dienstplan es vorgibt. Hat ein Bewohner beispielsweise sein Leben lang im Bett gefrühstückt, wird ihm das auch im Franziskusheim ermöglicht und er wird erst danach gepflegt. • In Folge des Arbeitszeitmodells wird effizienter gearbeitet, so dass zeitliche Ressourcen verfügbar werden. Deren Nutzung bringt den Bewohnern einen Mehrwert, indem die Mitarbeiter die Zeit für zusätzliche Aufgaben im Bereich der sozialen Betreuung - wie zum Beispiel einen zusätzlichen Spaziergang oder einen ungeplanten Cafébesuch in der Stadt - einsetzen. Die Sicht der Angehörigen: • Interessenten - neben den potentiellen Bewohnern vor allem deren Kinder und Enkelkinder - werden dann durch das Haus geführt werden, wenn sie hierfür Zeit haben - früh um 7:00 Uhr oder abends um 20:00 Uhr genauso wie samstags und sonntags. • Jedes Interessentengespräch, dass jeweils von einem der sieben explizit hierfür qualifizierten Mitarbeitern durchgeführt wird, dauert mindestens eine Stunde - "wir nehmen uns hierfür Zeit". Die Sicht der Mitarbeiter: • Auch die Mitarbeiter im Pflegebereich werden durch die höhere Besetzung zu Hochlastzeiten - insbesondere bei der Grundpflege (Baden, Lagern, Mobilisation) physisch und psychisch deutlich entlastet. "Es ist angenehm, ruhiger arbeiten zu können", wurde u.a. geäußert. • Die Mitarbeiter sind zufriedener, weil sie Zeit für die Bewohner haben. • Sie sind motivierter, weil sie in hohem Maße selbst über ihre Arbeitszeit entscheiden können und frustrierende "Leerlaufzeiten" nicht mehr vorkommen. Unzufriedenheiten über den "fertigen" Dienstplan treten nicht mehr auf. • Aufgrund der Notwendigkeit, sich im Team über die individuellen Arbeitszeiten abzustimmen, kommen die Mitarbeiter verstärkt ins Gespräch. Etwaige Kommunikationsschwierigkeiten werden bald erkannt und ihre Lösung kann unverzüglich angegangen werden. Die Sicht des Franziskusheims: • Vorgesetzte werden durch die weitgehend selbstgesteuerte Dienstplanung entlastet. Weder muss die Pflegedienstleiterin den Dienstplan schreiben, noch wird die Heimleitung am Wochenende bei Änderungswünschen angerufen. • In der Projektphase fielen in der Projektabteilung keine Kurzfehlzeiten für Arztbesuche (im Vorjahr 12 à ca. 110 Minuten Ausfallzeit) mehr an. • Die Beteiligten identifizierten sich stärker als früher mit "ihrem" Betrieb, bedingt dadurch, dass sie während des Projektes viel über diesen erfahren haben. Hierdurch erhöhte sich die Betriebsbindung, wodurch sich die Fluktuationskosten reduzierten. • Die Außenwirkung verbesserte sich, was beispielsweise in Äußerungen von Angehörigen deutlich wurde: "Man merkt schon, dass Sie neue Mitarbeiter eingestellt haben, es ist nicht mehr so hektisch wie früher." Es wird also registriert, dass bei hohem Arbeitsanfall mehr Personal anwesend ist. Darüber hinaus interessierten sich aber auch zunehmend andere soziale Dienstleister für das Arbeitszeitmodell. Und schließlich locken attraktive Arbeitszeitbedingungen qualifizierte Arbeitskräfte an, so dass das Franziskusheim seither keine Stellenanzeige mehr hat schalten müssen. • Das Franziskusheim hat seine Wettbewerbsposition - was u.a. Ziel der Einführung eines neuen Arbeitszeitmodells war - gestärkt. So betragen die Wartezeiten für Interessenten im betreuten Pflegebereich inzwischen ca. 19 Monate und im Wohnbereich 3,5 Jahre - und das, obwohl in der Regel ausschließlich Interessenten aus Geilenkirchen bzw. der allernächsten Umgebung aufgenommen werden. 8. Empfehlungen aus der Projektarbeit Dass das Arbeitszeitmodell im Franziskusheim erfolgreich eingeführt wurde, führen die Verantwortlichen u.a. auch auf die aus ihrer Sicht gelungene Entwicklungs- und Umsetzungsphase zurück. Herr Nickels gestattet sich, aus diesen Erfahrungen Empfehlungen für andere Unternehmen abzuleiten: • • "Binden Sie Ihre Mitarbeitervertretung ein! Beteiligen Sie die Mitarbeiter schon in der Entwicklungsphase! Ein "von oben" diktiertes Arbeitszeitmodell wird scheitern. Sie müssen den Mitarbeitern angesichts des als massiv empfundenen Eingriffs in die bisherige Arbeitszeit ihre Ängste nehmen. Veränderungen werden akzeptiert, wenn dem Sicherheitsbedürfnis der Mitarbeiter Rechnung getragen wird. Bei uns hat sich die Offenheit und Neugierde der Mitarbeiter der ersten Pflegeetage positiv auf den Gesamtbetrieb übertragen. Schalten Sie eine Erprobungsphase vor eine flächendeckende Einführung! Bei uns haben skeptische Abteilungsleitungen anfängliche Bedenken - wie z.B. höherer • • • • • Koordinationsaufwand und Kontrollverlust - durch die positiven Erfahrungsberichte der Projektabteilung aufgegeben. Allerdings darf eine Probephase nicht zu kurz angesetzt sein, weil vor allem der von den Mitarbeitern zu durchlaufende Entwicklungsprozess Zeit erfordert. Lassen Sie kontinuierliche Anpassungen des ursprünglichen Modells zu, weil die Praxis Regelungen überholt. Erst die Veränderungen während des Projektverlaufs haben das Ursprungsmodell zum Erfolgsmodell gemacht. Begleiten und steuern Sie das Projekt, machen Sie keine starren Vorgaben! Dass wir unseren Mitarbeitern Hilfestellung angeboten, aber gleichzeitig Freiräume zum Experimentieren gelassen haben, ist gut angekommen. Insbesondere die Demonstrationen am Praxisfall haben überzeugt. Die Projektleitung muss vom Projekt überzeugt sein. Stellen Sie die Funktionsfähigkeit des EDV-Systems sicher! Ein solcher Umgestaltungsprozess sollte durch parallele Personalentwicklungsmaßnahmen unterstützt werden, damit die Mitarbeiter beispielsweise befähigt werden, Entscheidungen selbst zu treffen." 1 Ausschließlich aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird hier und im folgenden stets nur die männliche Form verwendet.
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