Dokument Datenbank flexible Arbeitszeitmodelle Das bewohner

Dokument Datenbank flexible Arbeitszeitmodelle
Das bewohner- und mitarbeiterorientierte Arbeitszeitsystem eines
Altenheims
Unternehmen: Franziskusheim gGmbH
Homepage: www.franziskusheim-glk.de
Anschrift: Zum Kniepbusch 5 52511 Geilenkirchen
Ansprechpartner: Herr Alfons Nickels (Geschäftsführer, DW-100)
Tel.: 02451/6209-0
[email protected]
Branche: Soziale Dienstleistungen
Mitarbeiterzahl: ca. 100
Kategorie: Dienstplangestaltung
Das bewohner- und mitarbeiterorientierte Arbeitszeitsystem eines
Altenheims
Inhalt
1.
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3.
4.
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6.
7.
8.
Das Franziskusheim - mehr als ein Dach über dem Kopf
Anlage 5b der AVR Caritas - Grundlage für die Flexibilisierung der Dienstzeiten
Das Vorgehen - Mitarbeitervertretung und Mitarbeiter1 müssen beteiligt werden
Inhaltliche Projektarbeit unter Beteiligung der Mitarbeiter des Pilotbereiches
Die weiterentwickelte Dienstvereinbarung
EDV-gestützte Dienstplangestaltung
Die Durchführungsphase - von den ersten Erfahrungen bis zur heutigen Praxis
Empfehlungen aus der Projektarbeit
1. Das Franziskusheim - mehr als ein Dach über dem Kopf
Das Franziskusheim ist ein Alten- und Pflegeheim mit - derzeit - 126
Bewohnern in der Trägerschaft der Franziskusheim gGmbH , zu der darüber
hinaus eine Wohnanlage zum betreuten Wohnen mit 24 Altenwohnungen gehört.
Für die ca. 100 Mitarbeiter dieses sozialen Dienstleisters gelten die
Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen
Caritasverbandes (AVR Caritas).
Seit 1995 positioniert sich das Franziskusheim gegenüber der Vielzahl
regionaler Wettbewerber im Kreisgebiet neu, indem es kontinuierlich seine
Vorteile gegenüber anderen Alten- und Pflegeheimen herausarbeitet. Hierzu
zählen die Verantwortlichen des Franziskusheims u.a. die in Abbildung 1
genannten Maßnahmen:
Abbildung 1 - Betreuungs- und Beschäftigungsvorteile im Franziskusheim
Betreuungs- und Beschäftigungsvorteile im Franziskusheim
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Auf den Einsatz geringfügig Beschäftigter wird verzichtet, um die Bewohner
kontinuierlich in hoher Qualität versorgen zu können.
Die Fremdvergabe von Leistungen wird aus Gründen der Qualitätssicherung,
zugunsten der Kontinuität in der Pflege sowie unter sozialpolitischen
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Gesichtspunkten abgelehnt, so dass alle Leistungen durch eigene Mitarbeiter
erbracht werden.
Das Franziskusheim beschäftigt drei diplomierte Sozialpädagogen, damit die
Bewohner von Mitarbeitern betreut werden, die für deren Belange - im
Gegensatz zu den häufig in anderen Altenheimen für die Pflege eingesetzten
Zivildienstleistenden - qualifiziert sind. Zivildienstleistende werden im
Franziskusheim ausschließlich zur Unterstützung des sozialpädagogischen
Bereichs eingesetzt.
Mit 65% werden mehr examinierte Pflegekräfte eingesetzt, als die
Heimpersonalverordnung mit mindestens 50% vorsieht.
Die Pflegedokumentation wird per EDV - ermöglicht durch die edv-technische
Vernetzung des Hauses - und nicht mehr manuell geführt.
Alle Produkte und Dienstleistungen, die in der Region bezogen werden
können, werden hier gekauft. Zur Qualitätssicherung führt das Franziskusheim
unangemeldete Lieferantenaudits durch.
Die Veranstaltungen des Franziskusheims können auch nicht im Heim
wohnende Senioren über 60 Jahre kostenlos besuchen. Hierdurch werden
einerseits Kontakte für die Bewohner geknüpft, andererseits kann man
Außenstehenden etwaige Ängste vorm Altenheim nehmen.
Schüler einer Geilenkirchener Schule verbringen im Rahmen des
Arbeitskreises "Franziskusheim" regelmäßig ihren Unterricht sowie ihre
Freizeit mit Schwersthilfebedürftigen, aber auch Projekt- und gemeinsame
Urlaubswochen.
Das umfangreiche Programm der Betreuung und Freizeitgestaltung im Wohnwie auch im Pflegebereich reicht von Gruppenangeboten wie Sitztanz,
Gedächtnistraining, Kegeln, Handarbeit, Musik-Cafés, Seidenmalerei und
Tonarbeiten über kulturelle Veranstaltungen bis hin zu Ausflügen und
Urlauben. Aber auch Einzelangebote im Zimmer der Bewohner wie z. B.
Vorlesen oder Gespräche sind selbstverständlich.
2. Anlage 5b der AVR Caritas - Grundlage für die Flexibilisierung der Dienstzeiten
Neuregelung der AVR Caritas löst Arbeitszeitflexibilisierung aus
Im vielen Pflege- und Betreuungseinrichtungen wird häufig (noch) an
unflexiblen Arbeitszeitmodellen festgehalten, wie es auch im
Franziskusheim lange der Fall war. Der Flexibilisierung der Arbeitszeit in
Sozialbetrieben der Caritas standen bisher vor allem die einschränkenden
Regelungen der AVR Caritas entgegen. Darüber hinaus erschweren die
Unbeweglichkeit von Führungskräften, die Neigung vieler Mitarbeiter, an
alten Strukturen festzuhalten sowie Widerstände von
Mitarbeitervertretungen Flexibilisierungsbemühungen. An dieser Stelle ist
es allerdings wichtig anzumerken, dass insbesondere letzteres für das
Franziskusheim nicht gilt. Im Gegenteil: Hier wird mit der
Mitarbeitervertretung gut zusammengearbeitet, so dass beispielsweise die
Schlichtungsstelle noch nie angerufen werden musste. Die
Mitarbeitervertretung wird immer sofort informiert, wenn Veränderungen als
notwendig erkannt werden. Davon profitiert auch die Heimleitung, da die
Akzeptanz für Veränderungen steigt und der Informationsfluss auch in die
andere Richtung besser funktioniert. Die Betriebsparteien gehen so
ungezwungen miteinander um, dass es keiner routinemäßigen Termine für den
gegenseitigen Austausch bedarf. "Wir treffen uns statt dessen, wenn es
erforderlich ist", erklärt Herr Nickels.
Seit 1. Januar 1998 eröffnet die neue Anlage 5b der AVR Caritas "Mobilzeit
durch Dienstvereinbarung" die Möglichkeit, die Arbeitszeit zu
flexibilisieren - unter der Voraussetzung, dass hierfür eine
Dienstvereinbarung mit der Mitarbeitervertretung geschlossen wird. Im
Franziskusheim stand die Neugestaltung des über Jahre praktizierten
Arbeitszeitmodells schon lange auf der Tagesordnung, um die Arbeitszeiten
besser an die Bedürfnisse der Bewohner und die der Mitarbeiter anpassen zu
können, aber auch aus ökonomischen Gründen. Anlage 5b der AVR Caritas bot
nun die Chance für die angestrebten grundlegenden Veränderungen. Dass das
Franziskusheim die Arbeitszeitumgestaltung bald angegangen ist, war dem
diesbezüglichen dringenden Interesse der Abteilungsleiter geschuldet.
Probleme der alten Arbeitszeitregelung und Projektziele
Die Zielsetzung bewegte sich auf unterschiedlichen Ebenen, wobei die in
Abbildung 2 aufgeführten und näher erläuterten Ziele im Vorfeld nicht
gewichtet wurden.
Abbildung 2 - Ziele der Arbeitszeitflexibilisierung
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Ziele der Arbeitszeitflexibilisierung
Höhere Orientierung der Arbeitszeiten an externen und internen Kunden: Die
Söhne und Töchter von potentiellen Bewohnern stehen meist selbst im
Berufsleben und haben oft nur am Abend und am Wochenende Zeit, sich über
Betreuungsmöglichkeiten zu informieren. Die zuständigen Mitarbeiter waren
jedoch in der Regel nur montags bis freitags von 8.00 Uhr bis 17.00 Uhr
anwesend. Gegenüber dem internen Kunden zeigte sich die starre
Arbeitszeitregelung als ein Gemisch aus Sachzwängen und
Organisationsdefiziten. So war am Wochenende bei gegenüber der Woche
geringerer Besetzung im Pflegebereich der Sozialdienst nicht anwesend,
obwohl er mit seinen Betreuungsangeboten zur Entlastung des
Pflegepersonals hätte beitragen können. Darüber hinaus orientierten sich die
Grund- und Behandlungspflegezeiten ebenso wenig an den Bedürfnissen der
Bewohner wie es die Zeitkorridore für die Einnahme der Mahlzeiten taten.
•
Stärkere Ausrichtung der Personalbesetzung am schwankenden Arbeitsanfall:
Besonders unwirtschaftlich war, dass unabhängig vom Arbeitsanfall und der
Art der zu erbringenden Arbeit, von Schichtbeginn bis Schichtende Mitarbeiter
in gleichbleibender Quantität und Qualität (sprich: Qualifikation) zur Arbeit
eingeteilt waren. Während zu Hochlastzeiten nur die Mindestbesetzung
garantiert wurde, gab es zu Niedriglastzeiten einen deutlichen Qualitäts- und
Quantitätsüberhang. Letzter hatte den Nachteil, dass teure examinierte
Mitarbeiter mit hoher Qualifikation für pflegefremde Tätigkeiten - wie zum
Beispiel dem Wegfahren von Abfall und Wäsche oder dem Auswaschen von
Betten und Rollstühlen - und damit für Arbeiten eingesetzt wurden, die von
erheblich billigeren Hilfskräften erbracht werden konnten. Die hieraus
resultierende kontinuierliche Unterforderung führte zu
Arbeitsplatzunzufriedenheit. Herr Nickels hierzu: "Manche Mitarbeiter fragten
sich schon, wozu sie ihren Beruf erlernt haben."
•
Bessere Berücksichtigung von Mitarbeiterinteressen, Förderung der
Eigenverantwortung und Erhöhung der Flexibilität in der täglichen Arbeit im
Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten:U.a. das geänderte Freizeitverhalten
der Mitarbeiter, andere Formen des Zusammenlebens, die steigende Zahl
alleinerziehendender Mütter sowie die zunehmende Berufstätigkeit beider
Partner riefen bei den Mitarbeitern in den letzten Jahren veränderte
Ansprüche und Bedürfnisse bezüglich ihrer Arbeitszeiten hervor. Im Zuge
starrer, sich in regelmäßigem Rhythmus wiederholender Schichtpläne zwei
Wochen Frühdienst, eine Woche Spätdienst - ergaben sich Konflikte im
Privatbereich, die sich nachteilig auf die Arbeitsplatzzufriedenheit der
Mitarbeiter und ihre Arbeitsleistung auswirkten. Unter Berücksichtigung einer
Mindestbesetzung, bezogen auf die Anzahl der Mitarbeiter und deren
Qualifikation, sollte die Mitarbeiter eigenverantwortlich über die Notwendigkeit
der Anwesenheit sowie die passenden Zeiten entscheiden. Damit sollte
beispielsweise auch verhindert werden, dass Frauen gestresst zur Arbeit
kommen, wenn sie kurzfristig die Kinderbetreuung neu organisieren müssen.
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Förderung des Teamprozesses:
Die Verantwortlichen des Franziskusheims erwarteten, dass sich die
Erreichung dieses Ziels als positiver Nebeneffekt ergeben würde. Ihrer
Ansicht nach lebt ein flexibles Arbeitszeitsystem davon, dass nicht nur die Anund Abwesenheiten, sondern auch die Aufgaben innerhalb eines Teams
abgestimmt werden. Zur Förderung des Teamprozesses sollte deshalb auch
die Rolle der Führungskraft neu definiert werden. Kontroll- und
Aufsichtsfunktion derselben sollten in den Hintergrund treten, so dass sie statt
dessen bei eventuellen Uneinigkeiten als Berater und Vermittler fungieren
kann.
3. Das Vorgehen - Mitarbeitervertretung und Mitarbeiter müssen beteiligt werden
Information als erster Schritt der unabdingbaren Beteiligung
Unmittelbar nachdem sich die Betriebsleitung nach intensiven Diskussionen
darauf geeinigt hatte, die sogenannte "Mobilzeit per Dienstvereinbarung"
umsetzen zu wollen, informierte sie die Mitarbeitervertretung hierüber.
Von da an arbeiteten die Betriebspartner gemeinsam - vom Projektablauf bis
hin zum Konzept der neuen Arbeitszeitregelung. So bestand auch Einigkeit
darüber, dass ab einem bestimmten Punkt die Mitarbeiter in dieses Projekt
einbezogen werden sollten, um jeden Anschein von Manipulation zu
vermeiden, eine breite Akzeptanz in der Mitarbeiterschaft zu erzielen
sowie das Potenzial verantwortungsbewusster Akteure zu nutzen.
Ein Zeitrahmen für die Entwicklung und Umsetzung des neuen
Arbeitszeitmodells wurde nicht festgelegt - angesichts der Komplexität der
zu beachtenden Gesetze und Bestimmungen sowie der zu berücksichtigenden
internen und externen Rahmenbedingungen, aber auch, weil die
Arbeitszeitgestaltung für die Mitarbeiter ein überaus sensibles Thema ist.
Im Oktober 1998 stellte die Heimleitung der Mitarbeitervertretung auf
einer vierstündigen Klausursitzung Anlage 5b der AVR Caritas vor. Jedes
Mitglied der Mitarbeitervertretung erhielt hier auch umfangreiche
Informationsmaterialien zur Arbeitszeitflexibilisierung - wie
Zusammenstellungen von Vorteilen bzw. (vermeintlichen) Nachteilen aus
Sicht der Kunden, der Mitarbeiter und des eigenen Hauses, eine Übersicht
über potenzielle Umsetzungsschwierigkeiten und Texte zu Praxisbeispielen
aus der Privatwirtschaft. Die Mitarbeitervertretung sah einen Zeitrahmen
von drei Monaten für die interne Beratung über Sinn und Zweck der
Einführung eines flexiblen Arbeitszeitmodells sowie ggf. bereits zur
Erarbeitung eigener Ausgestaltungsvorschläge als erforderlich an. Anfang
Dezember signalisierte sie dann, dass sie die Flexibilisierung der
Dienstzeiten sowie der Dienstplanung für erstrebenswert hielt, so dass für
Anfang Januar 1999 eine Ganztagesklausur zur konkreten Planung des
Vorgehens für die Entwicklung des Arbeitszeitkonzeptes anberaumt wurde. In
dieser Phase des Entwicklungsprozesses - auch hierüber waren sich die
Betriebspartner einig - wurden die Mitarbeiter noch nicht über die
anstehenden Veränderungen informiert, um Unruhe und Missverständnisse
auszuschließen.
Organisatorische und finanzielle Grundlagen
In der Ganztagesklausur wurde zur Ausarbeitung der Details des neuen
Arbeitszeitmodells eine Arbeitsgruppe "Modellprojekt Mobilzeit" aus
Heimleiter, Pflegedienstleiterin, zwei Vertreterinnen der
Mitarbeitervertretung, zwei Wohnbereichsleiterinnen sowie je einer
Mitarbeiterin des Bereichs Hauswirtschaft bzw. Pflege gebildet, die in der
Folgezeit jede Woche maximal zwei Stunden tagte. In Bezug auf die
inhaltliche Arbeit einigten sich die Betriebspartner nach sechsstündigen
intensiven Verhandlungen, die beide Seiten mehrfach kurzzeitig für
Beratungszwecke unterbrochen hatten, die Vorgaben der Anlage 5b der AVR
Caritas als Grundlage für die Arbeit der Arbeitsgruppe anzusehen.
Herr Nickels schätzt rückblickend ein, dass die Arbeitsgruppe vom ersten
Tag an hochmotiviert, engagiert und sehr stark an der Sache orientiert,
gearbeitet hat. "Jedem Arbeitsgruppenmitglied war bewusst, dass mit der
eventuellen Einführung einer flexiblen Arbeitszeit angesichts der
grundsätzlichen Veränderungen eine Entscheidung mit erheblichen
Auswirkungen auf Bewohner und Mitarbeiter gefällt werden würde."
Um die Umstellung des Arbeitszeitsystems ggf. 1999 in Angriff nehmen zu
können, hatte die Heimleitung bereits 1998 im 99er Haushaltsplan
vorsorglich ein Budget hierfür eingerichtet. Dieses berücksichtigte Mittel
für den Personalaufwand (im wesentlichen für die Arbeitsgruppenarbeit, die
Treffen zwischen Heimleitung und Mitarbeitervertretung sowie die Sitzungen
mit den Mitarbeitern des Modellbereichs), für die Anschaffung von
Fachliteratur und Bürobedarf sowie DM 6.000 für neue Software für die
Erweiterung des bestehenden Personalprogramms auf ein Dienstplanprogramm.
Modellversuch ebnet Weg für flächendeckende Umsetzung
Im Rahmen der Ganztagesklausur vereinbarten die Betriebspartner weiter angesichts der Komplexität des Sozialbetriebes - mit einem Modellversuch
in eine flexiblere Arbeitszeitwelt zu starten. Dieser sollte auf der
sogenannten ersten Pflegeetage, auf der 16 Mitarbeiter
schwerstpflegebedürftige Bewohner betreuen, vom 1. April bis 31. August
1999 durchgeführt werden - unter der Voraussetzung, dass unter
Akzeptanzgesichtspunkten mindestens zwei Drittel der betroffenen
Mitarbeiter dem Modellversuch zustimmen. Der konkrete Bereich wurde
ausgewählt, weil die Betriebspartner erwarteten, dass positive Erfahrungen
in diesem die flächendeckende Umsetzung wesentlich erleichtern würden.
4. Inhaltliche Projektarbeit unter Beteiligung der Mitarbeiter des Pilotbereiches
Analyse des betrieblichen Bedarfs
Das anhand der Bedarfe des Modellbereichs entwickelte Arbeitszeitmodell
musste - angesichts der geplanten Ausdehnung auf den Gesamtbetrieb - auch
die Erfordernisse der anderen Abteilungen - Pflegebereiche, Küche,
Reinigung, Verwaltung, Sozialdienst, Wäscherei, Hausmeisterei berücksichtigen, so dass die Arbeitsgruppe diese sowie
bereichsübergreifende Fragestellungen von Beginn an in ihre Überlegungen
einbezog.
Wichtigste Voraussetzung für die weitere Arbeit war die Erhebung der Hochund Niedriglastzeiten - angefangen in der ersten Pflegeetage, aber im
nächsten Schritt bereits auch für die anderen Abteilungen vorgenommen. Bei
der diesbezüglichen Analyse stellte sich heraus, dass das brauchbarste
Ergebnis von den Personen kommt, die den Bedarf durch ihre Einbindung ins
Tagesgeschäft am besten kennen - von den Mitarbeitern.
Festlegung einer quantitativen und qualitativen Mindestbesetzungsstärke
Davon ausgehend diskutierte die Arbeitsgruppe mit den Mitarbeitern die
Mindestbesetzungsstärke unter Berücksichtigung der benötigten
Qualifikationen. Deren Festlegung war bedeutsam, weil sie nicht
unterschritten werden darf, jedoch die individuellen Gestaltungsspielräume
der Mitarbeiter einschränkt. Im Franziskusheim unterscheiden sich die
Zeiten hohen bzw. niedrigen Arbeitsanfalls nicht nur durch das
Arbeitsvolumen, sondern auch durch die Art der Tätigkeiten und der hierfür
benötigten Qualifikationen. So wird in der Hochlastphase im Pflegebereich
sowohl Grund- als auch Behandlungspflege durchgeführt. Letztere ist eine
der Aufgaben, die aufgrund gesetzlicher Vorgaben ausschließlich von
examinierten Pflegekräften wahrgenommen werden darf, so dass deren Anzahl
in der Hochlastphase höher liegen muss. In Niedriglastzeiten können
dagegen auch sogenannte Pflegehilfskräfte zur Arbeit eingeteilt werden,
weil überwiegend weniger anspruchsvolle Tätigkeiten anfallen. Mindestens
eine examinierte Pflegekraft pro Wohnbereich muss jedoch auch während
dieser Zeiten präsent sein.
Diskussion des Arbeitszeitrahmens
Auch der frühest mögliche Arbeitsbeginn bzw. das spätest mögliche
Arbeitsende musste sich am Bedarf der internen und externen Kunden
orientieren. Demzufolge ermittelte die Arbeitsgruppe im ersten Schritt den
diesbezüglichen Kundenbedarf aller Bereiche, um anschließend die
Verknüpfungen der einzelnen Bereiche festzustellen und auf die
Kundenwünsche abzustimmen. Zwei Beispiele:
• Für die Verwaltung macht es keinen Sinn, schon um 6.00 Uhr mit der Arbeit beginnen
zu können, da weder seitens der Bewohner, der Interessenten und der Mitarbeiter ein
Bedarf besteht noch die eigenen Dienstleister - wie Sozialämter oder Krankenkassen
- ansprechbar sind. Allerdings kann mit der Verlagerung der Arbeitszeit in den Abend
die Beratung von Interessenten besser realisiert werden.
• Auch im Pflegebereich ist ein zu früher Arbeitsbeginn nicht erforderlich. So zeigt die
Erfahrung, dass die meisten Bewohner erst ab 7:00 Uhr gepflegt werden möchten.
Stichtagsbezogenes oder fortlaufendes Zeitkontos
Hier setzte sich die Arbeitsgruppe mit den Vor- und Nachteilen von zwei
Arten von in der Praxis vorkommenden Zeitkonten auseinander - den
stichtagsbezogenen Zeitkonten, die zu einem festen Stichtag (z.B. Monats-,
Quartals- oder Jahresende) abgerechnet werden, und dem Zeitkonto mit
fortlaufender Saldierung (z.B. das Ampelkonto). Angesichts der Nachteile
der erst Genannten vgl. den einschlägigen Artikel von Dr. Andreas Hoff
unter http://www.arbeitszeitberatung.de/dateien/publikationen/pub31zeitkonten_teil1.htm
entschied sich die Arbeitsgruppe für den Einsatz eines Ampelkontos, wie es
1990 bei der Bremer Landesbank entwickelt wurde, und diskutierte im
folgenden über den Umfang der Ampelphasen im Plus- und Minusbereich.
Einigkeit bestand dahingehend, dass das in den AVR Caritas vorgegebene
Maximalbudget in Höhe von +/-115,5 Stunden vorerst nicht ausgeschöpft,
sondern die Grenzen relativ eng gesetzt werden sollten - allerdings mit
der Option, diese nach einer Phase der Gewöhnung zu erweitern. Herr
Nickels erinnert sich, dass Heim- und Pflegedienstleitung größere
Ampelphasen und damit mehr Gestaltungsfreiräume für die Mitarbeiter
vorschlugen, als die übrigen Mitglieder der Arbeitsgruppe wünschten.
Vermutlich, so Herr Nickels weiter, hätten - hinsichtlich der Minusstunden
- entsprechende Ängste der Mitarbeiter ("Wir wollen dem Dienstgeber nichts
schuldig bleiben") diese Haltung geprägt.
Unterstützung der Teamabstimmung durch "Spielregeln"
Des weiteren befasste sich die Arbeitsgruppe mit den Voraussetzungen für
das reibungslose Funktionieren der Abstimmung im Team - wie zum Beispiel
ausführlicher gegenseitiger Information - und erarbeitete "Spielregeln"
für den Fall, dass diese Teamabstimmung versagen würde. Im
Nichteinigungsfall gilt, dass
• bei niedrigem Arbeitsanfall - das Teammitglied mit dem höchsten Plussaldo frei
machen muss.
• bei Unterschreitung der Mindestbesetzung - bevorzugt das Teammitglied mit dem
höchsten Plussaldo zu Hause bleiben darf, während die anderen sich zur Arbeit
einteilen müssen.
• bei nicht im Team zu lösenden Streitfällen die Abteilungsleitung eine Schlichterrolle
übernimmt und eine verbindliche Entscheidung herbeiführen kann.
Auseinandersetzung mit Ängsten der Führungskräfte
Nach den ersten inhaltlichen Informationen über das Vorhaben zeigte sich,
dass einige Abteilungsleiter Probleme mit den Veränderungen hatten. So
wurde die angedachte Aufgabe des "Privilegs" zum Schreiben des Dienstplans
sowie der hiermit empfundene Machtverlust überaus kritisch gesehen.
"Mitarbeiter konnten ja nicht mehr bevorzugt werden und die Führungskraft
musste sich statt dessen auf wesentliche Aufgaben konzentrieren", weiß
Herr Nickels um die Ablehnungsgründe. Die Arbeitsgruppe argumentierte
dagegen, dass die Führungskräfte ihre Möglichkeiten beim
Dienstplanschreiben verschenken würden und letztlich hierfür auch zu teuer
seien. Mit dieser Positivdarstellung konnten vielen Führungskräften ihre
Ängste genommen werden.
Beteiligung der Mitarbeiter der Modellabteilung
Anfang März 1999 fand eine Informationsveranstaltung mit den Mitarbeitern
des Modellbereichs statt, auf der Arbeitgeber und Mitarbeitervertretung
gemeinsam ausführlich das Anliegen, dessen Konsequenzen sowie den von der
Arbeitsgruppe vorgelegten Vorschlag für die neue
Arbeitszeit-Dienstvereinbarung vortrugen.
Abbildung 3 - Ablauf der Informationsveranstaltung
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Ablauf der Informationsveranstaltung
Auswahl des Pilotbereichs: Einleitend begründete die Arbeitsgruppe, warum die erste
Pflegeetage als Projektabteilung ausgewählt worden war und wies ausdrücklich
darauf hin, dass die endgültige Entscheidung hierüber von den Mitarbeitern getroffen
werde.
Vorteile und Veränderungen: An eine Darstellung der Vorteile für den Betrieb sowie
für den einzelnen Mitarbeiter schloss sich die Präsentation der grundlegenden
Veränderungen anhand von Overheadfolien an.
Musterdienstpläne: Es wurden Musterdienstpläne vorgestellt, an denen potentielle
Auswirkungen auf die Personalbesetzung in den Sommermonaten (Urlaubszeit) und
die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten des einzelnen Mitarbeiters erläutert
werden konnten.
Umdenken: Die Arbeitsgruppe ging auch auf mögliche Umsetzungsschwierigkeiten
ein, wobei sie als größte Barriere das erforderliche Umdenken jedes Einzelnen
identifizierte.
Diskussion: Herr Nickels erinnert sich, dass die Atmosphäre von Neugierde sowie
Offenheit für Neues geprägt war. Und als die Mitarbeiter sahen, welche Möglichkeiten
sich für den einzelnen boten, beteiligten sie sich so interessiert an der Diskussion,
dass nicht mehr um das Ob der Einführung eines flexiblen Arbeitszeitmodells
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diskutiert, sondern konkret über das Wie - also die Regelungsdetails - nachgedacht
wurde. "Auffällig war, dass das größere Zeitangebot für die Betreuung der Bewohner
in Folge der höheren Besetzungsstärke zu Hochlastzeiten für die Mitarbeiter
einen erheblich höheren Stellenwert hatte, als die Vergrößerung der
Gestaltungsspielräume für ihre eigene Frei- bzw. Dienstzeit."
Auf die formale Erhebung der Zustimmung zum geplanten Projekt konnte die
Arbeitsgruppe angesichts des geschilderten Verlaufs der fast zweistündigen
Diskussion verzichten. Die positive Einstellung der Mitarbeiter gipfelte
in der Aussage "Packen wir es offen und ohne Vorbewertung an, und schauen
wir einmal, wie sich alles entwickelt." Allerdings war den Mitarbeitern
trotz allem die Sicherheit wichtig, bei nachteiligen Erfahrungen aus der
Erprobung aussteigen bzw. im Laufe des Projektes Änderungen einbringen zu
können.
Anschließend unterschrieben Heimleitung und Mitarbeitervertretung die
Dienstvereinbarung. Vor Start des Projektes schulte die
Pflegedienstleiterin die Mitarbeiter noch in der Handhabung des
EDV-Dienstplanprogramms. Sie war es auch, die vor allem als
Ansprechpartnerin für eventuelle Umsetzungsprobleme während der
Projektzeit zur Verfügung stand.
5. Die weiterentwickelte Dienstvereinbarung
Nachstehend wird die derzeit geltende Dienstvereinbarung dargestellt,
wobei auf ggf. erfolgte Modifikationen während der Laufzeit explizit
hingewiesen wird. Änderungen der Dienstvereinbarung besprechen Heimleitung
und Mitarbeitervertretung übrigens immer dann, wenn sich diese als
erforderlich herausstellen. Die jeweils in einem Satz schriftlich
festgehaltenen Änderungen können dann sofort praktiziert werden, ohne dass
laufend die ganze Dienstvereinbarung neu verhandelt werden muss. "Was die
Mitarbeiter als Fachleute erkennen, wird unbürokratisch geändert",
unterstreicht Herr Nickels. Lediglich am Jahresende prüfen die
Betriebspartner, ob die Dienstvereinbarung zu ändern ist.
Geltungsbereich
Die Dienstvereinbarung gilt für alle - auch Teilzeit- - Mitarbeiter des
Franziskusheims. Bei ihrem Inkrafttreten war sie für die Modellphase auf
die Mitarbeiter des Pflegebereichs der sogenannten 1. Etage begrenzt.
Arbeitszeit
Grundlage der Dienstvereinbarung sind die zu erbringenden
Jahresarbeitsstunden, wie sie sich für Vollzeitbeschäftigte aus der
tariflichen Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden ergeben.
Arbeitszeitkonto
Auf dem - mittels edv-technischer Unterstützung geführten - Zeitkonto
werden Über- und Unterschreitungen der anteiligen Vertragsarbeitszeit
saldiert. Es wird als Ampelkonto geführt, wobei dieses nach einigen
Erfahrungen von einem dreiphasigen auf ein zweiphasiges Ampelkonto
vereinfacht werden konnte. So startete das Franziskusheim mit einer
Grünphase von +/-21, einer Gelbphase von +/-35 (Rücksprache mit dem
unmittelbaren Vorgesetzten bzw. im Minusbereich Zustimmung der
Abteilungsleitung) und einer Rotphase über +/-35 Stunden (vor
Überschreitung Information der Pflegedienstleitung). Heute gilt, dass die
Grünphase den Bereich von +/-115 Stunden - also analog der Regelung in den
AVR Caritas - umfasst. In diesem Bereich verfügt und entscheidet der
Mitarbeiter über seine Arbeitszeit. Bei Erreichen von +/-115 Stunden muss
die Abteilungsleitung im Pflegebereich die Pflegedienstleitung und in
allen anderen Bereichen die Heimleitung informieren, damit
Rücksteuerungsmaßnahmen eingeleitet werden können. Im wesentlichen geht es
aber darum, wie Herr Nickels beschreibt, mit dem Mitarbeiter über die
Gründe für die Abweichungen ins Gespräch zu kommen. Im Einzelfall können
auch einmal Überschreitungen der Rotphase abgesprochen werden beispielsweise zur Stärkung des Sonntagsdienstes oder für Vertretungen.
Zeitguthaben können zwischen einer und 115 Stunden abgebaut werden. Die
Mindestvorgabe von einer Stunde dient dem Schutz des Arbeitnehmers, der
bei vorzeitiger Beendigung der Arbeit nicht einfach nach Hause geschickt
werden soll. Erkrankt der Mitarbeiter während des Zeitausgleichs, wird das
Zeitkonto um diese Stunden gemindert, sofern der Mitarbeiter an dem
entsprechenden Tag im Dienstplan zur Arbeit eingeteilt war.
Das Zeitkonto ist bei Beendigung des Dienstverhältnisses, bei Antritt
eines Erziehungsurlaubes sowie bei Antritt eines Sonderurlaubs gemäß § 10
Anlage 14 der AVR Caritas auszugleichen. Ggf. verbleibende Zeitguthaben
werden als zeitzuschlagspflichtige Überstunden vergütet, während
eventuelle Minusstunden mit dem Entgelt verrechnet werden können. Hierüber
entscheidet die Heimleitung unter Beteiligung der Mitarbeitervertretung.
Allerdings werden mindest ein Jahr im Unternehmen beschäftigten
Mitarbeitern, die plötzlich aus persönlichen Gründen ausscheiden müssen,
bis zu 49 Minusstunden - bzw. nach Ermessen der Heimleitung im Einzelfall
auch darüber hinaus - erlassen. Auch hier ist die Mitarbeitervertretung zu
beteiligen. Diese Regelung wurde nach den Erfahrungen der Pilotphase, in
Reaktion auf diesbezügliche Ängste der Mitarbeiter getroffen. Bei
geplantem Ausscheiden können Minusstunden mit Urlaubstagen - mit Ausnahme
des gesetzlichen Mindesturlaubes gemäß § 3 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz verrechnet werden.
Fortzahlung der Vergütung
Es gilt grundsätzlich das Lohnausfallprinzip, wonach die an diesem Tag
dienstplanmäßig oder betriebsüblich festgelegte Arbeitszeit zu vergüten
ist.
Laufzeit der Dienstvereinbarung
Die Dienstvereinbarung beginnt am 1. Januar 2000 und ist nicht befristet.
Hierin unterscheidet sich die Dienstvereinbarung von der für die
Probephase abgeschlossene, die vom 1. April 1999 bis 30. September 1999
galt und ohne Kündigung durch eine der beiden Vertragsparteien endete. Es
wird festgelegt, dass eine Nachwirkung über das Ende der
Dienstvereinbarung hinaus ausgeschlossen ist. Heute kann diese
Dienstvereinbarung nur im Einvernehmen zwischen Dienstgeber und
Mitarbeitervertretung gekündigt werden.
Zusatzvereinbarungen
Zusatzvereinbarungen oder Veränderungen dieser Dienstvereinbarung können
nur in beiderseitigem Einvernehmen erfolgen und bedürfen zwingend der
Schriftform.
6. EDV-gestützte Dienstplangestaltung
Warum überhaupt EDV eingesetzt wird
Die Dienstplangestaltung erfolgt mittels EDV-technischer Unterstützung,
weil das Franziskusheim diese Art der Dienstplanung für einfacher,
genauer, leichter nachvollziehbar und transparenter hält. Die permanent
von den Mitarbeitern vorgenommenen Abweichungen vom Dienstplan - und damit
auch eventuelle Unterschreitungen der für den Personaleinsatz maßgeblichen
Mindestbesetzung - werden auf einen Blick sichtbar, so dass bei Bedarf
sofort gegengesteuert werden kann. In der Praxis hat sich gezeigt, dass
auf dieser Grundlage vor allem auch kurzfristige Entscheidungen sehr gut
getroffen werden können. "Der Mitarbeiter, jeder hat ja Zugang zu dem
System, schaut einfach nach, ob die Mindestbesetzungsstärke unterschritten
würde, wenn er vorzeitig das Haus verlässt", beschreibt Herr Nickels das
Verfahren. Zum konkreten System ergänzt er noch, dass sich die
Verantwortlichen nach den unbefriedigenden Erfahrungen mit dem
"selbstgestrickten" System (vgl. unter 6) am Markt nach verfügbaren
Produkten umgeschaut und sich für die speziell für Krankenhäuser und
Altenheime entwickelte Software PEBI der Firma THS, Stuttgart, entschieden
haben.
Wie der Dienstplan entsteht
Aus systemtechnischen Gründen wird in der Dienstplanungssoftware für jeden
Mitarbeiter ein Rollierplan für den Folgemonat hinterlegt, der jedoch für
den tatsächlichen Arbeitseinsatz sowie die zeitkontenmäßige Verrechnung
ohne Belang ist. In der Praxis tragen sich die Mitarbeiter bei der
monatlichen Dienstplanung - übrigens direkt am PC - in ein Leerblatt unter
Berücksichtigung der quantitativen und qualitativen Mindestbesetzung zu
den Tagen und Zeiten zum Dienst ein, die sie bevorzugen. Der Dienstplan
entsteht so zügig, dass in einer Dienstbesprechung maximal eine
Viertelstunde hierfür beansprucht werden würde. Die Mitarbeiter
entscheiden schnell, in dem Bewusstsein noch laufend Änderungen an dem
Dienstplan vornehmen zu können. In der Regel tragen sie sich erst einmal
für die Standardschichten ein.
14 Tage vor Monatsbeginn wird der neue Dienstplan ausgehängt. Modifiziert
ein Mitarbeiter den Dienstplan, muss er sich hierüber mit den anderen
Mitgliedern seines Teams abstimmen. Das bedeutet in der Praxis, wenn die
Mindestbesetzung nicht unterschritten wird, erklärt einfach die Änderung.
Sofern die Mindestbesetzung aber droht unterschritten zu werden, liegt es
in seiner Verantwortung für eine Vertretung - im Notfall auch etagen- also
teamübergreifend - zu sorgen. Ist das geklärt, muss er den
Abteilungsleiter über die Änderung nicht informieren. Er trägt die
Abweichung vom ursprünglich geplanten Dienst lediglich noch in das System
ein, an dem er übrigens auch seine Arbeitszeit erfasst. Abteilungs- oder
auch Heimleitung greifen in die Teamabstimmung nicht ein, übrigens auch
dann nicht, wenn die Mindestbesetzung zu bestimmten Zeiten und nur
vorübergehend überschritten wird. Zunächst wird davon ausgegangen, dass
der höhere Personaleinsatz durch zusätzlich übernommene Aufgaben begründet
ist. Erst bei hoher und länger andauernder Mehrbesetzung hinterfragt die
Heimleitung deren Notwendigkeit.
Dass die Teamabstimmung so gut funktioniert, dass beispielsweise
Änderungen des Dienstplans bisher immer im eigenen Team geklärt werden
konnten, führt Herr Nickels darauf zurück, dass sich im Zuge des
gleichzeitig durchgeführten Personalentwicklungsprozesses die Atmosphäre
in den Teams verbessert habe, einzelne das Team nicht mehr dominierten,
die Mitarbeiter kompetenter seien und verantwortungs- und selbstbewusster
handelten. "Und die Mitarbeiter haben einfach auch ein großes Interesse
daran zu zeigen, dass ihr System funktioniert", begründet er. Weitere
positive Erfahrung ist, dass sich die Mitarbeiter kaum noch mit den Themen
"Dienstplan" und "Aushilfen" beschäftigen und auch die Führungskräfte
hiervon entlastet sind.
7. Die Durchführungsphase - von den ersten Erfahrungen bis zur heutigen Praxis
Erfahrungsaustausch nach drei Monaten
Ende Juni 1999 tauschten die Beteiligten - Mitarbeiter der ersten
Pflegeetage, Heimleitung und Mitarbeitervertretung - erste Erfahrungen mit
dem laufenden Projekt aus. Diese mit einem Bericht vorbereitete
Zwischenauswertung beraumten die Betriebspartner an, um von Problemen, die
wichtigsten sind in Abbildung 4 zusammengefasst, Kenntnis zu erlangen,
aber insbesondere auch, um Anregungen der Mitarbeiter aufnehmen und diese
ggf. in die Gestaltung der flächendeckenden Regelung einbringen zu können.
Abbildung 4 - Wichtige Probleme bei der Einführung des neuen Arbeitszeitmodells
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Fehler der zuerst eingesetzten Software: Als ein unter Akzeptanzgesichtspunkten
nicht unerhebliches Problem sprach der Bericht die bereits unmittelbar nach Start des
Projektes deutlich gewordenen Unzulänglichkeiten der zuerst eingesetzten Software
an. So berücksichtigte dieses nicht alle vom Pflegeteam festgelegten
Arbeitszeitmodelle und es übertrug die Kontensalden der Mitarbeiter fehlerhaft in den
Folgemonat. Und obwohl der Softwareentwickler die Fehler kurzfristig, da er in der
Region ansässig ist, beheben konnte, waren die Mitarbeiter - insbesondere durch die
falsche Übertragung der Salden - verunsichert.
Feste Verankerung von Gewohnheiten: Die größten Schwierigkeiten für eine
erfolgreiche Umsetzung bestanden darin, dass die bisherige Arbeits(zeit)weise in den
Köpfen der Mitarbeiter so fest verankert war, dass ein Umdenkungsprozess nur peu à
peu in Gang gebracht werden konnte. Schließlich hatten manche Mitarbeiter über
viele Jahre in einem engen (Arbeitszeit-)Korsett gesteckt. Dass betrifft allerdings nicht
nur eigene Mitarbeiter, sondern teilweise auch neue Kollegen, die sich zwar gezielt
mit Hinweis auf das Arbeitszeitmodell bewerben, dann aber doch erst lernen müssen,
mit den Freiräumen umzugehen. Demzufolge hatte sich auch weder die
Dienstplangestaltung wesentlich verändert noch nutzten die Mitarbeiter die eigenen
Gestaltungsmöglichkeiten. Statt dessen achteten die meisten peinlichst darauf, am
Monatsende ihr Zeitkonto möglichst ausgeglichen zu haben. So gab es einige
Mitarbeiter deren Zeitkonten - allerdings nur geringfügig - im Plusbereich waren, aber
keinen einzigen Mitarbeiter, dessen Zeitkonto - übrigens trotz urlaubsschwacher Zeit Minussalden aufwies. In anschließend geführten Einzelgesprächen begründeten die
Mitarbeiter ihr Verhalten: "ich schulde nicht gerne etwas", "was ist, wenn ich plötzlich
ausscheiden muss" und "was denken andere (die Leitung), wenn ich im Minusbereich
bin". Die Heimleitung entschied sich daraufhin, diese Probleme und die neuen
Gestaltungsmöglichkeiten am konkreten Beispiel einer Mitarbeiterin zu thematisieren.
Die Mitarbeiterin beklagte häufiger, dass sie ihr Ferienhaus an der holländischen
Nordseeküste wegen der ungünstigen Lage ihrer Dienste zu selten nutzen könne.
Anhand der Dienstpläne der vergangenen drei Monate demonstrierte die
Heimleitung, dass ein selbst gestalteter Dienstplan zusätzliche Tage sowie
verlängerte Wochenenden an der See beschert hätte. Darüber hinaus versuchte die
Heimleitung, den Mitarbeitern zu vermitteln, dass Mitarbeiter mit Minusstunden für
den Dienstgeber grundsätzlich "gute" Mitarbeiter seien. Schließlich sitzen diese ihre
Zeit bei geringem Arbeitsanfall nicht nur für ein ausgeglichenes Zeitkonto ab. Dass
die Bemühungen zur Verbesserung der Umsetzung gefruchtet hatten, zeigte bereits
der Dienstplan für August: Die ersten "mutigen" Mitarbeiter experimentierten
verantwortungsbewusst mit ihren Gestaltungsmöglichkeiten. Hieraus leitet Herr
Nickels eine aus seiner Sicht wichtige Empfehlung ab: "Ein konkret demonstriertes
Beispiel bewirkt mehr als die schönsten theoretischen Modelle."
Dauer der Pilotphase: Nach Ablauf von drei Monaten stellten die Verantwortlichen
fest, dass der Zeitraum für die Erprobung, die ja die Voraussetzung für die
Entscheidung über eine flächendeckende Einführung des neuen Arbeitszeitmodells
sein sollte, zu kurz angesetzt war. Da die evtl. Einführung für den Gesamtbetrieb
jedoch ohnehin erst für den 1. Januar 2000 geplant war, vereinbarten Heimleitung
und Mitarbeitervertretung in einer Zusatzvereinbarung zur Dienstvereinbarung nach
Absprache mit den Mitarbeitern der beteiligten Etage, das Projekt auf neun Monate
bis zum 31. Dezember 1999 zu verlängern.
Erkenntnisse nach sieben Monaten
Nach sieben Monaten Projektzeit zeigte sich im Oktober 1999, dass alle
Mitarbeiter der Projektabteilung in der Lage waren, verantwortungsbewusst
und weitgehend selbstbestimmt die Möglichkeiten der flexiblen Arbeitszeit
zu nutzen. So hatten sie personelle Engpässe - selbst in der
Haupturlaubszeit - verhindert, bewohnerorientiert gearbeitet und von den
Vorteilen für die zeitliche Gestaltung ihres Privatlebens profitiert.
Inzwischen beneideten die Mitarbeiter der anderen Bereiche, die das
Projekt zuerst skeptisch beäugt hatten, wie sich Herr Nickels erinnert,
die Mitarbeiter der Projektabteilung um deren Möglichkeiten und drängten
auf die schnelle Einführung im Gesamtbetrieb - mit Ausnahme des
Reinigungsdienstes. Dessen Mitarbeiter waren erst bereit, sich von ihren
Arbeitszeitbesitzständen zu trennen, als die Geschäftsführung deutlich
gemacht hatte, dass es grundsätzlich auch Alternativen zu einem internen
Reinigungsdienst gebe. Nach einen klärenden Gespräch kamen dann aber
gerade auch aus diesem Bereich wertvolle Ideen und Anregungen für die
Umsetzung der Dienstvereinbarung. In den anderen Bereichen traten die o.g.
Umsetzungsprobleme nicht mehr auf. Grund hierfür ist u.a., dass über das
Arbeitszeitmodell vielmehr und vor allem mit den Mitarbeitern der
Projektabteilung kommuniziert wurde.
Zufriedenheit nach drei Jahren Anwendung und Vorbildwirkung
Die Sicht der Bewohner:
• Zu Hochlastzeiten sind 30% mehr Mitarbeiter als in der Vergangenheit eingesetzt,
wodurch bewohnerorientierter gearbeitet und Hilfe zur Selbsthilfe gegeben wird. Der
Mitarbeiter betreut den Bewohner heute so, dass dieser seine Ressourcen
ausschöpfen kann. Das heißt, der Mitarbeiter nimmt sich die Zeit - und denkt nicht
mehr "ich muss schnell fertig werden" -, den Bewohner jene noch selbst zu
bewältigende Dinge, auch selbst erledigen zu lassen.
• Die nunmehr von zwei Mitarbeitern durchgeführte Grundpflege ist für den Bewohner
schonender - wie zum Beispiel, wenn der Bewohner nicht mehr allein gebadet wird.
• Der Bewohner wird dann gepflegt, wenn er es möchte und nicht dann, wenn der
Dienstplan es vorgibt. Hat ein Bewohner beispielsweise sein Leben lang im Bett
gefrühstückt, wird ihm das auch im Franziskusheim ermöglicht und er wird erst
danach gepflegt.
• In Folge des Arbeitszeitmodells wird effizienter gearbeitet, so dass zeitliche
Ressourcen verfügbar werden. Deren Nutzung bringt den Bewohnern einen
Mehrwert, indem die Mitarbeiter die Zeit für zusätzliche Aufgaben im Bereich der
sozialen Betreuung - wie zum Beispiel einen zusätzlichen Spaziergang oder einen
ungeplanten Cafébesuch in der Stadt - einsetzen.
Die Sicht der Angehörigen:
• Interessenten - neben den potentiellen Bewohnern vor allem deren Kinder und
Enkelkinder - werden dann durch das Haus geführt werden, wenn sie hierfür Zeit
haben - früh um 7:00 Uhr oder abends um 20:00 Uhr genauso wie samstags und
sonntags.
•
Jedes Interessentengespräch, dass jeweils von einem der sieben explizit hierfür
qualifizierten Mitarbeitern durchgeführt wird, dauert mindestens eine Stunde - "wir
nehmen uns hierfür Zeit".
Die Sicht der Mitarbeiter:
• Auch die Mitarbeiter im Pflegebereich werden durch die höhere Besetzung zu
Hochlastzeiten - insbesondere bei der Grundpflege (Baden, Lagern, Mobilisation) physisch und psychisch deutlich entlastet. "Es ist angenehm, ruhiger arbeiten zu
können", wurde u.a. geäußert.
• Die Mitarbeiter sind zufriedener, weil sie Zeit für die Bewohner haben.
• Sie sind motivierter, weil sie in hohem Maße selbst über ihre Arbeitszeit entscheiden
können und frustrierende "Leerlaufzeiten" nicht mehr vorkommen. Unzufriedenheiten
über den "fertigen" Dienstplan treten nicht mehr auf.
• Aufgrund der Notwendigkeit, sich im Team über die individuellen Arbeitszeiten
abzustimmen, kommen die Mitarbeiter verstärkt ins Gespräch. Etwaige
Kommunikationsschwierigkeiten werden bald erkannt und ihre Lösung kann
unverzüglich angegangen werden.
Die Sicht des Franziskusheims:
• Vorgesetzte werden durch die weitgehend selbstgesteuerte Dienstplanung entlastet.
Weder muss die Pflegedienstleiterin den Dienstplan schreiben, noch wird die
Heimleitung am Wochenende bei Änderungswünschen angerufen.
• In der Projektphase fielen in der Projektabteilung keine Kurzfehlzeiten für
Arztbesuche (im Vorjahr 12 à ca. 110 Minuten Ausfallzeit) mehr an.
• Die Beteiligten identifizierten sich stärker als früher mit "ihrem" Betrieb, bedingt
dadurch, dass sie während des Projektes viel über diesen erfahren haben. Hierdurch
erhöhte sich die Betriebsbindung, wodurch sich die Fluktuationskosten reduzierten.
• Die Außenwirkung verbesserte sich, was beispielsweise in Äußerungen von
Angehörigen deutlich wurde: "Man merkt schon, dass Sie neue Mitarbeiter eingestellt
haben, es ist nicht mehr so hektisch wie früher." Es wird also registriert, dass bei
hohem Arbeitsanfall mehr Personal anwesend ist. Darüber hinaus interessierten sich
aber auch zunehmend andere soziale Dienstleister für das Arbeitszeitmodell. Und
schließlich locken attraktive Arbeitszeitbedingungen qualifizierte Arbeitskräfte an, so
dass das Franziskusheim seither keine Stellenanzeige mehr hat schalten müssen.
• Das Franziskusheim hat seine Wettbewerbsposition - was u.a. Ziel der Einführung
eines neuen Arbeitszeitmodells war - gestärkt. So betragen die Wartezeiten für
Interessenten im betreuten Pflegebereich inzwischen ca. 19 Monate und im
Wohnbereich 3,5 Jahre - und das, obwohl in der Regel ausschließlich Interessenten
aus Geilenkirchen bzw. der allernächsten Umgebung aufgenommen werden.
8. Empfehlungen aus der Projektarbeit
Dass das Arbeitszeitmodell im Franziskusheim erfolgreich eingeführt wurde,
führen die Verantwortlichen u.a. auch auf die aus ihrer Sicht gelungene
Entwicklungs- und Umsetzungsphase zurück. Herr Nickels gestattet sich, aus
diesen Erfahrungen Empfehlungen für andere Unternehmen abzuleiten:
•
•
"Binden Sie Ihre Mitarbeitervertretung ein!
Beteiligen Sie die Mitarbeiter schon in der Entwicklungsphase! Ein "von oben"
diktiertes Arbeitszeitmodell wird scheitern. Sie müssen den Mitarbeitern angesichts
des als massiv empfundenen Eingriffs in die bisherige Arbeitszeit ihre Ängste
nehmen. Veränderungen werden akzeptiert, wenn dem Sicherheitsbedürfnis der
Mitarbeiter Rechnung getragen wird. Bei uns hat sich die Offenheit und Neugierde
der Mitarbeiter der ersten Pflegeetage positiv auf den Gesamtbetrieb übertragen.
Schalten Sie eine Erprobungsphase vor eine flächendeckende Einführung! Bei uns
haben skeptische Abteilungsleitungen anfängliche Bedenken - wie z.B. höherer
•
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Koordinationsaufwand und Kontrollverlust - durch die positiven Erfahrungsberichte
der Projektabteilung aufgegeben. Allerdings darf eine Probephase nicht zu kurz
angesetzt sein, weil vor allem der von den Mitarbeitern zu durchlaufende
Entwicklungsprozess Zeit erfordert.
Lassen Sie kontinuierliche Anpassungen des ursprünglichen Modells zu, weil die
Praxis Regelungen überholt. Erst die Veränderungen während des Projektverlaufs
haben das Ursprungsmodell zum Erfolgsmodell gemacht.
Begleiten und steuern Sie das Projekt, machen Sie keine starren Vorgaben! Dass wir
unseren Mitarbeitern Hilfestellung angeboten, aber gleichzeitig Freiräume zum
Experimentieren gelassen haben, ist gut angekommen. Insbesondere die
Demonstrationen am Praxisfall haben überzeugt.
Die Projektleitung muss vom Projekt überzeugt sein.
Stellen Sie die Funktionsfähigkeit des EDV-Systems sicher!
Ein solcher Umgestaltungsprozess sollte durch parallele
Personalentwicklungsmaßnahmen unterstützt werden, damit die Mitarbeiter
beispielsweise befähigt werden, Entscheidungen selbst zu treffen."
1 Ausschließlich aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird hier und im
folgenden stets nur die männliche Form verwendet.