U-Haft sei unverhältnismässig

Schweiz am Sonntag, Nr. 31, 2. August 2015
46 BASEL
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U-Haft sei
unverhältnismässig
Stawa Baselland verliert vor Bundesgericht: Mutmasslicher Betrüger geschäftet
weiter
«Telebasel» versuchte den Chef der Abzocker-Firma erfolglos an der Türe zu befragen.
VON ANDREAS MAURER
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Die Baselbieter Staatsanwaltschaft nahm
Ahmet Top, Geschäftsführer der Office
Service Discount GmbH in Lausen, im
Frühling fest. Sie wollte den jungen Türken für drei Monate in Untersuchungshaft stecken. Top hatte mit seinem Geschäftsmodell schweizweit für Aufsehen
gesorgt. Ihm wird vorgeworfen, Hunderte Rechnungen an Gemeinden und Firmen verschickt zu haben für Büromaterial, das diese nie bei ihm bestellt hatten.
Die Staatsanwaltschaft schätzt den Schaden auf 270 000 Franken.
Viele Rechnungsempfänger fielen
auf den Trick aus Lausen herein, da die
Firma einerseits die Verwechslungsgefahr mit einem im gleichen Bereich tätigen Unternehmen ausnützte und andererseits ihre Opfer genau kennt. Zur Spezialität der Office Service Discount
GmbH gehört, im Vorfeld zu recherchieren, welche Mitarbeiter für Bestellungen
zuständig sind und was für Geschäftsbeziehungen sie pflegen. Die fingierten
Rechnungen wirken deshalb echt. Nur
Kleinigkeiten wie identische Rechnungsnummern entlarven das falsche Spiel.
Das Zwangsmassnahmengericht sowie das Kantonsgericht stuften den dringenden Tatverdacht der Staatsanwaltschaft als unbestritten ein. Der Beschuldigte habe in den Verhandlungen, ob eine U-Haft verhältnismässig sei, keine
plausible Erklärung abgeben können.
Vor dem Haftrichter gab er sogar auf die
Frage, was er nach einer Haftentlassung
beruflich zu unternehmen gedenke, unumwunden zu, dass er seine Geschäfte
fortsetzen werde. Die Baselbieter Justiz
war sich deshalb einig, dass Wiederholungsgefahr bestünde.
Doch sie war sich nicht einig, wie
dagegen vorzugehen sei. Im Gegensatz
zur Staatsanwaltschaft hielten die Richter Auflagen für ausreichend. Sie untersagten Ahmet Top, für seine Firma tätig
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270 000
Mit Hunderten fingierten Rechnungen soll die Lausner Firma 270 000
Franken ergaunert haben.
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zu sein, in leitender Stellung für ein Unternehmen zu arbeiten sowie Produkte
und Dienstleistungen zu verkaufen oder
dafür Rechnungen auszustellen. Jede Erwerbstätigkeit müsse er vor der Aufnahme der Staatsanwaltschaft melden. Dafür ordneten die Richter die sofortige
Haftentlassung an.
Die Staatsanwaltschaft focht diesen
Entscheid vor Bundesgericht an und verlor. Die Lausanner Richter stützten im
Juli die Baselbieter Urteile. Die Gefahr,
die von Ahmet Top ausgehe, erscheine
Unispital prüft Kühlturm
Spital will nicht mehr nur auf Rheinwasser angewiesen sein
VON LEIF SIMONSEN
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Etwas unter 25 Grad warm ist derzeit
das Rheinwasser. Wenn es bei der nächsten Hitzewelle darüber klettert, hat das
Basler Universitätsspital Probleme. Zum
Schutz der Fische darf dem Rhein dann
kein Wasser mehr entnommen werden,
um die Räume zu kühlen. Das hätte dramatische Folgen: Es wären keine Operationen mehr möglich, die Intensivstationen müssten geräumt werden. Zweimal
in den vergangenen zehn Jahren musste
das Basler Amt für Umwelt und Energie
ein Auge zudrücken, als die Rheintemperatur die 25-Grad-Marke knackte: im Hitzesommer 2003 sowie 2007 erteilte es
dem Unispital eine Ausnahmebewilligung.
DAS UNIVERSITÄTSSPITAL will sich nun
nicht mehr alleine auf die Grosszügigkeit der Behörden verlassen und hat sich
auf die Suche nach neuen Kühlmöglichkeiten begeben. Ein Ansatz ist, das
Rheinwasser durch Grundwasser zu ersetzen. Zwei Grundwasserbohrungen
waren bisher gemäss «Regionaljournal
Basel» erfolglos, eine dritte wird am 10.
August im Innenhof einer Liegenschaft
an der Schanzenstrasse gestartet. Der Erfolg hängt in erster Linie davon ab, wie
viel Wasser bezogen werden kann. Das
Unispital braucht stündlich rund 1500
Kubikmeter Wasser.
Weil auch das Grundwasser beschränkt ist, sucht das Universitätsspital
nach weiteren Möglichkeiten, seine Räume im Hochsommer zu kühlen. Richard
Birrer, Leiter Infrastruktur, sagt auf Anfrage, dass der Bau eines geschlossenen
Trockenkühlturms sowie einer zusätzlichen Kühlanlage geprüft werde.
Andere Basler Grossfirmen sind
schon weiter. Die Roche beispielsweise
nimmt in diesen Tagen einen neuen
Kühlturm in Betrieb. Davon ist man
beim Unispital weit weg. Eine Machbarkeitsstudie wird bis im Oktober die ersten Ergebnisse liefern. Die Herausforderung werde sein, auf dem Gelände des
Unispitals einen geeigneten Platz zu finden. «Es ist ein sehr kompaktes Areal, es
gibt nicht viele unbebaute Orte», sagt
Birrer. Letztlich müssten der Kühlturm
und die Kühlanlage somit voraussichtlich auf dem Dach eines bestehenden
Gebäudes errichtet werden.
Fraglich sei zudem, ob die Spitalleitung einen Bau finanzieren will, der gemäss Birrer «mehrere Millionen Franken» koste. Denn letztlich sei ein Kühlturm «nicht eine ökonomische, sondern
eine ökologische Investition».
SCREENSHOT/
TELEBASEL
für die Allgemeinheit insgesamt als
nicht derart hoch, als dass sie nur durch
die Anordnung von Haft auf ein erträgliches Mass reduziert werden könnte, befanden die Bundesrichter.
DIE VOM BUNDESGERICHT bestätigten
Massnahmen entpuppten sich nun aber
als wirkungslos. Gemäss der Staatsanwaltschaft habe sich der Beschuldigte
nicht an die Auflagen gehalten und weiterhin Rechnungen für mutmasslich
nicht bestellte Ware verschickt. Da über
die Firma Anfang Juli der Konkurs eröffnet worden ist, würden deshalb jetzt
auch Konkursdelikte untersucht. Eröffnet wurde das Strafverfahren wegen des
Verdachts auf gewerbsmässigen Betrugs,
Urkundenfälschung, Geldwäscherei und
Widerhandlungen gegen das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb.
Die Anklage sei noch vor Ende dieses Jahres geplant.
Verteidiger Rainer Fringeli wird an
der Gerichtsverhandlung nicht behaupten, dass sein Klient ein Unschuldslamm
sei. Er wird einzig versuchen, den Schaden zu begrenzen. Ahmet Top sei kein
Betrüger, aber Delikte gegen das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb liessen sich wohl nicht abstreiten,
sagt er. So gibt sich Ahmet Top etwa auf
der Website seiner Firma als Patrick
Tschopp aus. Advokat Fringeli erklärt:
«Ein Schweizer Name erscheint vertrauenswürdiger.»
Asyl: Muttenz
bittet Pratteln um
Unterstützung
ÜBER 1600 ASYLBEWERBER sind derzeit
im Kanton Baselland registriert, und monatlich kommen rund 100 hinzu. Erste
Gemeinden klagen nun über Platzprobleme. In Sissach musste man vor drei
Wochen in die Zivilschutzanlage ausweichen. Seitdem sind hier 25 Männer einquartiert.
Fast alle Gemeinden machen sich
derzeit Gedanken, wie sie mit dem prognostizierten weiteren Anstieg der Asylzahlen umgehen sollen. Peter Vogt, Gemeindepräsident in Muttenz, sagt, dass
man nach Ausweichmöglichkeiten suche. Unter anderem stünden die Zivilschutzanlagen im Schulhaus Margelacker und Hinterzweien zur Diskussion.
Gleichzeitig schielt Vogt über die Gemeindegrenze. «Wir haben Pratteln angefragt, ob wir die Asylsuchenden in der
Lachmatt unterbringen dürfen.» Die
Prattler Zivilschutzanlage hat den Vorteil, dass sie etwas ausserhalb des Wohnquartiers liegt. Eine Antwort sei noch
ausstehend, sagt Vogt. Gegenüber der
«Schweiz am Sonntag» indes winkt Prattelns Gemeindepräsident Beat Stingelin
ab. Die Lachmatt werde in nächster Zeit
für militärische Zwecke benutzt. Selbst
Pratteln könne auf diese Ausweichmöglichkeit nicht zurückgreifen. (LSI)