FOTOS: WELLER; SPRENG Schmuckes Wasser Georg Spreng war Mitbegründer der legendären Designschmiede frogdesign. Heute entwirft er unkonventionellen Schmuck mit riesigen Farbsteinen – auch mal in Wasserfarben. VON ANDREA WELLER W issgoldingen, im Stein boss 13: eine passende Adresse für einen Schmuckdesigner. Wer sich aufmacht in den kleinen Ort im badenwürttembergischen Stauferland, der kurvt das letzte Stück von Rechberg aus immer bergauf über holperige Sträßchen durch eine grüne, bilderbuchhaft hügelige Landschaft. Das Stauferland liegt zwischen Fils und Rems, dem Schurwald und dem Kalten Feld auf einer Hochebene des Schwäbischen Albvorlandes. Am Rand eines Hangs, der den Blick in Richtung Südwesten auf Wiesen und Wälder freigibt, steht das Haus von Georg Spreng, 63, und seiner Familie. Zur Straßenseite hin ist das Gebäude klobig, kubisch und weiß geka chelt. Ein Fremdkörper in dieser bürgerli chen Wohngegend, verschlossen, sogar ein wenig abweisend. Wer aber eintritt, der er kennt sofort, dass dies kein einfaches Wohn haus ist, sondern eine Art begehbare Skulp tur. 650 Quadratmeter Fläche, mit riesigen Glasfronten, kreisrunden Oberlichtern, im Garten ein schmaler, sehr langer Swimming pool. Werkstatt und Büro sind deutlich räum lich getrennt. Das Haus wurde vom Architek turbüro C 18 mit Sitz in Stuttgart und Schwä bisch Gmünd entworfen; als es 2008 fertig gestellt war, war es vielen Zeitungen und Zeitschriften eine Veröffentlichung wert. „Wir wollten die Landschaft hereinholen“, sagt Spreng. Er steht am gelbgrünen Kü chenblock, hinter sich den kleinen Teich mit Goldfischen, der die Mitte des Wohnbereichs markiert, in lila Hemd, bunten Hosen, türkis farbenen Socken mit weißen Punkten und lächelt verschmitzt. „Wir sehen jede Verän derung am Himmel. Sieht toll aus, wenn die Wolken vorbeijagen.“ Ist der Standort Wissgoldingen (Weißgold) bewusst gewählt? „Nein, aber wir kommen aus der Gegend bei Schwäbisch Gmünd, sind oft umgezogen – jetzt hat sich ein Kreis geschlossen, wir sind wieder am Ursprung angekommen.“ Über haupt wirkt Georg Spreng bodenständig und unaufgeregt, er spricht mit unverkennbar schwäbischem Einschlag und lächelt häufig – ein durch und durch freundlicher Mensch. Das Helle, Lichte, Großzügige in seinem Haus braucht er, um gut arbeiten zu können. Es ist kein Zufall, dass Wasser für den Schmuckgestalter eine große Rolle spielt: Der Goldfischteich, der leuchtend blaue Pool unterstreichen, „dass Wasser, das ja der Ur sprung allen Lebens ist, unglaublich beruhi gend wirkt“. Ebenso wenig ist es Zufall, dass Georg Sprengs erfolgreichste Kollektion „Blub“ heißt – GuteLauneSchmuckstücke, „blubbernd wie Luftblasen beim Schnor cheln“, wie es auf Georg Sprengs Website heißt. Allen „Blub“Stücken sind rund ge schliffene Farbsteine wie Citrin, Granat, Peri dot, Mondstein oder Rauchquarz gemeinsam; die Ringe kosten ab 1600 Euro aufwärts. Diese leuchtenden Farbsteine, die meisten mindestens vom Durchmesser eines 10 oder 20CentStücks und in aller Welt zusammen gekauft, haben ihn bekanntgemacht. „Ich bin Sammler“, sagt er, „wann immer ich einen schönen Stein angeboten bekomme, greife ich zu.“ Manchmal entsteht bereits wenige Wochen später daraus ein Schmuckstück, „es ist aber auch schon vorgekommen, dass ein Stein 15 Jahre lag, bis ich wusste, was ich daraus machen wollte“. Ohnehin entwirft Georg Spreng nur Schmuck, der ihm selbst gefällt. Eigentlich wollte er gar nichts mit Schmuck zu tun ha ben – obwohl oder gerade weil sein Vater Georg Gold und Silberschmiedemeister war, „ich bin praktisch in der Werkstatt aufge wachsen“. „Aber dieses nervige Gefrickel und die dauernde Gefahr, etwas kaputt zu ma chen, das reizte mich nicht.“ Also studierte Georg Spreng in Schwäbisch Gmünd Indus Ich möchte in Zukunft bunten Schmuck machen, bunt in der Form, aber nicht farbig.“ GEORG SPRENG SCHMUCKGESTALTER triedesign und baute von 1971 an gemeinsam mit Hartmut Esslinger und Andreas Haug in Mutlangen die Designschmiede frogdesign auf. Das Büro machte sich einen Namen unter anderem mit modernem TVGeräteDesign, entwarf aber auch Zahnarztstühle oder Badewannen – wirklich berühmt wurde frog design durch die Zusammenarbeit mit Apple, aus der der Apple IIc („Snow White“) sowie die darauf folgende MacintoshLinie entstan den. 13 Jahre währte die Zusammenarbeit, „dann hätte ich mich mit 37 Jahren zur Ruhe setzen können.“ Hat er aber nicht. Georg Spreng experimentierte nicht nur im Beruf, auch im Privatleben probierte er ei niges aus. Mitsamt der Familie wanderte er nach Kanada aus. „Wir hatten da ein drei Quadratkilometer großes Grundstück ent deckt, in das wir uns verliebt hatten.“ Die Hütte, in der die Familie Spreng das halbe Jahr über leb te, verfügte weder über Strom noch über fließend Was ser. „Wir hatten Zeit im Überfluss. Irgendwann kam das Thema Schmuck auf.“ Georg Spreng hatte beim Einzug unter der Hütte zwei Goldbarren vergraben. An einem feuchtfröhlichen Abend kam er auf die Idee, sie zu suchen, grub sie aus, erhitzte einen der 10UnzenBarren am Feuer, bearbeitete ihn mit einem Hammer, kühlte den entstandenen Halsring im See ab – das erste Schmuckstück. Er hat den archaisch anmutenden Goldreifen immer noch. Georg Spreng war nun infiziert: „Dann ha be ich monatelang nur Ringe gemacht.“ Zu rück in Deutschland zeigte er 1991 zum ers ten Mal auf der Schmuckmesse Inhorgenta seine Sachen: „Das schlug gleich ein.“ Man riss ihm seine wuchtigen „Eistütenringe“ aus den Händen – mit Perlen und Farbsteinen garnierte goldene Kegel, durch deren Mitte man den Finger steckt. Die Eistütenringe sind immer noch im Programm, jedes Jahr kom men vier bis fünf neue Kollektionsteile dazu. Überhaupt: Georg Spreng geht gern ver schwenderisch mit dem Material. um. „Ich arbeite sehr traditionell, alles wird hier im Haus einzeln geschmiedet, geklopft, gelötet.“ Drei Goldschmiede hat er in seiner Werk statt, auch Sohn Mimo (29) gehört zur Mann schaft. Das Erfolgsrezept ist die Kombination aus klarer Formensprache und besten Roh Georg Spreng, hier in seiner Küche, liebt es farbenfroh – auch beim Schmuck: Die KaribikKol lektion, in der Mitte der KrakeRing. stoffen, „meine Schmuckstücke sollen ein Leben lang begleiten“. Kann also sein, dass er acht Meter Platin band zu einer floralverschlungenen Kette kräuselt, kann sein, dass er einen handteller großen orangefarbenen Bernstein in Gelb gold zu einem opulenten Ring fasst oder einen 50karätigen türkisfarbenen Turmalin in einem Platingerüst, flankiert von vier halb karätigen Diamanten, zum Strahlen bringt – der „KaribikKrakeRing“ gehört zu den auf fälligsten und wertvollsten Stücken. Und was kommt nach dem FarbsteinThe ma? Spreng: „Ich möchte Schmuck machen, bunt in der Form, aber nicht farbig.“ Und er lächelt wieder sein verschmitztes Lächeln. Georg Spreng 1949 in Schwäbisch Gmünd geboren; Stu dium Industriedesign an der Werkkunst schule Schwäbisch Gmünd; 1971–1982 selbst ständiger Designer und Mitaufbau der De signgruppe frogdesign; seit 1983 freier Desig ner und Schmuckgestalter in Kanada und Deutschland; diverse Auszeichnungen und Preise; Arbeiten im Museum für Angewandte Kunst, München, und im Museum of Modern Art, New York; verheiratet, drei Kinder. in Nebeltr er kerKäf ung Namib Verbreit sschließlich in der au vor. Kommt Afrikas Westen im e st Wü SOAKGRAFIK: BÖHM Größe en und laris gehört zu Ausseh guicu ris un brioni Onymac rn (Tene warzkäfe zwei Zentime h den Sc a misst etw ine. dae). Er Be at lange h d n ter u FOTO: SCHNOBBY/WIKIPEDIA DAS TIER IN DIR knung Austroc n ihn vor ie d r, , u n n wen se tmet er a verwach , d n le ft u a p n h d m c e it verda den Win Körpers nzeich ere Ken d zu einer harten st wenig Flüssigke iner Düne gegen er Richtung d n o s e B z sin öglich Kamm e s ckenpan erflügel uf dem Atmen m hts – da inen Rü Die Vord it beim pfüber a s Gewic über se e o m k a ft in D u h . se c lä n t si r n r e e e z ss t a ll ro e P W st bewahre e 4 . rt hts bis zu 3 prechen ndensie ist. Nac . Das ko r Käfer so n 24 Litern ents er aktiv ebelbad e trinkt de N h t h in sc c e n a e t N M nimm zigen hweren einer ein ramm sc Mund. In 70 Kilog m e in e ei würde b Neue Serie: Ab sofort stellen wir an dieser Stelle tierische Verhaltensweisen vor und fragen uns: Was kann der Mensch daraus lernen? Das Prinzip Kopfstand VON LISA WELZHOFER Der Kopfstand gilt als König unter den Yogaübungen. Er ändert die Perspektive, lo gisch. Angeblich rückt er auch Organe wie der in die richtige Position, regt diverse Drü sen an, durchblutet die Lunge und entbläht. Wer je in einem Yogaanfängerkurs, zappelnd wie ein hilfloser Käfer, versucht hat, seine Beine in die Höhe zu bekommen, der weiß um die entblähende Wirkung bei seinen Mattennachbarn ebenso wie um den akroba tischen Schwierigkeitsgrad der Übung. Apropos Käfer: In der NamibWüste lebt ein Insekt, dessen leichteste Übung ein Kopfstand ist – und das daraus gleich eine ganze Überlebensstrategie gemacht hat: Onymacris unguicularis, ein schwarzer un scheinbarer Käfer, krabbelt während Durst strecken nachts die Sanddünen hinauf, macht oben angekommen so eine Art Kopf stand und wartet. Vielleicht meditiert der kleine Kerl über die verkehrte Welt, die dunkle, wüste Leere vor ihm oder die Bedeutung des einzelnen Sandkorns für die Düne. In erster Linie aber wartet er gleichmütig auf die Nebel, die vom Meer kommend über die Würste ziehen und sich an seinem in die Luft gereckten Hinter teil und Rücken verfangen. Auf seinen un ebenen Flügeln zu kleinen Tröpfchen kon densiert, fließen diese über eine Vertiefung im Rücken direkt in seinen Mund. Das brachte ihm den wunderbaren Namen „Ne beltrinkerKäfer“ ein. Da der Trick aber nur bei wechselwarmen Tieren funktioniert (sie können ihre Körpertemperatur absenken, so dass der Nebel auf einer kälteren Oberfläche kondensiert), ist er zum Abgucken für das Säugetier Mensch ungeeignet. Ganz einfach zu übernehmen ist eine andere Strategie des Krabbeltiers: Tagsüber rennt der NebeltrinkerKäfer nämlich nicht aufgescheucht durch kochende Fußgänger zonen, schwitzt nicht im Büro ohne Klima anlage, guckt sich nicht um 12 Uhr mittags Ausgrabungsstätten auf Sizilien an, steht auch nicht am glühenden Grill, sondern taucht ganz einfach in den Sand ab und lässt die Hitze draußen. Merke also: im Sommer möglichst tags über ruhen und erst nachts wieder kopfste hen. Verkehrte Welt.
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