ROXIN Newsletter | Ausgabe 06/2015 Wirtschaftsstrafrecht 1. Kapitalanlagebetrug durch Verbreitung unrichtiger Informationen § 264a I Nr. 1 StGB setzt voraus, dass in einem der dort genannten Werbemittel tatsachenbezogene Informationen verbreitet werden, die aufgrund ihres unrichtigen Inhalts geeignet sind, bei potentiellen Anlegern Fehlvorstellungen über die mit einem bestimmten Anlageobjekt verbundenen Risiken zu erzeugen. Die Werbemittel müssen den "internen" Bereich der Anlagegesellschaft und ihrer Vertriebsorganisation verlassen haben und einem größeren Kreis potentieller Anleger zugänglich gemacht worden sein. Nachträglich unrichtig gewordene Werbemittel zu verbreiten, genügt. BGH, Urteil vom 24.06.2014 – VI ZR 560/13 = BeckRS 2014, 14784 Die V-GmbH & Co KG (im Folgenden V-KG) bot Kapitalanlagen an. Die Klägerin beteiligte sich mit Vertrag vom 12.09.2001 an einer solchen Kapitalanlage. Für diese Kapitalanlage existierte ein Emissionsprospekt der V-KG mit ursprünglichem Stand vom 05.01.2001. Am 15.01.2001 hatte die V-KG allerdings die darin enthaltenen Regelungen zur Stornohaftung geändert, ohne den Emissionsprospekt anzupassen. Bei der Zeichnung der Kapitalanlage durch die Klägerin lag dementsprechend eine nicht aktualisierte Prospektversion vor. Die Klägerin verlangte wegen mehrerer Prospektmängel die Rückabwicklung ihrer Beteiligung sowie entgangenen Gewinn. Dabei stützte sie ihren Anspruch auf § 832 II BGB i.V.m. § 264a I StGB, da ein Fall des Kapitalanlagebetrugs gegeben sei. Das LG hat die Klage abgewiesen. Auch die Berufung wurde teilweise zurückgewiesen. Die Revision zum BGH hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hatte zwar erkannt, dass der Emissionsprospekt hinsichtlich der Stornohaftungsregelungen fehlerhaft geworden war. Der verwendete Prospekt sei aber auf den 05.01.2001 und damit auf einen Zeitpunkt vor der Änderung der Stornoregelungen datiert gewesen. Dass der Prospekt erst nach dem 15.01.2001 – und damit fehlerhaft – in Verkehr gebracht worden sei, habe die Klägerin nicht vorgetragen. Somit müsse davon ausgegangen werden, dass der Prospekt zum Zeitpunkt seines Inverkehrbringens als der für § 264a StGB relevanten Tathandlung fehlerfrei gewesen sei. Auf die zivilrechtliche Pflicht, einen bereits verbreiteten Prospekt zu aktualisieren, komme es bei § 264a StGB nicht an. Dem widerspricht der BGH. Er stellt klar, dass auch für den Fall einer unterlassenen Berichtigung eines zuvor in Verkehr gebrachten Prospekts eine Strafbarkeit nach § 264a StGB in Betracht komme. Denn auch derjenige, der nachträglich unrichtig gewordene Werbemittel gegenüber einem größeren Kreis potentieller und bisher noch nicht angesprochener Anleger (weiter) verwende, indem er sie nach Eintritt der Unrichtigkeit zusendet, verteilt oder sonst zugänglich macht, verbreite unrichtige Informationen i.S.d. § 264a StGB. Dass der Prospekt auch schon zu einem Zeitpunkt, zu dem er noch richtig war, verwendet wurde, ändere daran nichts. Praxis-Tipp von Frédéric Schneider ROXIN Rechtsanwälte LLP Im Rahmen des Kapitalanlagebetrugs gilt allgemein der Grundsatz, dass die Verbreitung eines Prospekts nach dessen erstmaligem Inverkehrbringen nicht mehr als tatbestandsmäßige Handlung i.S.d. § 264a StGB anzusehen ist. Die Pflicht, einen fehlerhaft gewordenen Prospekt nachträglich zu berichtigen, ergab sich bisher allein aus zivilrechtlichen Vorschriften. Mit diesem Urteil jedoch erlangt diese bisher allein zivilrechtliche Frage auch strafrechtliche Relevanz. Will der Emittent nämlich einen neuen, bisher nicht kontaktierten Kreis potentieller Anleger für seine Kapitalanlage gewinnen, so muss er für den Fall, dass sein Emissionsprospekt zwischenzeitlich unrichtig geworden ist, zuvor eine Berichtigung vornehmen. Verwendet er gegenüber dem neuen Adressatenkreis die veraltete Version weiter, verbreitet er insoweit unrichtige Informationen. Zwar bleibt abzuwarten, ob die Strafrechtsprechung dieser Herangehensweise folgt, dennoch sind vor diesem Hintergrund alle Kapitalanlageanbieter aufgefordert, ihre Emissionsprospekte auf dem neuesten Stand zu halten, um zivilrechtliche und gegebenenfalls auch strafrechtliche Folgen zu vermeiden.
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