Streitwert für Herausgabe einer Leasingsache

OLG München, Beschluss v. 18.06.2015 – 32 W 792/15
Titel:
Streitwert für Herausgabe einer Leasingsache
Normenketten:
GKG §§ 39 I, 41 II, 45 I 1, u. 3
BGB §§ 535, 546, 812, 985
§ 985 BGB
§ 6 ZPO
§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG
§§ 535, 546 BGB
Leitsätze:
1. Für den Anspruch auf Herausgabe einer Leasingsache, der neben § 985 BGB auf einer
entsprechenden Anwendung von §§ 535, 546 BGB beruht, findet nicht § 41 II GKG, sondern § 6 ZPO
Anwendung, wenn beide Parteien davon ausgehen, dass die Leasingsache während der Leasingzeit
nicht an Wert verliert und beide Vertragsparteien an dem zu erwartenden Erlös beteiligt werden
sollen. (amtlicher Leitsatz)
2. Zwischen dem auf Herausgabe eines Leasingfahrzeugs nach Vertragsbeendigung gerichteten
Hauptantrag des Leasinggebers und dem auf Übereignung des Leasingfahrzeugs gerichteten
Widerklageantrag des Leasingnehmers aus einer mündlichen Abrede besteht keine wirtschaftliche
Identität, so dass eine Wertaddition stattfindet.
(amtlicher Leitsatz)
Schlagworte:
Gerichtsverfassung, Leasing, Leasingraten, Leasingvertrag, Mieter, Restwert, Streitwertbeschluss,
Wertaddition, Streitwert, Leasingsache
Fundstellen:
MDR 2015, 984
LSK 2015, 390432
NJOZ 2015, 1964
Gründe
Oberlandesgericht München
Az.: 32 W 792/15
34 O 975/12 LG München I
Leitsatz
2. <BECKFFM-LEITSATZ>Zwischen dem auf Herausgabe eines Leasingfahrzeugs nach
Vertragsbeendigung gerichteten Hauptantrag des Leasinggebers und dem auf Übereignung des
Leasingfahrzeugs gerichteten Widerklageantrag des Leasingnehmers aus einer mündlichen Abrede besteht
keine wirtschaftliche Identität, so dass eine Wertaddition stattfindet.
</BECKFFM-LEITSATZ>
In Sachen
F.
- Klägerin und Beschwerdegegnerin Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt F.
gegen
S.
- Beklagte und Beschwerdeführerin Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte H.
wegen Herausgabe hier: Beschwerde
erlässt das Oberlandesgericht München - 32. Zivilsenat - durch die Richterin am Oberlandesgericht Dr.
Wiringer-Seiler als Einzelrichterin
am 18.06.2015 folgenden
Beschluss
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts München I vom
28.11.2014, Az. 34 O 975/12, dahingehend abgeändert, dass der Streitwert für das Verfahren vor dem
Landgericht auf € 4.055.692,00 festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe:
1
Die Parteien streiten um die Zahlung noch ausstehender Leasingraten für die Zeit von Januar 2011 bis
Dezember 2011 in Höhe von insgesamt € 55.692,00 und die Herausgabe des Fahrzeugs Ferrari, Typ
Formel 1 2003 - GA, Chassis - Nr. 229, über das die Beklagte als Leasingnehmerin mit der Klägerin als
Leasinggeberin zunächst einen Leasingvertrag vom 11.12./14.12.2006 (Anl. K 5 und B 2) für die Dauer von
30 Monaten und anschließend einen Folge - Leasingvertrag vom 30.06./29.07.2009 (Anl. K 1 und B 5) für
die Dauer von weiteren 36 Monaten abgeschlossen hat. Im ersten Leasingvertrag waren für das Fahrzeug
Anschaffungskosten von € 2.000.000,00, im Anschlussvertrag von € 200.000,00, entsprechend dem
Restwert aus der ersten Vereinbarung, angegeben.
2
Die Klägerin verlangt in der ersten Instanz neben der Zahlung der ausstehenden Raten die Herausgabe des
Fahrzeugs, für das sie in der Klageschrift einen Mindestwert von € 200.000,00 ansetzt.
3
Die Beklagte hat vor dem Landgericht Widerklage erhoben und beantragt, die Klägerin zu verurteilen, den
Ferrari, Typ Formel 1 2003 - GA, Chassis - Nr. 229, an die Beklagte zu übereignen,
hilfsweise,
die Klägerin zu verurteilen, den Ferrari, Typ Formel 1 2003 - GA, Chassis - Nr. 229, gegen Zahlung von €
24.444,38 an die Beklagte zu übereignen
hilfsweise,
die Klägerin zu verurteilen, den Ferrari, Typ Formel 1 2003 - GA, Chassis - Nr. 229, gegen Zahlung von €
162.792,00 an die Beklagte zu übereignen,
hilfsweise,
für den Fall der Vertragsnichtigkeit,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Gesamtbetrag von € 1.552.301,00 nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von € 2.095.000,00 seit
dem 17.12.2006 zu bezahlen,
2. die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte einen Gesamtbetrag von € 70.200,00 nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von jeweils € 3.900,00 seit dem
02.07.2009, seit dem 02.08.2009, seit dem 02.09.2009, seit dem 02.10.2009, seit dem 02.11.2009, seit dem
02.12.2009, seit dem 02.01.2010, seit dem 02.02.2009, seit dem 02.03.2009, seit dem 02.04.2010, seit dem
02.05.2010, seit dem 02.06.2010, seit dem 02.07.2010, seit dem 02.08.2010, seit dem 02.09.2010, seit dem
02.10.2010, seit dem 02.11.2010, seit dem 02.12.2010 zu bezahlen.
4
Das Landgericht München I hat der Klage auf Zahlung der Restraten und Herausgabe des Fahrzeugs mit
Urteil vom 28.11.2014, Az. 34 O 975/12, in vollem Umfang stattgegeben und die Wideklage abgewiesen.
5
Mit Beschluss vom 28.11.2014 hat die Einzelrichterin am Landgericht den Streitwert auf 5.592.501,00 €
festgesetzt. Der hiergegen gerichteten Beschwerde der Beklagten vom 07.01.2015, eingegangen bei
Gericht am 12.01.2015, mit der die Beklagte eine Herabsetzung des Streitwerts auf € 2.055.692,00 begehrt,
hat das Landgericht nicht abgeholfen.
II.
6
Die befristete Beschwerde gegen den Streitwertbeschluss ist zulässig (§§ 68 Abs. 1, 66 Abs. 2 bis 6, 63
Abs. 3 Satz 2 GKG) und hat auch in der Sache teilweisen Erfolg.
7
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
8
Für den geltend gemachten Klageanspruch, bestehend aus Zahlung und Herausgabe aus § 985 BGB, sei
für den Wert der Sache ein Betrag in Höhe der Anschaffungskosten von € 2.000.000,00 anzusetzen, da der
Ferrari nach Angaben der Klagepartei nicht an Wert verliere. Zu dem Klagebetrag von € 2.055.692,00 sei
gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 und 2 GKG der Wert der Widerklage auf Übereignung in Höhe von €
2.000.000,00, sowie der Hilfswiderklage auf Zahlungen von € 1.552.301,00 bzw. € 70.200,00
hinzuzurechnen
9
2. Diese Entscheidung entspricht nicht ganz der Sach- und Rechtslage.
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a) Für den Herausgabeanspruch, der neben § 985 BGB auf einer entsprechenden Anwendung von §§ 535,
546 BGB in Verbindung mit Ziffer XI. 1, XII. 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Leasingvertrags
(Anl. K 1) beruht, findet nicht § 41 Abs. 2 GKG, sondern § 6 ZPO Anwendung (vgl. Zöller/Herget ZPO, 30.
Aufl. § 3 Rn. 16), so dass grundsätzlich der Wert des Fahrzeugs maßgeblich ist.
11
aa) Die Anwendung von § 41 Abs. 2 GKG auf den leasingvertraglichen Herausgabeanspruch ist umstritten.
Dessen Regelungszweck liegt in erster Linie in der Vermeidung sozialer Härten (vgl. Hartmann
Kostengesetze, 45. Aufl. § 41 Rn.2), da der vermietete Gegenstand durch den gewährten Gebrauch in der
Regel nur geringfügig, wenn überhaupt, an Wert verliert, dieser gewöhnlich außer Verhältnis zum
vereinbarten Nutzwert steht und der Mieter an diesem Wert nicht teilhat.
12
bb) Für Leasingverträge, bei denen von einem hohen Wertverlust der Leasingsache während der
vereinbarten Leasingzeit ausgegangen wird (z. B. Neuwagenleasing), gilt diese Überlegung nicht. Hier
dürfte vielmehr auf den vereinbarten Restwert des Leasinggutes abzustellen sein.
13
cc) Bei dem vorliegenden Leasingvertrag gehen zwar beide Parteien davon aus, dass die Leasingsache bei
der Weiterverwertung einen Preis erzielt, der zumindest im Bereich des zunächst angenommenen Wertes
von € 2.000.000,00 liegt, also keineswegs an Wert verliert. Allerdings wird hier der Leasingnehmer nach
Ziffer XII. 1 a) der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu einem hohen Prozentsatz an dem zu erwartenden
Erlös beteiligt. Auch in diesem Fall ist daher nicht die Jahresnutzung, sondern nach § 6 ZPO der Wert des
Leasinggegenstandes in Ansatz zu bringen.
14
Diesen hat das Landgericht zutreffend mit € 2.000.000,000 angenommen.
15
b) Zu dem Wert der Klage von € 2.055.692,00 (§ 39 Abs. 1 GKG) ist gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 und 2 GKG
der Wert der Widerklage auf Übereignung in Höhe von € 2.000.000,00 hinzuzurechnen, da sie,
wirtschaftlich betrachtet (vgl. Hartmann Kostengesetze, 45. Aufl., § 45 GKG Rn. 8), nicht den nämlichen
Streitgegenstand (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG) hat.
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aa) Nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG findet keine Zusammenrechnung von Klage und Widerklage statt, wenn
die einander gegenüberstehenden Ansprüche denselben Gegenstand betreffen. Dies ist unabhängig vom
zivilprozessualen Streitgegenstand bei wirtschaftlicher Identität von Klage und Widerklage der Fall und ist
dann gegeben, wenn die Ansprüche aus Klage und Widerklage nicht in der Weise nebeneinander stehen
können, dass beiden stattgegeben werden kann, sondern die Verurteilung nach dem einen Antrag
notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrags nach sich zieht (BGH NJW-RR 2005, 506).
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Dieser Identitätsgrundsatz greift jedoch dann nicht ein, wenn mit Klage und Widerklage Ansprüche aus
demselben Rechtsverhältnis hergeleitet werden, die sich rechtlich zwar wechselseitig ausschließen,
wirtschaftlich aber nicht überschneiden, sondern unterschiedliche Vermögenspositionen betreffen (BGH
MDR 2014, 627).
18
bb) Voraussetzung für die Annahme der Nämlichkeit der mit der Klage und Widerklage geltend gemachten
Ansprüche ist also einmal, dass der Anspruch, den die Klägerin geltend macht und der Anspruch der
Widerklägerin nicht nebeneinander bestehen können. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Der
Herausgabeklage könnte nicht stattgegeben werden, wenn ein Übereignungsanspruch - und damit ein
Recht zum Besitz und somit eine Einrede gegen den Herausgabeanspruch - seitens der Beklagten
bestünde.
19
Die weitere Voraussetzung für die Behandlung von Klage und Widerklage nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG,
nämlich die Identität des wirtschaftlichen Interesses der beiden Anträge, ist für Herausgabe- und
Übereignungsklage aber nicht gegeben.
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Das Interesse der Klägerin läuft darauf hinaus, dass sie den ihr gehörenden Wagen faktisch zurückerhält.
21
Das Interesse der Beklagten zielt darauf ab, dass ihr die Klägerin das Eigentum an dem Fahrzeug überträgt.
22
b) Anders verhält es sich mit der Hilfswiderklage auf Zahlungen von 1.552.301,00 bzw. € 70.200,00.
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Diese wird, ohne weitere Erläuterungen, für den Fall erhoben, dass „die Kammer von einer
Gesamtnichtigkeit des Vertrages“ ausgeht und soll aus der Vertragsnichtigkeit folgende
Rückzahlungsansprüche der Beklagten geltend machen. Aus diesem Grund ist der erste Antrag auch
dahingehend auszulegen, dass die Beklagte hier eine Zahlungsverurteilung der Klägerin erstrebt.
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Über diese Ansprüche aus §§ 812 ff BGB war aber erstinstanzlich nicht zu entscheiden, da das Gericht
inzidenter bei der Bejahung des Klageanspruchs von einer Gültigkeit der Leasingverträge ausgegangen ist.