26.08.2015 Drucksache 6/968 6. Wahlperiode Gefährdet die FSC

Thüringer Landtag
6. Wahlperiode
968
Drucksache 6/
26.08.2015
Kleine Anfrage
des Abgeordneten Malsch (CDU)
und
Antwort
des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft
Gefährdet die FSC-Zertifizierung ThüringenForst?
Die Kleine Anfrage 403 vom 20. Juli 2015 hat folgenden Wortlaut:
Im Koalitionsvertrag der Koalitionsparteien ist die Absicht festgehalten, die ökologische Vielfalt und den ökonomischen Wert des Staatswaldes zu steigern. Dazu soll "der Thüringer Staatswald schrittweise nach den
Kriterien des ForestStewardship Council (FSC) zertifiziert werden. Hierzu wird ein Konzept und ein Zeitplan
gemeinsam mit ThüringenForst - Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) erarbeitet und in Abständen evaluiert."
In einem Bericht der Thüringischen Landeszeitung vom 8. Juli 2015 äußert der Vorsitzende des BUND Thüringen Zweifel daran, dass der politische Wille zu einer FSC-Zertifizierung bei den Koalitionspartnern groß
genug ist. Es gibt aber auch Bedenken bezüglich einer FSC-Zertifizierung in Thüringen, wonach die Belastungen für die Forstarbeiter bei einer FSC-Zertifizierung viel zu hoch seien.
Ich frage die Landesregierung:
1. Inwieweit hält die Landesregierung es für möglich, das im Koalitionsvertrag angesprochene Spannungsverhältnis aufzulösen und gleichzeitig die ökologische Vielfalt und den ökonomischen Wert des
Staatswaldes zu steigern?
2. Bis wann plant die Landesregierung das im Koalitionsvertrag benannte Konzept und den Zeitplan zur
geplanten Zertifizierung nach den Kriterien des FSC vorzulegen?
3. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung zu den Bedenken, wonach bei einer FSC-Zertifizierung
Einschränkungen der Forstarbeit zu erwarten sind und wie begründet die Landesregierung ihre Auffassung?
4. Welche kurz- und mittelfristigen Auswirkungen hätte nach Erkenntnissen der Landesregierung eine FSCZertifizierung auf die Erträge der ThüringenForst AöR?
5. Welche kurz- und mittelfristigen Auswirkungen hätte nach Erkenntnissen der Landesregierung eine FSCZertifizierung auf den Personal- und Maschinenbedarf der ThüringenForst AöR?
6. Wie plant die Landesregierung mit den bei einer Umstellung auf FSC-Zertifizierung zwangsläufig drohenden Ertragseinbrüchen von ThüringenForst AöR umzugehen?
7. Welche kurz- und mittelfristigen Auswirkungen hätte nach Erkenntnissen der Landesregierung eine FSCZertifizierung auf die bilanzielle Bewertung der Forstflächen von ThüringenForst AöR?
Druck: Thüringer Landtag, 10. September 2015
Drucksache 6/
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Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode
8. Ist der Landesregierung bekannt, ob bzw. dass Umweltverbände an den Einnahmen aus der FSCZertifizierung partizipieren? Wenn ja, wie ist die Partizipation ausgestaltet?
Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft hat die Kleine Anfrage namens der Lan­
desre­gierung mit Schreiben vom 25. August 2015 wie folgt beantwortet:
Zu 1.:
Die Landesregierung sieht in den Aussagen des Koalitionsvertrages zum Waldumbau kein Spannungsverhältnis. Laut Koalitionsvertrag sollen die ökologische Vielfalt und der ökonomische Wert des Staatswaldes
gesteigert werden. Hierzu soll der Staatswald schrittweise nach den Kriterien des ForestStewardship Council (FSC) zertifiziert werden. Ein zu erarbeitendes Konzept soll diesen Prozess begleiten, so dass beide Zielstellungen des Koalitionsvertrages realisiert werden können.
Zu 2.:
Am 22. Juli 2015 wurde ein erstes Expertenforum zu den Fragestellungen
- Steigerung der ökologischen Vielfalt des Landeswaldes,
- Steigerung des ökonomischen Wertes des Landeswaldes,
- Kosten einer Zertifizierung (PEFC und FSC) sowie
- mögliche Erstellung eines Fahrplans zur schrittweisen Einführung von FSC im Landeswald Thüringen
durchgeführt.
Das Konzept soll bis zum 4. Quartal 2016 gemeinsam mit ThüringenForst erarbeitet werden.
Zu 3.:
Die schrittweise Einführung des FSC-Standards soll mit wissenschaftlicher Begleitung und größtmöglicher
Transparenz erfolgen. Evaluierungen sollen aufzeigen, ob die Zielstellungen der Koalitionsvereinbarung
erreicht werden können. Die derzeit diskutierten möglichen Einschränkungen sollen auf ihre tatsächlichen
Wirkungen (ökologisch und finanziell) untersucht werden.
Aus heutiger Sicht scheinen insbesondere folgende Anforderungen des FSC größere Bedeutung im Vergleich zur heute praktizierten Forstarbeit im Landeswald zu haben:
- völliger Ausschluss von Pflanzenschutzmitteln,
- Biomasseverbleib, Anhebung der Derbholzgrenze in Verbindung mit Energie- und Brennholznutzung,
- Referenzflächenauswahl zur Stilllegung,
- Anzahl der Biotopbäume,
- Änderung des Rückegassensystems,
- Gastbaumarten/ Fremdländeranbau.
Ob diese Anforderungen zu einer Einschränkung der Forstarbeit führen, wird die begleitende Evaluierung
aufzeigen.
Zu 4.:
Durch die in der Antwort zu Frage 3 genannten Bewirtschaftungsänderungen könnten Ertragseinbußen
entstehen. Darüber hinaus werden Zusatzkosten für eine zusätzliche motormanuelle Holzernte und damit
verbundene zusätzliche Rückekosten durch ein verändertes Rückegassensystem erwartet. Inwieweit die
Holzindustrie bereit sein wird, die Aufwendungen einer Produktzertifizierung nach FSC zu tragen, bleibt abzuwarten; ebenso wie die Kundennachfrage.
Zudem erscheint die Dokumentationspflicht im Zuge der FSC-Zertifizierung und den damit verbundenen
jährlichen Audits einen erhöhten personellen Aufwand nach sich zu ziehen.
Zu 5.:
Derzeit erfolgen rund 80 Prozent der Holzerntearbeiten durch forstliche Lohnunter­nehmer. Hier wird es zu
einem noch nicht abschätzbaren Investitionsbedarf durch Umrüstung der Maschinen bzw. durch Umstellung der Arbeitsverfahren kommen (Änderung des Rückegassensystems). Dies gilt auch für die landes­
eigenen Maschinenbetriebe.
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Unter den derzeit gegebenen Bedingungen (Holzpreise; Holzerntekosten, Tarife im öffentlichen Dienst) wird
es keinen Personalaufbau bei ThüringenForst geben.
Zu 6.:
Teil des zu erarbeitenden Konzeptes wird die Darstellung der ökonomischen Auswirkungen sein. Die Ergebnisse bleiben abzuwarten.
Zu 7.:
Alle langfristig aus der Nutzung zu nehmenden Waldflächen (Referenzflächen FSC fünf Prozent) sind zwar
bilanztechnisch abzuschreiben. Da aber die bereits abge­schriebenen oder zukünftig abzuschreibenden Flächen durch das 25.000 Hektar-Flächenstilllegungsziel der Landesregierung mit einzurechnen bzw. durch
das FSC-Audit anzuerkennen sind, ergeben sich letztlich keine Auswirkungen.
Die dauerhafte Ausweisung von durchschnittlich zehn Habitatbäumen/Biotop­bäumen je Hektar hat möglicherweise ebenfalls negative Auswirkungen auf die bilanzielle Bewertung der Forstflächen. Der Abschreibungsbedarf je Habitat­baum liegt bei etwa 100 Euro.
Zu 8.:
Hierzu liegen der Landesregierung keine Angaben vor.
Keller
Ministerin
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