Medieninformation Ministerin Steffens: „Schnellschuss bei Reform der Pflegeberufe gefährdet pflegerische Versorgung – Bund muss Gesetzgebungsverfahren stoppen“ NRW-Gesundheits- und Pflegeministerin Barbara Steffens (Grüne) fordert, die vielfältigen Warnungen aus der Fachszene ernst zu nehmen, das übereilte Reformvorhaben anzuhalten und zuerst eine Risikofolgenabschätzung vorzunehmen. Die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) sagt: - „Der Bund setzt gerade die gute pflegerische Versorgung in unserem Land aufs Spiel. - Hier wird versucht, ein Gesetz im Eilverfahren ohne Rücksicht auf Verluste durchzupeitschen – das ist grob fahrlässig. Denn so droht der Ausstieg zahlreicher Betriebe aus der Ausbildung. - Gröhe und Schwesig müssen ihr übereiltes und gefährdendes Reformvorhaben stoppen. - Wir brauchen zuerst eine Risikofolgenabschätzung. Dann Lösungen, um drohende massive negative Folgen für die pflegerische Versorgung in Deutschland abzuwenden. - Grundsätzlich sind die Zielsetzungen der Reform richtig. Denn in Krankenhäusern steigt die Zahl älterer Patientinnen und Patienten und damit der Anteil von Alten- an der Krankenpflege. In Pflegeheimen steigt aufgrund der Zunahme von Bewohnerinnen und Bewohnern mit Mehrfacherkrankungen der Bedarf an Krankenpflege, die von Altenpflegerinnen und -pflegern erbracht werden muss. - Kinderkrankenpflege kann man nicht mit Alten- und Krankenpflege in einen Topf werfen. Sie ist ein ganz eigener Bereich. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen.“ Die wesentlichen Kritikpunkte: Keine Risikofolgenabschätzung trotz drohender Überforderung von Ausbildungsbetrieben: Das Gesetz soll beschlossen werden, ohne vorher die praktischen Folgen verantwortungsvoll abgeschätzt zu haben. Ausbildungsträger sollen künftig für sieben verschiedene Ausbildungsstationen die Ausbildungsabläufe gestalten – das erfordert hohen Bürokratieaufwand und die/der Auszubildende wird deutlich weniger als bisher im eigenen Betrieb sein. Da werden sich viele - insbesondere kleinere Betriebe fragen, ob sie unter diesen Bedingungen noch Ausbildungsbetrieb bleiben wollen. Ambulante Dienste steigen aus der Ausbildung aus: Bei der ambulanten Pflege sind die Pflegefachkräfte in der Regel alleine (mit einem Auto) zu den zu Pflegenden unterwegs. Auszubildende können nicht alleine fahren, sondern nur mitfahren und „mitlaufen“, denn ohne abgeschlossene Ausbildung dürfen sie nicht alleine pflegen. Sie bringen den ambulanten Diensten folglich keine eigene Wertschöpfung. Die Reform des Bundes sieht aber vor, dass ambulante Dienste künftig etwa ein Viertel der Ausbildungskosten nicht mehr refinanzieren können- ihnen soll ein „Wertschöpfungsanteil“ von 23 angerechnet werden, d.h. sie sollen 23 Prozent der Kosten (laut Bundesgutachten rund 3.500 € pro Jahr) selbst tragen müssen Da ein solcher „Wertschöpfungsanteil“ aber real nicht existiert, droht der massenweise Ausstieg ambulanter Dienste aus der Ausbildung. In NRW ist es gelungen, durch Einführung einer Ausbildungsumlage (bei voller Refinanzierung der Ausbildungskosten) viele ambulante Dienste als Ausbildungsbetriebe hinzuzugewinnen. Innerhalb von drei Jahren ist die Zahl der Ausbildungsplätze in der Altenpflege in NRW von unter 10.000 auf über 17.000 gestiegen. Steffens: „Diese Steigerung der Ausbildungszahlen zu gefährden, wäre ein Super-GAU für die pflegerische Versorgung in NRW. Wenn ambulante Dienste nach dem Willen des Bundes künftig auf ein Viertel der Ausbildungskosten sitzen bleiben, werden viele nicht mehr ausbilden.“ Ungleichheit der Finanzierung beenden: Altenpflegeausbildung zahlen Pflegebedürftige – Krankenpflegeausbildung die Kassen – das darf nicht so bleiben: Die Ungerechtigkeit bei der Finanzierung der Pflegeausbildung soll durch die Reform nicht beendet werden. Steffens: „Wenn man eine einheitliche Ausbildung macht, muss auch die Finanzierung gleich sein.“ Derzeit (re)finanzieren die Krankenkassen die Kosten der Ausbildung für die Krankenpflege komplett, während die Pflegekasse sich künftig nur zur 3,8 Prozent an den Kosten der Altenpflegeausbildung beteiligen soll. Das ist heute schon ungerecht, darf aber erst recht nicht so bleiben, wenn es zur generalistischen Pflegeausbildung kommt. Denn dann zahlen die Pflegebedürftigen (bzw. deren Angehörige bzw. die Kommunen für diejenigen, die Sozialleistungen erhalten) auch noch für die Auszubildenden, die später in der Krankenpflege arbeiten. Kinderkrankenpflege nicht antasten, sonst fehlen der Kinderkrankenpflege bald qualifizierte Fachkräfte: Alle Fachleute aus dem Bereich sagen: Wenn die Reform so kommt, wird es zu einem dramatischen Mangel an ausreichend fachlich qualifizierten Kräften in der Kinderkrankenpflege kommen. Denn durch die Generalstik geht ein wesentlicher Teil der notwendigen Spezialausbildung für die Kinderkrankenpflege verloren. Keine angemessene Zeit für inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Gesetzentwurf: Die beiden Ministerien haben den Ländern und Verbänden den 113seitigen Gesetzentwurf mit einer Stellungnahmefrist von nur 14 Tagen zugeleitet. Steffens: „Nachdem man das Thema in Berlin jahrelang vor sich hergeschoben hat, ist eine solche Frist schlicht skandalös. Wer das macht, will eine ehrliche und transparente Diskussion über die Folgen des Gesetzgebungsverfahrens offensichtlich vereiteln anstatt sie zu ermöglichen.“ Das haben auch durch die Bank praktisch alle Verbände in der Anhörung des Ministeriums massiv kritisiert. Einige Zahlen, Daten, Fakten: Auszubildendenzahlen NRW: Krankenpflege: rd. 16.000 Kinderkrankenpflege: rd. 2100 Altenpflege: rd. 17.300 Entwicklung der Zahl der Pflegebedürftigen in NRW (bundesweit): - 2013: 581.500 (2,6 Millionen) - 2030: 700.000 (3,4 Millionen) - 2050: 920.000 (4,5 Millionen) davon zwei Drittel Frauen Über 80-Jährige (Hochaltrige) in NRW/ Anteil an Bevölkerung: (it.NRW 2015) - 2014: rund 960.000 = 5,5 Prozent - 2030: rund 1,3 Mio.= 7,2 Prozent - 2050: rund 2,2 Mio.= 12,6 Prozent
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