Nachruf auf Prof. Dr. Ulrich Herrmann

Nachruf auf Prof. Dr. Ulrich Herrmann
Am 21. Dezember 2015 starb völlig unerwartet unser Kollege Prof. Dr. Ulrich Herrmann. Er
wurde 65 Jahre alt. Als in vieler Hinsicht hoch geachteter und zugleich beliebter Kollege hinterlässt er im Institut für Erziehungswissenschaft eine große Lücke an Wissen, Einsatzbereitschaft
und gelassener Kollegialität.
Ulrich Herrmann war der Ruhr-Universität über Jahrzehnte verbunden. Hier nahm er 1971 sein
Studium in den Fächern Englisch, Pädagogik und Sozialwissenschaften auf, das er mit dem
Lehramtsexamen und auch mit dem sozialwissenschaftlichem Diplom abschloss. 1987 wurde
er zum Dr. phil. durch die Fakultät für Philosophie, Pädagogik und Publizistik promoviert. Mit
seiner Habilitation im Jahr 2003 verband sich die Erteilung der Lehrbefähigung für das Fach
Pädagogik. 2008 wurde er auf eine Professur für Schulsystementwicklung und Professionalisierung des Lehrerberufs am Institut für Erziehungswissenschaft berufen, die er bis zuletzt innehatte.
Seine Forschungsgebiete hatte er im Bereich der Bildungsgeschichte, und zwar in den Kontexten der Bildungssystem- wie auch der Familienforschung. Seine Erfahrungen und Publikationen
aus mehreren DFG-Projekten richteten sich thematisch auf den Zusammenhang zwischen Qualifikationskrisen und Strukturveränderungen im Bildungssystem und auf die historische Regionalanalyse mit einem besonderen Blick für die Entwicklung des Gymnasiums, über dessen
westfälische Geschichte er ein umfangreiches Standardwerk schrieb. In den letzten Jahren hat
er seine schulgeschichtlichen Analysen auf die beruflichen Schulen ausgedehnt und sich
dadurch auch in der Berufsbildungsgeschichte anerkennendes Interesse verschafft. Er hat als
Autor und Bearbeiter am Datenhandbuchprojekt der DFG zur deutschen Bildungsgeschichte
mitgewirkt, aus dem für die bildungshistorische und -soziologische Forschung unverzichtbare
Grundlagenwerke hervorgegangen sind. Im Rahmen der historischen Familienforschung befasste er sich mit der Sozialgeschichte des europäischen Bürgertums im 19. und 20. Jahrhundert. Sein besonderes Interesse galt Familienstrukturen, die sich über mehrere Generationen
und zugleich über nationale Grenzen hinweg rekonstruieren ließen. Mit Ulrich Herrmann verliert die bildungshistorische Forschung in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft eine ihrer wertgeschätzten, für die Entwicklung des Fachs bedeutsamen Vertreter.
Seine zugängliche und offene Art der Kommunikation, mit der er seinen intensiv betriebenen
Lehraufgaben nachkam, schufen Wertschätzung und Beliebtheit auch bei Studierenden. Seine
Lehre im Bereich des Master of Education stattete er mit einem differenzierten und für die Angebotsstruktur des Instituts zentralen Themenprofil aus. Für die Selbstverwaltung engagierte
er sich mit Funktionen u. a. im Fakultätsrat und im Senat. Er galt hier ebenso als gründlicher,
mit Bedacht und Offenheit arbeitender Kollege.
Das Institut für Erziehungswissenschaft hat eine für seine Aufgaben, seine Außenwirkung und
seine institutsinterne Zusammenarbeit in vieler Hinsicht kaum zu ersetzende Persönlichkeit
verloren.