16 WÄSSRIGE LACKSYSTEME // ABSATZMARKT Zug um Zug mehr Wasser SCHIENENFAHRZEUGLACKE // IN EUROPA DOMINIEREN HYDROLACKE ALS BESCHICHTUNGSSYTEM FÜR SCHIENENFAHRZEUGE – ALLERDINGS NUR IM SEGMENT PERSONENVERKEHR. IN DIE WEITERENTWICKLUNG DER ÖKOLOGISCH VERTRÄGLICHEN LACKE WURDE IN DEN LETZTEN JAHREN JEDOCH WESENTLICH STÄRKER INVESTIERT, ALS IN DIE VERBESSERUNG VON LÖSEMITTELLACKEN. EINE ÜBERTRAGUNG DER GEWOHNTEN EIGENSCHAFTEN VON LÖSEMITTELLACKEN AUF WÄSSRIGE SYSTEME SEI ABER SCHWIERIG. Damir Gagro Z ugfahren ist klimafreundlich - das ist bekannt. Allein in Deutschland beförderte die Deutsche Bahn 2013 mehr als 2 Mrd. Reisende im Personenverkehr und über 390 Mio. Tonnen im Güterverkehr. Im Vergleich zum Auto und Flugzeug gilt das Reisen auf der Schiene als die umweltverträglichere Alternative, um sich von A nach B zu bewegen. Um diesem Image auch weiterhin gerecht zu werden, will die Deutsche Bahn den Anteil der erneuerbaren Energien im Bahnstrom-Mix weiter zu erhöhen. Im Jahr 2012 betrug dieser Anteil 24 %. Bis 2020 soll er auf mindestens 35 % steigen. Aber nicht nur beim Strom setzen die Verkehrsbetriebe auf umweltverträgliche Lösungen, sondern auch bei den Beschichtungen für die Schienenfahrzeuge. FA RBE UND L A C K / / 0 6 .2 0 1 4 Zwei Schichten innen, fünf Schichten außen Für Schienenfahrzeuge kommen sowohl wässrige als auch lösemittelhaltige Lacksysteme zum Einsatz. „Grundsätzlich gibt es hier eine stark ausgeprägte regionale Unterscheidung in den Märkten. In Mittel- und Westeuropa bzw. bei Anwendern ohne thermische Nachverbrennung werden in allen Bereichen, also sowohl für das Interieur, als auch bei Außenbeschichtungen wässrige Systeme zur Anwendung gebracht. Vor allem im Mehrschichtaufbau für die Schienenfahrzeugaußenhaut gelten in Europa wässrige Systeme mittlerweile als Standard“, so Florian Fuhrmann von Rembrandtin Lack. „Der Hauptgrund für die Verwendung von Wasserlacken bei Schienenfahrzeugherstellern ist umweltbedingt“, sagt Eric Fouissac, Be- 253 ZÜGE ZÄHLT DIE ICE FLOTTE DER DEUTSCHEN BAHN. DIE FLOTTE SETZT SICH AUS 4.503 TRIEBZÜGE IM NAHVERKEHR, 1.490 LOKOMOTIVEN UND 7.043 REISEZUGWAGEN ZUSAMMEN WÄSSRIGE LACKSYSTEME // ABSATZMARKT 17 ckers Group. Mittlerweile werden Wasserlacke fast in allen Bereichen der Schienenfahrzeuglackierung eingesetzt, im Interieur, Exterieur und beim Untergestell, wie Michael Voxbrunner von der Lankwitzer Lackfabrik erläutert. „Zum Einsatz kommen dabei immer Komplettaufbauten. Es werden in der Regel keine Mischaufbauten mit Lösemittel- und Wasserlack eingesetzt“, so Voxbrunner weiter. „Grundsätzlich bestehen Interieurbeschichtungen meist aus einem 2-Schicht–EpoxyAufbau, mit nur eingeschränkter UV-Stabilität. Wohingegen im Exterieurbereich typsicherweise ein 5-Schichtaufbau bestehend aus Grundierung, Spachtel, Füller, farbgebendem Basislack und Klarlack als Deckbeschichtung zur Anwendung kommt“, wie Fuhrmann sagt. „Daneben bestehen mittlerweile Anforderungen an das Design und Bewitterungsstabilität, welche sehr nah an der Automobilindustrie liegen. Neben diesen im Personenverkehr eingesetzten Systemen werden im Güterverkehr meist vergleichsweise günstige Ein- bis Zweischichtaufbauten zur Anwendung gebracht. Dagegen können die hohen Anforderungen im Personenverkehr bei Basis- und Decklack derzeit nur mit 2-K-Systemen erfüllt werden“. Auch hinsichtlich der klassischen Vorteile von Lösemittelsystemen wie der einfacheren Verarbeitung, besserer Bewitterungs- und mechanischer Eigenschaften haben wässrige System in jüngster Vergangenheit stark aufgeholt, sagt Fuhrmann. Als Nachteile der Wasserlacke zählt Rainer Nebel von der Weckerle Lackfabrik die längere Trocknungsdauer, das engere Verarbeitungsfenster und die aufwendigere Vorbehandlung auf. Fouissac ergänzt noch den potentiellen Punktrost, die Lagerung und den Transport über dem Gefrierpunkt sowie die Müllentsorgung. Bahngesellschaft bestimmt das Anforderungsprofil Die Hersteller von Schienenfahrzeugen müssen den Anforderungen der jeweiligen Bahngesellschaft (Deutsche Bahn, ÖBB, SNCB, SBB, Wasserlacke dominieren in Europa Laut den Schätzungen von Voxbrunner, dürfte der Anteil der Wasserlacke sicherlich bei weit über 50 % liegen, bezogen auf das Segment Passagierwaggons in Deutschland. Michael Gerding vom Lackhersteller Weilburger Coatings sieht eine Dominanz der Wasserlacke in diesem Bereich auf europäischer Ebene: „Der Anteil der wässrigen Systeme liegt heute in Europa im Neubau und in der Instandsetzung von Schienenfahrzeugen bei über 80 %.“ Ähnlich sieht es Fuhrmann: „Im mittel- und westeuropäischen Markt liegt der Anteil wasserverdünnbarer Systeme bei zirka 70%“. Ein ganz wesentlicher Vorteil der wässrigen Systeme liegt in der deutlichen Reduzierung der flüchtigen organischen Verbindungen (VOC), da sind sich die befragten Hersteller von Wasserlacken für Schienenfahrzeuge einig. „Aufgrund der Entwicklung in der Umweltpolitik und im Gesundheitsmanagement bilden wasservedünnbare Lacksysteme eine nachhaltige Lösung und spielen schon jetzt eine große Rolle in der Schienenbahnindustrie“, so Klaus Mölling, Westdeutsche Farbengesellschaft. Aber nicht nur die ökologische Komponente spielt bei der Wahl für wässrige Systeme eine Rolle. „Die Vorteile der Hydrolacke liegen schlicht darin, dass in ihre Weiterentwicklung in den letzten Jahren wesentlich stärker investiert wurde als in die Verbesserung von Lösemittellacken. Folglich verfügt man in Bezug auf Beständigkeit mittlerweile im Hydrobereich teilweise über bessere Produkte als im Lösemittelbereich“, argumentiert Voxbrunner. Die geforderten VOC-Emissionen seien mittlerweile nur mehr mit wässrigen Systemen erfüllbar. Eisenoxid-Pigmente für Anstrich- und Beschichtungsfarben. Made by CATHAY. Als einer der weltweit führenden Hersteller für Eisenoxide verfolgt CATHAY INDUSTRIES ein Ziel: die Lieferung bester und hochwertigster Pigmente für die Produktion von außergewöhnlichen Farben, Lacken und anderen Beschichtungssystemen. Wie CATHAYCOATTM Red RA11A. Das supermikronisierte und leicht dispergierbare Pigment weist – für ein Eisenoxid – besonders hohes Chroma auf. 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Die Prüfvorgaben seitens Bahnverwaltungen enthalten großteils Anforderungen aus Zeiten, in denen Lösemittelsysteme den Markt dominiert haben. „Diese wurden in den meisten Fällen einfach für wässrige Systeme übernommen. Große Herausforderungen stellen beispielsweise Alterungsprüfungen, geforderte Verarbeitungszyklen und mechanische Kombinationswerte aus Flexibilität und Oberflächenhärte dar“, so Fuhrmann. Effektlacke rücken stärker in den Fokus Lacke für Schienenfahrzeuge müssen vielen Anforderungen entsprechen und eine extreme Haltbarkeit gewährleisten, wie etwa Lichtbeständigkeit sowie mechanische und witterungsbedingte Beständigkeit. Dazu sollen sie sehr glänzend sein. „Die Hersteller von Schienenfahrzeugen fordern heute hochglänzende elastifizierte Lacksysteme mit hohen Abrasions- und Witterungsbeständigkeiten in Bezug auf Farbton- und Glanzhaltung sowie gutem Korrosionsschutz und hohe Chemikalienbeständigkeit, um dem Einsatz effektiver Reiniger und Graffitientferner standzuhalten. Durch die gestiegenen Anforderungen an die dekorativen Eigenschaften rücken auch Effektlacke stärker in den Fokus“, sagt Gerding. „Der Einsatz von Einschichtlacken in nicht sichtbaren Bereichen der Wagenkästen, verkürzt die Durchlaufzeiten und steigert die Wirtschaftlichkeit. Die Herausforderungen für den Lackhersteller liegen bei den wässrigen Systemen insbesondere in der Sicherstellung eines weiten Applikationsfensters für FA RBE UND L A C K / / 0 6 .2 0 1 4 die Lackierung bei gleichzeitiger Verkürzung der Überarbeitungs- und Trocknungszeiten. Durch die rückläufige Wertschöpfung bei den OEM`s und dem dadurch steigenden internationalen Zukauf einer Vielzahl von lackierten Einzelkomponenten, wird die Verfügbarkeit der spezifizierten wasserverdünnbaren Lacksysteme in gleichbleibender Qualität sowie die globale technische Unterstützung immer wichtiger“, so Gerding weiter. Diese Qualität zu erzielen, stelle die Lackhersteller vor große Herausforderungen, da die im Markt verfügbaren Bindemittel nicht allen Anforderungen, z.B. bestimmte Graffitis, gerecht werden können, so Voxbrunner. Fouissac sieht bei wässrigen Systemen die größte Herausforderung dabei, das Auftragsfenster so breit wie möglich zu halten sowie eine möglichst hohe Schichtstärke zu erhalten. Eine Darstellung der klassischen Eigenschaften der lösemittelbasierenden Lacksysteme auf wässrige Lacke sei schwierig, denn laut Nebel sei eine 1:1 Übertragung der gewohnten Eigenschaften von Lösemittellacken nicht möglich. Ästhetik vs. Funktion Die Unterschiede zwischen Güter- und Personenverkehr liegen im ästhetischen Bereich. Zudem ist auch die UV-Beständigkeit bei Zugwagen im Personenverkehr höher. Bei Güterwagen ist die Qualität niedriger und die Lacksysteme sind weniger komplex, erläutert Fouissac den Unterschied in den Anforderungen an die Lacksysteme für den Güter- bzw. Personenverkehr. Je nach dem was transportiert wird, müssen andere, bestimmte Eigenschaften der Lacksysteme im Güterverkehr stärker sein, sagt Mölling. Lacksysteme für den Bereich Interieur erfordern gute Haftungseigenschaften auf unterschiedlichsten Untergründen, wie Stahl, Aluminium, Edelstahl, Kunststoff. Diese müssen CA.1 TONNE LACK BENÖTIGT MAN FÜR DIE LACKIERUNG EINES ICE WAGGONS – INNEN UND AUSSEN – ETWA 80 KG ENTFALLEN AUF DIE BASIS- UND KLARLACKE verbunden sein mit Schutzeigenschaften, insbesondere in Bezug auf Kontamination der Oberflächen mit Filzstiften und Tinten sowie gute Beständigkeiten gegen schnell wirkende Reinigungsmittel, laut Gerding. „Im Außenbereich sind es eher die Anforderungen in Bezug auf den Korrosionsschutz, die Witterungsbeständigkeit und die leichte Entfernbarkeit von Graffitis in Kombination mit einer hohen Beständigkeit gegen aggressive Graffitientferner. Bei der Beschichtung von Güterwagen stehen die Anforderungen an einen dauerhaften Korrosionsschutz sowie an die Wirtschaftlichkeit der Lacke an erster Stelle“, erklärt Gerding. Nischenmarkt mit intensivem Wettbewerb Bei Lacksystemen für Schienenfahrzeuge handelt es sich um einen Nischenmarkt. Aus diesem Grunde ist der Konkurrenzkampf sehr stark. Den Wettbewerb im Markt für wässrige Systeme seien ein internationaler sowie intensiver Qualitäts- und Preiswettbewerb, der sehr stark durch Normen und Zulassungen bestimmt wird, wie Gerding beschreibt. Da Wasserlacke im Schienenfahrzeugbereich mittlerweile Standard sind, sei der Wettbewerb folglich sowohl qualitativ als auch ökonomisch recht intensiv, wie Voxbrunner feststellt. „Aus unserer Sicht gibt es für den deutschen Markt im Passagierwaggonbereich 4 und im Güterwagenbereich 6 ernstzunehmende Wettbewerber. In der EU ist die Verteilung ähnlich. Der Preisdruck ist vor allem in Osteuropa durch teilweise sehr starke einheimische Hersteller relativ groß“. Grundsätzlich ist die Herausforderung die hohen Qualitätsanforderungen der Bahnverwaltungen der entsprechenden Länder zu erfüllen und damit entsprechende Zulassungen zu bekommen“, so Fuhrmann. „Im Grunde teilt sich der mittel- und westeuropäische Markt auf wenige etablierte Anbieter auf, wobei signifikante regionale Unterschiede der Marktanteile der entsprechenden Beschichtungsstoffhersteller bestehen“. Mölling mahnt, dass es sich keiner erlauben könne stehen zu bleiben. „Optimierung der Produkte, Entwicklungen zur Steigerung der Effizienz und des Mehrwertes für den Kunden sowie Flexibilität und kundenorientierter Service sind ein Muss“.
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