Herzinfarkt-Hotline: enttäuschte Hoffnungen, kaum erfüllte

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Herzinfarkt-Hotline: enttäuschte
Hoffnungen, kaum erfüllte Erwartungen
Dennoch erlauben die Studien wichtige Rückschlüsse
Das Jahrestreffen der European Society of Cardiology (ESC) war ein Kongress vieler geplatzter
Hoffnungen. Die meisten der auf der Hotline-Session zum akuten Myokardinfarkt vorgestellten
Studien gingen «negativ» aus, die Studienhypothesen konnten nicht bestätigt werden. Doch
auch aus solchen Studien lassen sich wichtige Erkenntnisse für die Praxis ableiten.
ALBATROSS: Sehr frühe Aldosteronblockade
nach Infarkt ohne Vorteil
Bei akutem Myokardinfarkt gilt der Anstieg der Aldosteronspiegel als Indikator einer schlechten Prognose. In der
EPHESUS-Studie hatten Infarktpatienten mit klinischen Zeichen der Herzinsuffizienz und einer Ejektionsfraktion unter 40
Prozent von einer Aldosteronblockade mit Eplerenon, einem
selektiven Mineralkortikoidrezeptor-Antagonisten (MRA), profitiert. Die Eplerenontherapie war frühestens 3 Tage nach Infarkt eingeleitet worden.
Die ALBATROSS-Studie (1) sollte nun den Nutzen einer noch
früheren Aldosteronblockade klären (2). Sie schloss rund
1600 Patienten mit akutem Myokardinfarkt ein. Innerhalb von
72 Stunden – also zu einem Zeitpunkt, an dem im Allgemeinen keine Herzinsuffizienzsymptome vorliegen – wurde entweder eine Therapie mit Spironolacton 25 mg/Tag oder
Plazebo eingeleitet. Die Ergebnisse stellte Prof. Gilles Montalescot, Centre Hospitalier Universitaire Pitié-Salpetrière in
Paris (F), an der «Herzinfarkt-Hotline» vor: Die Studienteilnehmer waren im Schnitt 58 Jahre alt und wiesen zu zirka
80 Prozent einen ST-Hebungsinfarkt (STEMI) auf, der mittels
PCI behandelt wurde. Der kombinierte primäre Endpunkt umfasste Tod, Reanimation, ICD-Implantation und Manifestation
einer Herzinsuffizienz. In der Gesamtgruppe zeigte sich kein
Vorteil der frühen Aldosteronblockade (11,8% vs. 12,2%). Allerdings deutete sich ein Vorteil in der Subgruppe der STEMIPatienten an: Hier reduzierte die Aldosteronblockade das
Sterberisiko um 80 Prozent. Nach den Worten von Montalescot ist dieses Ergebnis jedoch mit Vorsicht zu interpretieren
und sollte weiter untersucht werden.
PRomPT: Frühes Pacing in der Infarktrandzone
kann Prognose nicht verbessern
Das linksventrikuläre Remodelling ist die Ursache für die Manifestation einer Herzinsuffizienz nach Myokardinfarkt: In den
ersten Tagen nach Myokardinfarkt kommt es zu fortschreitender Ausdünnung des Gewebes in der Infarktrandzone und damit zur Infarktexpansion mit zunehmender Einschränkung der
Kontraktilität.
Die PRomPT-Studie untersuchte bei Patienten mit einem ersten, grossen Myokardinfarkt (CK > 3000 U/l), aber schmalem
QRS-Komplex (< 120 ms) den Einfluss einer Schrittmacherstimulation in den Randzonen des infarzierten Myokards (3, 4).
Die Patienten der Interventionsgruppen erhielten entweder
eine CRT-D mit biventrikulärer Stimulation oder eine CRT-D mit
ausschliesslich linksventrikulärer Stimulation, wobei die
linksventrikuläre Sonde möglichst im Bereich der Periinfarktzone platziert wurde. Die Patienten der Kontrollgruppe erhielten keine Stimulation.
Primärer Endpunkt war die Änderung des linksventrikulären
diastolischen Volumens nach 18 Monaten im Vergleich zur
Kontrollgruppe, sekundäre Endpunkte waren das linksventrikuläre systolische Volumen, die linksventrikuläre Ejektionsfraktion, der 6-Minuten-Gehtest sowie Lebensqualität und
NYHA-Klassifikation.
Die PRomPT-Studie setzte den Reigen der Herzinfarktstudien
mit negativem Ausgang fort: Das Pacing in der Infarktrandzone konnte weder das linksventrikuläre Remodeling verhindern, noch wurde das funktionale oder das klinische Ergebnis verbessert.
CIRCUS: Ciclosporin kann
den Reperfusionsschaden nicht verhindern
Von der CIRCUS-Studie erhoffte man sich eine Begrenzung des
Reperfusionsschadens nach PCI bei Patienten mit akutem STHebungsinfarkt (STEMI) (5, 6). Wie Prof. Michel Ovize, Lyon (F),
berichtete, wurden 970 STEMI-Patienten randomisiert, die
einmalig entweder 2,5 mg/kg Ciclosporin oder Plazebo vor
Beginn der PCI erhielten. Der kombinierte primäre Studienendpunkt umfasste Gesamtmortalität, Verschlechterung der
Herzinsuffizienz während des infarktbedingten Klinikaufenthalts, erneute Klinikeinweisung wegen Herzinsuffizienz und
linksventrikuläres Remodelling (Zunahme des linksventrikulären diastolischen Volumens um ≥ 15%).
Das Ergebnis: Der Endpunkt trat bei 59,0 Prozent der mit Ciclosporin und bei 58,1 Prozent der mit Plazebo behandelten
Patienten auf. Damit verfehlte die Studie ihr Ziel.
EAST-AF: Antiarrhythmika nach Ablation
ohne langfristigen Nutzen
Die EAST-AF-Studie zeigte, dass eine Kurzzeittherapie mit
Antiarrhythmika (am häufigsten Flecainid, Pilsicainid und Cibenzolin) über 90 Tage nach erfolgreicher Katheterablation
von Vorhofflimmern das Risiko von erneutem Vorhofflimmern/-flattern während dieser Behandlungsphase zwar signifikant senkt, aber weder die langfristige Rezidivfreiheit noch
den funktionellen Outcome nach 1 Jahr beeinflusst (7).
Die Details: Nach 90 Tagen lag die Rezidivrate in der Antiarrhythmikagruppe bei 41,0 Prozent und in der Kontrollgruppe bei 47,9 Prozent (p = 0,013). Nach dem Absetzen der
Kardiologie • Dezember 2015
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Antiarrhythmika nach 3 Monaten glichen sich die Rezidivraten
an. Die 1-Jahres-Raten für Rezidivfreiheit betrugen 69,5 Prozent in der Antiarrhythmikagruppe und 67,8 Prozent in der
Kontrollgruppe (adjustierte Hazard Ratio [HR]: 0,93; 95%Konfidenzintervall: 0,79–1,09; p = 0,38).
«Highspeed» den Infarkt nachweisen
Bei Patienten mit unklaren akuten Brustschmerzen ist eine rasche Abklärung erforderlich, um einen akuten Myokardinfarkt
auszuschliessen. Das gelingt mit einem neuen 1-Stunden-Algorithmus unter Einsatz von hochsensitivem (hs) Troponin I.
Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die den Einsatz
von hs-Troponin I zum Ausschluss/Nachweis einer myokardialen Ischämie im 1-Stunden-gegen-3-Stunden-Vergleich untersuchte (8).
Studienteilnehmer waren 1045 Patienten mit akuten thorakalen Schmerzen und Verdacht auf akuten Myokardinfarkt. Bei
Take Home Messages
Foto: Mü
• ALBATROSS: Aldosteronblocker haben nach Myokardinfarkt ohne Herzinsuffizienz keinen Einfluss auf den Outcome. Trotz der positiven Ergebnisse in der STEMI-Subgruppe gibt es derzeit keinen Grund, diese Substanzen in dieser Indikation einzusetzen.
• PRomPT: Pacing der Infarktrandzone verhindert weder das linksventrikuläre Remodelling, noch wird der klinische Verlauf positiv beeinflusst.
• CIRCUS: Ciclosporin kann die Reperfusionschädigung nach Myokardinfarkt nicht vermindern. Neue Wirkansätze mit Potenzial zur Kardioprotektion bei Reperfusion sollten jedoch weiter geprüft werden.
• EAST-AF: Eine 90-Tage-Therapie mit Antiarrhythmika nach Ablation von
Vorhofflimmern kann weder Langzeitrezidive verhindern noch den funktionellen oder klinischen Outcome verbessern.
• Hochsensitives Troponin I: Ein 1-Stunden-Algorithmus mit hochsensitivem Troponin I kann bei Patienten mit unklarem Brustschmerz sicher
einen Myokardinfarkt ausschliessen oder nachweisen.
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allen Patienten wurden das hs-Troponin T sowie das hs-Troponin I bei Klinikaufnahme sowie bei unauffälligem Ausgangsbefund nach 3 Stunden bestimmt. Troponin I wurde zusätzlich auch 1 Stunde nach der initialen Messung bestimmt.
Als optimaler Cut-off-Wert für das hs-Troponin I identifizierte
die Arbeitsgruppe um Prof. Dirk Westermann vom Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf (D) 6 ng/l. Hiermit konnte
eine Stunde nach initialer Messung mit einer Sensitivität von
99 Prozent ein Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) ausgeschlossen werden. Die Messung nach 3 Stunden brachte
keinen wesentlichen Vorteil mehr. Der Cut-off-Wert von 6 ng/l
erhöhte im Vergleich zu 27 ng/l (99. Perzentile) signifikant die
Sensitivität. In dem 6-monatigen Nachbeobachtungszeitraum
widerspiegelt sich das in einer niedrigeren Sterberate in der
6-ng/l-Cut-off-Gruppe (Mortalität 0,79%) im Vergleich zur
27 ng/l Cut-off-Gruppe (Mortalität 1,73%).
Kirsten Westphal
Referenzen:
1. https://clinicaltrials.gov/show/NCT01059136
2. Montalescot G. Early aldosterone blockade in acute myocardial infarction: the randomized ALBATROSS trial. Hotline-Session, ESC 2015.
3. Stone GW et al.: Results from the PRomPT Trial. Hotline-Session,
ESC 2015.
4. Stone GW et al.: Peri-infarct zone pacing to prevent adverse left ventricular remodelling in patients with large myocardial infarction. Eur
Heart J, August 30, 2015; DOI: 10.1093/eurheartj/ehv436.
5. Ovize M et al.: Does Cyclosporine ImpRove Clinical oUtcome in ST
Elevation Myocardial Infarction Patients (the CIRCUS study). HotlineSession, ESC 2015.
6. Cung TT et al.: Cyclosporine before PCI in Patients with Acute Myocardial Infarction. N Engl J Med 2015, August 30; DOI: 10.1056/
NEJMoa1505489.
7. Kaitani K et al.: Efficacy of Antiarrhythmic drugs Short-Term use after
catheter ablation for Atrial Fibrillation (EAST-AF) Trial. Hotline-Session,
ESC 2015.
8. Neumann JT al.: Accurate and rapid diagnosis of myocardial infarction using a high-sensitivity troponin I 1-hour algorithm. HotlineSession, ESC 2015.