Dr. Stefanie Lepre Rede zur Amtseinführung am 02.10.2015 Sehr verehrte Gäste, Bevor ich mit meiner Rede beginne, muss ich sagen: Das waren doch beeindruckende Beiträge – ist das nicht eine tolle Schule? „sei wie ein Feuer durch die schöne Rede deiner Unterweisung“ - so endet das erste Zitat von Hildegard von Bingen, das unser Träger für die Einladungskarte zu meiner heutigen Amtseinführung ausgewählt hat. Sie wissen alle oder können es sich vorstellen, welche Herausforderung eine solche Rede anlässlich einer Amtseinführung ist, und nun soll sie also auch noch feurig sein – ich werde mich bemühen! Herzlichen Dank für die freundlichen, berührenden, nachdenklichen, willkommen heißenden Beiträge und Worte meiner Vorredner und Vorrednerinnen. …und herzlichen Dank allen, die heute dazu beigetragen haben, dass diese Amtseinführung in dieser Form stattfinden konnte – den Schülerinnen und Lehrerinnen, die das Programm gestaltet haben und nachher die Bewirtung übernehmen, und dem SL-Team für die Organisation. Und wenn ich schon dabei bin mich zu bedanken, dann möchte ich gleich daran anschließen: Zuallererst möchte ich dem Träger, den Franziskanerinnen von Bonlanden, danken – und zwar für das Vertrauen, das Sie in mich setzen und dafür, dass Sie diese Schule zu dem machen, was sie ist. Dank an all die Menschen, die mich hier so offen empfangen haben – den Schülerinnen und Eltern, besonders aber meinen engsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern: Meinen Stellvertretern an Realschule und Gymnasium: Herrn Ortmann und Frau Vogt und der Schulleiterin der Grundschule: Frau Patzner-Duschler, den Sekretärinnen: Frau Kienhöfer, Frau Gröh, Frau Stadtmann, Frau Rössler. Ihnen allen herzlichen Dank für die Geduld, mit der Sie all meine Fragen jederzeit beantworten … In gleicher Weise auch Dank für den offenen Empfang an die hauswirtschaftliche Leiterin: Frau Willmann, den Hausmeistern: Herrn Grötzinger und Herrn Schurr, den Reinigungskräften Frau Fresz und Frau Löschinger und last, aber ganz sicher nicht least den drei Kollegien. 1 Dr. Stefanie Lepre Rede zur Amtseinführung am 02.10.2015 Danken möchte ich ebenso unserem Verwaltungsleiter Herrn Schropp, vor dem ich den Hut ziehe im Angesicht des Arbeitspensums, das er absolviert, und dem ich für die unkomplizierte und freundliche Zusammenarbeit danken möchte. Ein herzliches Dankeschön an Herrn Jucker, den bisherigen Schulleiter des Gymnasiums und geschäftsführenden Schulleiter, dafür, dass er als Bauleiter tätig ist und mir diese Last von den Schultern nimmt, aber auch für die Bereitschaft mir jederzeit mit Rat zur Seite zu stehen und für manch aufmunterndes Wort. Und ich danke all denjenigen, die in unterschiedlicher Funktion mich unterstützen und dazu beitragen, dass ich Schritt für Schritt ein wenig klarer sehe. Danken möchte ich auch Kolleginnen und Kollegen und der Schulleitung meiner bisherigen Schule, dem Albert-Einstein-Gymnasium Ulm-Wiblingen. Danke für die Unterstützung, namentlich (und vertretend auch für andere) möchte ich mich bei Ulrike Becker bedanken, dein Wohlwollen, dein Vertrauen in meine Fähigkeiten, unser Austausch und deine Freundschaft war und ist für mich besonders wichtig. Und einen ganz besonderen Dank richte ich an meine Familie: besonders an meine Kinder, die heute in Schule und Kindergarten sind, die (noch) völlig davon begeistert sind, dass ich Schulleiterin geworden bin und sich darunter wohl etwas vorstellen, was der Erfüllung ihrer persönlichen Träume recht nahe kommt, so in die Richtung: SL sein bedeutet: ich darf über alle bestimmen, alle machen sofort, was ich möchte, und wenn ich Lust habe, dann bestelle ich alle zum Fußballspielen auf den Pausenhof… und natürlich danke ich meinem Mann, der mir immer den Rücken stärkt, der mich unterstützt, wo er kann, und der völlig unbeeindruckt von nach wie vor existierenden gesellschaftlichen Erwartungen formulieren kann: „Ich bin jetzt Hausfrau und Mutter.“ Vielen Dank! Wenn Sie nun insgeheim hoffen, dass nach den Dankesworten meine Rede bereits zu Ende ist, muss ich Sie enttäuschen, das war sozusagen nur die Warmlaufphase. 2 Dr. Stefanie Lepre Rede zur Amtseinführung am 02.10.2015 Heute ist also die Amtseinführung der neuen Gesamt – Schulleiterin des Schulzentrums St. Hildegard (und es ist dabei von großer Wichtigkeit die Pause an der richtigen Stelle zu setzen) oder in Kurzform der Schulleiterin des Schulzentrums St. Hildegard – d.h. meine Amtseinführung. Bislang gab es in St. Hildegard drei Schulleiter der drei Schularten Grundschule, Realschule und Gymnasium - letzterer war zugleich geschäftsführender Schulleiter - sowie Stellvertretende Schulleiter an Realschule und Gymnasium. Nun gibt es eine Schulleiterin des Schulzentrums sowie die stellvertretenden Schulleiter von Realschule und Gymnasium und die Schulleiterin der Grundschule. Was bringt diese Veränderung in der Struktur? Zunächst einmal für mich die Schwierigkeit, drei Schularten zugleich im Blick zu haben, d.h. eine Einarbeitungszeit, in der es mir nie langweilig wird. V.a. aber bringt es, dass das Verbindende der drei Schulen, die hier nicht nur in räumlicher Nähe sind, sondern ein gemeinsames Profil haben, noch mehr in den Blick genommen werden und noch klarer nach außen transportiert werden kann: Alle drei Schularten haben den gleichen Träger – die Kongregation der Franziskanerinnen von Bonlanden -, alle drei sind folglich freie katholische Schulen, die in der Tradition der Ordensschulen stehen, alle drei richten sich also aus am Vorbild des heiligen Franziskus, alle drei tragen den Namen der seligen Hildegard und signalisieren damit eine weitere zentrale Seite des Profils dieses Schulzentrums: wir sind eine Mädchenschule. Des weiteren hat es den Vorteil, dass die Chancen, die in einer Kooperation der drei Schularten an verschiedenen Punkten bestehen, wie z.B. bei Arbeitsgemeinschaften, bei Projekttagen, bei der Schulentwicklung, bei der Gestaltung des Übergangs von der Grundschule in die weiterführenden Schulen etc., besonders leicht und effektiv genutzt werden können, da es eine Stelle gibt, die alle drei Schularten gleichermaßen im Blick hat – eben die Schulleiterin des Schulzentrums. Was nun ist für mich die Besonderheit von St. Hildegard, das, was diese Schule in der Ulmer Schullandschaft hervorhebt. Eigentlich bedarf es für mich dafür nur dreier Wörter: Katholisch(e) Frei(e) Mädchenschulen. Damit ist eigentlich schon alles gesagt – diese Kombination ist ein Alleinstellungsmerkmal par excellence. An dieser Schule werden Mädchen ausgebildet, und zwar in der Überzeugung, dass es für viele Mädchen eine bessere Ausbildung ermöglicht, wenn sie unter Mädchen lernen 3 Dr. Stefanie Lepre Rede zur Amtseinführung am 02.10.2015 können und weniger beeinflusst durch bestimmte Rollenbilder ihren Weg gehen können, unabhängig davon, ob es um Fächer aus dem MINT-Bereich oder um Sprachen, Geistesund Gesellschaftswissenschaften geht.) Aber St. Hildegard bietet mehr als eine gute und solide Ausbildung. St. Hildegard bietet in besonderer Weise die Möglichkeit sich zu bilden und das auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes und des christlichen Glaubens. Den Unterschied zwischen einer Ausbildung und Bildung hat der Philosoph Peter Bieri äußerst prägnant auf den Punkt gebracht: „Eine Ausbildung durchlaufen wir mit dem Ziel etwas zu können. Wenn wir uns dagegen bilden, arbeiten wir daran, etwas zu werden.“1 Die Ausführungen Bieris zu der Frage, wie ein Gebildeter oder eine Gebildete Welt wahrnimmt und mit Welt umgeht, treffen für mich in vielen Punkten genau den Kern der Sache. Auch wenn Bieri die Kirche als totalitäre Ideologie bezeichnet, die metaphysische Wahrheit beansprucht, die ein Gebildeter seiner Ansicht nach ablehnen muss. Diesen Punkt sehe ich anders als Bieri, aber ich möchte hier ja nicht in einen wissenschaftlichen Diskurs mit Bieri eintreten, sondern ich versuche Ihnen in einigen Linien darzulegen, was für mich Bildung (an St. Hildegard) bedeutet und lehne mich dabei an Herrn Bieri an. 1. Bildung setzt Neugier voraus, sich mit Fragestellungen aus einem inneren Drang heraus auseinandersetzen, nach den Hintergründen und Ursachen zu fragen und zu suchen. (Kinderfrage: warum?). Es geht dabei nicht darum, alles wissen zu müssen, sondern zu lernen, wie man sich Wissen aneignet – Lernen lernen. Die Gebildete weiß, was es bedeutet, sich in einem Bereich genau auszukennen oder eine Fragestellung genau zu verstehen. Sie weiß nicht alles, aber sie kann sich in der Welt orientieren. 2. Wer gebildet ist und sich in der Welt orientieren kann, lässt sich nicht so leicht manipulieren oder täuschen. Eine Gebildete geht kritisch mit vermeintlichem Wissen und Behauptungen um. Sie kennt den Unterschied von gutem und schwachem Argument, hinterfragt die Belege für eine Überzeugung. Bieri nennt zwei Fragen als besonders wichtig. „Was genau heißt das?“ und „Woher wissen wir, dass es so ist?“. Das führt zu gedanklicher Unbestechlichkeit. 3. Eine Gebildete weiß, dass wir historisch geprägt sind, die Frage: Wie ist es dazu gekommen, dass wir so denken, fühlen, reden und leben? macht bewusst, dass es keinen Grund für Überheblichkeit anderen gegenüber gibt. 1 Peter Bieri: Wie wäre es gebildet zu sein, in: Rolf Göppel (u.a.) (Hg.) Bildung ist mehr. Potentiale über Pisa hinaus, Heidelberg 2008, S. 13-21. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich ebenfalls auf diese Festrede Bieris. 4 Dr. Stefanie Lepre Rede zur Amtseinführung am 02.10.2015 Dies führt auch zu Wissen um Vielfalt und Respekt vor dem Fremden, denn dahinter steht auch die Neugier, das Interesse an der Frage, wie es wäre in einer anderen Kultur, einer anderen Zeit mit einer anderen Sprache etc. aufzuwachsen. Es geht also um das Verständnis der vielen Möglichkeiten zu leben. 4. Eine Gebildete hat einen Zugang zu Literatur – und zwar einen besonderen Zugang: Sie liest Bücher so, dass sie sie verändern. [So wie das Wissen des Gebildeten eine innere Veränderung und Erweiterung bedeuten kann.] Diese andere Auseinandersetzung mit Literatur erweitert auch die eigene Möglichkeit über sich selbst, die eigenen Gedanken und Gefühle und die Welt zu sprechen. 5. Eine Gebildete reflektiert sich selbst, ihr Selbstbild. Sie weiß über sich Bescheid, reflektiert ihre Vergangenheit und ihre Entwürfe von der Zukunft, um damit auch zu einem selbstbestimmten Tun, Wollen und Handeln zu finden. 6. Gebildet-Sein bedeutet dann auch die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen. 7. Bieris letzter Punkt ist, dass es für ihn um eine leidenschaftliche Bildung geht: Dazu gehört für ihn eine heftige Ablehnung von „Verlogenheit von Werbung und Wahlkampf, vor Phrasen, Klischees und allen Formen der Unaufrichtigkeit; [vor den Euphemismen und er zynischen Informationspolitik des Militärs], vor allen Formen der Wichtigtuerei und des Mitläufertums“. All diese Punkte führt Bieri an und ich kann ihm nur aus ganzem Herzen zustimmen, wenn auch meine Begründung dafür eine andere ist: Dieses Verständnis von Bildung lässt sich nämlich auch theologisch begründen: Mit der menschlichen Würde, die sich aus der Gottebenbildlichkeit ableitet, mit der Geschöpflichkeit des Menschen, d.h dem Wissen, Geschöpf Gottes zu sein, mit den Zehn Geboten, mit der Liebe Gottes zu allen Menschen, insbesondere zu den Armen und Benachteiligten (Option für die Armen), die in der Menschwerdung Gottes kulminiert. Mit dem Wissen um die Freiheit des Menschen, die gottgegeben ist und zugleich dem Wissen um die Fähigkeit des Menschen, auch Schuld auf sich zu laden... Zuallererst handelt es sich um eine Grundhaltung, die meiner Ansicht nach jede Schule prägen sollte. In St. Hildegard spiegelt sich dies in besonderer Weise: In den Inseltagen, in denen es darum geht, mit Konflikten umgehen zu lernen, in den Besinnungstagen für jede Jahrgangsstufe, an denen die Mädchen sich selbst und ihren Weg reflektieren können, im Engagement der SMV und der Lehrer, die zur Auszeichnung als Fairtrade-Schule geführt haben, in den regelmäßigen Spendenaktionen für Menschen, die in anderen Kulturen leben und denen es nicht so gut geht wie uns. In der Ermöglichung der Teilnahme an der 5 Dr. Stefanie Lepre Rede zur Amtseinführung am 02.10.2015 Girls-Day-Akademie oder auch an der SIA, im umfangreichen AG-Angebot und auch darin, Mädchen in besonderer Weise zu fördern – nämlich in einer Mädchenschule. Zum Abschluss möchte ich Sie noch auffordern, sich noch einmal bewusst in diesem Raum umzuschauen. Für mich ist es einer der schönsten Räume hier im Schulzentrum und zudem ein Raum, der voller Symbolik steckt. Ein Raum, der insgesamt in seiner Ästhetik relativ schlicht und zugleich mit auffälligen Akzenten versehen ist – wenn Sie sich nur die Buntglasfenster ansehen. Ein Raum, in dem eine Aussage steckt: Die Buntglasfenster zeigen den heiligen Franziskus, die Auferstehung, die selige Hildegard, Maria und die Geburt Jesu. Die Basis, auf der die Schule St. Hildegard steht, wird hier deutlich gezeigt: Hier geht es um gelebte Nachfolge Jesu. Und durchaus symbolisch ist dabei auch der Ort, an dem sich die Aula befindet: Ganz unten – das ist wirklich der Grund, auf den hier gebaut wird. Hinzu kommt hier eine sehr gelungene Symbiose: Etwas ganz Neues in Verbindung mit etwas Altem - die Buntglasfenster stammen nämlich aus der Kapelle des Schulzentrums, die dem Neubau weichen musste. Dies finde ich ebenfalls sehr gelungen und gerade auch für die Situation des Wechsels und der Veränderung, in der wir uns befinden, sehr wichtig: Es geht nicht darum alles neu/ anders zu machen, sondern es geht darum, zu schauen, was vom Bisherigen bewahrenswert ist und nach Wegen zu suchen, wie man es so mit dem, was neu entstehen soll, verbindet, dass ein neues Ganzes daraus wird. Dies alles bringt für mich sehr viel von meiner Aufgabe zum Ausdruck: Ich verstehe mich in diesem Sinne als Architektin und Baumeister für diese Schule als Ort der Ausbildung und der Bildung zugleich. Oder um noch einmal ein Zitat aus der Einladung zu bemühen, mit den Worten der heiligen Hildegard - und zugleich als Aufforderung für alle, die diese Schule mit mir gemeinsam gestalten: „Trage Vorsorge für deinen Garten, den Gottes Gabe gepflanzt, und bringe ihn zum Blühen.“ Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Ich lade Sie alle herzlich ein zum Stehempfang in die Mensa und hoffe, dass viele von Ihnen noch mit hinüberkommen, damit wir noch miteinander sprechen und auch miteinander anstoßen können. 6
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