Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen Der Minister LANDTAG NORDRH EIN-WESTFALEN 16. WAHLPERIODE VORLAGE 16/ 3439 -A11 - Vorlage an den Ausschuss für Kommunalpolitik des Landtags Nordrhein-Westfalen 17.11.2015 Seite 1 von 4 Aktenzeichen S 1980 -15 - VB 2 bei Antwort bitte angeben Dr. Monika Brombach-Krüger Telefon (0211) 4972 - 2150 Fax (0211) 4972 -1239 Sascha Spieker "Verhageln Steuerrückzahlungen auch die Planungen von nordrhein-westfälischen Kommunen?" Telefon (0211) 4972 - 2195 Fax (0211) 4972 - 1239 110. Sitzung des Ausschusses für Kommunalpolitik des Landtags NRW am 20.11.2015, TOP 7 Vorbemerkung Verschiedene Kommunen in Deutschland werden seit einigen Monaten mit Rückforderungen bezüglich in den Jahren 2001 und 2002 gezahlter Gewerbesteuer konfrontiert. Die Rückforderungen gehen auf einen Rechtsstreit der Jahre 2001 und 2002 zurück. Dabei ging es um die ertragsteuerliche Berücksichtigungsfähigkeit von Gewinnminderungen bei Fondsbeteiligungen. Hintergrund Im Zuge des Systemwechsels im Körperschaftsteuerrecht vom Anrechnungs- zum sog. Halbeinkünfteverfahren im Jahr 2001 hat der Gesetzgeber die Vorschriften zur Steuerbefreiung der Beteiligungserträge von Kapitalgesellschaften auf Beteiligungserträge an Investmentfonds in das Kapitalanlagegesellschaftengesetz (KAGG) übernommen. Dienstgebäude und Liefeninschrift:"' Jägerhofstr. 6 40479 DOsseidorf Während im Körperschaftsteuerrecht die mit steuerfreien Beteiligungserträgen verbundenen Ausgaben ausdrücklich vom Betriebsausgabenabzug ausgenommen sind, fehlte im KAGG eine entsprechende Ausschlussvorschrift bzw. Verweisung auf das Abzugsverbot des Körperschaftsteuerrechts . Telefon (0211) 4972-0 Telefax (0211) 4972-2750 [email protected] www.fm.nrw.de Öffentliche Verkehrsmittel: U74 bis U79 Haltestelle Hein rich Heine Allee Seite 2 von 4 Der Gesetzgeber ging davon aus, dass die Anwendung des § 8b Absatz 3 KStG bereits vor Einfügung der §§ 40a Absatz 1 Satz 2, 43 Absatz 18 KAGG aus dem Verweis auf § 8b Absatz 2 KStG folgt. Diese Auffassung stützte sich darauf, dass es sich bei der in § 40a Absatz 1 KAGG angeordneten Anwendung des § 8b Absatz 2 KStG um eine "Rechtsfolgenverweisung" handelt, die dann auch die Rechtsfolge des § 8b Absatz 3 KStG einschließt. Diese Auffassung und der Wille des Gesetzgebers wurden durch einen großen Teil der Literatur und Rechtsprechung (vgl. z. B. Urteile des FG München vom 28.02.2008, EFG 2008, 991 und vom 17.03.2009, EFG 2009, 1053) unterstützt. Ende 2003 wurde der Anwendungsbereich der Regelung durch eine Gesetzesänderung ausdrücklich auch auf die Verluste ausgedehnt. Gleichzeitig sollte eine entsprechende Ergänzung im Gesetzestext klarstellen, dass das auch für die zurückliegenden Zeiträume der Jahre 2001 und 2002 zu gelten habe. Unternehmen sahen darin indes eine echte Rückwirkung. Sie machten daher Verluste aus der Rückgabe bzw. Veräußerung von Anteilen an Investmentfonds in den Veranlagungszeiträumen 2001 und 2002 bzw. aufgrund von entsprechenden Kursverlusten vorgenommene Teilwertabschreibungen auf Beteiligungen an Investmentfonds gewinnmindernd geltend. Darüber kam es zu Klageverfahren. In der Folge haben das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 17.12.2013 (Az. 1 BvL 5/08) und der Bundesfinanzhof mit Urteilen vom 25.06.2014 (Az. I R 33/09) und 30.07.2014 (Az. IR 74/12) letztlich im Sinne der Kläger entschieden, dass diese Rückwirkung verfassungswidrig war und Verluste aus den Jahren 2001 und 2002 daher ertragsteuerlich berücksichtigungsfähig sind. Somit bestand in den Jahren 2001 und 2002 eine Regelungslücke: Während Gewinne steuerfrei zu stellen waren, konnten die entsprechenden Verluste steuermindernd geltend gemacht werden. Verschiedene Kommunen in Deutschland werden diesbezüglich aktuell mit entsprechenden Rückforderungen von Gewerbesteuer betroffener Unternehmen konfrontiert. Für die betroffenen Kommunen kommen die Steuerrückforderungen wegen der seit Jahren bekannten Gerichtsverfahren aber nicht überraschend. Die Mindereinnahmen hängen von der genauen Ausgestaltung der Um-setzung der Urteile ab. Hierzu gibt es noch keine endgültige Entschei- Seite 3 von 4 dung. Nach ersten vorläufigen Einschätzungen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe könnte es in der Folge der angesprochenen Urteile bundesweit im Saldo zu Mindereinnahmen in Höhe von rund 6 Mrd. Euro einschließlich Zinsen kommen. Davon entfielen auf die Gewerbesteuer rund 2,6 Mrd. Euro, auf die Körperschaftsteuer rund 3,3 Mrd. Euro und auf den Solidaritätszuschlag rund 0,1 Mrd. Euro. Fragestellung 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Betroffenheit der NRW-Kommunen durch den geschilderten Sachverhalt? Die von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe in einer ersten vorläufigen Einschätzung ermittelten finanziellen Auswirkungen der angesprochenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs erscheinen nach einer überschlägigen Prüfung plausibel. Es ist davon auszugehen, dass auch NRW-Kommunen von dem geschilderten Sachverhalt betroffen sind. Allerdings lassen die Schätzgrundlagen eine genaue Aufschlüsselung der finanziellen Auswirkungen nach Bundesländern und Kommunen derzeit nicht zu. 2. Gibt es betroffene Kommunen in Nordrhein-Westfalen? Bei welcher Kommune in Nordrhein-Westfalen, in welchem Zeitpunkt und in welcher Höhe Mindereinnahmen entstehen werden, ist noch offen, da das ganz entscheidend von entsprechenden Investmentbeteiligungen und Rechtsbehelfsverfahren der in der jeweiligen Kommune ansässigen Unternehmen abhängig ist. 3. Wie bewertet die Landesregierung die Lage möglicher Steuerrückzahlungen und Gewerbesteuererstattungszinsen? Eine Bewertung möglicher Steuerrückzahlungen und Gewerbesteuererstattungen ist aus den zu Ziffer 1 und 2 genannten Gründen derzeit nicht möglich. Vor diesem Hintergrund lassen sich die Auswirkungen auf einzelne Kommunen in NRW nicht beziffern. Um gleichwohl die möglichen Gesamtauswirkungen auf NRW-Kommunen ansatzweise zu beziffern, könnte hilfsweise auf den Anteil zurückgegriffen werden, den NRW-Kommunen in den zurückliegenden Jahren am Gesamtaufkommen der Gewerbesteuer hatten (23,8 % im Durchschnitt der Jahre 2009 - 2013). Bei Zugrundlegung dieses Aufteilungsschlüssels entfielen von dem voraussichtlichen Gesamterstattungsbetrag in Höhe von rd. 2,6 Mrd. Euro Gewerbesteuer (einschI. Zinsen) auf die NRW-Kommunen ca. 600 Mio. Euro, bei einem Gesamtvolumen der Gewerbesteuer von 10,6 Mrd. Euro. Seite 4 von 4 4. Werden Kommunen viel Rückzahlungen informiert? zu spät über wesentliche Für die Finanzämter ist es schon wegen der unterschiedlichen Struktur der Gemeinden sehr schwer, die Bedeutung eines Rechtsstreites für das Steueraufkommen einer Kommune einzuschätzen. Abgesehen davon ist die Information "über wesentliche Rückzahlungen" vom Ausgang des jeweiligen Rechtsstreites abhängig. Die Erfolgsaussichten in einem Rechtsstreit können jedoch nur selten eindeutig beurteilt werden, was in den vorliegenden Fällen - wie oben ausgeführt - durch die zunächst klageabweisenden Entscheidungen der Finanzgerichte belegt wird. Deshalb ist die frühzeitige Kenntnis über einen Rechtsstreit nicht mit der Kenntnis über die Auswirkungen des Rechtsstreites für den Haushalt der Gemeinde gleichzusetzen. 5. Wie kann die Kommunikation zwischen Finanzämtern und Kommunen an dieser Stelle verbessert werden? Die Kommunikation zwischen Finanzämtern und Kommunen ist in der Regel gut. Über die Verbesserung der Kommunikation zwischen Finanzämtern und Kommunen bei anhängigen Rechtsstreiten wird derzeit auf Bundesebene beraten. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass eine umfangreiche Unterrichtung der Kommunen in einem Spannungsverhältnis zu dem damit verbundenen Aufwand steht. In sogenannten "Zerlegungsfällen betreffen Rechtsstreite "großer" Unternehmen manchmal mehrere tausend Gemeinden. ll
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