Verhageln Steuerrückzahlunen auch die Planungen

Finanzministerium
des Landes Nordrhein-Westfalen
Der Minister
LANDTAG
NORDRH EIN-WESTFALEN
16. WAHLPERIODE
VORLAGE
16/ 3439
-A11
-
Vorlage
an den Ausschuss für Kommunalpolitik
des Landtags Nordrhein-Westfalen
17.11.2015
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Aktenzeichen
S 1980 -15 - VB 2
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Dr. Monika Brombach-Krüger
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Sascha Spieker
"Verhageln Steuerrückzahlungen auch die Planungen von
nordrhein-westfälischen Kommunen?"
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110. Sitzung des Ausschusses für Kommunalpolitik des Landtags
NRW
am 20.11.2015, TOP 7
Vorbemerkung
Verschiedene Kommunen in Deutschland werden seit einigen Monaten
mit Rückforderungen bezüglich in den Jahren 2001 und 2002 gezahlter
Gewerbesteuer konfrontiert. Die Rückforderungen gehen auf einen
Rechtsstreit der Jahre 2001 und 2002 zurück. Dabei ging es um die ertragsteuerliche Berücksichtigungsfähigkeit von Gewinnminderungen bei
Fondsbeteiligungen.
Hintergrund
Im Zuge des Systemwechsels im Körperschaftsteuerrecht vom Anrechnungs- zum sog. Halbeinkünfteverfahren im Jahr 2001 hat der Gesetzgeber die Vorschriften zur Steuerbefreiung der Beteiligungserträge von
Kapitalgesellschaften auf Beteiligungserträge an Investmentfonds in das
Kapitalanlagegesellschaftengesetz (KAGG) übernommen.
Dienstgebäude und
Liefeninschrift:"'
Jägerhofstr. 6
40479 DOsseidorf
Während im Körperschaftsteuerrecht die mit steuerfreien Beteiligungserträgen verbundenen Ausgaben ausdrücklich vom Betriebsausgabenabzug ausgenommen sind, fehlte im KAGG eine entsprechende Ausschlussvorschrift bzw. Verweisung auf das Abzugsverbot des Körperschaftsteuerrechts .
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Der Gesetzgeber ging davon aus, dass die Anwendung des § 8b
Absatz 3 KStG bereits vor Einfügung der §§ 40a Absatz 1 Satz 2, 43
Absatz 18 KAGG aus dem Verweis auf § 8b Absatz 2 KStG folgt. Diese
Auffassung stützte sich darauf, dass es sich bei der in § 40a Absatz 1
KAGG angeordneten Anwendung des § 8b Absatz 2 KStG um eine
"Rechtsfolgenverweisung" handelt, die dann auch die Rechtsfolge des
§ 8b Absatz 3 KStG einschließt.
Diese Auffassung und der Wille des Gesetzgebers wurden durch einen
großen Teil der Literatur und Rechtsprechung (vgl. z. B. Urteile des FG
München vom 28.02.2008, EFG 2008, 991 und vom 17.03.2009, EFG
2009, 1053) unterstützt.
Ende 2003 wurde der Anwendungsbereich der Regelung durch eine Gesetzesänderung ausdrücklich auch auf die Verluste ausgedehnt. Gleichzeitig sollte eine entsprechende Ergänzung im Gesetzestext klarstellen,
dass das auch für die zurückliegenden Zeiträume der Jahre 2001 und
2002 zu gelten habe.
Unternehmen sahen darin indes eine echte Rückwirkung. Sie machten
daher Verluste aus der Rückgabe bzw. Veräußerung von Anteilen an
Investmentfonds in den Veranlagungszeiträumen 2001 und 2002 bzw.
aufgrund von entsprechenden Kursverlusten vorgenommene Teilwertabschreibungen auf Beteiligungen an Investmentfonds gewinnmindernd
geltend. Darüber kam es zu Klageverfahren.
In der Folge haben das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom
17.12.2013 (Az. 1 BvL 5/08) und der Bundesfinanzhof mit Urteilen vom
25.06.2014 (Az. I R 33/09) und 30.07.2014 (Az. IR 74/12) letztlich im
Sinne der Kläger entschieden, dass diese Rückwirkung verfassungswidrig war und Verluste aus den Jahren 2001 und 2002 daher ertragsteuerlich berücksichtigungsfähig sind.
Somit bestand in den Jahren 2001 und 2002 eine Regelungslücke:
Während Gewinne steuerfrei zu stellen waren, konnten die entsprechenden Verluste steuermindernd geltend gemacht werden.
Verschiedene Kommunen in Deutschland werden diesbezüglich aktuell
mit entsprechenden Rückforderungen von Gewerbesteuer betroffener
Unternehmen konfrontiert. Für die betroffenen Kommunen kommen die
Steuerrückforderungen wegen der seit Jahren bekannten Gerichtsverfahren aber nicht überraschend.
Die Mindereinnahmen hängen von der genauen Ausgestaltung der Um-setzung der Urteile ab. Hierzu gibt es noch keine endgültige Entschei-
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dung. Nach ersten vorläufigen Einschätzungen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe könnte es in der Folge der angesprochenen Urteile bundesweit im Saldo zu Mindereinnahmen in Höhe von rund 6 Mrd. Euro einschließlich Zinsen kommen. Davon entfielen auf die Gewerbesteuer
rund 2,6 Mrd. Euro, auf die Körperschaftsteuer rund 3,3 Mrd. Euro und
auf den Solidaritätszuschlag rund 0,1 Mrd. Euro.
Fragestellung
1. Wie beurteilt die Landesregierung die Betroffenheit der
NRW-Kommunen durch den geschilderten Sachverhalt?
Die von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe in einer ersten vorläufigen
Einschätzung ermittelten finanziellen Auswirkungen der angesprochenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs erscheinen nach einer überschlägigen Prüfung plausibel. Es
ist davon auszugehen, dass auch NRW-Kommunen von dem geschilderten Sachverhalt betroffen sind. Allerdings lassen die Schätzgrundlagen eine genaue Aufschlüsselung der finanziellen Auswirkungen nach
Bundesländern und Kommunen derzeit nicht zu.
2. Gibt es betroffene Kommunen in Nordrhein-Westfalen?
Bei welcher Kommune in Nordrhein-Westfalen, in welchem Zeitpunkt
und in welcher Höhe Mindereinnahmen entstehen werden, ist noch offen, da das ganz entscheidend von entsprechenden Investmentbeteiligungen und Rechtsbehelfsverfahren der in der jeweiligen Kommune
ansässigen Unternehmen abhängig ist.
3. Wie bewertet die Landesregierung die Lage möglicher
Steuerrückzahlungen und Gewerbesteuererstattungszinsen?
Eine Bewertung möglicher Steuerrückzahlungen und Gewerbesteuererstattungen ist aus den zu Ziffer 1 und 2 genannten Gründen derzeit
nicht möglich. Vor diesem Hintergrund lassen sich die Auswirkungen auf
einzelne Kommunen in NRW nicht beziffern. Um gleichwohl die möglichen Gesamtauswirkungen auf NRW-Kommunen ansatzweise zu beziffern, könnte hilfsweise auf den Anteil zurückgegriffen werden, den
NRW-Kommunen in den zurückliegenden Jahren am Gesamtaufkommen der Gewerbesteuer hatten (23,8 % im Durchschnitt der Jahre 2009
- 2013). Bei Zugrundlegung dieses Aufteilungsschlüssels entfielen von
dem voraussichtlichen Gesamterstattungsbetrag in Höhe von rd. 2,6
Mrd. Euro Gewerbesteuer (einschI. Zinsen) auf die NRW-Kommunen ca.
600 Mio. Euro, bei einem Gesamtvolumen der Gewerbesteuer von 10,6
Mrd. Euro.
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4. Werden Kommunen viel
Rückzahlungen informiert?
zu
spät
über
wesentliche
Für die Finanzämter ist es schon wegen der unterschiedlichen Struktur
der Gemeinden sehr schwer, die Bedeutung eines Rechtsstreites für
das Steueraufkommen einer Kommune einzuschätzen. Abgesehen davon ist die Information "über wesentliche Rückzahlungen" vom Ausgang
des jeweiligen Rechtsstreites abhängig. Die Erfolgsaussichten in einem
Rechtsstreit können jedoch nur selten eindeutig beurteilt werden, was in
den vorliegenden Fällen - wie oben ausgeführt - durch die zunächst
klageabweisenden Entscheidungen der Finanzgerichte belegt wird. Deshalb ist die frühzeitige Kenntnis über einen Rechtsstreit nicht mit der
Kenntnis über die Auswirkungen des Rechtsstreites für den Haushalt
der Gemeinde gleichzusetzen.
5. Wie kann die Kommunikation zwischen Finanzämtern und
Kommunen an dieser Stelle verbessert werden?
Die Kommunikation zwischen Finanzämtern und Kommunen ist in der
Regel gut. Über die Verbesserung der Kommunikation zwischen Finanzämtern und Kommunen bei anhängigen Rechtsstreiten wird derzeit auf
Bundesebene beraten. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass eine
umfangreiche Unterrichtung der Kommunen in einem Spannungsverhältnis zu dem damit verbundenen Aufwand steht. In sogenannten "Zerlegungsfällen betreffen Rechtsstreite "großer" Unternehmen manchmal
mehrere tausend Gemeinden.
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