21/2015 - Bundesanstalt für Straßenwesen

kompakt
21/15
Bundesanstalt für Straßenwesen
Ist Mehrfach-Auffälligkeit von Senioren und Seniorinnen im Verkehrszentralregister (VZR) ein Indikator für bestehende Leistungseinbußen, die ältere Autofahrer nicht mehr kompensieren können? Die Bundesanstalt für
Straßenwesen (BASt) untersuchte, ob sich ältere Autofahrer nach einmaliger Auffälligkeit im Hinblick auf Persönlichkeitsmerkmale, kognitive Funktionen und das Fahrverhalten von denen unterscheiden, die mehrfach im
VZR auffällig geworden sind. Es ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür,
dass Mehrfach-Auffällige größere Leistungsdefizite aufweisen als EinfachAuffällige.
Forschung
Kompensationsstrategien von
älteren Verkehrsteilnehmern nach
einer VZR-Auffälligkeit
2015 zuletzt erschienen:
Nicht bei allen Senioren steht der Punkte-Tacho auf Null (Bild: BMVI)
Aufgabenstellung
Mit zunehmendem Alter kommt es zu Veränderungen sensorischer, motorischer und kognitiver Funktionen. Erkrankungen und die Einnahme von Medikamenten können die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen. Als Auswirkungen gelten
Fehlverhalten und Unfälle, die zum Teil im VZR erfasst werden. Um bestehende
Leistungseinbußen auszugleichen, vermeiden ältere Verkehrsteilnehmer häufig
Verkehrssituationen, die als schwierig oder gefährlich wahrgenommen werden.
Das Fehlen solcher Kompensationsmechanismen könnte bewirken, dass ältere
Fahrer mehr als einmal VZR-auffällig werden. Im Auftrag der BASt untersuchte
das Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der Technischen Universität Dortmund, wie sich ältere VZR-Auffällige, die nur einmal registriert wurden, im Hinblick auf Persönlichkeitsmerkmale, kognitive Funktionen und Fahrverhalten von
Mehrfach-Auffälligen unterscheiden.
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21/15 Kompensationsstrategien
von älteren
Verkehrsteilnehmern nach
einer VZR-Auffälligkeit
Mensch
und Sicherheit
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Untersuchungsmethode
In einem ersten Schritt wurden Telefoninterviews mit älteren aktiven Autofahrern
ab einem Alter von 72 Jahren durchgeführt. Bei den Probanden handelte es
sich um 199 Einfach-Auffällige, weitere 200 Fahrende waren bereits mehrfach
aufgefallen. Dabei wurden sowohl die beim Autofahren eingesetzten Kompensationsmechanismen erfasst als auch Angaben erhoben zu Fahrbiographie,
Fahrgewohnheiten, Unfallgeschichte, VZR-Auffälligkeit, ausgewählten Persönlichkeitsmerkmalen, Einstellungen zum Autofahren, Selbstbild und Gesundheitszustand sowie zu weiteren biographischen Angaben. 96 Teilnehmer der Stichprobe wurden darüber hinaus einer verkehrspsychologischen Testung unterzogen,
in der unter anderem die sensorischen, motorischen und kognitiven Fähigkeiten
untersucht wurden. Außerdem wurde bei diesen Probanden das Fahrverhalten
beim Fahren im realen Straßenverkehr systematisch beobachtet und bewertet.
Ergebnisse
Es bestehen nur wenige, meist geringe Unterschiede zwischen den EinfachAuffälligen und den Mehrfach-Auffälligen. Mehrfach-Auffällige schätzten ihre
Fahrkompetenz im Vergleich zu jüngeren Autofahrern häufiger als „besser“ ein
als Einfach-Auffällige es taten. Mehrfach-Auffällige reagierten langsamer auf
relevante Reize in Ablenkungsaufgaben als Einfach-Auffällige. Unterschiede
zwischen den beiden Gruppen bestanden auch in der Exposition: MehrfachAuffällige Autofahrer fuhren nach eigenen Angaben pro Jahr mehr Kilometer
und häufiger täglich Auto als die Einfach-Auffälligen. Keine Unterschiede zeigten sich dagegen beim Fahren in der Fahrverhaltensbeobachtung.
Bibliographische Angaben
Bericht:
Kompensationsstrategien von
älteren Verkehrsteilnehmern
nach einer VZR-Auffälligkeit,
Bergisch Gladbach,
Bundesanstalt für Straßenwesen,
2015 (Berichte der Bundesanstalt für
Straßenwesen, Unterreihe „Mensch
und Sicherheit“, Heft M 254)
Autoren des Berichts:
Melanie Karthaus
Rita Willemssen
Silke Joiko
Michael Falkenstein
Leibniz-Institut für Arbeitsforschung
an der Technischen Universität
Dortmund (IfADo)
Preis: 17,00 Euro
Zu beziehen über:
Carl Schünemann Verlag GmbH
Zweite Schlachtpforte 7
28195 Bremen
Fachbetreuung in der
Bundesanstalt für Straßenwesen:
Hardy Holte
Impressum:
Bundesanstalt für Straßenwesen
Stabsstelle
Presse und Öffentlichkeitsarbeit
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51401 Bergisch Gladbach
Telefon 02204 43-0 oder 43-182
Telefax 02204 43-674
E-Mail [email protected]
Internet www.bast.de
Nachdruck honorarfrei.
Belegexemplar erbeten.
Mensch
und Sicherheit
Vor allem das Alter, aber auch die Intelligenz und die Medikamenteneinnahme,
sowie einzelne Persönlichkeitsmerkmale wie Selbstkontrolle und Ängstlichkeit
korrelieren mit den einzelnen Dimensionen des Fahrverhaltens. Da sich in der
Stichprobe weitgehend gesunde Teilnehmer befanden, konnte der Aspekt der
Krankheit nicht als Einflussvariable untersucht werden.
Folgerungen
Es gibt keine eindeutigen Anhaltspunkte dafür, dass Mehrfach-Auffällige größere sensorische, kognitive oder motorische Defizite aufweisen oder eine andere
Persönlichkeits- und Einstellungsstruktur haben als Einfach-Auffällige. Kompensationsstrategien und Fahrkompetenz waren in beiden Gruppen vergleichbar
ausgeprägt. Verstärkte Kontrollen oder zusätzliche Auflagen für Mehrfach-Auffällige sind daher nicht zu rechtfertigen. Empfohlen wird die Entwicklung von
Trainingsmaßnahmen, mit denen die vorhandene Fahrkompetenz älterer Fahrer
erhöht werden kann.
Abstract
Compensatory strategies of older traffic participants
after a VZR-conspicuousness
Is the repeated conspicuousness of senior citizens in the Central Register of
Traffic Offenders (VZR) an indicator for existing performance deficiencies that
older car drivers are no longer able to compensate for? The Federal Highway
Research Institute (BASt) has conducted an investigation into whether older car
drivers, who become conspicuous a single time in relation to personality traits,
cognitive functions and driving behaviour, differ from those who have repeatedly
become conspicuous in the VZR. The results of this investigation revealed no
indications that conspicuous repeat offenders exhibit greater performance
deficits than conspicuous single offenders.
No clear indications were found that conspicuous repeat offenders display any
greater sensory, cognitive or motor-skills deficiencies or possess a different
personality and attitude structure than conspicuous single offenders. Compensatory
strategies and driving skills were comparably pronounced in both groups. More
stringent controls or additional requirements for conspicuous repeat offenders
cannot therefore be justified. Instead, the development of training measures is
recommended for the purpose of raising the existing driving skills of older drivers.