, Symposium 10: Umgang mit psychosozialen Risiken im Spital – Ansatz und Praxiserfahrungen Andreas Martens Eur. Erg. AEH Zentrum für Arbeitsmedizin, Ergonomie und Hygiene [email protected] Inhalt Inhalt • Ausgangslage / aktueller Stand Schweiz • Ansatz • Praxiserfahrungen • Diskussion • • • • Konzept Sensibilisierung Bedarfsanalyse Externe Vertrauensstelle Psychosoziale Risiken Stress Burnout Monotonie Psychische Sättigung,.... Beleidigungen Gewalt Mobbing Sexuelle Belästigung 3 Psychosoziale Risiken kommen häufig vor Verletzungen der persönlichen Integrität (Quelle: Strub und Schär Moser) • 15 % unfaire Behandlung • 12 % Beleidigungen am Arbeitsplatz • 10 % der Frauen beklagten eine sexuell belästigende Verhaltensweise • 8 % Mobbing / Schikanierung • 8 % Drohungen und erniedrigendes Verhalten Problematische Arbeitsanforderungen (Quelle: Grebner (2011)) • 48 % berichten über häufige oder sehr häufige Arbeitsunterbrechungen • 40% arbeiten mindestens 3/4 der Zeit unter hohem Zeit- oder Termindruck • 17 % arbeiten mindestens 1-2 Mal pro Woche in der Freizeit • 16 % stehen die benötigten Informationen regelmässig nicht zur Verfügung • 13 % erhalten häufig / sehr häufig unklare Anweisungen von VG • 12 % arbeiten mindestens 6 Mal im Monat mehr als 10 Stunden Psychosoziale Risiken 4 IV-Neuberentungen nach Ursache (2012) 15 Kosten Milliarden CHF 10 5 22% 0 2000 49% 2005 2010 2015 Quelle: seco 16% 13% Psychische Erkrankungen Nervensystem Knochen und Bewegungsorgane Andere Quelle: IV-Statistik 2012 5 Was sieht der Arbeitgeber? Arbeitszeit • Fehlzeiten nehmen zu • Atypische Arbeitszeiten Personalwechsel • Turn-over • Schwierigkeit bei Neubesetzung Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten • Zunahme Häufigkeit, Schweregrad Soziale Beziehungen im Betrieb • Information / interne Kommunikation • Dienst nach Vorschrift Ernste Situationen / Missstände • Anerkannte Belästigung • Körperliche / Verbale Gewalt Diagnostizierte und betreute Pathologien • Bluthochdruck, Symptome des Bewegungsapparates, Diabetes, … Chronischer Stress • Symptome auf körperlicher Ebene • Symptome auf emotionaler Ebene Betriebliche Indikatoren (nach INRS, 2010) 6 Gesetzliche Grundlagen Obligationenrecht, Artikel 328 (Auszug) Der Arbeitgeber hat zum Schutz von Leben, Gesundheit und persönlicher Integrität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebes angemessen sind. Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz, Artikel 2 Der Arbeitgeber muss alle Massnahmen treffen, um den Gesundheitsschutz zu wahren und die physische und psychische Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Insbesondere muss er dafür sorgen, dass: • • • ergonomisch und hygienisch gute Arbeitsbedingungen herrschen; eine übermässig starke oder allzu einseitige Beanspruchung vermieden wird; die Arbeit geeignet organisiert wird. Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz, Artikel 3 Liegen Hinweise vor, dass die Gesundheit eines Arbeitnehmers durch die von ihm ausgeübte Tätigkeit geschädigt wird, so ist eine arbeitsmedizinische Abklärung durchzuführen. 7 Psychosozialen Risiken am Arbeitsplatz Im Vordergrund stehen die Arbeitsbedingungen nicht die Person. Psychosoziale Risiken 8 Wie viel ist zu viel? Belastbarkeitsgrenze • • • Genetische Prädisposition • • • Positive Lebenserfahrungen • • • Persönlichkeitsmerkmale Traumatische Lebenserfahrungen Gegenwärtige Belastungen Soziale Unterstützung / Isolation Trainingszustand Erholungskultur Vernunft 42,195 km 9 Vollzugsschwerpunkt PSR Ziel • Arbeitgeber sowie Arbeitnehmende zum Thema sensibilisieren • Schwachstellen Arbeitsgestaltung und –organisation aufzuzeigen und Arbeitssituation mit Massnahmen verbessern Kontrolle Arbeitsinspektoren im Rahmen der ASA-Kontrollen (2016 – 2018) • Werden die psychischen Belastungen im Rahmen der Gefährdungsermittlung erfasst? • Kennen die Vorgesetzten die Bedeutung der Arbeitsgestaltung und wenden sie die Prinzipien an? • Ist der Schutz der persönlichen Integrität Teil des Leitbildes? • Besteht ein Reglement zum Schutz der persönlichen Integrität und ist dieses den Vorgesetzten und Mitarbeitenden bekannt? • Bestehen vertrauliche Ansprechstellen und sind diese den Mitarbeitenden bekannt? Arbeitsinspektoren können Massnahmen oder Gutachten einfordern. 10 Psychosoziale Risiken sind ein Problem Kein Problem wird gelöst, wenn wir träge darauf warten, dass Gott sich darum kümmert. Martin Luther King Schritte zu gesunden Arbeitsbedingungen Problem erkennen – Commitment schaffen Schritt 4: Wirksamkeit überprüfen Schritt 1: Problem-Analyse Schritt 3: Massnahmen planen und umsetzen Schritt 2: Lösungen finden Ansatz Problem erkennen – Commitment schaffen Schritt 4: Wirksamkeit überprüfen Schritt 1: Problem-Analyse Schritt 3: Massnahmen planen und umsetzen Schritt 2: Lösungen finden • Workshops Branchenlösung H+ Die Spitäler der Schweiz • Anleitung und Unterstützung der angeschlossenen Betriebe Workshops für Führungskräfte • Durchführung 30 Workshops mit 4 Schwerpunkten: • • • • Schwerpunkt 1: Analyse der Belastungen und Beanspruchungen Schwerpunkt 2: Prävention und Umgang mit Burnout Schwerpunkt 3: Umgang mit Belastungen / Förderung Ressourcen Schwerpunkt 4: Schutz der persönlichen Integrität • Erste Serie: 16 WS, 144 Teilnehmende • Zweite Serie: 9 Workshops • Zusätzlich 5 Workshops für Betriebsgruppen Commitment der Führung schaffen • Kontrolle der Belastungen • Früherkennung und Unterstützung • Ressourcenförderung • • • • • • • • Regelmässige Analyse Ebene 1 (Checklisten im Rahmen GEM) Bei Bedarf Beanspruchungsanalyse Bei Bedarf Interventionen wie z.B. Gesundheitszirkel Befähigung Führungskräfte Probleme zu erkennen und zu handeln Professionelle Vertrauensstelle Unterstützung / Case Management bei Bedarf Niederschwellige Sensibilisierung Mitarbeitende Stressmanagement-Training Kontrolle der Belastung Belastung Beanspruchung Kontrolle der Belastung: 3- Stufen- Modell 3 Detailanalyse durch Spezialisten; Arbeitspsychologen, Arbeitsmediziner in Zusammenarbeit mit Sicherheitsingenieuren Umfassendes Vorgehen Abbruch 2 Analyse der Fehlbeanspruchungen; instruierte Fachkräfte: Abteilungsleiter...., Vertrauenspersonen Vertiefendes Vorgehen Abbruch 1 Ermittlung der Risikofaktoren im Rahmen der Gefährdungsermittlung; Fachkräfte: Abteilungsleiter, Sicherheitskoordinator, Sicherheitsbeauftragter Dr. Harald Gruber Orientierendes Vorgehen 17 Stufe 1: Checkliste zur Gefährdungsermittlung Stufe 1: Checkliste zur Gefährdungsermittlung • Checklisten prüfen ab, ob • • • • Arbeitsaufgabe Arbeitsorganisation soziale Bedingungen Arbeitsplatz- und Arbeitsumgebungsbedingungen richtig gestaltet sind 19 Stufe 2: Analyse Fehlbeanspruchungen Bei der Arbeit ist die Verantwortung zu hoch. kommen Termin- oder Zeitdruck häufig vor. gibt es häufig Störungen oder Unterbrechungen. gelten enge Vorgaben für die Ausführung der Arbeit. müssen Entscheidungen ohne ausreichende Informationen und mit unzureichenden Entscheidungshilfen getroffen werden. gibt es widersprüchliche Anforderungen (z.B. Konflikte zwischen Termineinhaltung und Qualität). fehlt die Unterstützung der Kollegen und Vorgesetzten. übersehe oder übergehe ich überdurchschnittlich häufig Informationen. habe ich das Gefühl, dass ich die Übersicht verliere. mache ich häufiger Fehler. bin ich mir unsicher, ob ich alles richtig mache. bin ich unruhig und nervös. habe ich Angst, dass ich die Arbeit nicht schaffe. Trifft zu 20 Stufe 3: Detailanalyse • Durchführung durch Fachspezialisten • Arbeitspsychologen, Arbeitsmediziner, Ergonomen • Ziel: • Identifizieren detaillierter Arbeitsbelastungen • Stärken ungenutzter Gesundheitsressourcen • Erarbeiten von möglichen Massnahmen auf Ebene Organisation, Team, Person • Möglichkeiten • Befragung: AEH – Tool, STool, • Gruppeninterview: halbstandisiertes Interview • Gesundheitszirkel / -werkstatt • Moderierte Arbeitsgruppe, während 1 bis max. 7 Zirkelsitzungen Tätigkeitsbeobachtungen: ISTA (Instrument zur stressbezogenen Tätigkeitsanalyse), SALSA (Salutogenetische Subjektive Arbeitsanalyse), ... 21 Commitment der Führung schaffen • Kontrolle der Belastungen • • • • Früherkennung und Unterstützung • • • • Regelmässige Analyse Ebene 1 (Checklisten im Rahmen GEM) Bei Bedarf Beanspruchungsanalyse Bei Bedarf Interventionen wie z.B. Gesundheitszirkel Befähigung Führungskräfte Probleme zu erkennen und zu handeln Professionelle Vertrauensstelle Unterstützung / Case Management bei Bedarf Ressourcenförderung • • Niederschwellige Sensibilisierung Mitarbeitende Stressmanagement-Training Früherkennung Psychische Gesundheit von Schweizer Ärztinnen und Ärzten • N=80 AssistentInnen und ChefärztInnen Spital • Arbeitsintensität als hoch/zu hoch empfunden bei • 72% der AssistentInnen, 67% der ChefärztInnen • Emotionale Erschöpfung bei • 41% der AssitentInnen, 43% der ChefärztInnen • Risikofaktoren: Arbeitsüberlastung, subjektive Arbeitsintensität, zu wenig Freizeit, mangelhafte gegenseitige Abstimmung in wichtigen Bereichen Quelle: Biaggi 2003 23 Unternehmen: Prävention • Schulung Vorgesetzte • Handlungsmöglichkeiten kennen • • Z.B. im Rahmen Fehlzeitenmanagement, BGM, PSR Zusammenhänge Arbeit + Gesundheit • Früherkennung (Symptome) • Ansprechen Probleme • Handeln / Handlung fordern 24 Verantwortung der Vorgesetzten • Team • Einzelfall • Umgang mit Burnout • • • • • • • • • • • Neue Projekte nur, wenn genug Ressourcen In Teammeetings Arbeitsbelastungen und Beanspruchung thematisieren und angehen Vertretung der Anliegen nach oben Überzeit kontrollieren Atmosphäre der Unterstützung schaffen Anerkennung & Lob motivieren Früherkennung: Wahrnehmung und Ansprechen von Leistungs- und Verhaltensveränderungen Im Gespräch Ursachen für Belastung und Beanspruchung herausfinden Gemeinsam Lösungen erarbeiten Fachliche Unterstützung nahelegen • Hausarzt, Psychiater, Psychotherapeut Team informieren 25 Externe Vertrauensstelle • Situation • Kontakt mit ext Vertrauensstelle, Termin in arbeitsmedizinischer Sprechstunde • Muss ungeliebte Arbeiten übernehmen • Erfährt ständige Kritik an der Arbeit • Sachlich nicht gerechtfertigte Vorwürfe ⇒Nach drei Wochen reicht es ihr, sie fühlt sich gemobbt • • • • • Festhalten Art der Problematik Festhalten zeitlicher Verlauf Festhalten bisherige Schritte (wurde andere Stelle involviert?) Festhalten des eigenen Verhaltens • Protokollierung • Konfliktlösung Angestrebte Verbesserung 26 Beispiel Herr XY • Aufzeigen Möglichkeiten • • • • Kontaktaufnahme Vorgesetzte zur Konfliktlösung (nur mit Einwilligung) Aufnahme formelles / juristisches Verfahren (Aufzeigen Grundlagen, mögl. Konsequenzen und Hilfsstellen) Weitere Unterstützung Absprache weitere Schritte (mögliche Schritte) • • • • • • • Abschluss der Beratung ohne Kontaktaufnahme Betrieb Kontaktaufnahme betrieblich Aufnahme formelles Verfahren innerbetrieblich Aufnahme juristische Schritte Kurzcoaching (in Absprache Betrieb) Überweisung Psychiater Case Management (in Absprache Betrieb) 27 Commitment der Führung schaffen • Kontrolle der Belastungen • Früherkennung und Unterstützung • Ressourcenförderung • • • • • • • • Regelmässige Analyse Ebene 1 (Checklisten im Rahmen GEM) Bei Bedarf Beanspruchungsanalyse Bei Bedarf Interventionen wie z.B. Gesundheitszirkel Befähigung Führungskräfte Probleme zu erkennen und zu handeln Professionelle Vertrauensstelle Unterstützung / Case Management bei Bedarf Niederschwellige Sensibilisierung Mitarbeitende Stressmanagement-Training Resilienz – Widerstandsfähigkeit trainieren • • Systematischer Aufbau von Bewältigungsstrategien • Sieben Faktoren, um die eigene Stärke zu finden und Veränderungen besser bewältigen zu können: Verwundbarkeit in Stresssituationen und Krisen reduzieren • • • • • • • Optimismus Akzeptanz Lösungsorientierung Verlassen der Opferrolle Übernehmen von Verantwortung Netzwerkorientierung Zukunftsplanung Literatur: Andrew Shatté „The Resilience Factor“ Praxiserfahrungen • Auswertung 16 Workshops • 144 Teilnehmer: • • • Human Ressources Pflegdienstleitung Geschäftsführung Auswertung Stressoren WS, n=76 20% 13% 10% 8% 8% 8% 5% 4% Termindruck / Arbeitsintensität Personalmangel Soziale Spannungen (Mitarbeitende) unklare Prozesse Unterbrechungen Widersprüchliche Anforderungen Führungsarbeit Schichtplangestaltung Umgang mit schwierigen Patienten Lärm, Raumsituation, Technologiewandel Verantwortung, reagieren statt agieren, fehlende Unterstützung Auswertung CHEF CHEF (Checklisten zur Erfassung von Fehlbeanspruchungen): Validiertes Verfahren des BAUA. Auswertung CHEF Skala Stress Bei der Arbeit Total 1. ist die Verantwortung zu hoch. 6 2. kommen Termin- oder Zeitdruck häufig vor. 3. gibt es häufig Störungen oder Unterbrechungen. 17 4. gelten enge Vorgaben für die Ausführung der Arbeit. 1 5. müssen Entscheidungen ohne ausreichende Informationen und mit unzureichenden Entscheidungshilfen getroffen werden. 6. gibt es widersprüchliche Anforderungen (z.B. Konflikte zwischen 3 Termineinhaltung und Qualität). 7. fehlt die Unterstützung der Kollegen und Vorgesetzten. 1 8. übersehe oder übergehe ich überdurchschnittlich häufig Informationen. 2 9. habe ich das Gefühl, dass ich die Übersicht verliere. 10. mache ich häufiger Fehler. 11. bin ich mir unsicher, ob ich alles richtig mache. 12. bin ich unruhig und nervös. 13. habe ich Angst, dass ich die Arbeit nicht schaffe. 1 14. soziale Spannungen. 15. ist häufig zu wenig Personal da. 4 16. ist die Zukunft der Abteilung oder des Betriebes unsicher. Good practice (von Betrieben umgesetzt) Leitbild • Schutz der Gesundheit und Wertschätzung in Leitbild festhalten Führung • Führungsgrundsätze sind definiert und werden gelebt • Leadership- und Managementausbildung für alle FK (inklusive Ärzte) • Führungsschulungen für alle zu Themen Arbeit und Gesundheit; Burnout, Wertschätzung, Change Prozesse • Werden systematisch analysiert und verbessert (KVP, Kaizen, EFQM) • FZM wurde einführt • BGM wird durch Siko geleitet und ist am QM angehängt Good practice (von Betrieben umgesetzt) Ressourcen (Personal) • Mitarbiter-Pool für Engpässe Arbeitszeiten • Jahresarbeitszeit für alle • Geteilte Dienste wurden eliminiert • Mitarbeitende schreiben sich selber in Dienstplan ein • Flexiblität mit Pensum Einstellung und Austritt • Teamstruktur berücksichtigen (Alter, Geschlecht, Qualifikation, Pensum) • (Anonyme) Befragung über Grund des Stellenwechsels und Arbeitsbedingungen • Bereits in der Rekrutierung Belastungen etc. ansprechen Good practice (von Betrieben umgesetzt) Betriebsklima • Frühstücksbuffet täglich GL mit MA • Seitenwechsel (jeder MA ein Tag in eine andere Abteilung) • Anonymes Feedback-Portal zu Arbeitsbedingungen und Belastungen (Anregungsmanagement) Unterstützung MA • Externe Anlaufstellen (Coach, externes CM, Sozialdienst…) • CM bereits präventiv eingesetzt • Gesundheitsförderungsangebote (Sport, Ernährung, Entspannung, Früchtekorb, Massagen) • Interne Angebote auch für MA (Fitnessraum, Ergonomieberatung, ärztliche Beratungen, Schwimmbad) Diskussion AEH Zentrum für Arbeitsmedizin, Ergonomie und Hygiene AG AEH - Wir stellen den Menschen in den Mittelpunkt und gestalten die Arbeit
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