Die Piraten! Begleitmaterial

Begleitmaterial für den Unterricht
Die Piraten! – Ein Haufen merkwürdiger Typen
(Originaltitel: The Pirates! – Band of Misfits)
Verleih: Sony Pictures
Deutscher Kinostart: 29.3.2012
Filmdaten
Stop-Motion Animationsfilm basierend auf der Romanreihe Pirates! des Autors Gideon Dafoe
Großbritannien, USA 2011, 90 Minuten
FSK: ohne Altersbeschränkung
Pädagogische Altersempfehlung: ab 4. Klasse / ab 9 Jahre
Stab
Regie
Buch
Kamera
Produzenten
Musik
Peter Lord
Gideon Defoe
Charles Copping
Julie Lockhart
Peter Lord
David Sproxton
Theodore Shapiro
Film ist immer Teamarbeit – und bei Animationsfilmen ist das Team besonders groß. An Die
Piraten! – Ein Haufen merkwürdiger Typen haben insgesamt 525 Leute gearbeitet, darunter
33 Animatoren und 41 Drehteams in 4 Studios
Besetzung
Rolle
Piratenkapitän
Holzbein-Hastings
Pirat mit dem Schal
Pirat mit Gicht
Der überraschend
kurvenreiche Pirat
Albino-Pirat
König der Piraten
Entermesser-Liz
Black Bellamy
Queen Victoria
Charles Darwin
englischer Sprecher
Hugh Grant
Lenny Henry
Martin Freeman
Brendan Gleeson
deutscher Sprecher
Patrick Winczewski
Klaas Heufer-Umlauf
Sebastian Schulz
Lutz Schnell
Ashley Jensen
Russell Tovey
Brian Blessed
Salma Hayek
Jeremy Piven
Imelda Staunton
David Tennant
Vera Teltz
Stefan Krause
Bert Franzke
Bettina Zimmermann
Joko Winterscheidt
Martina Treger
Axel Malzacher
Themen
Abenteuer, Freundschaft, Loyalität, Außenseiter, Werte, Wissenschaft, Filmtechnik,
Filmgeschichte
Fächer
Deutsch, Englisch, Lebenskunde/Religion, Kunst, Naturwissenschaften
© JugendKulturService | VISION KINO| Sabine Genz
Seite |2
Vorbemerkung
Dieses Begleitmaterial soll Ihnen Anregungen geben, wie mit Die Piraten! – Ein Haufen
merkwürdiger Typen im Unterricht gearbeitet werden kann. Einer kurzen Inhaltsangabe und
allgemeinen Darstellungen zum Film folgt eine Übersicht über die Technik und Möglichkeiten
der sogenannten Stop-Motion-Animation sowie ein Darstellung ausgewählter Themen des
Films. Schließlich finden Sie einige Arbeitsblätter, die als Kopiervorlage für die Arbeit im
Unterricht verwendet werden können.
Der Film ist sowohl in 2D als auch in 3D verfügbar. Auf die spezifischen Erzählmöglichkeiten
des dreidimensionalen Kinos wird in diesem Begleitmaterial nicht gesondert eingegangen.
Inhalt
Schon 20 Mal hat sich der Piratenkapitän um den Titel „Pirat des Jahres“ beworben, diesmal
soll es endlich klappen. Pirat des Jahres wird derjenige, der in einem festgelegten Zeitraum
die allermeisten Schätze erbeutet. Begleitet vom Hohngelächter seiner stets viel
erfolgreicheren Rivalen, aber zu allem entschlossen, stechen der Piratenkapitän, seine
ebenso liebenswürdige wie unfähige Crew und der nicht minder merkwürdige SchiffsPapagei Polly in See. Doch sie scheinen wieder einmal vom Pech verfolgt. Die Schiffe, die
sie entern, haben entweder Aussätzige an Bord, Geister, Nudisten oder Schüler auf einer
Geografie-Exkursion. Nicht eine einzige goldene Münze oder wertvolles Geschmeide fällt
den Piraten in die Hände – bis sie ein Forschungsschiff überfallen. Es hat zwar auch keinen
Goldschatz an Bord, dafür aber den leibhaftigen Charles Darwin. Dieser erkennt in Polly ein
Exemplar der längst ausgestorben geglaubten Art der Dodos und stellt dem Piratenkapitän
ein riesiges Preisgeld bei einem wissenschaftlichen Kongress in England in Aussicht. Doch
dafür müssen die Piraten sich nach London wagen und damit in den Einflussbereich von
Königin Viktoria – und die hasst nichts mehr als Piraten. Für noch mehr Verwicklungen sorgt
die Tatsache, dass der unglücklich in Queen Victoria verliebte Charles Darwin versucht, die
Piraten auszutricksen, dass die Queen seltene Tiere auf eine andere Weise schätzt als
angenommen und der Piratenkapitän eine Zeit lang den Blick für die wirklich wichtigen Dinge
des Lebens verliert.
Umsetzung
Nach der „The Pirates“-Romanreihe von Gideon Defoe hat Peter Lord eine irrwitzige,
schwarzhumorige Piratenfilmparodie gedreht, die durch ihre liebenswerten Figuren, die
präzise Stop-Motion-Animation und ihre zahlreichen Anspielungen und Zitate besticht. Vor
allem die detailverliebte Ausstattung lädt zum genauen Hinsehen ein und trägt maßgeblich
zum Bildwitz des Films bei. Der Charme des Handgefertigten – nur für wenige Elemente wie
Wasser oder Rauch wurden computergenerierte Effekte verwendet – geht nicht zu Lasten
der Inszenierung, die sich in ihrer Dynamik und ihrem Montagerhythmus an Realfilme
anlehnt.
© JugendKulturService | VISION KINO| Sabine Genz
Seite |3
Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit
Der Piratenkapitän ersehnt sich so sehr die Anerkennung und den Ruhm, der mit dem Titel
„Pirat des Jahres“ einhergeht, dass er darüber seine altgedienten Crewmitglieder und loyalen
Freunde vergisst. Zunächst sieht es so aus, als würde er den Blick für die wichtigen Dinge im
Leben verlieren, bis er schließlich doch erkennt, was wirklich zählt. Diese Entwicklung lässt
sich in einem Gespräch im Lebenskunde oder Religionsunterricht aufgreifen. Für das Fach
Deutsch bietet sich vor allem eine Analyse des Films als Genreparodie oder eine
Beschäftigung mit den medialen Querverweisen an, die bis zur Inszenierung von
Fernsehshows reichen. Im Englischunterricht wiederum kann der für Großbritannien typische
schwarze Humor thematisiert werden, während historische Bezüge, etwa über das
viktorianische London oder Piraten Anknüpfungspunkte für den fächerübergreifenden
Unterricht bieten. Die Piraten! …. kann auch ein heiterer Auftakt für die Auseinandersetzung
mit der Evolutionstheorie Charles Darwins sein. Die Stop-Motion-Technik schließlich regt
dazu an, beispielsweise im Kunstunterricht oder im Rahmen einer Projektarbeit eine eigene
Szene mit Gegenständen oder Plastilinfiguren zu animieren.
Vor dem Kinobesuch
Wie verschafft man sich Respekt und Anerkennung? Ein Brainstorming kann die
Kinder auf den Film einstimmen. Welche Eigenschaften muss jemand haben, damit
du ihn oder sie bewunderst und als Vorbild nehmen würdest? Ist es wichtig, in der
Klasse beliebt zu sein? Was bedeutet für dich Freundschaft? Was macht einen guten
Freund /eine gute Freundin aus, woran erkennt man falsche Freunde?
Um die Aufmerksamkeit im Kino zu schärfen, lenken Beobachtungsaufgaben den
Blick: Kannst du etwas entdecken, was du aus anderen Filmen kennst?
Nach dem Kinobesuch
Impulsfragen für ein erstes Gespräch über den Film
Welche Materialien braucht man für eine Knetanimation?
Welche Szene hat dir am besten gefallen und warum?
Wenn du den Film noch einmal drehen würdest, was würdest du verändern?
Wäre auch ein anderes Ende des Films möglich gewesen?
Wenn du diesen Film noch einmal sehen würdest, wen würdest du am liebsten
ins Kino mitnehmen? Warum hast du diese Person ausgewählt?
© JugendKulturService | VISION KINO| Sabine Genz
Seite |4
Genre und Parodie: Piratenfilme
Der Piratenfilm gehört zu den ältesten Filmgenres und bildet ein Subgenre des
Abenteuerfilms. Seinen Höhepunkt erlebte er in den 30er bis 50er Jahren, als
gutaussehende, muskulöse Piraten (Burt Lancaster, Erol Flynn, Marlon Brando) die
Sehnsucht der Zuschauer(innen) nach Abenteuern vor exotischer Kulisse stillten. Die
inhaltlichen Motive variierten wenig: Schätze oder Schatzinseln, die es zu erobern galt, böse,
schwarzbärtige oder glattrasierte Gegenspieler (Letztere gerne gesetzestreue Langweiler im
Auftrag einer Regierung), spektakuläre Kampfszenen und Schiffsschlachten. Ein Revival
erlebten die in der Herstellung sehr kostspieligen Abenteuergeschichten zur See erst wieder
mit der „Fluch der Karibik“-Reihe.
Die Piraten! – Ein Haufen merkwürdiger Typen ist in der Tradition klassischer Piratenfilme
erzählt. Die Macher spielen mit der Erwartungshaltung des Publikums gegenüber diesem
Genre, jedoch werden die typischen Merkmale ins Gegenteil verkehrt oder auf die Spitze
getrieben. So besteht die Crew des Schiffes aus „einem Haufen merkwürdiger Typen“,
glücklose, inkompetente Gesellen, die wohl niemand anheuern würde, es sei denn für ihren
Charme und Liebenswürdigkeit. Nicht ganz das, was man von der skrupellosen Mannschaft
eines Piratenschiffs erwarten würde. Und natürlich ist so manche amüsante Modernisierung
zu entdecken: Entermesser-Liz erinnert an eine harte Hip-Hopperin, es gibt ein
Anmeldeformular für den Wettbewerb „Pirat des Jahres“ und Schinken im Kochbeutel, in der
königlichen Küche dreht sich ein Döner-Spieß, der Piratenkapitän träumt davon, ins lukrative
Babyklamottengeschäft einzusteigen ...
© JugendKulturService | VISION KINO| Sabine Genz
Seite |5
Die Figuren
Der Piratenkapitän liebt alles, was zum Piratenleben gehört:
Seine unfähige, aber treu ergebene Crew, den
Schiffspapageien – oder das, was er für den Schiffspapageien
hält; er ist stolz auf seine prächtige Piraten-Uniform und
unglaublich eitel, was seinen rauschenden Bart angeht. Trotz
vieler beruflicher Fehlschläge hat er sich seine
Begeisterungsfähigkeit und seinen Optimismus erhalten. Seine
Crew hält ihn für den Größten, was gut ist, weil das sonst
niemand tut. Um es auch den anderen zu zeigen, will der Piratenkapitän dieses Mal
unbedingt den Titel ‚Pirat des Jahres‘ gewinnen. Allerdings ist er kein Freund ausgeklügelter
Strategien, sondern springt lieber mit beiden Beinen hinein ins Abenteuer – was meistens im
Desaster endet.
Der Pirat mit dem Schal ist die Nummer 2 an Bord und füllt die
Funktion des Schatzmeisters aus. Im Englischen ist ‚pirat with a
scarf‘ ein hübsches Wortspiel zu ‚pirat with a scar‘ (Pirat mit Narbe),
was dem gängigen Piratenfilm-Schema eher entsprechen würde. Er
ist die Stimme der Vernunft an Bord, kümmert sich um wichtige
Details, die der Kapitän gerne mal übersieht, richtet ihn nach
Fehlschlägen seelisch wieder auf, ist zuverlässig und tut sein
Bestes, drohende Katastrophen abzuwenden. Damit steht er in der
langen Reihe von Angestellten, die viel cleverer als ihr Boss sind.
Polly (rechts im Bild) ist das gefiederte Herz und Seele des
Schiffes, das von allen geliebte Maskottchen. Jedes anständige
Piratenschiff braucht einen Papageien an Bord, doch leider stellt
sich heraus, dass Polly ein Dodo ist. Polly behält auch im größten Chaos die Ruhe und ist
zufrieden, solange sich jemand findet, der sie mit Keksen füttert.
Der Albino-Pirat glaubt alles, was man ihm erzählt. Er ist durch
alles zu erschüttern, leicht zu erschrecken, zu erfreuen und
durcheinanderzubringen. Er hasst gefährliche Situationen. Wie ein
kleines Kind posaunt er unangenehme Wahrheiten heraus, ohne
die Folgen zu bedenken.
Der Pirat mit Gicht ist auf den ersten Blick ein kampferprobter
alter Seebär. Auf den zweiten jedoch ebenso kindisch und töricht
wie der Rest der Crew. Er liebt es, Weisheiten von sich zu geben,
die keine sind und seine Liebe zu Fleisch in allen Zubereitungen
hat seine Gicht verschlimmert. Darauf ist er ein bisschen zu stolz.
© JugendKulturService | VISION KINO| Sabine Genz
Seite |6
Der überraschend kurvenreiche Pirat ist der größte Fan des
Piratenkapitäns (Ich würd mich jederzeit zwischen ihn und eine Feuerqualle
werfen!) und der piratigste Pirat der Mannschaft. Immer in Stimmung für
einen kleinen Kampf, ein Hochseeabenteuer oder Planken-Balanciererei.
Geboren zu einer Zeit, als Frauen an Bord Unglück bedeuteten, scheint
niemand zu bemerken, dass der überraschend kurvenreiche Pirat über
ausladende Hüften, eine hohe Stimme, rosa Unterwäsche und einen
offensichtlich falschen Bart verfügt.
Queen Victoria, die dickliche
Herrscherin über ein Drittel der
Weltbevölkerung, ist noch neu auf
dem Thron, alleinstehend und
liebt alle ihre Untertanen von
Herzen – mit Ausnahme der
Piraten, deren Vernichtung sie
sich zum Ziel gesetzt hat. Ein
weiteres Hobby von ihr ist das Verspeisen seltener Tiere.
Unter ihrem engen Korsett schlägt das Herz einer
Kämpferin – und da sie die Königin ist, kann ihr keiner
sagen, dass der Kampf fair sein muss. Und wenn sie
einen Dodo will, dann bekommt sie ihn auch!
Die echte Königin Victoria trat
1837 im Alter von nur 18 Jahren
ihre fast 64 Jahre währende
Herrschaft an. In dieser Zeit
veränderte sich England sehr
stark. Überall wurden
Eisenbahnschienen verlegt,
allerorten entstanden Fabriken,
die Städte wuchsen, so dass die
Ober- und Mittelschicht eine
beispiellose wirtschaftliche
Blütezeit erlebte. Das Britische
Empire stand unter Königin
Victoria auf dem Höhepunkt
seiner Macht.
Mister Bobo Charles Darwins
treuer Gehilfe ist ein menschlicher
Schimpanse. Er kann nur mit Hilfe von Karteikarten kommunizieren,
was um so trauriger ist, als er offensichtlich intelligenter als alle
anderen zusammen ist.
Charles Darwin begegnen die Zuschauer als jungen Akademiker, lange
bevor er durch seine Evolutionstheorie berühmt wurde. Sie lernen ihn daher
von einer ganz anderen Seite kennen. Darwin ist ein weinerlicher Feingeist,
der seine Tagebucheinträge stets mit „Liebes Tagebuch…“ beginnt. Er ist
sozial inkompetent, und sowohl was die Wissenschaft als auch was die
Liebe angeht ein totaler Versager. Durch die zufällige Entdeckung des
Dodos verspricht er sich nicht nur einen Karrieresprung, sondern auch, das
Herz der angehimmelten Königin Victoria zu erobern. Sein Fehler, dass er
sich für schlauer als den Piratenkapitän hält (siehe auch den folgenden Kasten
zu Charles Darwin).
© JugendKulturService | VISION KINO| Sabine Genz
Seite |7
Charles Darwin (1809 – 1882) gehört zu den bedeutendsten Forschern des 19.
Jahrhunderts, dem Zeitalter großer Entdeckungen und Erfindungen. Dadurch war es
gleichzeitig ein Zeitalter umwälzender Veränderungen. Während Naturforscher wie
Darwin, Lyell, Owen, Haeckel oder von Helmholtz das Leben und die Geschichte der
Erde zu verstehen suchten, gab es große Fortschritte auf den Gebieten der Medizin,
Technik und Astronomie. Neu entwickelte Verfahren und Maschinen veränderten das
Leben der Menschen grundlegend, von pasteurisierter Milch bis zum elektrischen
Licht.
Mit der HMS Beagle umsegelte der Naturforscher Charles Darwin fünf Jahre lang die
Erde. Überall sammelte er Pflanzen, Tiere und Gestein, die er studierte und
katalogisierte. Aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen entwickelte er seine
Theorie der Anpassung aller lebenden Organismen an ihren Lebensraum durch
Variation und natürliche Selektion (survival of the fittest).
Sein berühmtes Buch „Über den Ursprung der Arten“ erschien am 24. November
1859. Damit lieferte Darwin eine streng naturwissenschaftliche Erklärung für die
Diversität des Lebens. Sein Werk bildet die Grundlage der modernen
Evolutionsbiologie und markiert einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte
der modernen Biologie. Nicht nur deshalb war es eine Sensation, sondern es empörte
auch viele Christen, die die göttliche Schöpfung in Frage gestellt sahen.
Arbeitsaufgaben
•
Der Film wird in einer Programmzeitschrift angekündigt. Finde eine
kurze und knackige Inhaltsangabe für den Film (max. 4 Sätze)!
•
Suche dir zwei der Hauptcharaktere aus und trage für sie Merkmale
über deren Aussehen und Charakter zusammen!
•
Gab es im Film Szenen, die du aus anderen Filmen kennst oder die
dich an andere Filme erinnert haben? Welche?
•
Recherchiere, wie die Menschen in der Mitte des 19. Jahrhunderts in
England lebten.
•
Sprecht gemeinsam über das Ende des Films. Könnt ihr ein Motto
oder eine „Moral von der Geschicht“ für den Film finden?
Animationsfilm als medienpädagogisches Arbeitsinstrument
Der Trickfilm ist an nichts weiter gebunden als an die Grenzen der Fantasie seiner Schöpfer,
an die Artistik von Zeichenstift und Radiergummi (…) Der Zeichenstift kann sich über alle
Gesetze der Kausalität, der Schwerkraft, der Logik und der Natur hinwegsetzen … (Rolf
Giesen 2003)
Warum Animationsfilme in der Medienpädagogik?
Animationsfilme sind im Alltag von Kindern dauerpräsent: Fernsehsender setzen, teilweise
ausschließlich, auf animierte Filme. Im Kino haben sie einen großen Anteil am Programm für
Kinder. Auch die Werbung liebt den Trick und Computerspiele basieren auf
© JugendKulturService | VISION KINO| Sabine Genz
Seite |8
Animationstechnik. Charaktere der Filme wandern cross-medial in Hefte, Bücher und als
Merchandisingprodukte auf jede kinderrelevante Zahncremetube, Müslipackung, auf T-Shirts
und in Überraschungseier.
Trickfilme entsprechen dem „alles-ist-möglich“-magischen Weltbild der Kindergarten- und
Vorschulkinder. Sie können durch ihre technischen Möglichkeiten besonders gut
märchenhafte und fantastische Geschichten erzählen. Das sind genügend Gründe, die
Animation zum Thema in der Medienpädagogik in Kindergarten und Schule zu machen.
Außerdem beinhaltet die Arbeit mit dem Animationsfilm die Option des eigenen Gestaltens
(„Ich kann so was wie im Fernsehen selber machen“, Johannes, 6 Jahre, Trickfilmworkshop
2004). Vor allem werden den Kindern technische Kompetenzen spielerisch vermittelt und
eine Auseinandersetzung mit ihren Medienwelten ermöglicht.
Was ist ein Trickfilm?
Unter einem Trickfilm bzw. einer Animation - diese beiden Begriffe werden oft synonym
verwendet - versteht man eine Folge von Einzelbildern, die zusammen gesehen (wirklich im
Sinne von ‚Sehen’) den Eindruck einer Bewegung vermitteln.
Ermöglicht wird dieser Effekt durch die menschliche Sinneswahrnehmung. Die Trägheit des
Auges führt dazu, dass eine schnelle Abfolge von Einzelbildern als kontinuierliche Bewegung
wahrgenommen wird. Die Netzhaut des Auges hält den Eindruck eines Bildes noch einen
Bruchteil von Sekunden (0,05 Sekunden) fest. Folgt schnell ein zweites Bild, ist das Auge
bzw. das Gehirn nicht fähig, die beiden Bilder voneinander zu trennen. Denkt man an das
Daumenkino wird diese physiologische Tatsache anschaulich: Starre Einzelbilder, von Bild
zu Bild minimal verändert, verschmelzen zu einer Bewegung. Genau das ist das
Faszinierende am Daumenkino und eben auch am Trickfilm: Zeichnungen oder
Gegenstände, die im realen Leben zu keinerlei Eigenbewegung fähig sind, bewegen sich.
Unmögliches wird möglich! Gerade diese dem Trickfilm innewohnende Möglichkeit macht ihn
zu einem Medium, das Kindern genau entspricht. Es stellt die magische, die beseelte (anima
= Seele, animieren = beseelen) Welt dar, macht sie sichtbar.
Formen des Trickfilms
Es gibt unterschiedliche Formen von Trickfilmen. Sie werden je nach Art ihrer „Darsteller“,
den zu filmenden Objekten, in 2-D-Animationen und 3-D-Animationen unterschieden. Diese
Unterscheidung hat zunächst nichts mit der späteren Darstellung im Kino als 2-D oder 3-D
Film zu tun.
Der Begriff der 2-D-Animation umfasst:
● Zeichentrickfilm – die „Darsteller“ werden gezeichnet
● Flachfigurenfilm (Legetrickfilm, Silhouettenfilm) – ausgeschnittene, flache (Papier-)
Objekte werden auf horizontaler Fläche Bild für Bild bewegt
Den zweidimensionalen Trickfilm gibt es seit Anfang des 20. Jahrhunderts. Der Franzose
Emile Cohl gilt mit dem Film „Fantasmagorie“ von 1908 als Erfinder der gezeichneten
Animation. Im Laufe des Jahrhunderts dominieren die Filme des Amerikaners Walt Disney,
dessen Name fast synonym für den Zeichentrickfilm gebraucht wurde.
© JugendKulturService | VISION KINO| Sabine Genz
Seite |9
Der Begriff der 3-D-Animation umfasst
● Modellanimation – Bewegen von Gegenständen
● Puppentrick – Bewegen von Puppen. Hierzu gehören auch Knetfilm und Brickfilm
(das Animieren von Legosteinen)
● Computeranimationen (wird hier nicht weiter erläutert)
Bei der 3-D-Animation – mit Ausnahme der Computeranimation, die das Dreidimensionale
nur simuliert – werden statt zweidimensionaler Zeichnungen dreidimensionale
Modelle/Objekte animiert. Die Modelle, Puppen, Knetfiguren, Alltagsgegenstände etc.
werden bei ausgeschalteter Kamera minimal bewegt bzw. verändert. Das veränderte Bild
wird dann aufgenommen. Dieses Verfahren nennt man „Stop-Motion-Animation“.
Die 3-D-Animation ist die früheste Form des Trickfilms. In ihren Ursprüngen war sie oftmals
eine in den Realfilm eingebaute „Wundergeschichte“: Der Film „El Hotel Eléctrico“ des
Spaniers Segundo de Chomón von 1905 erzählt von Möbeln, die sich in einem Hotel selber
umstellen.
Der Legetrick ist für die Arbeit mit Kindern sehr gut geeignet.
Sein Name bezieht sich auf das Arbeitsverfahren.
Die Filmobjekte werden auf einer Horizontalen gelegt, d.h. bewegt und
abfotografiert. Der Legetrick gehört zur Gattung der „Flachfigurenfilme“. Aber auch
dreidimensionale, allerdings sehr flache Objekte können die „Filmdarsteller“ sein:
Gemalte Figuren, Streichhölzer, auch Papierschnipsel, Radiergummis,
Wäscheklammern und vieles mehr eignen sich als Filmstar. Mehrere Kinder
gleichzeitig können am Tricktisch die Objekte bewegen.
Im Vergleich zu anderen Trickfilmverfahren, die aufwändiges Herstellen oder
Zeichnen von Figuren und Hintergründen verlangen, kommt man mit dem
Legetrickverfahren zu schnellem Erfolg. Das Prinzip des Trickfilms wird klar
deutlich. Und auch Büroklammern können aufregende Geschichten erzählen.
Das erfordert natürlich einiges an Zeit für Planung, Vorbereitung und Durchführung.
Im Internet finden sich eine Reihe von Websites mit nützlichen Tipps. Eine hilfreiche
Schritt-für-Schritt Anleitung hat beispielsweise der Grafiker Andreas Pfeifle auf
seiner Homepage gestellt: http://www.grafik-etc.de/page_fullstory.php?id=23
Arbeitsaufgaben
•
Welche Geschichten eignen sich deiner Meinung nach besonders für
einen Trickfilm? Warum ist gerade die Geschichte über den
Piratenkapitän und seine Crew geeignet für einen Trickfilm?
•
Was können Trickfiguren einfach besser als lebendige Schauspieler?
© JugendKulturService | VISION KINO| Sabine Genz
S e i t e | 10
Animation mit Knetfiguren
Die Piraten! – Ein Haufen merkwürdiger Typen besticht durch eine ganz eigenständige
Ästhetik, die aus den Sehgewohnheiten herausfällt und so zu einem außergewöhnlichen
Seherlebnis für Kinder wird. Der Film wurde fast ausschließlich liebevoll per Hand animiert
und ist entsprechend aufwändig
herzustellen.
Fakten über den Film:
Die Piraten und anderen Figuren des
• Das Filmteam bestand aus 525 Mitgliedern,
Films wurden aus einer speziellen
darunter 33 Animatoren und 41 Dreh-Teams in 4
Plastillin-Knetmasse,
teils
auch
Studios
Silikon
und/oder
Schaumlatex
• Jeder Animator hat pro Woche durchschnittlich 4
geformt und im „Stop-MotionSekunden fertigen Film animiert
Verfahren“ animiert. Dabei werden
• 70 Puppenbauer arbeiteten an dem Film und
sie millimeterweise bewegt oder
schufen 250 Figuren für 112 unterschiedliche
verformt oder ihr Gesichtsausdruck
Charaktere (von den Hauptprotagonisten gibt es
wird
langsam
und
vorsichtig
immer mehrere Figuren, damit verschiedene
verändert, damit ein natürlich
Szenen parallel gedreht bzw. vorbereitet werden
wirkender Ablauf entsteht. Im
können. So gab es allein 20 Figuren des
Piratenkapitäns).
Unterschied zur Puppenanimation,
• Das 4,27m lange und 4,57m hohe Schiff ist
die mit fertigen Objekten arbeitet,
handgemacht und besteht aus 44.569 Einzelteilen.
erlaubt die Knetanimation unendlich
Es dauerte 5.000 Arbeitsstunden, es zu bauen und
viele Metamorphosen, bei denen die
wiegt 350 kg.
Objekte sich unendlich verwandeln
•
Besonders arbeitsaufwändig sind Massenszenen
können (Morphing). Königin Viktoria
zu animieren. Die Szene in der Bar zu Beginn des
z.B. muss einige dieser extremen
Film hat allein 18 Monate Produktionszeit in
Verwandlungen über sich ergehen
Anspruch genommen
lassen.
• Für die Requisiten kann man nicht einfach in den
Fundus gehen. Zuvor muss alles gezeichnet und
Es ist daher wichtig, dass die
dann von Requisitenbauern angefertigt werden.
Figuren sich leicht bewegen lassen
Für Die Piraten!... wurde sogar ein Extraund dann in genau der Position
Glasbläser beschäftigt, der Weingläser, Flaschen,
bleiben, in die sie bewegt wurden.
Lampenschirme und anderes herstellte. Die
Deshalb haben sie ein Stahlskelett,
Ausstattung gibt auch viel Gelegenheit für
das ihnen Stabilität verleiht.
beiläufige Witze: Was auf den Plakaten steht, wie
die Tavernen am Kai heißen, dass sich in der
Um
die
Figuren
möglichst
Schatzkammer der Königin goldene Statuen von
naturgetreu zu animieren, spielen
Wallace und Gromit und Shaun, dem Schaf
zunächst Schauspieler die Szenen.
befinden, ist nicht nur für die Zuschauer ein großes
Die Animatoren studieren die
Vergnügen.
Aufzeichnungen des sogenannten
© JugendKulturService | VISION KINO| Sabine Genz
S e i t e | 11
„live action video rehearsal“ ganz genau und versuchen, Gestik, Mimik, das Rudern der
Arme, die Laufbewegungen usw. so exakt wie möglich nachzumachen und perfekt
zusammenzusetzen. Eine der schwierigsten Szenen war, als der Piratenkapitän und Darwin
betrunken auf die Kamera zulaufen, weil jede Bewegung der einen Figur sich auf den
Bewegungsablauf der anderen auswirkt, berichtet der ein Animator.
Unterstützt wurde die Knetanimation an manchen Stellen durch Computeranimation, wie
etwa für das Wasser, das man im Stop-Motion-Verfahren nicht befriedigend herstellen kann.
Sprechende Knete
Ein Sekunde Film besteht aus 24 Einzelbildern. Für das Abenteuer um den Piratenkapitän
mussten also mehr als 129.000 Einzelbilder erstellt werden. Einen einzigen Satz mit den
entsprechenden Mundbewegungen zu filmen, konnte leicht einen gesamten Tag und mehr in
Anspruch nehmen. Noch mehr Zeit würde es kosten, wenn der Mund einer Figur nach und
nach verformt werden müsste. Deshalb benutzen die Animatoren viele verschiedene
vorgeformte Münder. D.h., der komplette untere Bereich des Gesichts mit dem Mund wird
ausgetauscht und mit Magneten am oberen Teil des
Kopfes befestigt.
Eine komplette Abteilung mit Synchron-Animatoren hat
dafür zuvor festgelegt, welche Münder gebraucht
werden. Jede Mundstellung wurde zunächst am
Computer komplett mit Zähnen und Zunge entworfen,
mit einem 3D Drucker ausgedruckt und schließlich aus
Kunstharz geformt. Der Piratenkapitän hat allein 257
verschiedene Münder!
Nicht aus den Aardman-Studios,
sondern aus einem Trickfilm-Workshop
2007: Münder einer Figur
Arbeitsaufgaben
•
Erstellt ein Cluster rund um den Begriff „Knetanimation“. Dazu schreibt
ihr das Wort in die Mitte eines Blatt Papiers und notiert rundherum alle
möglichen anderen Begriffe, Schlagwörter, Eigenheiten usw., die euch
dazu einfallen
•
Welche anderen Knetanimationsfilme kennt ihr aus dem Fernsehen
oder aus dem Kino?
•
Der Piratenkapitän ist sehr stolz auf seinen rauschenden Bart. Male
ein Bild, zu welchen praktischen Dingen im Leben er ihn einsetzen
könnte!
© JugendKulturService | VISION KINO| Sabine Genz
S e i t e | 12
Nützliche Links
Homepage des deutschen Verleihs
http://www.piraten-derfilm.de/
Homepage der Aardman Studios, die auch die Schöpfer von „Wallace und Gromit“ und „Shaun, dem
Schaf“ sind
www.aardman.com
Kritikensammlung auf filmz.de
http://www.filmz.de/film_2012/die_piraten_ein_haufen_merkwuerdiger_typen/links.htm
Anleitung für einen Stop-Motion-Animationsfilm
http://www.grafik-etc.de/page_fullstory.php?id=23
Literaturhinweis
Rolf Giesen: Lexikon des Trick- und Animationsfilms. Berlin 2003
Impressum
Herausgeber:
Autorinnen:
Redaktion:
Bildnachweis:
JugendKulturService gGmbH und Vision Kino g GmbH – Netzwerk für Film- und
Medienkompetenz
Sabine Genz, Regina Voss
Michael Jahn (VISION KINO)
Sony Pictures
Das vorliegende Heft entstand im Rahmen der SchulKinoWochen Berlin 2012
SchulKinoWochen ist ein Projekt von VISION KINO in Kooperation mit zahlreichen Partnern unter Beteiligung der
Bildungs- und Kultusministerien der Länder und der Filmwirtschaft. Die SchulKinoWochen Berlin werden gefördert
vom Medienboard Berlin-Brandenburg, der Filmförderungsanstalt und dem Beauftragten der
Bundesregierung für Kultur und Medien.
www.schulkinowochen.de
www.schulkinowochen-berlin.de
www.jugendkulturservice.de
www.visionkino.de
Kontakt:
SchulKinoWochen Berlin
c/o JugendKulturService gGmbH
Obentrautstr. 55
10963 Berlin
Tel: 030-2355 62 18
Fax: 030-2355 6233
[email protected]
© JugendKulturService | VISION KINO| Sabine Genz
S e i t e | 13