Kropp_(2009) - Alexander Kropp MA

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„VOM GENERALBAUINSPEKTOR GENEHMIGT…“ – ALBERT
SPEERS MEDIENPOLITIK ALS „GENERALBAUINSPEKTOR FÜR
DIE REICHSHAUPTSTADT“ (GBI) ZWISCHEN 1937 UND 19441
Alexander Kropp
Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933
wurde auch dem kulturpolitischen Sektor der Architektur und Bildenden
Kunst eine zentrale propagandistische
Rolle zugewiesen. Hitlers ureigenes Interesse an Architektur, die er als „Wort aus
Stein“2 verstand, und die Vorstellung,
mit der Baukunst seine politische Rolle
als „Reichsbaumeister“ zu unterstreichen
und öffentlichkeitswirksam zu propagieren, sind sinnfälliger Ausdruck dieser
Funktionsbeschreibung. Vor allem die
Neugestaltungspläne für die sogenannten „Führerstädte“ – Berlin, München,
Nürnberg, Hamburg und Linz – sind
immer wieder Thema in wissenschaftlichen Publikationen oder Ausstellungen3
gewesen.
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Titelblatt Baukunst November 1938
Folgender Aufsatz basiert auf dem gleichnamigen Vortrag des Verfassers im Fachforum Theologie/
Geisteswissenschaften beim Akademischen Forum am 3. Mai 2008 während der 122. Cartellversammlung in Bonn.
So Hitler in seiner Eröffnungsrede zur 1. Deutschen Architektur- und Kunsthandwerksausstellung
im Haus der Deutschen Kunst in München am 22. Januar 1938. Zit. n. Domarus, Max: Hitler.
Reden und Proklamationen 1932 - 1945. Kommentiert von einem deutschen Zeitgenossen. Bd. 1.
Würzburg 1962, S. 778.
Als jüngstes Beispiel „Mythos Germania. Schatten und Spuren der Reichshauptstadt“, die vom Verein Berliner Unterwelten seit März 2008 in unmittelbarer Nähe zum Holocaust-Mahnmal gezeigt
wird.
In: Verantwortungsvolle Wissenschaft. Festschrift zum Akademischen Forum zur 122.
Cartellversammlung des Cartellverbandes Katholischer deutscher Studentenverbindungen.
Samstag, 3. Mai 2008, Universität Bonn. Hg. v. U. Margedant/H. Quaden/M. Klein. Stuttgart
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Besonders die Neugestaltungspläne für Berlin standen in den letzten Jahren in einem
starken Focus öffentlichen und wissenschaftlichen Interesses. Durch den 1999 erfolgten
Umzug von Parlament und Regierung der Bundesrepublik Deutschland von Bonn nach
Berlin kam es nicht zuletzt durch die Nutzung ehemaliger NS-Ministerien, so zum Beispiel des ehemaligen Reichsluftfahrtministeriums Hermann Görings als Bundesfinanzministerium, zu einer verstärkten Hinwendung und Auseinandersetzung mit der Rolle
Berlins als NS-Machtzentrale und seiner baulichen Hinterlassenschaften aus dieser dunkelsten Epoche der jüngeren deutschen Geschichte.
Hitler ließ schon kurz nach seiner Ernennung als Reichskanzler keinen Zweifel daran, dass er der Hauptstadt eine neue städtebauliche und architektonische Ausrichtung
zu geben gedenke: „Berlin als Reichshauptstadt eines 65-Millionen-Volkes muß städtebaulich und kulturell auf solche Höhe gebracht werden, dass es mit allen Hauptstädten der Welt
konkurrieren kann.“4 Allerdings erwies sich die Berliner Stadtbauverwaltung als Institution, mit der Hitler diese Vorstellung nicht in steinerne Realität umsetzen konnte. Deshalb schuf er per Erlass am 30. Januar 1937 als Sonderbaubehörde den „Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt“ (GBI) und vergab diesen „führerunmittelbaren“ Posten an Albert Speer (1905 – 1981)5, der bis zu diesem Zeitpunkt als Chefarchitekt des
Reichsparteitagsgeländes in Nürnberg plante und baute. Speer und sein junges Team
– er holte lauter ehemalige Kommilitonen aus Berliner Studientagen in seine Behörde,
die größtenteils nach 1900 geboren waren – entwickelten nunmehr „nach den Ideen
des Führers“ die Neugestaltungspläne für Berlin6, das 1950 in „Germania“ umbenannt
werden sollte. Dabei oblag dem GBI die grundlegende städtebauliche Planung, während
die eigentlichen architektonischen Entwürfe von Speer beauftragte freie Architekten wie
zum Beispiel Wilhelm Kreis oder Peter Behrens lieferten. Einige markante Bauten im
Zuge der Neugestaltung Berlins übertrug Generalbauinspektor Speer an den „Privatarchitekten“ Speer - also an sich selbst!
Der vom GBI entwickelte Generalbebauungsplan sah als signifikantes Merkmal
und Rückgrat ein monumentales Achsenkreuz in Nord-Süd- und Ost-West-Richtung
vor, dessen 38,5 bzw. 50 Kilometer lange Straßen sich etwa in der Höhe des Brandenburger Tores schnitten. Die vier Enden dieser zwei Hauptstraßen schlossen an einen
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Zit. n. Larsson, Lars Olof: Die Neugestaltung der Reichshauptstadt. Albert Speers Generalbebauungsplan für Berlin. Stuttgart 1978, S. 22.
Vgl. Durth, Werner: Deutsche Architekten. Biographische Verflechtungen 1900 - 1970. München
1992; Fest, Joachim: Speer. Eine Biographie. Berlin 1999; Reif, Adalbert: Albert Speer. Kontroversen um ein deutsches Phänomen. München 1978; Schmidt, Matthias: Albert Speer. Das Ende eines
Mythos. Die Aufdeckung seiner Geschichtsverfälschung. Speers wahre Rolle im Dritten Reich. Bern
u.a. 1982; Sereny, Gitta: Das Ringen mit der Wahrheit. Albert Speer und das deutsche Trauma.
München 1995; Van der Vat, Dan: Der gute Nazi. Leben und Lügen des Albert Speer. Berlin 1997.
Als Synonyme für die Neugestaltungspläne werden die Begriffe „Berlin-Planung“ oder „GermaniaPlanung“ verwendet. Auch die Begriffe „Informationspolitik“, „Medienarbeit bzw. Medienpolitik“,
„Öffentlichkeitsarbeit“ oder „Pressepolitik“ werden inhaltlich gleich verstanden und hier verwendet.
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Völkischer Beobachter, 28. Januar 1938
Das Programm für die Neugestaltung Berlins (links) und der sogenannte Achsenplan (rechts)
Autobahnring an, der später die Stadtgrenze markieren sollte. An den vier Enden waren
jeweils Verkehrsflughäfen geplant, die mittelfristig den als „Weltflughafen“ titulierten
Flughafen Tempelhof ersetzen sollten. Ergänzt wurde das vorgesehene Straßensystem
durch mehrere schmalere, zwischen den Achsen verlaufende Radialstraßen, die vom
Zentrum aus bis an die Stadtgrenze gezogen waren, sowie vier breite, konzentrisch um
den innerstädtischen Bereich angelegte Ringe. Darüber hinaus sah der Plan zungenförmige Grünflächen vor, die von der Peripherie bis weit in die Innenstadt hinein reichen
sollten, sowie neue Wohnstädte an den beiden Hauptachsen.7
Als Herzstück der Neugestaltungspläne galt stets das gut sieben Kilometer lange
Mittelstück der insgesamt rund 38 Kilometer langen Nord-Süd-Achse, das durch zwei
gewaltige Bauwerke bestimmt gewesen wäre: Zum einen sollte sich im Spreebogen eine
riesige Kuppelhalle erheben, die auf einer quadratischen Grundfläche von 315 x 315 m
errichtet worden wäre und deren Kuppel mitsamt dem Adler als Abschlussbekrönung
etwa 320 m in den Berliner Himmel geragt hätte. Sie sollte maximal 180.000 Menschen
aufnehmen und das städtebauliche Zentrum von „Germania“ bilden, das Platz für etwa
10 Millionen Einwohner bieten sollte. Zum anderen sollte sich weiter südlicher ein riesiger, römisch-antik anmutender Triumphbogen mit 117 m Höhe, 170 m Breite und
119 m Tiefe erheben, in dessen Attikakranz Hitler die Namen der 1,8 Millionen gefallenen deutschen Soldaten des Ersten Weltkrieges einmeißeln lassen wollte - so stellt sich
das „Bauwerk T“ (die Planung dafür lief unter absoluter Geheimhaltung) im Rückblick
7
Vgl. hierzu Reichhardt, Hans J./Schäche, Wolfgang: Von Berlin nach Germania. Über die Zerstörungen der Reichshauptstadt durch Albert Speers Neugestaltungsmaßnahmen. Berlin 61998, S.
142ff.
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als gebaute Dolchstoßlegende dar. Zwischen dem vom Triumphbogen aus gesehen etwa
1,3 km weiter südlich liegenden Südbahnhof bis hinauf zum Spreebogen mit der Großen Halle sollten sich schließlich verschiedene Gebäudeblöcke aneinander reihen, darunter verschiedene Ministerien, Bauten der Partei bzw. Parteiorganisationen, aber auch
der privaten Wirtschaft.8
Neben diesen Planungen, die einen Großteil der täglichen Arbeit einnahmen, entwickelte der Generalbauinspektor eine ganz eigene Medienarbeit, die sich vom „Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda“ (RMVP) emanzipierte, moderne
Züge trug und mit Instrumenten operierte, die bis heute zu den bewährten Methoden
klassischer PR bzw. Öffentlichkeitsarbeit gehören. Obwohl Speer später in seinen Memoiren behauptete, eine recht unbedeutende, kaum wahrnehmbare Informationspolitik
zu den Neugestaltungsplänen für Berlin betrieben zu haben9, lassen die dazu erhaltenen
Akten im Bundesarchiv ein gänzlich anderes Bild hervortreten.10 Mit dieser Aussage
suggerierte Speer, dass die Pressearbeit ab 1937 etwas völlig Nebensächliches und Unwichtiges gewesen ist und die Zeitungen sowie die Fachzeitschriften äußerst gering und
sporadisch über die Neugestaltung Berlins informiert wurden bzw. berichten konnten.
Allerdings lag die reale Medienhoheit über die Berliner Neugestaltungsplanungen
beim GBI, während das Reichspropagandaministerium nur wenig Einfluss auf die Veröffentlichungspraxis und -strategien nehmen konnte. Der GBI trat in den folgenden
Jahren sowohl als Nachrichtenproduzent, als auch als Nachrichtenkontrolleur auf und
entwickelte eine eigene Öffentlichkeitsarbeit. Schon kurz nach seiner Ernennung durch
Hitler am 30. Januar 1937 beschäftigte sich Speer umgehend mit der Frage der Informationspolitik gegenüber den damaligen Medien, insbesondere den Zeitungen. Bereits
auf der Pressekonferenz am 8. Februar 1937 wurden die Journalisten angewiesen, alle
8
Auswahlliteratur: Larsson, Neugestaltung der Reichshauptstadt, 1978; Reichhardt/Schäche, Von
Berlin nach Germania, 1998; Willems, Susanne: Der entsiedelte Jude. Albert Speers Wohnungsmarktpolitik für den Berliner Hauptstadtbau. Berlin 2002; Kropp, Alexander: Die politische Bedeutung der Repräsentationsarchitektur im Dritten Reich. Die Neugestaltungspläne Albert Speers
für den Umbau Berlins zur „Welthauptstadt Germania“ 1936 - 1942/43. Neuried 2005.
9 Speer schrieb dazu 1969 in seinen „Erinnerungen: „Hitler war ängstlich darauf bedacht, daß unsere
Entwürfe nicht veröffentlicht wurden. Lediglich Teile wurden bekanntgegeben, da wir nicht gänzlich
unter Ausschluß der Öffentlichkeit arbeiten konnten (…). So gaben wir gelegentlich in harmlos erscheinende Planungsteile Einblick, auch die städtebauliche Grundkonzeption wurde mit Genehmigung Hitlers durch einen Artikel, den ich schrieb, publik gemacht.“. Speer, Albert: Erinnerungen. Frankfurt am
Main 1969, S. 154.
10 Die erwähnten Quellen des Bundesarchivs bilden die Grundlage der derzeit entstehenden Dissertation des Verfassers bei Prof. Dr. Karl Möckl (Universität Bamberg) unter dem Arbeitstitel „Albert
Speers Kultur- und Medienpolitik. Ein Beitrag zur Rolle des ‚Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt’ im NS-Herrschaftssystem“. Bisher ist dieses Thema nicht einmal ansatzweise näher beleuchtet worden. Dieser Aufsatz ist als erster Ertrag dieser langjährigen Forschungen zu verstehen.
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Berichte und Artikel über Bauvorhaben in Berlin Generalbauinspektor Speer zur Genehmigung vorzulegen, bevor sie veröffentlicht werden konnten.
Institutionell bildete sich diese von Speer ausgeübte Medienhoheit in der Weise ab,
dass seit Frühjahr 1939 in der Planungsstelle der GBI-Behörde innerhalb der Abteilung
I.3 (Leitung: Dr. Rudolf Wolters) die Unterabteilung „K. Presse u. Pressearchiv“ eingerichtet worden war, der als Pressereferent Rudolf Krocker vorstand.
Die Informationspolitik bzw. Öffentlichkeitsarbeit des GBI gegenüber den damaligen Medien hinsichtlich der „Germania-Planung“ umfasste insgesamt sieben Schwerpunkte:
1. Aus- und Umbau der Ost-WestAchse 1937 – 193911
2. Runder Platz12
3. Oberkommando des Heeres/Soldatenhalle
4. Neugestaltung Großer Stern/Siegessäule
5. Neugestaltung des Grunewaldes
6. Hochschulstadt im Grunewald
7. Neue Reichskanzlei (ab 1939)13
Die eigentlichen markanten Bauten, wie
der vorgesehene Amtssitz Hitlers („Führerpalast“) im Spreebogen, die Große
Halle oder der Triumphbogen durften
auf Weisung Hitlers tatsächlich nicht detailliert oder überhaupt nicht publiziert
werden, weshalb Speer die Konzentration der Informationspolitik auf die genannten Schwerpunkte legen musste. Einen planungsunabhängigen Akzent bildete die Pressearbeit zur Tätigkeit Speers
als Architekt, die dem GBI sehr wichtig
war und auf die er ein besonderes Augenmerk richtete.
Achsenperspektive des Modells
11 heute: Straße des 17. Juni
12 Der Runde Platz und das Oberkommando des Heeres hätten sich auf dem Areal des heutigen Kulturforums in unmittelbarer Nachtbarschaft zum Potsdamer Platz befunden.
13 Vgl. zur Neuen Reichskanzlei Schönberger, Angela: Die Neue Reichskanzlei von Albert Speer. Zum
Zusammenhang von Ideologie und Architektur. Berlin 1981 oder Kropp, Repräsentationsarchitektur im Dritten Reich, 2005, S. 99ff.
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Im Folgenden soll anhand der unterschiedlichen medialen Bereiche aufgezeigt werden,
wie die Informationspolitik des GBI differenziert gestaltet wurde.
Presse und Fachpresse:
Ausgehend von der Presseanweisung vom Februar 193714 versuchte der GBI, seinen
Einfluss auf die Presseberichterstattung geltend zu machen. Im Juni 1938 wurden die
verschiedenen Bauträger, aber auch Reichspressechef Otto Dietrich darauf hingewiesen,
keinerlei Informationen zu verschiedenen Bauvorhaben ohne ausdrückliche Erlaubnis
durch den GBI herauszugeben. In der Folgezeit gab es viele Anfragen von Journalisten
nach vielfältigen Informationen. Die GBI-Pressestelle reagierte ihrerseits durch Abgabe
von Pressemitteilungen und organisierte unter anderen Pressebesichtigungen wie zum
Beispiel am Runden Platz, zur Baustelle der Neuen Reichskanzlei oder im Grunewald.
Wie in den Medien berichtet wurde, kontrollierte der GBI durch eine tägliche Pressedurchsicht, die Pressereferent Krocker in Form eines Presseberichtes an Speer lieferte.
Bis in die Bildunterschriften hinein - Speer war sehr auf die Angabe des Zusatzes „…
nach der Planung des Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt“ bedacht - redigierte
die GBI-Pressestelle eingesandte Pressetexte.
Speer versuchte auch, einen eigenen exklusiven Journalisten-Kreis aufzubauen: Vom
GBI bevorzugte „Schriftleiter“ sollten immer wieder durch Pressehintergrundgespräche
mit ihm selbst oder andere exklusive Einladungen, wie zum Beispiel zu den verschiedenen Eröffnungen der Wanderausstellung „Neue Deutsche Baukunst“ ab Herbst 1940,
an den GBI gebunden werden.
Allerdings zeigte sich in der Pressepolitik des GBI ein Manko: Speer wurde in der
Presse größtenteils als Organisator von Bauvorhaben dargestellt und konnte weniger
ein Image als Architekt aufbauen. Hauptgrund dafür war – wie oben schon andeutungsweise erwähnt -, dass die von Speer für Berlin geplanten Großbauten der Großen Halle,
des Führerpalastes oder des Triumphbogens auf Weisung Hitlers nicht veröffentlicht
werden durften. Speer reagierte auf diese Tatsache damit, dass er im Sommer 1939 eine
groß angelegte und von ihm direkt mit geplante Pressekampagne über die Nürnberger
Reichsparteitagsbauten bzw. seine Arbeit als Architekt startete und die Kontrolle sowie
Beeinflussung der Berichterstattung über das Reichsparteitagsgelände nunmehr selbst
in die Hand nahm.15
14 In der Pressekonferenz im Propagandaministerium am 8. Februar 1937 wurde den anwesenden
Journalisten folgende Presseanweisung in die Blöcke diktiert: „Ueber öffentliche Bauvorhaben in der
Reichshauptstadt darf nur dann geschrieben werden, wenn Generalbauinspektor Speer diese Berichte und
Artikel genehmigt hat.“ NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit. Edition und Dokumentation, Bd.
5/I. 1937. Bearb. v. Karin Peter. München 1998, S. 116 (Presseanweisung Nr. 337)
15 Allerdings erschienen in der Fränkischen Tageszeitung im August 1939 nur zwei der auf fünf Folgen
angesetzten ganzseitigen Artikel mit Bildern, da der Beginn des Zweiten Weltkrieges am 1. September die Veröffentlichung der ausstehenden Berichte verhinderte.
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Kurz bevor Speer schließlich zum Rüstungsminister im Februar 1942 ernannt
wurde ging der GBI so weit, nicht nur spezielle Artikel über seine Tätigkeit als Architekt
zu initiierten (z.B. in der Frankfurter Zeitung), sondern anschließend die Weiterverwertungsrechte dieser Artikeln zu erwerben, um sie vor allem in der Provinzpresse erneut zu veröffentlichen.16
Zum Leitmedium innerhalb der architektonischen Fachpresse, die gleichfalls vom
GBI bzw. der GBI-Pressestelle mit Material versorgt wurde, avancierte spätestens ab
Herbst 1938 die Ausgabe B der Zeitschrift „Kunst im Deutschen Reich“ mit dem Heftteil „Die Baukunst“. Die einzelnen Monatsausgaben der „Baukunst“ wurden bis Mai
1944 in der GBI-Dienststelle durch den bereits oben erwähnten Wolters durchgängig
redaktionell betreut und von ihm zusammen mit Speer programmatisch festgelegt. Im
Oktober 1938 erschien die erste Ausgabe der „Baukunst“ mit dem Themenschwerpunkt
„Paul Ludwig Troost“, dem „ersten Lieblingsbaumeister“ Hitlers.17 Bereits im November 1938 gab es ein Themenheft mit dem Schwerpunkt „Berlin“, wobei vor allem der
Runde Platz und die an ihm geplanten Bauten im Mittelpunkt der Veröffentlichung
standen.
Doch die Informationspolitik des GBI wandte sich neben der Presse und der Fachpresse
auch anderen Medien zu, die in die Öffentlichkeit hineinwirkten. So entwickelte der
GBI verschiedene Strategien, die Neugestaltungsplanungen öffentlich zu präsentieren
und mit seinem Namen zu verbinden, obgleich der Krieg vielen Planungen letztlich ein
klares Ende setzte.
Ausstellungen:
In der Vorkriegszeit fanden neben den ab 1937 immer in den Sommermonaten durchgeführten „Großen Deutschen Kunstausstellungen“ im Haus der deutschen Kunst in
München im Frühjahr 1938 und im Winter 1938/39 an gleicher Stelle die 1. und 2.
Deutsche Architektur- und Kunsthandwerks-Ausstellung statt, die beide von Hitler eröffnet wurden. Ein besonderer Schwerpunkt auf der zweiten Schau bildete die Neugestaltung Berlins. Dabei wurden die Bauten der Großen Halle und des Triumphbogens
nicht ausgestellt, sondern Modelle unter anderem vom Runden Platz, dem Oberkommando des Heeres oder der Neuen Reichskanzlei gezeigt.
In der Kriegszeit organisierte der GBI schließlich die Architekturausstellung „Neue
Deutsche Baukunst“, die zwischen Herbst 1940 und Herbst 1943 durch zehn verschiedene Städte tourte: Belgrad, Sofia, Budapest, Lissabon, Kopenhagen, Madrid, Barce16 Mit der für Speer wohl überraschenden Ernennung zum Rüstungsminister hörte diese Pressearbeit
hinsichtlich Speers als Architekt abrupt auf.
17 Bekannte Bauten: Haus der deutschen Kunst in München (erhalten), Neugestaltung des Königplatzes in München mit Führerbau (heute: Musikhochschule) und Verwaltungsbau der NSDAP (heute:
Haus der Kulturinstitute). Troost, 1878 geboren, starb im Januar 1934, was letztlich mit den Weg
für Speer und seinen Aufstieg bei Hitler frei machte.
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Postkarte 2. Architekturausstellung 1938-39 – Runder Platz
lona, Ankara, Istanbul und Izmir. Weitere geplante Ausstellungen in Bukarest und
Athen fielen kriegsbedingt aus. Zur Ausstellung veröffentlichte der GBI auch einen Katalog gleichen Titels, der zudem in mehreren zweisprachigen Versionen erschien (bulgarisch, ungarisch, griechisch, kroatisch, serbisch, rumänisch, portugiesisch, spanisch,
dänisch schwedisch und türkisch). Diese Ausstellungen wurden ebenfalls pressepublizistisch durch die GBI-Pressestelle begleitet bzw. die Berichterstattung mit Pressemitteilungen und -anweisungen beeinflusst.
Bücher:
Auch auf dem Gebiet der Bücherproduktion entwickelte der GBI eine rege Aktivität.
So gründete der GBI im Juni 1941 eine eigene „Verlagsgruppe Speer“, in der verschiedene Bücher bzw. Buchreihen erscheinen sollten. Tatsächlich veröffentlichte der GBI
zwischen 1939 und 1944 zehn Publikationen, so zum Beispiel ein opulentes, in mehreren Auflagen veröffentlichtes Buch über die Neue Reichskanzlei (1940)18, eine „Bauordnungslehre“ von Ernst Neufert (1943), aber auch zwei Künstlermonographien über
Speer selbst (1943) und Wilhelm Kreis (1944). Geplant waren große Veröffentlichungen über die gesamte Neugestaltung Berlins, das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg,
ein Handbuch „Das deutsche Theater“ sowie weitere Künstlermonographien beispielsweise zu berühmten Baumeistern der Vergangenheit wie Leo von Klenze oder David
Gilly.
18
Grundlage bildeten zwei „Baukunst“-Ausgaben vom Juli und September 1939, die hier in erweiterter Form als Buchmonographie herausgebracht wurden.
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Filme:
Ein weiteres mediales Betätigungsfeld Speers war auch der Dokumentarfilm. Ein erster
Schwerpunkt bildete dabei der Film „Das Wort aus Stein“ von 1938, worin die Neugestaltungsplanungen Berlin erstmals filmisch dargestellt wurden. Allerdings beschränkte
sich der Einblick auf die Bauvorhaben „Runder Platz“ und „Erweiterungsbau der
Reichskanzlei“, der später dann nur noch als „Neue Reichskanzlei“ bezeichnet wurde.
Ebenfalls im Jahr 1938 gab der GBI einen Auftrag an die Universum Film AG
(Ufa), einen weiteren Dokumentarfilm über die Neugestaltungsmaßnahmen zu drehen.
Allerdings kam es mitten im Produktionsprozess zu einem Wechsel der Filmfirma, denn
der GBI beauftragte im Mai 1940 die Leni-Riefenstahl-Film GmbH, den Film unter
Verwendung des bisher vorliegenden Materials weiterzudrehen. Der nie fertig gestellte
Film, der den Titel „Der Führer baut seine Reichshauptstadt“ tragen sollte, wurde
hauptsächlich von dem Bergfilmer Arnold Fanck gedreht, der beispielsweise Modellaufnahmen von der Großen Halle oder dem Gesamtmodell unter anderem im Filmatelier
im Reichstagsgebäude aufnahm. Parallel dazu waren noch Filme über die Reichskanzlei
und über Bunkerbauten geplant, die aber über erste Produktionsschritte nicht hinauskamen.
Abschließend stellt sich die Frage, welche Motivation des GBI für diese Öffentlichkeitsarbeit, die auch als Imagepolitik beschrieben werden kann, gegenüber den verschiedenen Medien vorherrschend war. So lässt sich feststellen, dass sie maßgeblich durch jene
Vorstellung Speers gespeist war, sich mit den auf „ewig“ angelegten Bauten letztlich in
die Weltbaugeschichte einschreiben zu wollen und diesen Anspruch durch publizistische
und andere mediale Zeugnisse breit zu dokumentieren. Nur so ist zu verstehen, warum
Speer zu einem „zweiten Schinkel“ avancieren wollte und sich als solcher verstand. Es
lässt sich außerdem die These aufstellen, dass Speer mit seiner Kommunikationsfähigkeit, seinem Organisationstalent, seinem Ehrgeiz und seinem Machtwillen als Rüstungsminister jene Energie für die Verwirklichung des „Endsiegs“ auch deshalb freisetzte, um
eines zu erreichen: die Realisierung der geplanten Großbauten. Sie blieben allerdings
nur Phantasien auf Papier, während am Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 nicht nur
Deutschland und andere europäische Staaten darniederlagen, sondern mit dem Holocaust, dem Völkermord an den europäischen Juden als schrecklichstes Verbrechen der
Menschheitsgeschichte ein nachhaltiges Erbe dieses „Ringens um den Weltpokal“ (Hitler) blieb.