Einholung anwaltlichen Rates verletzt nicht die

Einholung anwaltlichen Rates verletzt
nicht die Verschwiegenheitspflicht
Oder: Ausübung des eigenen Amtes steht im Vordergrund
von Rechtsanwalt Patrick R. Nessler, St. Ingbert*
Im Vereinsrecht ist auch ohne konkrete gesetzliche Regelung anerkannt, dass ein Vorstandsmitglied über Vorgänge, die es in seiner amtlichen Eigenschaft erfahren hat und die nicht vereins- oder allgemeinkundig sind, Stillschweigen zu bewahren hat
(OLG München, Urt. 21.01.2002, Az. 17 U 4653/01; Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, 12.
Aufl. 2010, Rn. 3698; Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 19. Aufl. 2010, Rn.
285; Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, 10. Aufl. 2012, Rn. 469). Gleiches gilt entsprechend auch für andere Vereinsorgane (z. B. Aufsichtsräte). Erst Recht gilt diese Verschwiegenheitspflicht, wenn sie in der Satzung oder einer für dieses Vereinsorgan verbindlichen Vereinsordnung angeordnet wird.
In der Praxis gibt es immer wieder Streit über die Frage, wie weit diese Verschwiegenheitspflicht geht.
Das Landgericht (LG) Essen (Urt. v. 13.08.2015, Az. 3 O 213/15) hatte nun über einen Fall zu
entscheiden, in dem ein Mitglied eines Vereinsaufsichtsrates eine nach seiner Ansicht rechtswidrige Vorgehensweise des Aufsichtsrates hat von einem Rechtsanwalt prüfen lassen. Die
Antwort des Rechtsanwalts, welch die Rechtswidrigkeit tatsächlich bestätigte, hat das Aufsichtsratsmitglied dann an die Mitglieder des Aufsichtsrates und den Vorstand verschickt. Das
sah der Ehrenrat des Vereins als „krasse“ Verletzung der in der Geschäftsordnung enthaltenen
Verschwiegenheitspflicht an und enthob das Aufsichtsratsmitglied seines Amtes, wogegen
sich dieses vor Gericht wehrte.
Das LG Essen stufte die Entscheidung des Ehrenrates als unwirksam ein, weil entgegen der
Ansicht des Ehrenrates keine Pflichtverletzung durch das Aufsichtsratsmitglied gegeben war.
Nach Ansicht des LG Essen sind mit der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht von
Mitgliedern von Vereinsorganen Indiskretionen von Vereinsinterna an beliebige Dritte gemeint,
aber nicht die Weitergabe von Vereinsinterna an einen zur Verschwiegenheit verpflichteten
Rechtsanwalt für eine Beratung eines Vereinsorganmitglieds zur sachgerechten
Amtsausübung.
Das LG Essen führt weiter aus, dass auch wenn die Vereinssatzung regelt, dass das
Vereinsorgan selbst per Mehrheitsbeschluss gesetzlich zur Berufsverschwiegenheit
verpflichtete Personen mit der Vorbereitung von Beschlüssen, der Kontrolle und Durchführung
von Beschlüssen beauftragen kann, das nicht ausschließen soll, dass ein Orgnamitglied
vorher in Zweifelsfragen auf eigene Kosten Rat durch gesetzlich zur Berufsverschwiegenheit
-2verpflichtete Personen einholen darf. Die vorgenannte Satzungsregelung sage nur aus, dass
wenn solche Fragen im Vereinsorgan nicht geklärt werden können von diesem nach
entsprechender Absprache eine solche Leistung eingeholt werden kann.
Fazit:
Es stellt keinen Pflichtenverstoß eines Mitgliedes eines Vereinsorgans dar, wenn es sich selbst
durch einen Rechtsanwalt oder auch Steuerberater zu seine eigene Amtsführung betreffenden
Fragen beraten lässt. Dies gilt selbst dann, wenn dazu Vereinsinterna an Rechtsanwalt oder
Steuerberater weitergegeben werden müssen, weil diese selbst einer unter Strafandrohung
stehenden Verschwiegenheitspflicht unterliegen.
*) Rechtsanwalt Patrick R. Nessler ist Inhaber der RKPN.de-Rechtsanwaltskanzlei Patrick R. Nessler, St. Ingbert.
Er ist tätig auf den Gebieten des Vereins-, Verbands- und Stiftungsrechts, des Gemeinnützigkeitsrechts sowie des
Kleingartenrechts. Außerdem unterrichtet er als Rechtsdozent an verschiedenen Akademien und für eine ganze
Reihe von Organisationen.
Rechtsanwalt Nessler ist Justiziar des Landessportverbandes für das Saarland und ehrenamtlich tätig in verschiedenen Gremien des Deutschen Betriebssportverbandes. Seit 2004 ist er bereits dessen Generalsekretär. Darüber
hinaus ist er der Fach-Experte für Rechtsfragen bei der Landesarbeitsgemeinschaft Pro Ehrenamt, Mitglied der
Arbeitsgruppe Recht des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde und Verbandsanwalt des Landesverbandes
Saarland der Kleingärtner, Mitglied der Kommission „Finanzen“ des Bundesverbandes Deutsche Tafel e.V., Mitglied
des Ausschusses „Recht und Satzung“ des Landessportverbandes Berlin e.V. u.a.
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