100 Jahre Dada – Auguste Bolte und andere Ungereimtheiten Dada ist in diesem Jahr in aller Munde: vor 100 Jahren wurde diese provozierende Kunstbewegung in Zürich ins Leben gerufen. Von dort breitete sie sich in die Welt aus, auch nach Hannover. Hier schuf Kurt Schwitters seine eigene Variante der Dada-Bewegung: Die Merz-Kunst: „O Mensch du hast ja keinen Dunst, Merz ist die konsequente Kunst.“ Ob Straßenbahnfahrkarten, Buchstaben, Farben, Töne, Klötzchen - „gebe schlicht und einfach Rhythmus mit jedem beliebigen Material“ – und es ist Kunst. So schuf Schwitters ein breitgefächertes Oeuvre: Collagen, Lyrik und Prosa, Ölbilder und Drucke, Skulpturen – sein Gesamtkunstwerk „Der Merzbau“ in seiner Wohnung in Hannover wurde im 2. Weltkrieg zerbombt. Ein Nachbau ist im Sprengel Museum Hannover zu sehen. Auch in seinen Gedichten und Prosatexten wendet er die Collagentechnik. Hinter diesem spielerischen Ansatz verbirgt sich Schwitters gesellschaftskritische Haltung. So stellt er in der Novelle „Auguste Bolte“ die Möglichkeit menschlicher Erkenntnis in Frage. Auguste Bolte ist ein alterloses Mädchen, das mit messerscharfem Verstand das unerhörte Ereignis, dass 10 Personen in ein und dieselbe Richtung gehen und sich dann in „zwei Volksgruppen zu je 5 Personen teilen“, praktisch und zugleich wissenschaftlich zu untersuchen versucht. Und zwar mit der Fräulein-Auguste-Taktik: der Digitalisierung. Aber wird die binäre Entscheidungslogik – also die Zweiteilung der Wirklichkeit – am System Leben scheitern? Wird Auguste ihre Doktorarbeit an der Hochschule des Lebens bestehen und ihren Dr. Leb bekommen? Oder werden unheimliche Reime sie ersticken, wird sie gar in eine Metrik eingeleimt? Dass diese Novelle seit ihrem Erscheinen 1923 nichts von ihrer ihrer Aktualität, ihrer Skurrilität und ihrem Witz eingebüßt hat, zeigt die Aufführung von Angelika Meyer (Sprecherin) und Ray Kaczynski (Percussion). Flankiert wird „Auguste Bolte“ von Gedichten und Dialogen Kurt Schwitters (z.B. „Kleines Gedicht für große Stotterer“) und dem dadaistisch anmutenden Stück „Penny“ von Ray Kaczynski. Raymond Kaczynski (Berlin), geboren in Detroit/USA, studierte Percussion und Komposition an der Central Michigan University und an der University Wisconsin-Madison. Von 1987 – 1993 war er Komponist und Musiker an der Wesleyan University (Connecticut, USA). Konzerttourneen führten ihn nach Indien, USA, Russland, Nordafrika und Europa. Er tritt mit vielen international bekannten Künstlern und Ensembles auf (u.a. Doc Cheatham, Roswell Rudd, Richard Davis und David Murray, Yu Wei und dem Zeitkratzer Ensemble). Seine musikalische Spannbreite reicht von traditioneller indischer Musik über Jazz, Folk bis zu zeitgenössischer Musik. Kaczynski wird diese Lesung mit seinem selbst entwickelten Percussion-Instrument „IT“ (Intelligenz Test) begleiten: mit elektronisch verstärkten Gewindestangen, Messingspiralen und Stahlfedern lassen sich vielfältige Klänge, Geräusche und Töne erzeugen, die die Texte von Schwitters nicht nur untermalen, sondern eine weitere Dimension geben. http://www.xray-k.com Angelika Meyer (Ulm), Sprecherin und Stimmkünstlerin, in Hannover geboren und aufgewachsen, studierte an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart. Unter der Leitung von Prof. Hanna Liska-Aurbacher wirkte sie in mehreren zeitgenössischen Musiktheaterwerken (z.B. von John Cage, Dieter Schnebel, Hans Wüthrich) mit. Workshops bei Ruedi Häussermann, Georges Aperghis und Lauren Newton folgten. Beim Düsseldorfer Festival für Neue Musik „Aber die Spra...“ 2006 führte sie als deutsche Erstaufführung die Werke Secret Songs und Counting Languages von Tom Johnson (Paris) auf. In Folge veranstaltete sie Festivals und Konzerte mit Johnsons Musik in Ulm, Dortmund und Paris. Seit 2008 tritt sie mit dem international renommierten Ensemble für experimentelle Literatur EXVOCO (Stuttgart) auf. Ihr Repertoire reicht von klassischer Literatur bis zur Lautpoesie, Improvisation und zeitgenössischer Musik. www.sprechstimmkunst.de 27.2.2016, 21:00 Uhr (bis ca. 22:30 Uhr) im Musikatelier der vh Ulm, Kornhausplatz, 8/10 Euro
© Copyright 2025 ExpyDoc