NQ 16.04.2016

SÜDWESTUMSCHAU
Samstag, 16. April 2016
NOTIZEN
Imker werben
für Blütenvielfalt
Tödliches Überholen
Riedlingen. Bei einem Überholmanö-
ver auf der B 312 zwischen Riedlingen
und Biberach sind zwei Menschen gestorben, drei weitere wurden schwer
verletzt. Wie die Polizei mitteilte,
hatte ein 31-Jähriger gestern ein anderes Auto überholt. Er streifte erst ein
entgegenkommendes Auto, dann
stieß er mit einem weiteren frontal zusammen. Der Unfallverursacher und
ein 18-Jähriger wurden tödlich verletzt. Zwei Mitfahrer des 18-Jährigen
verletzten sich schwer, ebenso wie die
50 Jahre alte Fahrerin des zuerst touchierten Fahrzeugs. Die Straße war
mehrere Stunden lang gesperrt.
Tatwaffe war legal
Esslingen. Nach einer tödlichen Beziehungstat in Esslingen ist die Herkunft der mutmaßlichen Tatwaffe geklärt. Der Revolver stamme aus dem
Besitz des toten 47-Jährigen, der diesen als Jäger legal besaß, wie die Polizei mitteilte. Der 47-Jährige und seine
38 Jahre alte Lebensgefährtin waren
am Donnerstag vom Sohn der Frau tot
gefunden worden. Die Ermittler gingen bislang von einer Beziehungstat
mit anschließendem Suizid aus. Die
Auswertung der Spuren dauere an.
Überfall auf Juwelier
Offenburg. Weil ihm ein Passant ein
Bein gestellt hat, ist ein mutmaßlicher
Räuber den Beamten ins Netz gegangen. Wie die Polizei mitteilte, hatten
drei Männer einen Juwelier in Offenburg ausgeraubt und dabei Uhren
und Schmuck erbeutet. Ein Passant bemerkte die flüchtenden Räuber und
stellte einem ein Bein. Die Polizei
konnte den mutmaßlichen Täter dadurch schnappen. Den anderen gelang die Flucht zu Fuß. Die drei Fahrräder, mit denen die Räuber gekommen
waren, stellte die Polizei sicher.
Polizei meldet 30 Hinweise
Bietigheim-Bissingen. Im Fall der
tödlichen Schüsse auf den Betreiber einer Kampfsportschule in BietigheimBissingen (Kreis Ludwigsburg) liegen
der Polizei rund 30 Hinweise vor. Ob
eine entscheidende Spur darunter ist,
lasse sich noch nicht sagen, so eine Polizeisprecherin. Die 45-köpfige Soko
ermittle im Umfeld des 35-Jährigen.
Auf ihn war am Dienstagabend geschossen worden. Nachbarn fanden
das Opfer nahe seines Wohnhauses.
Scharf auf alte Schuhe
Stuttgart. Wer klaut tonnenweise
alte Schuhe? Das fragt sich die Stuttgarter Polizei nach dem Einbruch in
die Lagerhalle einer Altkleiderfirma.
Einbrecher brachen das Schloss des
Stahltors auf, deckten Überwachungskameras ab und nahmen aus dem
Büro auch noch das Aufzeichnungsgerät mit. In der Halle stahlen sie drei bis
vier Tonnen gebrauchte Schuhe im
Wert von geschätzt 4000 Euro.
Imker Roland Kälble kontrolliert bei Ebringen im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald die Waben seiner Bienen. Weil die Tiere in
den monton gewordenen Gärten und Landschaften immer weniger Nahrung finden, werden jetzt Saatgutmischungen gratis
Foto: dpa
verteilt. Sie sollen Blütenvielfalt in die Gärten bringen.
Freiburg. Imker, Gärtner und Naturschützer in Baden-Württemberg
und Rheinland-Pfalz wollen den Honigbienen neue Nahrung geben
und verteilen dazu mehr als 100 000
kostenlose
Saatgutmischungen.
Der Bienen-Bestand in beiden Bundesländern sei in den letzten 60 Jahren um mehr als zwei Drittel zurückgegangen, sagte eine Sprecherin
des Deutschen Imkerbundes. Ein
Grund sei die geringer werdende
Blütenvielfalt. Das bringe die Bienen um ihre Lebensgrundlage. Initiiert wurde die Aktion vom Südwestrundfunk.
Monokulturen, der Einsatz von
Giftstoffen in der Landwirtschaft
und der Wegfall klassischer Streuobst- und Blumenwiesen machten
den Bienen das Leben schwer, sagte
Gartenexpertin Heike Boomgarden.
Hinzu komme der Trend zu Gärten
mit englischem Rasen, Steinen oder
dekorativen Gartenpflanzen. Die
seien für Bienen ungeeignet. dpa
Erste Einigungen in der Bildung
Koalitionsverhandlungen: Gemeinschafts- und Realschulen aufwerten
Die schwarz-grünen Spitzen
melden von den Koalitionsverhandlungen erste Ergebnisse:
Bis zu zehn Gemeinschaftsschulen sollen eine Oberstufe anbieten, die Realschulen erhalten
zusätzliche Poolstunden.
ROLAND MUSCHEL
Stuttgart. Schon am Freitagnachmittag stellten die ersten grüne wie
schwarze Teilnehmer der verschiedenen Arbeitsgruppen (AG) der Koalitionäre in spe Gruppenfotos ins
Netz. „Wir haben in einem angenehmen persönlichen Miteinander und
konstruktiven Klima hart gerungen
und viel erreicht“, schrieb die grüne
Verhandlungsführerin der AG Bildung, Thekla Walker, auf „Facebook“ unter ein Foto, das die grünen und schwarzen Bildungsexperten fröhlich vereint zeigt. Auf einem
anderen Bild steht Walker, die auch
grüne Landeschefin ist, einträchtig
neben dem CDU-Politiker Karl-Wilhelm Röhm. Der CDU-Fraktionsvize war einmal Walkers EnglischLehrer und hat nun mit ihr über
Schulthemen verhandelt – und ist
wohl bald ihr Partner in einer grünschwarzen Landesregierung.
Seit zehn Tagen beraten Grüne
und CDU über die Inhalte eines Koalitionsvertrags. Acht der neun Arbeitsgruppen haben ihre Arbeit inzwischen beendet. Vieles ist geklärt,
aber nicht alles – und Letzteres liegt
nicht nur daran, dass bis zuletzt alles noch unter Finanzierungsvorbehalt steht. Es gibt nämlich eine längere „Dissensliste“, die die Spitzenkräfte beider Seiten in den nächsten
Tagen abarbeiten sollen. Der Kostendeckel für Stuttgart 21 steht etwa
auf der Liste der Punkte, bei denen
sich die Fachpolitiker nicht einigen
konnten, die AG Verkehr ist denn
auch die einzige, die ihre Fachgespräche nicht abgeschlossen hat.
Aber der Ausbau der Windkraft und
das Jagdgesetz stehen ebenfalls auf
der Dissensliste – und noch einiges
mehr.
Aber es soll eigentlich erst einmal
um das Gemeinsame gehen, die positiven Botschaften. Als Winfried
Kretschmann (Grüne) und Thomas
Strobl (CDU) am Freitagabend gegen 19.10 Uhr nach der Sitzung der
großen Verhandlungsrunde, die soeben die Ergebnisse der neun Arbeitsgruppen gesichtet hat, vor die
Presse treten, verkünden sie die ersten Beschlüsse. Beispiel Innenpolitik: Die von der CDU geforderte
Kennzeichnungspflicht für Polizisten kommt nicht, der von ihr zunächst abgelehnte Bürgerbeauftragte schon. Bei der Polizei sollen
bis zu 1500 neue Stellen geschaffen
werden, das Ganze steht aber noch
unter Finanzierungsvorbehalt. Die
Schulterkameras für die Polizei sollen ebenfalls kommen. Heißt es jedenfalls aus Verhandlungskreisen.
Kretschmann und Strobl sagen
dazu erst einmal nichts.
Auch in der Bildungspolitik verraten sie keine Details, deuten aber
an, dass es zu einem Schulfrieden
kommen könnte. Nach Informationen dieser Zeitung sind die Details
schon weitgehend ausverhandelt:
Die Realschulen, für die sich die
SPD für Ministerium
Warnung Vor einer zwischen Grünen und
CDU in den Koalitionsgesprächen diskutierten Abschaffung des 2011 neu geschaffenen Integrationsministeriums warnen die
SPD-Fraktionsvorsitzenden von Stuttgart,
Karlsruhe und Mannheim, den drei größten Städten im Land. „Das Integrationsministerium ist eine große Errungenschaft
der grün-roten Landesregierung. Die Grünen machen einen schweren Fehler, wenn
sie das Integrationsministerium in einer Koalition mit der CDU opfern“, sagten die
Fraktionschefs Martin Körner (Stuttgart),
Parsa Marvi (Karlsruhe) und Ralf Eisenhauer (Mannheim) der SÜDWEST PRESSE.
Gerade die Städte würden durch eine Abschaffung des Integrationsressorts „von
der Landesregierung im Stich gelassen“,
sagte Körner. Mit dem Ministerium sei erstmals eine eigenständige Integrationspolitik im Land möglich, warb Mavi für den Erhalt des Status quo. Wer es abschaffe, falle
„in längst überwunden geglaubte CDU-Zeiten vor 2011 zurück. Das können die Grünen nicht wirklich wollen.“
rol
CDU stark macht, sollen durch zusätzliche Poolstunden gestärkt werden. Im Gegenzug können bis zu
zehn der von den Grünen geförderten Gemeinschaftsschulen eine
Oberstufe und damit den Weg zum
Abitur anbieten, zudem können weiter neue Standorte für die im Wahlkampf stark umstrittene Schulart genehmigt werden. Aber über allem
schwebt das von Strobl mantrahaft
verkündete Verdikt, dass nichts beschlossen sei, solange nicht alles beschlossen sei. Angesichts des engen
finanziellen Rahmens werde das
Schwierigste sein, am Ende die Prioritäten zu setzen, meint auch
Kretschmann.
Die schwierigen Brocken haben
Kretschmann, Strobl & Co. noch vor
sich. Noch Freitagabend, im Anschluss an das Pressestatement, gingen die Kernteams gemeinsam essen. Ab Dienstag soll täglich verhandelt werden, bis Ende April soll das
Vertragswerk stehen. Dass Konfliktpunkte nicht auf die Schnelle abgeräumt werden können, haben
schon – allen Gruppenfotos zum
Trotz – die oft langwierigen Vorarbeiten in den AGs gezeigt. Bezeichnend etwa eine Facebook-Meldung
des CDU-Abgeordneten Bernhard
Lasotta aus der AG Integration, in
der der Grünen-Abgeordnete Daniel Lede Abal auf der Gegenseite
mitverhandelt hat: „Jetzt langt es.
14 Stunden mit Lede-Abal verhandelt. Gute Nacht.“
„Kein rechtsextremer Hintergrund“
Verteidiger verneint politische Gründe für Brandanschlag auf ein Asylheim im Enzkreis
Nach der Anklageverlesung
war der erste Verhandlungstag
schon fast zuende: Bei dem Prozess um einen Brandanschlag
sagt der Angeklagte nichts.
Pforzheim. Minutenlang verdeckte
der Angeklagte mit einem Ordner
sein Gesicht, bis ein halbes Dutzend Fotografen und Fernsehleute
ihre Bilder im Kasten hatten. Dann
begann in Pforzheim der Prozess
um den Brandanschlag auf die geplante Flüchtlingsunterkunft in
Remchingen (Enzkreis). Der Staatsanwalt las eilig die Anklagepunkte
vor, aber nach wenigen Minuten
war der erste Verhandlungstag
schon beendet. Der 42 Jahre alte Angeklagte äußerte sich zum Prozessauftakt nicht.
Der angeklagte Familienvater
und gelernte Kfz-Mechaniker soll
im Juli vergangenen Jahres Feuer in
dem leer stehenden früheren Vereinsheim gelegt haben (Az.: Kls 93
Js 9779/15). Es hätte ein Zuhause
für vier bis fünf Flüchtlingsfamilien
werden sollen. Es muss jetzt abgerissen werden. Verletzt wurde bei dem
Brand niemand.
„Ein rechtsextremer Hintergrund
ist nicht der Fall“, sagte der Verteidiger am Rande des Prozesses. Was ansonsten die Motive gewesen sein
könnten, dazu schwieg er.
Der Prozessauftakt fand unter Sicherheitsvorkehrungen statt, weil
die Polizei offenbar Demonstranten
von rechter oder linker Seite nicht
ausschloss. Zu Störungen kam es
aber nicht.
Sieben weitere Termine sind laut
Verteidigung bis zum 8. Juni mit
mehr als 100 Zeugen bislang angesetzt, darunter Ermittler und Gutachter. Nach den Worten des Anwal-
tes könnte der gesamte Prozess
aber schneller zu Ende sein. Sein
Mandant werde wohl umfassend zu
den Vorwürfen Stellung nehmen –
je nachdem, wie vor dem nächsten
Prozesstag ein Gespräch am kom-
menden Montag zwischen Gericht,
Verteidigung und Staatsanwaltschaft ende.
Der mutmaßliche Brandstifter
soll einen Rollladen an dem geplanten Asylheim hochgeschoben, eine
Das frühere Vereinsheim der Motorradfreunde, in dem Flüchtlinge untergebracht
Foto: Hans Georg Frank
werden sollten, wird nach dem Brand abgebrochen.
Scheibe eingeschlagen haben und
in das Gebäude eingedrungen sein,
um mit Grillanzünder ein Feuer zu
legen. Das erste Obergeschoss und
das Dachgeschoss brannten aus. Es
entstand ein Schaden von rund
70 000 Euro.
Der Mann, der im Oktober festgenommen wurde, hat bislang die Tat
bestritten. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft weisen aber zahlreiche
Indizien und DNA-Spuren vom Tatort auf ihn hin. Auch hatte die Polizei bei einer Durchsuchung seiner
Wohnung Beweismittel sichergestellt. Der Mann ist vorbestraft, allerdings nicht wegen Brandstiftung
oder rechtsextremistischer Umtriebe. Ihm wird neben der Remchinger Brandstiftung im gleichen
Verfahren auch eine im Januar 2015
zur Last gelegt: Er soll im Ortenaukreis einen Bäckerei-Container angezündet haben. Das gab er zu. dpa