Südtiroler Wirtschaft — 13 Südtiroler Wirtschaftszeitung — Nr. 8 | 16 — Freitag, 26. Februar 2016 Südtiroler Wirtschaftsforum – Christina Scholochow hat sich als Unternehmerin für Innsbruck und gegen das Silicon Valley entschieden Die Provinz, die keine ist Wenn qualifizierte Mitarbeiter vorhanden sind, ist es kein Nachteil, von der vermeintlichen Provinz aus international zu operieren, sagt die IT-Unternehmerin Christina Scholochow. Allerdings sei der Flughafen Gold wert. Kann eine IT-Unternehmerin wie Scholochow auch mal offline gehen? SWZ: Frau Scholochow, was hat Innsbruck, was das Silicon Valley nicht hat? Christina Scholochow: Sie spielen darauf an, dass mein Ehemann und ich unser Unternehmen in Innsbruck und nicht im Silicon Valley gegründet haben, als wir zwischen beiden Standorten hin- und herpendelten? • Info Das ist Christina Scholochow Genau. Es ist ja ziemlich ungewöhnlich, wenn sich jemand vom pulsierenden „Tal der Gründer“ in die Provinz zurückzieht. Innsbruck ist unsere Heimat, und wir kannten in Innsbruck gute Leute, die als Mitarbeiter in Frage kamen. Im Silicon Valley ist der Kampf um tüchtige Entwickler viel härter, da konkurriert man als kleines, neues Unternehmen mit Größen wie Google, Facebook und Apple. Wir merken, dass es unsere Mitarbeiter schätzen, von Innsbruck aus an spannenden internationalen Projekten zu arbeiten, ohne von zu Hause wegziehen zu müssen. Wenn ein Unternehmen durch seine internationale Ausrichtung ein attraktiver Arbeitgeber ist, wirkt es sich nicht nachteilig aus, den Sitz in Tirol oder Südtirol zu haben. Die gebürtige Innsbruckerin Christina Scholochow führt gemeinsam mit ihrem Ehemann in Innsbruck das Unternehmen mohemian mit zwölf Mitarbeitern. mohemian agiert als „TechRisikokapitalgeber“ und Business Angel und investiert Technologie in Start-ups mit mobilem Fokus, sprich Apps, in einer frühen Entwicklungsphase. Der eigentliche Startschuss für die Geschäftsidee erfolgte im kalifornischen Silicon Valley, wohin es Scholochow und ihren Ehemann auf Anraten eines Bekannten zog und wo in der Start-up-Szene Kontakte geknüpft wurden. Zunächst pendelten die Jungunternehmer zwei Jahre lang geschäftlich zwischen San Francisco und Innsbruck. Doch als es darum ging, ein Team zu formen, taten sie dies erstaunlicherweise nicht im „Tal der Gründer“, sondern in Innsbruck. Auch von Innsbruck aus lässt sich hervorragend international arbeiten, sagt Scholochow. Scholochow ist nach wie vor regelmäßig im Silicon Valley. Die ermutigende Botschaft Ihres Unternehmens mohemian ist ja, dass sich dank moderner Technologien überall auf der Welt internationale Aufträge abwickeln lassen. Voraussetzung sind nur qualifizierte Mitarbeiter, oder? Qualifizierte Mitarbeiter sind immer einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren. Entscheidend ist aber auch, den Blick über die Grenzen hinauszurichten. Junge Firmen fokussieren sich viel zu oft auf ihren Heimmarkt. Darf behauptet werden, dass gerade das Internet und die damit verbundenen Technologien es leichter machen als je zuvor, überall auf der Welt – auch in der vermeintlichen Provinz – kleine Exzellenzzentren mit internationaler Strahlkraft entstehen zu lassen? Grundsätzlich ja. Das Internet eröffnet auch kleinen Unternehmen die Chance, sich international zu präsentieren und zu positionieren – und zwar mit einem überschaubaren Budget. Gleichzeitig schafft das Internet einen stärkeren Wettbewerb. Man muss also besser denn je sein, um im Konkurrenzkampf mithalten zu können. Wenn diese Voraussetzung gegeben ist, dann macht es keinen Unterschied, ob man den Sitz in Innsbruck oder im Silicon Valley hat. In Südtirol tobt ein Glaubenskrieg über Sinn und Unsinn eines Flugplatzausbaus. Südtirol sei doch über Innsbruck und Verona erreichbar, sagen die Gegner. Wie wichtig ist für Sie und Ihr Unternehmen der Flughafen vor der Haustüre? Wir arbeiten in einer sehr schnelllebigen Branche, und vieles lässt sich per Skype oder Videokonferenz abklären. Ist der Wirtschaftsstandort Tirol – oder sagen wir Mitteleuropa, um auch gleich Südtirol mit hineinzunehmen – besser als sein Ruf? Ich kann nur für Österreich sprechen. Abgesehen von den Lohnkosten sind die Bedingungen für Jungunternehmer ziemlich gut, auch weil wir ein hohes Bildungsniveau haben. Nachteilig wirkt sich ab einem gewissen Reifegrad des Unternehmens aus, dass in Europa das Risikokapital fehlt. Da braucht es meines Erachtens noch mehr Unterstützung vonseiten der Politik. Inwiefern? Es ist für Privatinvestoren aus steuerlicher Sicht aktuell wenig attraktiv, in Start-ups zu investieren. Ist nicht insgesamt das Klima in den USA unternehmerfreundlicher als in Europa? In den USA wird ein Scheitern nicht gleich als Versagen abgestempelt. Ja, sicher. Es gibt unterschiedliche Ansichten zum Scheitern. Ich stelle aber fest, dass sich die Stimmung – richtigerweise – auch in Europa langsam wandelt. Jungunternehmer sollten nicht unnötig gehemmt werden, wenn sie neue Dinge ausprobieren möchten. Ihr Unternehmen ist vor allem in der Entwicklung mobiler Applikationen tätig. Jeden Tag kommen unzählige neue Apps auf den Markt. Sind wir aus Ihrer Sicht erst am Anfang einer Entwicklung, oder ist bereits eine gewisse Marktsättigung erreicht? Es wurde in den vergangenen Jahren sehr viel ausprobiert. Nur ein sehr kleiner Prozentsatz dieser Apps ist wirtschaftlich rentabel. Aber um langfristig erfolgreich zu sein, ist ein dahinterstehendes Geschäftsmodell notwendig. Ich denke, dass viele dieser „MarketingApps“ ohne echten Mehrwert wieder verschwinden werden. Mit mohemian investieren wir in Start-ups mit mobi- Das Internet eröffnet auch kleinen Unternehmen die Chance, sich international zu präsentieren. Gleichzeitig schafft es einen stärkeren Wettbewerb. • Info Südtiroler Wirtschaftsforum 2016 am 11. März Das Südtiroler Wirtschaftsforum ist zu einem beliebten Treffpunkt für Unternehmer, Führungskräfte und Entscheider geworden. Im vergangenen Jahr zählte das Forum knapp 350 Teilnehmer. Die zwölfte Auflage geht am Freitagnachmittag, 11. März, im Forum Brixen über die Bühne. Veranstalter sind das Management Center Innsbruck (MCI), Business Bestseller, Südstern und der Unternehmerverband Südtirol (UVS). Die SWZ ist Medienpartner. Das Programm 13.00 Uhr Come together 14.00 Uhr A rno Kompatscher, Lan- deshauptmann: Begrüßung 14.15 Uhr Paolo Pininfarina, Präsident Pininfarina spa: Wenn alles bleiben soll, wie es ist, muss sich alles ändern 15.00 UhrHermann Hauser, Risikokapital-Unternehmer: Forschung, Technologie & Gründung am Beispiel Cambridge & Silicon Fen 15.45 Uhr Kommunikationspause 16.15 UhrElmar Mair, Leiter Autonomous Driving bei Atieva, Menlo Park (USA): Was wir aus dem Silicon Valley lernen können. Und was nicht. 16.50 UhrRichard Piock, Präsident Durst Phototechnik: Innovation gestaltet Zukunft – Warum wir unser Land neu erfinden müssen und was es dazu braucht. 17.25 UhrChristina Scholochow, Gründerin und Business Angel, mohemian: Wie man auch als kleines Start-up-Unternehmen international reüssieren kann 18.00 UhrGeselliger Ausklang mit Buffet Moderation: Christian Pfeifer, SWZ Informationen: Anmeldungen unter www.wirtschaftsforum.it. Der Ticketpreis beträgt 240 Euro plus MwSt. Vergünstigungen gibt es bei Mehrfachanmeldungen (ab drei Tickets 160 Euro plus MwSt). Südtiroler Wirtschaftsforum 2016 Forum Brixen, am 11. März 2016 Für Kunden der Sparkasse 10% Ermäßigung auf den Ticketpreis. Bei Buchung bitte Vorteilscode „swf*16“ angeben. ®© Alle Rechte vorbehalten/Riproduzione riservata Nichtsdestotrotz sind persönliche Kontakte unerlässlich. Uns war von allem Anfang an klar, dass wir viel reisen müssen, wenn wir von Innsbruck aus operieren wollen. Wir sind regelmäßig in San Francisco, zirka alle zwei Wochen für einen Tag auch in Zürich und Wien. Von daher schätzen wir den Flughafen vor der Haustüre sehr. MAIN SPONSOR lem Fokus und konzentrieren uns dabei ausschließlich auf Apps, die dem Nutzer einen Mehrwert bieten und mit denen sich folglich – direkt oder indirekt – Geld verdienen lässt. In diesem Bereich gibt es noch viel Potenzial. Wie halten Sie es als IT-Unternehmerin mit dem Online-Konsum? Können Sie sich einen Tag lang völlig ausklinken und offline gehen? Das ist tatsächlich eher schwierig. Wir arbeiten in erster Linie mit Start-ups zusammen, die von Natur aus eine sehr hohe Agilität mit sich bringen. Zweitens läuft unser aktuell größtes Projekt in den USA, womit sich unser Arbeitstag weit in den Abend hineinzieht. Ausklinken funktioniert nur im Urlaub. Und da funktioniert es? Ja. Und das genieße ich. Interview: Christian Pfeifer
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