Freies Wort 28.10.2015 „Lichtblick“ geht vorfristig an den Start Zwei

Freies Wort
28.10.2015
„Lichtblick“ geht vorfristig an den Start
Zwei Monate früher als geplant sollen minderjährige Flüchtlinge in Schleusingen ihr Domizil im
Alumnat beziehen, das seinen künftigen Namen „Lichtblick“ mit einem guten Konzept gerecht
werden will.
Von Regina Haubold
Hildburghausen – Kai Michaelis, Geschäftsführer des Hildburghäuser Bildungszentrums (HBZ),
wähnte sich Mitte September zumindest zeitlich noch in einer recht komfortablen Position. Damals
wurde eine Kooperationsgemeinschaft dreier Partner aus der Taufe gehoben, die sich der
unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlinge annehmen wird. Das HBZ ist neben der Rehastiftung
Thüringer Wald und der Diakonie Henneberger Land einer der Bieter, die den Zuschlag erhalten
haben, eine Unterkunft für 30 minderjährige Flüchtlinge zu etablieren und zu betreiben. Ab
1.Januar, so der Plan, sollte das Alumnat in Schleusingen-bislang in Regie des dortigen
Gymnasium- Fördervereines und nur spärlich ausgelastet – als neues Domizil für unbegleitete
Asylsuchende aufnahmebereit sein.
Die ersten sechs
Doch unterdessen überholt die Realität den Zeitplan, denn sechs Jugendliche Flüchtlinge unter 18
Jahren sind „früher als erwartet“, wie Michaelis erklärt, bereits vorvergangene Woche im Kreis
angekommen. Sie kommen aus Afghanistan und Pakistan und wurden – quasi als Notunterkunft –
einstweilen im Wohnheim des HBZ untergebracht. Es sind Jugendliche, die ohne Familie unterwegs
waren und einen langen Fluchtweg hinter sich haben. Zurzeit sind es sechs. Doch bei dem
Verteilerschlüssel von 30 unbegleiteten Flüchtlingen für den Landkreis wird es vermutlich nicht
bleiben, schätzt Michaelis. Daher sollen die Räume des Alumnats schon ab Anfang November
genutzt werden. Die Einrichtung, die ursprünglich als Wohnheim für auswärtige Schüler des
Hennebergischen Gymnasiums Georg Ernst geplant war und für die eine Betriebserlaubnis als
Wohnheim vorliegt, soll künftig unter dem Namen „Haus Lichtblick“ firmieren. In den drei Jahren
seines Bestehens sei das Alumnat mangels Nachfragen potenzieller Gymnasiasten ohnedies
zweckentfremdet genutzt worden, heißt es. Die sechs jungen Leute aus dem mittleren Osten
werden die ersten Bewohner sein. Insgesamt, so das Konzept, sollen zunächst zwei Wohngruppen
mit jeweils zehn Jugendlichen untergebracht werden. Der weitere Ausbau sieht vor, dass zum
Jahreswechsel 30 jugendliche, alleinreisende Flüchtlingen eine Unterkunft finden. „So wird das
Haus am sinnvollsten genutzt“, heißt es. Doch ein Dach über dem Kopf allein, das wissen auch die
drei Kooperationspartner, reicht nicht aus für die Integration. Es beginnt damit, einen geregelten
Tagesablauf zu sichern, damit die Jugendlichen lernen, wie ein „normales Leben“ funktioniert. „Wir
wollen gleich vom ersten Tag an etwas tun“, sagt Michaelis mit Hinweis auf den Deutschunterricht,
der vom HBZ organisiert wird. Die bildungsmäßigen Voraussetzungen die die unbegleiteten
Flüchtlinge mitbringen, könnten unterschiedlicher nicht sein. Das macht die Kommunikation
kompliziert, aber gewiss auch spannend. Trotz geringer englischer Sprachkenntnisse sei die an sich
inhomogene Gruppe durchaus lernwillig, heißt es. Jeden Tag wird daher Deutsch gebüffelt. Auch
ein Blick in die Werkstätten des HBZ haben die jungen Asylsuchenden bereits getan. Für alle
Beteiligten, die Flüchtlinge und die Mitarbeiter des HBZ gleichermaßen, ist es Neuland, das jetzt
beackert werden muss. Doch Michaelis kann sich auf sein „sehr offenes und engagiertes Team“
verlassen, wie er es sagt. Wichtig sei vor allem die Rundum-Betreuung der Neuankömmlinge.
Neben einem amtlich bestellten Vormund sei ein ständiger Ansprechpartner wichtig. Doch da tut
sich bereits ein weiteres Problem auf, ein personelles, denn der Arbeitsmarkt für Diplompädagogen
und Sozialarbeiter ist infolge der Flüchtlingsströme bereits „leergefegt“. Nach ersten Überlegungen
geht das HBZ, dem (im Dreierverbund) künftig die Aufgabe der Heimbetreibung obliegt, von 20
Mitarbeitern aus. Zwar verfügen die Kooperationspartner bereits über ausgebildetes Personal, aber
das Wohnheim „Lichtblick“ ist eine zusätzliche Aufgabe, die mit vorhandenen Kräften nicht zu
stemmen ist. „Wir können erst einmal starten“, sagt der HBZ- Geschäftsführer, doch „wir suchen
dringend Personal, möglichst mit pädagogischem Abschluss.“
Schritt für Schritt
Michaelis ist nicht der Erste, der angesichts steigenden Bedarfs an qualifiziertem
Betreuungspersonal von der Politik fordert, von „ den hohen Standards abzugehen“. Wer Interesse
und eine pädagogische Ausbildung hat, oder ehrenamtlich mit jungen Flüchtlingen tätig sein will,
sei willkommen, sagt Michaelis. Für die Integration unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge gibt es
bei der Kooperationsgemeinschaft konkrete konzeptionelle Vorstellungen: Im ersten Schritt geht es
um deren Unterbringung und die Absicherung der Grundbedürfnisse. Dem folgt – wie generell bei
Asylsuchenden - ein sogenanntes Clearing, das sich auf die Erhebung der persönlichen Daten, zu
Herkunft, Bildung etc. und den Gesundheitszustand bezieht. Erst dann beginnt die eigentliche
Arbeit. Der Deutschunterricht ist dabei Grundvoraussetzung. Er wird derzeit weitgehend in
Kooperation mit der Volkshochschule betrieben. Erst im zweiten Schritt geht es um die
Schulausbildung und die Lehre. Flankierend soll die Integration durch Mitwirkung in Vereinen und
Arbeitsgemeinschaften flankiert werden. Ziel sei es, die Flüchtlinge zu befähigen, nach der
Ausbildung auf eigenen Beinen zu stehen, erklärt Michaelis. Der HBZ-Chef gibt sich gleichwohl
keinen Illusionen hin. Noch, so sagt er, gebe es „viele offene Fragen“, dennoch sei es eine
Herausforderung für das Hildburghäuser Bildungszentrum. „Unter dem Strich ist es eine dankbare
Aufgabe, weil es sich lohnt, dass man sich um diese Jugendlichen kümmert.“
Sonderfall: Unbegleitete
Unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge werden sozial- und flüchtlingsrechtlich anders bewertet als
erwachsene Asylsuchende. Für ihre Unterkunft und Betreuung muss der gegenwärtige Standard für
Heimerziehung (SGB 8) zur Anwendung kommen. Jeder minderjährige Flüchtling bekommt einen
vom Jugendamt bestellten Vormund und einen Sozialarbeiter als Ansprechpartner an die Seite
gestellt. Im Kinder und Jugendhilfebereich spielt auch die Frage nach dem „sicheren Herkunftsland“
keine Rolle. Mithin ist davon auszugehen, dass diese Flüchtlinge ein Bleiberecht, zumindest
Duldung bis zum 18. Lebensjahr, erhalten.