WOHNEN

Sternstunden
Althergebrachte Traditionen werden in Natalie Stylos Zuhause
mit Lust und Leichtigkeit gelebt. Da überrascht es kaum,
dass die gesamte Familie jedes Jahr aufs Neue bei ihr einfällt
T E X T: F R I E DE R I K E M ECH L E R | PRODU K T ION : V ICTOR I A A H M A DI
FOTOS : OT H M A R BE R N DT/ V ICTOR I A A H M A DI
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Text: Anne Gelpke. Alle Preise unverbindlich
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Der hölzerne Mönch,
den Natalie im
Einrichtungsladen
Das 7. Zimmer
entdeckte, wacht
nun als „guter
Geist“ im Wohnzimmer. Das
Kreuz an der Kette
hing ihm die
Hausherrin um
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In der Weihnachtszeit lebt Natalie ihre
Deko-Leidenschaft
voll aus. Zapfen
und Beeren für den
Kranz im Esszimmer
holt sie einfach
aus dem Wald. Das
Kamel – Reminiszenz
an die Heiligen Drei
Könige – scheint
der Truppe aus dem
Morgenland vorausgeeilt zu sein
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Im Familienwohnzimmer steht ein gusseiserner Ofen. „Das
Türchen verschließen
wir absichtlich nicht,
damit wir das Gefühl
eines offenen Kamins
haben“, verrät Natalie
D
er Karpfen ist das Wichtigste“, erzählt Natalie
Stylo. Traditionell kommen bei ihr an den Weihnachtstagen
insgesamt zwölf Fischgerichte auf den Tisch. Gebacken, eingelegt oder als Terrine zählt sie nur drei der vielen Zubereitungsmöglichkeiten auf. Fünf Tage steht die gebürtige
Polin gemeinsam mit Mutter und Großmutter zur Vorbereitung in der Küche und genießt neben dem Kochen und
Backen das gesellige Miteinander. „Die Zahl Zwölf steht
hier für die Apostel“, erklärt sie. Eine Tradition, die bis ins
Mittelalter zurückreicht: Die Adventszeit wurde nach der
christlichen Lehre als Fastenzeit begangen und endete erst
mit Aufgang des ersten Sterns an Heiligabend.
Im katholischen Polen ist dieser Brauch bis heute lebendig
und wird im Hause Stylo in Hamburg-Harvestehude liebevoll gepflegt. „An Weihnachten kommt bei uns die ganze
Familie zusammen“, freut sich Natalie. „Wahrscheinlich auch,
weil ich so dekoverrückt bin.“
In fast jedem Zimmer ihrer 230 Quadratmeter großen Wohnung – die drei Schlafzimmer mal ausgenommen – tobt sich
die studierte Innenarchitektin, die fünf Jahre lang einen
eigenen Laden in Eppendorf führte, voll aus. Seit der Geburt
Fürs Weihnachtsessen
wird der Tisch mit
Silber und Kristall
festlich eingedeckt
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Den opulenten
olivgrünen
Damast über
dem Babybett
bekam Natalie
bereits als
Teenager von
ihrem Vater
geschenkt. Er
zierte einst
ihr Zimmer in
Danzig
ihrer Tochter vor 18 Monaten gönnt sie sich eine Auszeit,
während der sie sich vor allem dem Baby und ihrem achtjährigen Sohn widmen möchte. Gerade richtet sie zwei Landhäuser ein – allerdings nur noch nebenbei, wie sie sagt.
„Wahrscheinlich auch ein Grund, warum ich jede Möglichkeit nutze, unsere eigenen Zimmer ausgiebig zu dekorieren“,
gesteht sie. Und das sind nicht wenige.
as Haus, in dem die Familie lebt, wurde
1894 errichtet. Altbauwohnungen in der
Elbmetropole haben meist einen ähnlichen
Grundriss, der seiner Form wegen auch als
„Hamburger Knochen“ bekannt ist. Im vorderen Bereich liegen die repräsentativen
Räume: der Salon und das Esszimmer sowie
ein Alltagswohnzimmer mit bequemen dunklen Polstermöbeln samt antikem Kaminofen. Ganz praktisch, findet
die zweifache Mutter, so gibt es zumindest ein ordentliches Wohnzimmer und sie muss nicht extra aufräumen,
wenn Gäste kommen.
Vorbei an der Küche linker Hand sowie Vorratsraum,
Toilette und Badezimmer rechter Hand führt ein langer,
schmaler Flur zu den am Ende gelegenen privaten Schlafräumen. „Für die Wände habe ich überwiegend dunkle
Farben wie Braun und Schwarz von Flamant gewählt“, erklärt Natalie Stylo. „So kommen die gut erhaltenen, nicht
sanierten Stuckelemente besonders schön zur Geltung. Und
bei Kerzenlicht wirken die Räume dadurch gemütlich.“
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Der lange
Flur, von dem
links und
rechts die Zimmer abgehen,
mündet im
Elternschlafzimmer
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Weil die originalen
Fliesen nicht mehr
vollständig erhalten
waren, ist die Küche
der einzige Raum mit
einem neuen Bodenbelag. Der doppeltürige Kühlschrank
war ein Geschenk des
technikbegeisterten
Schwiegervaters
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Mit seinen Braunund Cremetönen
nicht nur optisch der
Ruhepol des Hauses:
das Elternschlafzimmer mit Balkon
Ein Highlight
an regnerischen
Tagen ist die
überdachte Loggia
zum Hinterhof
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Die Vorhänge in Beige- und Brauntönen – gestuft im
Schlafzimmer und mit einem breiten Saum aus schwarzem
Samt im Wohnzimmer – halten sich dezent im Hintergrund. Auch die Türen inklusive Griffe sind noch original.
Einziger Wermutstropfen: Leider fehlt ein Aufzug in den
zweiten Stock, was mit Kind und Kegel mitunter beschwerlich sein kann. Vor allem wenn sie von einem Waldspaziergang zurückkommen und Natalie obendrein mit Zweigen,
Zapfen, Beeren und anderen Fundstücken beladen ist. Denn
am liebsten dekoriert sie mit natürlichen Elementen.
Auch der Bau eines riesigen Lebkuchenhauses, bei dem
die Kinder eifrig mitgestalten, gehört für sie zu den unumstößlichen Ritualen der Vorweihnachtszeit. Oder wird hier
bereits die nächste Riege von Interiorprofis spielerisch
herangezogen? Zumindest fühlen sich Jung und Alt in diesem Vorweihnachtstrubel pudelwohl. Und so verwundert
es nicht, dass sich beim obligatorischen Brechen der geweihten Oblate an Heiligabend – ebenfalls ein alter polnischer Brauch: Symbol der Versöhnung, der Liebe und des
Zusammenhalts – die ganze Familienrunde nur Gutes
wünscht und beim Erstrahlen des ersten Sterns über die
kulinarischen Leckereien hermacht. Besonders hell leuchtet
er für Natalie, die sich nun zurücklehnen kann. Denn mit
Sicherheit ist genug für alle da.
INFO Natalie Stylo, [email protected]