Heute

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Donnerstag, 16. Juli 2015 —
Bern
10 Jahre Stade de Suisse
Erinnerungen ans erste Spiel
16. Juli 2005:
YB - Marseille 2:3
«Die Premiere im
Stade de Suisse?
Moment! Ich muss
kurz überlegen.
Klar doch: Wir
spielten gegen Marseille im UI-Cup.
Das Resultat ist mir
nicht mehr präMarco Wölfli,
sent. 3:3 oder 2:3,
YB-Goalie
glaube ich. Was ich
hingegen noch genau weiss: Mein Kumpel ‹Mändu› Raimondi hat das erste YB-Tor geschossen
im neuen Wankdorf. Und was mir auch
in Erinnerung geblieben ist: Dass nur
Teile des Stadions für die Zuschauer geöffnet wurden, da noch nicht alles fertig
gebaut war. In all den Jahren ist das
Stade de Suisse so etwas wie mein zweites Zuhause geworden. Was ich besonders mag an ihm: Es ist ein richtiges
Fussballstadion, in dem eine Hühnerhaut-Stimmung entstehen kann.»
«Für mich war es
ein sehr spezieller
Tag, da ich 20 Jahre
lang dafür gekämpft hatte, dass
Bern ein neues
Fussballstadion erhält. Die ersten
Pläne für einen
Bruno Marazzi,
multifunktionalen
Stadionbauer
Bau entwickelten
wir bereits Mitte
der 1980er-Jahre. Es brauchte dann
seine Zeit, bis wir ein konkretes Projekt
umsetzen konnten. Ausser in Basel ist
das Mantelnutzungskonzept nirgends so
perfekt umgesetzt worden wie im Wankdorf, wo Stadionbetreiber, Einkaufszentrum und Schulen am gleichen Strick
ziehen müssen, damit es funktioniert.
Ich sage immer, das Stadion ist noch
nicht fertig gebaut. Wenn man es überdachen würde, liessen sich noch mehr
fussballfremde Anlässe durchführen.
Das bleibt meine Vision: das Stade de
Suisse als Berns zentraler Ort der Spiele
und Begegnungen».
«Wie lange hatten
wir gewartet! Dann
war der Tag da.
Und wir warteten –
in der EndlosSchlange vor dem
Sektor C. Als wir
endlich drin waren, staunten wir:
Christian Zingg,
über die vielen ToiYB-Fan
letten. Über die gigantische ThomyTube. Über das riesige Stadion, das unseres war. Wir waren in der grossen
Fussballwelt angekommen. Aber die YBWurst schmeckte irgendwie anders.
‹Eine neue Rezeptur›, behauptete Kollege Häck. ‹Weniger fettig. Sie spritzt
nicht richtig.› Marseille kontrollierte das
Spiel, und Noz stellte fest: ‹Der Werbespot der Metzgerei Spahni fehlt.›
Hakan Yakin brillierte, Eugster fiel
ab. Uns schwante, dass das schöne teure
Stadion allein nicht reichen würde, um
YB zum Meister zu machen. Marseille
schoss das Siegestor, Häck fluchte. ‹Das
erste Spiel im Stade de Suisse verlief organisiert, ruhig und gesittet›, teilten die
Veranstalter tags darauf mit. ‹Ich sag immer noch Wankdorf›, murrte Häck.»
Das Stadion lebt, auch wenn
In der 10-jährigen Anlage gehen jährlich mehrere Hunderttausend Fussballfans, Besucher des
Heute ist es genau 10 Jahre her, dass
14 000 Fussballfans erstmals ins Stade
de Suisse Wankdorf Bern pilgerten, um
YB gegen Marseille zu unterstützen. Es
war das erste von 210 Pflichtspielen,
welches der Traditionsverein bis dato
im multifunktionalen Stadion bestritten hat. Womit auch gleich gesagt ist,
wer im Stade de Suisse den Ton angibt:
Die Young Boys sind die Triebfeder des
ganzen Gebildes, welches zwischen
2001 und 2005 im Berner Nordquartier
hochgezogen wurde. Sie sorgen für die
grossen Emotionen. Im Guten wie im
Schlechten.
Das Stade de Suisse ist keine Kathedrale wie das San Siro in Mailand oder
das Camp Nou in Barcelona. Dazu fehlt
ihm die Grösse und die architektonische Extravaganz. Doch für schweizerische Verhältnisse ist es ein gutes Fussballstadion mit grosszügig gestalteten
Aufenthaltszonen für die zahlende
Kundschaft. Diese ist nach Boomjahren, deren Ende durch die Absetzung
von Stadionchef Stefan Niedermaier im
August 2010 eingeläutet wurde, erheblich kleiner geworden. Die vollmundig
angekündigte «Phase 3», welche YB
zum Bayern München der Schweiz
machen sollte, war ein Rohrkrepierer
erster Güte. Erst als YB wieder vermehrt auf eigenes Schaffen setzte und
den früheren Sportchef Fredy Bickel
zurückholte, konnte die Negativspirale
gestoppt werden. Zumindest im sportlichen Bereich.
Wie es um die finanzielle Situation
des Gebildes YB/Stade de Suisse steht,
ist unklar. Die AG veröffentlicht keine
Zahlen. Die Lohnsumme von YB ist
nach den Transfers von Hoarau, Sulejmani und Benito wieder beträchtlich.
Auf der Einnahmeseite hingegen läuft
das eminent wichtige Geschäft mit den
VIP-Matchbesuchern weniger gut als
noch vor einigen Jahren – nicht zuletzt
wegen der starken Konkurrenz des SC
Bern mit der neuen Postfinance-Arena.
Ebenso hat das Business-Center, wo
jährlich rund 900 grössere und kleinere Anlässe stattfinden, mit mehreren
starken Mitbewerbern zu kämpfen.
Flaute bei den Konzerten
Im Stade de Suisse sind neben etlichen
Weltstars des Fussballs auch einige
ganz grosse Musiker und Bands wie
Robbie Williams, Bruce Springsteen,
AC/DC, Coldplay und Pink aufgetreten.
Dieses Jahr findet kein einziges Konzert
statt. Das hat weniger mit der Qualität
des Stade de Suisse zu tun, als mit
Veränderungen im internationalen
Musikgeschäft. «Viele Bands machen
Pausen. Super-Headliner wie AC/DC
kann man weltweit fast an einer Hand
abzählen», sagt Branchenkenner
Philippe Cornu (siehe Interview S. 19).
«Es muss sehr viel passen, damit wir
zwei bis drei Bands buchen können»,
bestätigt Stade-de-Suisse-Chef Alain
Kappeler.
Wie sieht die Bilanz der Protagonisten aus? Keiner ist mit der Geschichte
des Stade de Suisse so gut vertraut wie
Werner Müller, der Chefentwickler
Das Stade de Suisse Wankdorf Bern mit dem freistehenden Längsbau für die Schulen (links) wenige Wochen vor der offiziellen Eröffnung
beim Stadionbauer Bruno Marazzi war
und seit 2010 YB-Präsident ist. «Das
Stade de Suisse hat sich sowohl als
Marke als auch im Nordquartier etabliert und das Nebeneinander von
Schulen, Einkaufszentrum und Fussball
funktioniert sehr gut», so Müller.
Auch rund um das Wankdorfstadion
hat sich in den letzten Jahren einiges
getan. Für Stadtpräsident Alexander
Tschäppät (SP) ist das Stade de Suisse
ein Teil, aber nicht der Hauptgrund für
die Erfolgsgeschichte des Entwicklungsschwerpunkts Wankdorf. Dies im
Gegensatz zu Bern-Brünnen, welches
ohne das Zugpferd Westside nie «zum
Fliegen gekommen wäre». Die Lage des
Gebiets Wankdorf mit perfektem ÖVund Autobahnanschluss sei einmalig.
Die Durchmischung des Quartiers
könne allerdings noch besser werden:
«Es braucht noch mehr Wohnungen,
Restaurants. Auch ein Hotel wäre toll.»
Im Gegensatz zu Genf oder Zürich,
wo Unsummen von Steuergeldern in
mehr schlecht als recht funktionierende Anlagen flossen, wurde das
Stade de Suisse grösstenteils von
privaten Investoren finanziert. «Ich bin
noch heute stolz, konnten wir den
Betreibern das Stade de Suisse für
einen symbolischen Franken übergeben», sagt Bruno Marazzi.
Fazit: Das Stade de Suisse ist ein
funktionierendes Sport- und Wirtschaftsgebilde. Damit es zu einer Erfolgsstätte
wird wie der St.-Jakob-Park in Basel,
muss YB in den nächsten Jahren wichtige
Titel holen. Sonst könnte irgendwann
der ganz grosse Blues herrschen.
Fakten zum Stade de Suisse
www.stadedesuisse.derbund.ch
Baukosten: 350 Millionen Franken
Fassungsvermögen: 32 000 Zuschauer
Fussballfans seit 2005 im SdS (YB-Spiele, Cupfinals
und Länderspiele): Rund 4,2 Millionen
Fussballfremde Grossanlässe 2005 bis 2015:
Total 23 (davon 17 Konzerte)
Anlässe in den SdS-Geschäftsräumen 2014: 863
651 Anlässe bis 50 Personen
88 Anlässe 51 bis 100 Personen
71 Anlässe 101 bis 200 Personen
53 Anlässe mit mehr als 200 Personen
(Vergleich 2013: Total 908 Anlässe)
Anzahl fest vermieteter Logen: 3 x 12er-Logen
Firmen mit Sky-Lounge-Jahresabos: 10
Besucherschnitt Sky Lounge: 50 Personen
Mitglieder Presidents Club: 29
Mitglieder Future Club: 83 Firmen oder Privatpersonen
Mitglieder Champions Club: 115 Firmen oder
Privatpersonen
Verkaufte YB-Jahreskarten: 11 213 (Stand 14. Juli)
Das Stadion im Bild Weitere Fotos aus den
letzten 10 Jahren finden sich unter:
10 Jahre Stade de Suisse, 10 besondere Momente
2005: Pleiten, Pech und Pannen
2005: Emotionen beim Türkei-Spiel 2006: Im Robbie-Williams-Fieber
2007: Das «Tatzenderby»
2008: «Oranje» glänzt und feiert
Ein halb leeres Stadion; eine mässig gute
Show mit Luftakrobaten, Musik und Licht; ein
Artistenballon, der ungewollt davonschwebt
und auf dem Amag-Gelände abstürzt (ein
Verletzter); jede Menge unzufriedene Gäste,
die sich wegen der hohen Eintrittspreise
(100 Franken) enervieren; die geschönte
Schlussbilanz des ungeliebten Betriebsleiters
Peter Jauch: An der dreitägigen Einweihungsfeier Ende Juli 2005 geht so ziemlich alles
schief, was schiefgehen kann Die Stadionbetreiber, die im Vorfeld vollmundig ein
«einmaliges Eröffnungsspektakel» angekündigten, müssen viel Kritik einstecken, zumal
es kurz darauf grosse Ticketing-Probleme
gibt, als Thun ein erstes Mal in Bern gastiert.
In einer aufgewühlten Atmosphäre bestreitet
die Schweiz am 13. November das WMBarrage-Hinspiel gegen die Türkei. Die
Emotionen werden schon früh angeheizt: Als
die türkische Nationalhymne gespielt wird,
pfeift ein Teil der Schweizer Fans im ausverkauften Stadion. Dann geraten der türkische
Goalie Volkan und Alex
Frei aneinander, der
Clinch geht sogar im
Kabinengang weiter.
Die Schweiz siegt 2:0
und schafft es trotz
einer 2:4-Niederlage im
Skandal-Rückspiel an
die WM 2006.
NLA-Eishockey «open air»: 30 076 Zuschauer
– Europarekord – sehen am 14. Januar das
legendäre «Tatzenderby». Der SCB besiegt
die SCL Tigers 5:2, doch Langnau als Organisator fühlt sich dank Einnahmen von einer
halben Million Franken ebenfalls als Sieger.
Hollands Fussballstars Van der Sar, Van
Persie, Sneijder und Van Nistelrooy bieten an
der EM 2008 Traumfussball im Stade de
Suisse. 3:0 gegen Italien, 4:1 gegen Frankreich, 2:0 gegen Rumänien – die «Elftal»
begeistert nicht nur die jeweils über 30 000
Fans im Stadion und die Millionen am TV,
sondern auch Zehntausende «Oranje»-Fans,
die ihre Mannschaft in der Berner Innenstadt
beim Public Viewing unterstützen. Die
eindrücklichen Fanmärsche der Holländer
über die Kornhausbrücke zum Stadion
verlaufen ohne grössere Zwischenfälle.
«Oranje boven» – ein Hoch auf Oranien – ist
das Motto in diesen Juni-Tagen in Bern, das
logistisch an seine Grenzen stösst.
Schon die Ankündigung 2005 löst in Bern
ein Robbie-WilliamsFieber aus: Der britische Sänger kommt ins
Stade de Suisse, und
zwar gleich zweimal.
80 000 Fans strömen
am 23. und 24. August 2006 ins Stadion. Mit
Hits wie «Feel», «Tripping» und «Come
Undone» begeistert er das Publikum. Es kann
nicht wissen, dass es die vorerst letzten
Auftritte des gesundheitlich angeschlagenen
Entertainers sind. Williams, der in Bern nur
dank einem «Zaubertrank» auftreten konnte,
zieht sich für längere Zeit zurück.
21
— Donnerstag, 16. Juli 2015
YB nicht abhebt
Suche nach einer schicken,
neuen Braut
Einkaufszentrums und Schüler ein und aus. Ruedi Kunz und Adrian Müller
Das Stade de Suisse und
die BKW gehen nach
10 Jahren getrennte Wege.
Noch ist nicht klar,
wer neuer Hauptpartner wird.
Ruedi Kunz
In diesen Tagen endet eine Geschäftsbeziehung, die die erste Dekade des
Stade de Suisse Wankdorf Bern prägte.
Das BKW-Logo, welches an etlichen
Standorten im Stade de Suisse und auf
dem Dach prangte, wurde bereits entfernt. Die letzte Stadionführung unter
Regie des Stromproduzenten ist seit einigen Tagen ebenfalls Vergangenheit.
Fortan ist das Stade de Suisse auch für
dieses Geschäftsfeld selber zuständig.
Präsenz markiert die BKW bis auf
weiteres auf dem Stadiondach – mit der
Aussichtsplattform Soleil. Doch auch
diese soll in absehbarer Zeit abgestossen
werden. Naheliegend ist, dass das Stade
de Suisse das kreisrunde Luftschloss erwirbt oder zumindest mietet. «Es gibt
verschiedene Möglichkeiten, wie die
Plattform künftig genützt werden kann»,
sagt CEO Alain Kappeler, eine spruchreife Lösung liege aber noch keine vor.
Möglicherweise ergibt sich eine solche, wenn der neue Stromlieferant gefunden ist. Der heisst bis zum heutigen
Tag nicht etwa BKW, sondern Energie
Wasser Bern. Die eigentlich absurde
Konstellation bedarf einer Erklärung.
Das damals weltweit grösste stadionintegrierte Sonnenkraftwerk der Welt
liefert zwar ordentlich Strom, doch er
reicht bei weitem nicht aus, um den Bedarf der ganzen Anlage mit unterirdischem Einkaufszentrum und Schulen im
freistehenden Längsbau zu decken. Weil
zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme des
Stade de Suisse die Strommarktliberalisierung noch nicht in Kraft war, kam
Energie Wasser Bern (EWB) zum Handkuss. Der lokale Stromanbieter sicherte
sich vertraglich die Lieferung der fehlenden Energie bis Ende 2015.
Solarkunde in luftiger Höhe
Das Umgarnen funktionierte. Die
Nachfrage nach sauberer Energie vom
Stade de Suisse stieg trotz einem Aufpreis von 80 Rappen pro Kilowattstunde
rasch an, und so setzte die BKW nur
zwei Jahre nach Eröffnung des Kleinkraftwerkes ein Versprechen um: Sie
versah weitere 4000 Quadratmeter des
Stadiondaches mit fotovoltaischen Zellen. Mit dem nunmehr produzierten
Strom konnte die Jahresversorgung von
350 bis 400 Haushalten sichergestellt
werden.
Stadionname zu kaufen
In den letzten Jahren verlor das Soleil
zusehends an Anziehungskraft. Hingegen seien die Stadionführungen weiterhin «ziemlich gut gelaufen», sagt BKWPressesprecher Tobias Fässler. Dennoch
setzt die BKW seit dem 1. Mai 2015 auf
ein anderes sportliches Pferd: Sie hat bei
Swiss Ski den Konkurrenten Alpiq als
Verbandssponsor abgelöst. Das Unternehmen wolle sich als nationale Energiedienstleisterin positionieren und den
Bekanntheitsgrad ausserhalb des angestammten Versorgungsgebietes steigern,
verkündete CEO Suzanne Thoma bei der
Bekanntgabe des Engagements. Das
Nachsehen haben YB und das Stade de
Suisse, welche die Zusammenarbeit mit
der BKW gerne fortgesetzt hätten. Bis
dato haben sie keinen Nachfolger gefunden, der ihnen ein vergleichbares Paket
bieten kann. Was den Stromlieferanten
betrifft, macht sich Betriebsleiter Alain
Kappeler keine Sorgen: «An Anbietern
fehlt es nicht. Wir könnten heute oder
morgen einen neuen Vertrag unterzeichnen.» Unter den Bewerbern befindet
sich auch EWB.
Weit komplexer präsentiert sich das
Dossier Verkauf des Stadionnamens.
Kappeler spricht von einem «Projekt mit
ganz grosser Tragweite». Die StadionBetreiber suchen einen Partner, welcher
sich langfristig verpflichtet – und das im
grossen Stil. Zahlen sind Kappeler nicht
zu entlocken. Sie suchten jemanden, der
bereit sei, «ein Engagement einzugehen,
das der Bedeutung von YB und des Stade
de Suisse gerecht wird». Sollte dereinst
ein Handel zustande kommen, wird Kappeler etliche neue Feinde haben. Der
Verein BSC YB kämpft seit längerem für
den Erhalt der Marke Wankdorf. So sammelten sie über 10 000 Unterschriften,
die sie dem Betriebsleiter und YB-Präsident Werner Müller überreichten.
Über 1000 Lernende und Erwachsene
gehen pro Tag im Annexbau neben dem
Stade de Suisse ein und aus. «Die Schule
ist ein wichtiger Faktor dafür, dass das
Einkaufszentrum wie der Quartierplatz
auch unter der Woche belebt sind», sagt
Brigitte Jenny, Vizedirektorin am Bildungszentrum für Wirtschaft und
Dienstleistung (BWD). Jenny zügelte bereits im August 2004 mit den Schülern
vom Progr ins Wankdorf – ein Jahr vor
der Eröffnung des Stade de Suisse.
Vielen Schülern und Lehrkräften
grauste es zuvor, die Berner Innenstadt
verlassen zu müssen und in die Peripherie im Norden zu ziehen. «Die Lästerer
sind aber rasch verstummt. Heute sind
wir sehr zufrieden», sagt Jenny. Zusam-
men mit dem Einkaufszentrum bilde
man eine Einheit. «Wir sind eine moderne Schule in einem modernen Gebäude. Wir fühlen sogar einen gewissen
weltstädtischen Touch», so Jenny.
Nicht alles ist aber perfekt im Schulhaus. So fehlt auch 10 Jahre nach der Eröffnung eine Klimaanlage. Dies geht auf
einen Geburtsfehler zurück: Die Planer
hatten den Annexbau ursprünglich als
reines Bürogebäude konzipiert. Erst im
letzten Moment kam dann der Kanton
zum Zug, als dieser verzweifelt einen Ersatz für das stark sanierungsbedürftige
Schulgebäude im Progr suchte – der Kanton Bern konnte sich aber wegen des
Spardrucks keine Klimaanlage für die
Schüler leisten.
Das Einkaufszentrum Wankdorf Center ist der grösste Publikumsmagnet im
Stade de Suisse. Seit der Eröffnung Ende
August 2005 wurden in der zweistöckigen Ladenstrasse rund 24,5 Millionen
Besucherinnen und Besucher gezählt.
Die Besucher zahlen konnten kontinuierlich gesteigert werden. Laut Center-Leiter Peter Baumgartner ist die Besucherzahl mit Ausnahme von 2008, als das
Zentrum wegen der Euro 08 drei Tage geschlossen war, stetig angestiegen. «Ein
grosser Vorteil ist die direkte Anbindung
des Stadions an die Tramlinie Nummer
9.» Aufwärts zeigen auch die Umsätze.
Gegenüber dem ersten vollen Geschäftsjahr 2006 seien sie um 25 Prozent gestiegen, sagt Baumgartner. (amü/ruk)
Für die BKW war das Abseitsstehen kein
Problem. «Für uns war wichtig, ein gutes Versuchsfeld zur Verfügung zu haben, wo wir uns mit Innovationen in den
Bereichen Solarenergie und effiziente
Gebäudetechnologie weiterentwickeln
konnten», erinnert sich der damalige
Projektverantwortliche Martin Pfisterer.
Diese hätten bei der Eröffnung des Stade
de Suisse noch weitgehend in den Kinderschuhen gesteckt.
Das umfangreiche Engagement in
den letzten 10 Jahren – Insider sprechen
von insgesamt gegen 40 Millionen Franken – zahlte sich für den Berner Stromriesen in mehrerlei Hinsicht aus. «Wir
konnten enorm viel Know-how sammeln, welches uns half, bei den erneuerbaren Energien und in der Gebäudetechnologie zu einer führenden Kraft zu
werden», sagt Pfisterer. Im Weiteren war
die Plattform in luftiger Höhe eine gute
Bühne, um Häuserbesitzern die Welt der
Fotovoltaik näherzubringen. «Wir haben
Tausenden von Interessenten die damals neuen Technologien an einem
funktionierenden Objekt zeigen können», erinnert sich der Energiespezialist,
der vor zwei Jahren in Pension ging.
2008–2010: «Doumbia my lord»
2010: YB verpatzt «Finalissima»
2010: Putsch und «Phase 3»
2012: Messi versus Affolter
2005 bis 2015: (Kunst-)Rasen
Es sind unzählige
Spieler gekommen
und wieder gegangen
seit dem Einzug ins
Stade de Suisse.
Nicht ein einziger
verzückt die Fans
mehr als der lebenslustige Seydou
Doumbia. Wenn der Stürmer den Ball bekommt, geht ein Raunen durchs Stadion –
und beim Gegner herrscht Alarmstufe Rot.
Mit gutem Grund: Doumbia ist ausgesprochen
torgefährlich. In zwei Jahren schiesst er
50 Tore für YB. Zum Meister schiessen kann
sie aber auch der ivorische «Lord» nicht.
Es ist angerichtet an diesem 16. Mai 2010. Die
Young Boys haben die grosse Chance, eine
24-jährige Durststrecke ohne Meistertitel im
eigenen Stadion zu beenden. Das Team von
Vladimir Petkovic hat die Leaderposition zwar
durch eine 1:5-Schlappe in Luzern am
35. Spieltag abgeben müssen. Doch ein Sieg
in der «Finalissma» vor 31 200 Zuschauern
reicht den Bernern zum Titelgewinn. Das
Hoffen der YB-Fans schlägt schnell in Zittern,
Bangen und schliesslich in Resignation um.
Die Berner sind viel zu verkrampft, nicht
einmal Doumbia kann sein Team retten.
Stocker (39.) und Chipperfield (61.) treffen
zum 0:2. Der FCB holt den Titel, YB leckt
einmal mehr Wunden.
YB lädt am 9. August kurzfristig zu einer
Pressekonferenz ins Stade de Suisse und
verkündet einen überraschenden Führungswechsel: Stadion-CEO Stefan Niedermaier
muss gehen, Ilja Kaenzig, zuvor Manager von
Leverkusen und Hannover 96, übernimmt
seine Funktion und wird auch Sportchef.
VR-Präsident Benno
Oertig sagt, der
37-Jährige solle die
«Phase 3» zünden.
Und Kaenzig erklärt:
«YB soll in Zukunft
regelmässig und
nicht zufällig um den
Titel spielen.»
Der 29. Februar ist ein besonderes Datum,
Lionel Messi und Co. sind ins Stade de Suisse
gekommen. Der Stürmerstar brilliert beim 3:1
gegen die Schweiz mit drei Toren. Nicht zu
beneiden ist François Affolter, Verteidiger mit
YB-Vergangenheit: Gegenspieler Messi lässt
ihn etliche Male ganz schlecht aussehen.
Kunstrasen oder Naturrasen – für traditionelle Fussballer ist das eigentlich keine Frage.
Was man in Bern eigentlich will, ist in den
ersten 10 Jahren des Stade de Suisse nie
ganz klar. 2005 geht es auf Naturrasen los,
2006 wird auf die künstliche Unterlage
gewechselt, welche 2008 für die EM-Endrunde 2008 temporär wieder einem richtigen
Rasen weichen muss. 2011 will der neue
Trainer Christian Gross, dass YB wieder auf
natürlichem Grün spielt. Den erhofften
sportlichen Erfolg bringt auch diese Massnahme nicht. Und so folgt vor der Saison
2014/15 die neuerliche Rückkehr zum
Plastikboden – aus Kostengründen und zur
Verbesserung des Trainingsbetriebs.
Ende Juli 2005. Foto: Stefan Anderegg (Archiv)
Schulen im Annexbau und Einkaufszentrum
Zwei belebende Elemente
Das einstige Solarkraftwerk der BKW
auf dem Stade de Suisse. Foto: F. Scheidegger