3/2015 Corporate Law Newsletter Neueste Rechtsprechung und aktuelle Entwicklungen Liebe Leserinnen und Leser, seit Ende des Jahres 2011 veröffentlichen wir den Corporate Law Newsletter und freuen uns über das deutlich zunehmende Interesse der Leserschaft, das seinen Ausdruck in einer Erhöhung der Auflage und in Anfragen rund um die im Newsletter behandelten Themen findet. Während der nationale Gesetzgeber im Bereich des Gesellschaftsrechts derzeit eher zurückhaltend ist, blicken viele Unternehmen und Unternehmensjuristen mit Spannung auf das laufende Gesetzgebungs vorhaben zum Syndikusrechtsanwalt, zu dessen aktuellem Stand wir Ihnen in der nächsten Ausgabe berichten werden. Unsere heutige Ausgabe des Newsletters befasst sich mit der Entwicklung des Gesellschaftsrechts in den letzten Monaten. Neben den spannenden Hinweisen aus unserer Compliance Rubrik sind die Themen vielfältig, sie befassen sich mit der Treuepflicht des Gesellschafters und Zahlungen auf Forderungen, die mit einem Rangrücktritt versehen sind. Der Newsletter befasst sich auch mit den im Mai 2015 beschlossenen Änderungen des Deutschen Corporate Governance Kodex, die erneut die Rolle des Aufsichts rats unterstreichen. Wir kommentieren zu diesem Thema zwei kürzlich veröffentlichte Urteile von Ober landesgerichten, die sich mit der Haftung von Mit gliedern des Aufsichtsrats befassen. Nunmehr wünsche ich Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre Ihr Dr. Christian Bosse Inhalt 2 | Corporate Law Newsletter 3/2015 Brennpunkt 4Aufsichtsratsmitglieder im Fokus der Organhaftung 6 Änderungen des DCGK 2015 Rechtsprechung aktuell 8Keine körperschaftssteuerliche Organschaft bei rückwirkendem Kauf 10Positive Stimmpflicht aus gesellschaftsrechtlichem Treue verhältnis nur unter strengen Voraussetzungen 12Anfechtbarkeit von Zahlungen bei Rangrücktritt – (Neue) Haftungsfalle auch für Geschäftsführer?! 14 Sicherung der Kapitalaufbringung bei Rechtsformwechsel nach § 220 UmwG 16 Kartellrechtliche Anforderungen an die Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen Legal Compliance 18Keine Enthaftung des Geschäftsführers durch interne Ressortverteilung bei Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen 20Von der Weisung zur Haftung – Überraschendes zur Konzern-Compliance Aktuelle Meldungen 22Novellierung des VermAnlG im Rahmen des Kleinanlegerschutzgesetzes 23Ansprechpartner Corporate Law Newsletter 3/2015 | 3 Brennpunkt Änderungen des DCGK 2015 – DCGK-Änderungen 2015 beschlossen Die Regierungskommission hat in ihrer Plenarsitzung am 5. Mai 2015 drei materielle Änderungen des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) beschlossen, die im Zeichen der weiteren Professionalisierung der Aufsichtsarbeit stehen. Daneben sind weitere Anpassungen im Zuge der Kodexpflege umgesetzt worden. Die neue Kodexfassung ist mit ihrer Veröffent lichung im Bundesanzeiger am 12. Juni 2015 in Kraft getreten. Börsennotierte Gesellschaften haben sie für zukünftige Entsprechenserklärungen gem. § 161 AktG („Comply-or-Explain“) zu berücksichtigen. Die Änderungen im Überblick Dem neuen Selbstverständnis der Regierungskommission folgend, fokussiert die diesjährige Revision Maßnahmen der Kodexpflege. Es wurden Anpassungen an aktuelle Gesetzesänderungen (hier ins besondere im Hinblick auf das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst vom 24. April 2015 (FührposGleichberG)) sowie sprachliche Präzisierungen zur Auflösung von Interpretationskonflikten und besseren Lesbarkeit vorgenommen. Hierbei wurde insbesondere die Bringschuld des Vorstands bei der Informationsversorgung des Aufsichtsrats (Ziffer 3.4 Abs. 1 und 3 DCGK n.F.) hervorge hoben. Zusätzlich wurde der Kodex um zwei Empfehlungen bzgl. der Veröffentlichung von Informa tionen im Ausland (Ziffer 6.2 DCGK) und Liste von Drittunternehmen (Ziffer 7.1.4 DCGK) gekürzt. Zur Verbesserung der Transparenz über die Arbeit des Aufsichtsrats und zur Stärkung des Vertrauens wurden auch materielle Anpassungen vorgenommen. Diese betreffen erstens die unternehmensspe zifische Begrenzung der Dauer der Aufsichtsratszugehörigkeit und zweitens eine Verbesserung der Transparenz über die qualifizierte Wahrnehmung des Aufsichtsratsmandats einschließlich des damit verbundenen Zeitaufwands. Einmal mehr unterstreicht die KodexKommission damit die Bedeutung des Aufsichtsrats in der Corporate Governance sowie die steigenden Anforderungen an eine profes sionelle Mandatswahrnehmung. Unternehmensspezifische Begrenzung der Zugehörigkeitsdauer zum Aufsichtsrat Gemäß Ziffer 5.4.1 Abs. 2 DCGK n.F. soll die Beschreibung der Zielbesetzung auch eine unterneh mensspezifisch festgelegte Regelgrenze für die Zugehörigkeit zum Aufsichtsrat beinhalten. In der da zugehörigen Begründung nimmt die KodexKommission zur Kenntnis, dass mit steigender Zugehörig keitsdauer zum Aufsichtsrat grundsätzlich auch die Expertise und Kenntnis des Unternehmens wächst. Um so die KodexKommission eine allzu routinemäßige Arbeitsweise zu vermeiden, die möglicherweise nicht genügend Raum für Selbstkritik und Veränderungen bietet („Betriebsblind heit“), wird eine fortwährende Erneuerung des Aufsichtsrats für eine gute Arbeit des Gremiums emp fohlen. Damit wird der bereits im Jahre 2005 ausgesprochenen Empfehlung der EUKommission gefolgt. 6 | Corporate Law Newsletter 3/2015 Transparenz über den Zeitaufwand für die qualifizierte Wahrnehmung des Mandats Für eine weitergehende Professionalisierung der Aufsichtsratstätigkeit ist es aus Sicht der KodexKommission zudem erforderlich, dass Aufsichtsratsmitglieder genügend Zeit für die Wahrnehmung ihres einzelnen Mandats aufbringen können. Der Aufsichtsrat – bzw. sein hierfür eingerichteter Nominierungsausschuss – soll sich deshalb für seine Wahlvor schläge an die Hauptversammlung bei dem potenziellen Aufsichtsratskandidaten vorab vergewissern, dass dieser den zu erwartenden Zeitaufwand aufbringen kann (Ziff. 5.4.1 Abs. 4 DCGK n.F.). Dabei verzichtet die Regierungskommission bewusst darauf, eine feste Höchstzahl an Mandaten zu empfehlen, da die Arbeitsbelastung aus den einzelnen Mandaten höchst unterschiedlich sein kann. Der gewählte Ansatz berücksichtigt sowohl die individuelle Situation des Unternehmens selbst als auch die des Aufsichtsratskandi daten und soll insbesondere das Bewusstsein für die zeitlichen Belastungen, die mit einem Aufsichtsratsmandat einhergehen, schärfen. Ergänzend soll auch mehr Transparenz über die tatsächlich aufgewendete Zeit für das Aufsichtsratsmandat geschaffen werden. Zu diesem Zweck soll der Bericht des Aufsichts rats künftig darauf hinweisen, wenn ein Aufsichtsratsmitglied nur an der Hälfte der Auf sichtsrats (und Ausschuss)Sitzungen teilgenommen hat (Ziff. 5.4.7 DCGK n.F.). Nach Ansicht der KodexKommission ist es von besonderer Bedeutung, dass ein Aufsichtsrats mitglied sich nicht nur anhand schriftlicher Vorlagen an Beschlussfassungen beteiligt, sondern sich aktiv in den Kommunikationsprozess im Rahmen der Aufsichtsratssitzungen einbringt. Letzteres schließt dabei auch – wenngleich dies nicht die Regel sein sollte – eine Sitzungsteilnahme per Telefon oder Videokonferenz mit ein. Weitere ausgewählte KodexAnpassungen im Überblick Daneben wurden weitere Anpassungen insbesondere zur besseren Lesbarkeit und weiteren Verschlankung des Kodex vorgenommen. Nachfolgende Präzisierungen haben auch Implikationen für die Unternehmenspraxis: • In der Neufassung der Präambel wird auf die aufsichtsrechtlichen Besonderheiten hingewiesen, die für die Corporate Governance börsennotierter Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen bestehen und im DCGK nicht berücksichtigt sind. Als lex specialis hat die Anwendung derartiger spezifischerer Corporate Governance Regelungen gegenüber dem DCGK Vorrang. • In Ziffer 3.4 Abs. 1 und 3 DCGK n.F. wird klargestellt, dass die Informationsversor gung des Aufsichtsrats primär Aufgabe des Vorstands ist. Die neue Fassung soll die Aufgabenverteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat bei der Informationsver sorgung klarer hervorheben. Das Prinzip der gemeinsamen Verantwortung für die Informationsversorgung – Holschuld des Aufsichtsrats und Bringschuld des Vor stands – gilt jedoch weiterhin fort. • Mit der Klarstellung, dass der Zufluss für das Berichtsjahr im Vergütungsbericht darzustellen ist (Ziff. 4.2.5 Absatz 3 Spiegelstrich 2 DCGK n.F.), wird diese Empfehlung sprachlich mit der Überschrift der Tabelle 2 im Anhang des Kodex in Einklang gebracht. • Mit der Änderung von Ziffer 4.3.1 DCGK n.F. soll das Unternehmensinteresse als Handlungsmaxime für Vorstandsmitglieder betont werden. Gleichzeitig soll der Inhalt von Ziffer 4.3.3 DCGK a.F., der gestrichen wurde, interpretiert werden. • In Ziffer 5.3.2 Satz 1 DCGK n.F. wurde der englische Begriff „Audit Committee“ gestrichen, da dieser Zusatz als nicht mehr erforderlich angesehen wird. In der Neufassung wird die Option betont, PrüfungsausschussAufgaben alternativ auch auf andere Ausschüsse aufzuteilen bzw. zu übertragen. Dies bietet die Möglichkeit, den Prüfungsausschuss durch eine Aufteilung seiner umfangreichen Themen auf einen oder weitere andere Ausschüsse zu entlasten. • Schließlich wurden in Ziffer 6.3 DCGK n.F. – ehemals Ziffer 6.4 DCGK a.F. – weitere wichtige Termine ergänzt, die in einem „Finanzkalender“ zu publizieren sind. Konsequenzen für die Praxis Für die KodexAnwender resultieren aus den beschlossenen neuen bzw. er weiterten Empfehlungen neue Anfor derungen an die Corporate Governance Berichterstattung (Bericht des Auf sichtsrats). Daneben betreffen die Anpassungen insbesondere den Besetzungsprozess des Aufsichtsrats. Sie setzen den Trend vergangener Jahre fort, in denen die Anforderungen an ein Aufsichtsrats mandat zunehmend vielschichtiger geworden sind. In der Folge wird auch der Prozess zur Besetzung des Über wachungsgremiums ungleich komple xer. Dies gilt nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund des Gendergesetzes (FührposGleichberG), welches das Geschlecht des potenziellen Aufsichts ratskandidaten als zusätzlich zu be rücksichtigendes Besetzungskriterium in den Vordergrund rückt. Ein professi oneller Besetzungsprozess sollte idea lerweise mit der Definition eines Soll Kriterienkatalogs für den Gesamtauf sichtsrat (sog. „Besetzungsmatrix“) beginnen, der einen SollIstAbgleich der unternehmensspezifisch bedeuten den Besetzungskriterien ermöglicht. Autor Daniela Mattheus Corporate Governance Board Services | Assurance Ernst & Young GmbH | Berlin Telefon +49 30 25471 19736 [email protected] Corporate Law Newsletter 3/2015 | 7 EY | Assurance | Tax | Transactions | Advisory Die globale EY-Organisation im Überblick Die globale EYOrganisation ist einer der Markt führer in der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Transaktionsberatung und Managementberatung. Mit unserer Erfahrung, unserem Wissen und unseren Leistungen stärken wir weltweit das Ver trauen in die Wirtschaft und die Finanzmärkte. Dafür sind wir bestens gerüstet: mit hervorragend ausgebildeten Mitarbeitern, starken Teams, exzel lenten Leistungen und einem sprichwörtlichen Kundenservice. Unser Ziel ist es, Dinge voranzu bringen und entscheidend besser zu machen – für unsere Mitarbeiter, unsere Mandanten und die Gesellschaft, in der wir leben. Dafür steht unser weltweiter Anspruch „Building a better working world“. Die globale EYOrganisation besteht aus den Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited (EYG). Jedes EYGMitgliedsunterneh men ist rechtlich selbstständig und unabhängig und haftet nicht für das Handeln und Unterlassen der jeweils anderen Mitgliedsunternehmen. Ernst & Young Global Limited ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht und erbringt keine Leistungen für Man danten. Weitere Informationen finden Sie unter www.ey.com. In Deutschland ist EY an 22 Standorten präsent. „EY“ und „wir“ beziehen sich in dieser Publika tion auf alle deutschen Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited. © 2015 Ernst & Young Law GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft All Rights Reserved. BKR 1508396 ED None Bildquellen: Corbis, iStockphoto, Thinkstock Ernst & Young Law GmbH Die Ernst & Young Law GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerbe ratungsgesellschaft (EY Law) berät als Full ServiceKanzlei in allen wirtschaftsrechtlichen Fragestellungen. Interdisziplinäres Arbeiten ist aufgrund der Zugehörigkeit zur EYGruppe eine Selbstverständlichkeit. Sie arbeitet eng mit anderen Spezialisten aus den Bereichen Corporate Finance, Steuerberatung, Transaction Services und Wirtschaftsprüfung zusammen. Durch die Präsenz an elf deutschen Standorten gewähr leistet sie Mandantennähe, denn kurze und direkte Wege können für eine zeitnahe und effiziente Umsetzung von Projekten entscheidend sein. In Deutschland finden Sie sie daher in allen großen Ballungsräumen, um Sie bei Bedarf schnell und unkompliziert unterstützen zu können. Zugleich steht den Mandanten für jedes konkrete Mandat das speziali sierte Knowhow der entsprechenden Praxisgruppen standortüber greifend zur Verfügung. Bei grenzüberschreitenden Transaktionen und Fragestellungen arbeiten wir mit über 1400 Professionals in 61 Jurisdiktionen weltweit zusammen. Diese Publikation ist lediglich als allgemeine, unverbindliche Information gedacht und kann daher nicht als Ersatz für eine detaillierte Recherche oder eine fachkundige Beratung oder Auskunft dienen. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, besteht kein Anspruch auf sachliche Richtigkeit, Voll ständigkeit und/oder Aktualität; insbesondere kann diese Publi kation nicht den besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung tragen. Eine Verwendung liegt damit in der eigenen Verant wortung des Lesers. 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