Text - Österreichische Bundesforste AG

Ausseer Naturraumgespräche: Zwischen Baum und Borkenkäfer
Moderne Lösungen und neueste Erkenntnisse
10.09.2015, Grundlsee
VORTRÄGE KURZGEFASST
Mag. Martin Klipp, Mitarbeiter Land Steiermark Abt. 13 Umwelt und Raumordnung
DI Anna-Sophie Pirtscher, ÖBf-Projektleiterin LIFE+ „Ausseerland“
Lebendiges Totholz – Artenförderung und LIFE+ Projekt Ausseerland
Die naturschutzfachliche Bedeutung von Alt- und Totholz – Mag. Martin Klipp
Die naturschutzfachlichen Zielsetzungen in Bezug auf das Totholzmanagement im Gebiet
müssen vor dem Hintergrund der Nutzungsgeschichte betrachtet werden: Die intensive
forstliche- und Weidenutzung vergangener Jahrhunderte hat die meisten Waldbestände
im Gebiet geprägt.
Im Naturwald ist das Totholzaufkommen von einer starken Variabilität geprägt:
Stehendes und liegendes Totholz unterschiedlichster Stärkeklassen und Zerfallsgrade
bietet eine extreme Vielzahl ökologischer Nischen. Diese werden von zahlreichen
Spezialisten genutzt:
 Diverse Käferarten nutzen die unterschiedlichen Zerfallsstadien. In „frühen“ Stadien
tragen z.B. Borkenkäfer aktiv zum Absterben des Stammes bei. Die Käferarten
bereiten ihrerseits die Struktur für die folgenden Totholzbesiedler vor. Spezialisten
haben oft hohe Ansprüche hinsichtlich Standortskonstanz und nur einen geringen
Ausbreitungsradius.
 Vögel nutzen die Im Totholz vorkommenden Insekten als Nahrung, stehendes Totholz
wird als Struktur für Nist- und Schlafhölen, Balz- und Trommelplatz genutzt. Spechte
zimmern aktiv Bruthöhlen und sind bestimmen damit das Lebensraumangebot
weiterer Höhlenbrüter (z.B. Eulen, Fledermäuse)
Die jeweils benötigte Totholzmenge, -qualität und räumliche Verteilung hängt von den
vorhandenen Schutzgütern und ihren Lebensraumansprüchen ab. Die im Rahmen der
GEZ Studie (2005) definierten Schwellenwerte für den Indikator Totholz liegen zum Teil
deutlich unter den Schwellenwerten lebensraumtypischer Organismengruppen. Je nach
Zielarten bzw. Artengruppen ist daher eine differenzierte Betrachtung des angestrebten
Totholzmanagements notwendig.
LIFE+ Projekt „Naturwald, Moore und Lebensraumverbund im Ausseerland“ – DI AnnaSophie Pirtscher
Im LIFE+ Projekt „Naturwald, Moore und Lebensraumverbund im Ausseerland“ werden
Managementpläne ausgearbeitet und Maßnahmen umgesetzt, die schützenswerte
Lebensräume und Arten in den Natura 2000 Gebieten „Totes Gebirge“ und
Steiermärkisches Dachsteinplateau“ erhalten oder verbessern sollen. Totholz wird
gefördert: bei forstlichen Eingriffen bleibt es stehen, bei drohender Borkenkäfergefahr
wird gefräst. Zielgröße sind 30-35fm/ha. Ein Totholz-Monitoring soll ergeben, wie viel fm
in welcher Qualität vorhanden sind. Des Weiteren wird viel Wissen generiert, indem erste
Beweissicherungen zu Totholzbevorzugenden Pilze, Moose, Flechten und Käferarten
stattfinden.Das LIFE+ Projekt „Ausseerland" läuft vom 01. Juli 2013 bis 30. Juni 2019
und hat ein Gesamtbudget von € 5.727.240,00. Die Hälfte davon wird von der
Europäischen Union aus Mitteln der LIFE+ Förderung kofinanziert. Der Rest wird vom
Lebensministerium, dem Land Steiermark und den Bundesforsten getragen.
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Priv.-Doz. DI Dr. Gernot Hoch, Institut für Waldschutz am Bundesforschungszentrum
für Wald Wien
Triebkraft Borkenkäfer - Totholzanfall und natürliche Walddynamik
Unter den zahlreichen Borkenkäferarten, die sich unter der Rinde und im Holz von
Bäumen entwickeln, sind einige wenige als bedeutende Forstschädlinge gefürchtet. Dies
ist gut begründet, fielen doch in den letzten zehn Jahren in Österreichs Wald pro Jahr im
Mittel 1,9 Mio Festmeter Borkenkäferschadholz an. Den Arten, die sich durch die
Fähigkeit auszeichnen auch in großem Umfang gesunde Bäume zu befallen und abzutöten
und damit größten wirtschaftlichen Schaden zu verursachen – in unseren Fichtenwäldern
ist dies allen voran der Buchdrucker – kommt im Waldökosystem aber auch eine zentrale
Rolle als natürlicher Störfaktor und damit als Antriebskraft für die Walddynamik zu. Die
Massenvermehrungen in verschiedenen fichtenreichen Schutzgebieten in Mitteleuropa
boten in den letzten Jahren Gelegenheit, die Wechselwirkungen zwischen Borkenkäfer,
Baum und Umwelt sowie die Auswirkungen des Totholzanfalles zu untersuchen. Als
bedeutend erweist sich das zumeist heterogene Muster in Folge von
Borkenkäferattacken. Es kommt zu einem raschen Totholzanfall, der räumlich
typischerweise von überlebenden Bäumen unterbrochen ist. Auch erstreckt sich eine
Massenvermehrung meist über mehrere Jahre, so dass der Totholzanfall zeitlich
heterogen ist, und unterschiedliche Stadien des Zerfalles über einen längeren Zeitraum
vorhanden sind. Studien zeigen einen fördernden Einfluss des Totholzanfalles durch
Borkenkäfer auf die Diversität von Pflanzen und Tieren, die sich im frühen Stadium nach
der Störung aus Überlebenden des geschlossenen Waldes, aus Pionieren sowie aus
Totholzspezialisten zusammensetzt. Gerade auf totholzbewohnende Käferarten, darunter
zahlreiche Arten der Roten Liste, hatte etwa der Borkenkäferholzanfall im Bayerischen
Wald messbar fördernden Einfluss. Für viele Arten wird hier ein Habitat mit Totholz
unterschiedlichster Qualitäten geschaffen, wie es im bewirtschafteten Wald nicht
vorkommt. Die Waldbodenvegetation bleibt nach einer unbehandelten
Borkenkäferattacke eher erhalten als nach Räumung derartiger Flächen, wie Fallstudien
in den Nationalparken Bayerischer Wald und Šumava zeigten. Darüber hinaus
funktionierte die Verjüngung der Baumarten nach der Borkenkäferattacke durchwegs und
die fichtendominierte Waldgesellschaft der betroffenen Gebiete konnte sich direkt
regenerieren. Der Vortrag wird anhand dieser genannten Aspekte und ohne zu werten die
Rolle von Borkenkäfern in der Walddynamik und die Bedeutung des Totholzanfalles für
andere Arten darstellen.
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DI Hans Liebfahrt, Referent für Schutzwaldbewirtschaftung Landesforstdirektion
Steiermark
Von Forstgesetz und Biotopbäumen - Forstrechtliche Grundlagen und
Fördermöglichkeiten
Was ist zu tun?
 § 44,45 ForstG:
„Gefährlicher Schädigung vorzubeugen…“
„Gefahrdrohende Vermehrung bekämpfen…“
 § 2,3,4 Forstschutzverordnung:
„Bekämpfungstechnische Behandlung…“
 Stmk. Waldschutzgesetz:
„Schutz vor Wildbächen…“
Wo ist was erlaubt?
 § 32 a ForstG:
„Biotopschutzwälder…“ (Nationalparks, Naturschutzgebiete)
„Gefahr in Verzug…“
Auswirkungen auf andere Gebiete
„Großflächige Kalamitäten…“
„Prozessschutz in Schutzgebieten…“
„Borkenkäfermassenvermehrungen…“
„Diskussionsprozess Nachbarschaftsschutz…“
„Positionspapier…“
Forstbehördliche Sicht und Forderungen
„Bekenntnis Prozessschutz und umfassender Nachbarschaftsschutz…“
„Sicherung der öffentlichen Interessen am Wald, insbesonders der
Objektschutzwirkung…“
„Berücksichtigung bisheriger Erfahrungen bei Zonierungen…“
„Flächenmonitoring – Bewusstseinsbildung Öffentlichkeit…“
„Aktuelle Borkenkäferentwicklung, Waldhygiene…“
Schutzwaldbewirtschaftung
„Steiermark 172.000 ha Schutzwald, 66.000 ha unmittelbare Objektschutzwirkung…“
„Forstschutzmaßnahmen = aktive Schutzwaldbewirtschaftung…“
„Hohe öffentliche Reparaturkosten…“
Unterstützung durch Förderungsmaßnahmen
„Wissen um hohe Funktionen des Waldes…“
„Förderungen vorbeugend und unterstützend, erspart hohe Reparaturkosten…“
„LE 14-20 Programm Steiermark, Schutzwald, Waldökologie, spezieller Forstschutz…“
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DI Martin Stürmer, ÖBf Forstbetrieb Inneres Salzkammergut
Windwurf-Krisenmanagement im Ausseerland – Sturmereignis und Abwicklung
Schadholzaufarbeitung
Die Forstwirtschaft des 20. Jahrhunderts wird sicherlich nur mehr zu einem geringen
Ausmaß in der gewohnten, regulären Weise erfolgen können. Durch einen weiteren
Temperaturanstieg im Alpenraum von 2-3°, sich ändernde Niederschlagsverhältnisse,
häufigere Starkwindereignisse etc., müssen wir nicht nur unsere Wälder und das alpine
Ökosystem darauf vorbereiten, sondern auch die Bewirtschaftungsweise ändern. An
Stelle von geplanter Forstwirtschaft wird die Fähigkeit der Bewältigung von Krisen
maßgeblich für den ökonomischen als auch ökologischen Erfolg der Forst- und
Holzwirtschaft verantwortlich sein.
Wie dies der ÖBf- Forstbetrieb Inneres Salzkammergut seit dem Windwurfereignis Kyrill
gemeistert hat und welche Erkenntnisse gewonnen wurden, wird in aller Kürze
zusammengefasst.
DI Dr. Peter Baier, Institut für Forstentomologie, Forstpathologie und Forstschutz,
BOKU Wien
Monitoring und Prognose von Borkenkäfergradationen - Modellierung und
Überwachung mittels Wetterstationen und Pheromonfallen
Im Rahmen des LIFE+ Projektes „Naturwald, Moore und Lebensraumverbund im
Ausseerland“ wird anhand der Daten von fernabfragbaren Wetterstationen die
Entwicklung des Buchdruckers modelliert. Die Modellierung der weitgehend
temperaturabhängigen Entwicklung und Phänologie des Buchdruckers erfolgt mit dem
Modell PHENIPS, mit dem man sowohl den Schwärm- und Befallsbeginn im Frühjahr, die
Entwicklung der Brut, den Beginn von Geschwisterbruten, die Anlage von
Folgegenerationen, die Induktion der Diapause und die Überwinterungsfähigkeit der Brut
darstellen kann. Das Modell PHENIPS berechnet die zeitliche Abfolge der potentiell
möglichen Generationen des Buchdruckers anhand von spezifischen Schwellenwerten und
effektiven Temperatursummen für das Schwärmen und für die Entwicklung. Die
Modellergebnisse,
Schwärmund
Befallsbeginn,
maximaler
und
minimaler
Entwicklungsstand
der
Bruten,
werden
täglich
aktuell
in
Form
von
Temperatursummenkurven und anhand von Tabellen im Internet bereitgestellt
(http://ifff-riskanalyses.boku.ac.at/typo3/index.php?id=158). Zusätzlich werden die
Modellberechnungen anhand begleitender Untersuchungen der Schwärmaktivität des
Buchdruckers mittels Pheromonfallen validiert. Das tagesaktuelle Online-Monitoring der
Entwicklung
des
Buchdruckers
trägt
zu
einem
besseren
Verständnis
der
Populationsdynamik dieses Rindenbrüters bei und liefert wesentliche Informationen für
die Entscheidungsfindung über die Notwendigkeit von kurativen Waldschutzmaßnahmen
und deren termingerechte Durchführung.
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DI Stefan Schörghuber, ÖBf-Naturraummanagement
Darf der Borkenkäfer Party feiern? – Borkenkäfermanagament im Wildnisgebiet
Dürrenstein
Das Wildnisgebiet Dürrenstein befindet sich im südwestlichen Niederösterreich und ist
das bisher einzige Schutzgebiet der Kategorie 1 nach den Kriterien der
Weltnaturschutzorganisation (IUCN) in Österreich. Es handelt sich dabei um den
strengsten Schutzstatus der IUCN. Beinahe 2/3 des 3500ha großen Gebietes wurden von
den Österreichischen Bundesforsten (ÖBf AG) eingebracht.
Oberstes Ziel ist der Prozessnaturschutz. Natürliche Prozesse sollen ungestört ablaufen
können. Damit gibt es ein grundsätzliches Eingriffsverbot und ein stark eingeschränktes
Betretungsrecht. Kernstück des Gebietes ist der letzte große Urwaldrest Mitteleuropas,
der etwa 400ha große Rothwald.
Durch den Prozessschutzgedanken und das „NICHT-Ziel“ Holzproduktion wird der
Borkenkäfer als ökologischer Faktor in der Walddynamik gesehen. Durch den
angrenzenden Wirtschaftswald bedarf es allerdings Regeln und Mechanismen im
Borkenkäfermanagement. Seit Bestehen des Schutzgebietes 2002 gibt es kaum flächigen
Borkenkäferbefall im Gebiet. Die Verfügbarkeit von bruttauglichem Material ist der
entscheidende Faktor (zB durch Wind oder Lawinen).
In einem kleinen Teilbereich der ÖBf-Wildnisgebietsflächen dürfen einvernehmlich
phytosanitäre Maßnahmen bis zum Jahr 2040 erfolgen. Solche Maßnahmen waren bisher
nicht notwendig. Im anderen Teil des Schutzgebietes welcher die Flächen eines
Privatforstbetriebes betrifft gibt es eine Pufferzonenlösung. In einer außerhalb des
Wildnisgebiets angelegten Pufferzone werden forsthygienische Maßnahmen gesetzt. Die
Mehraufwände und Mindererlöse werden zu einem bestimmten Prozentsatz der
Forstverwaltung abgegolten. Der Prozentsatz errechnet sich nach einem definierten
Borkenkäferindex welcher maßgeblich durch einen Schadholzvergleich Pufferzone vs.
Wirtschaftswald bestimmt wird. Details können unter folgendem Link nachgelesen
werden:
http://www.nationalparksaustria.at/fileadmin/pdf_s/NPA_News/Positionspapier_Borkenka
efe_Emdversion.pdf
Naturschutzgebiete wie ein Wildnisgebiet haben auch für den Wirtschaftswald große
Bedeutung. Insbesondere wird überproportional viel Wissen generiert. Dies betrifft zB.
auch die Borkenkäferforschung.
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Mag Franz Maier, Präsident des Umweltdachverbandes
Nichts ist praktischer als eine gute Theorie
Positionspapier des Fachausschusses „Borkenkäfermanagement“ – Anspruch und
Wirklichkeit
Der Vortrag beschreibt das Thema „Borkenkäfer & Naturschutz“ als eine Geschichte voller
Missverständnisse, zeichnet wesentliche Meilensteine der Diskussion nach und geht auch
auf die beiden (einzigen) § 32a-Biotopschutzwälder nach Forstgesetz ein (Wildnisgebiet
Dürrenstein und Nationalpark Kalkalpen).
Das 2013 beschlossene Nationalparks Austria-Positionspapier „Borkenkäfermanagement“
wird in seinen sechs Grundsätzen und fünf Empfehlungen vorgestellt und kommentiert.
Kritisch wird auf die mangelnde Umsetzung des Positionspapieres sowie generell des §
32a Forstgesetz eingegangen. Der Vortrag ist zugleich ein Appell an Forstbetriebe,
Forstbehörden und Fachinstitutionen, die gegebenen rechtlichen und fachlichen
Möglichkeiten zur Konfliktbereinigung zwischen Naturschutz und Forstwirtschaft sehr viel
stärker zu nutzen. Die modernste Lösung stellt dabei das im Wildnisgebiet Dürrenstein
erfolgreich etablierte Pufferzonen-Vertragsnaturschutz-Modell dar.
Die gesamten Power-Point Präsentationen finden Sie ab 11.09.2015 unter
http://www.bundesforste.at/natur-erlebnis/life-projekt-ausseerland/ergebnisse.html
Platz für Gedanken, Notizen, Kritzeleien etc.
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