Wo heute Autos parken und heruntergekommene Liegenschaften stehen, wünschen sich die Stimmberechtigten günstige Wohnungen. Foto: Dominique Meienberg Votum gegen Wohnungsnot Zwei Drittel der Zürcher haben für die städtische Wohnsiedlung im Seefeld gestimmt. Das Problem der hohen Mieten sei damit nicht beseitigt, sagen Gegner wie Befürworter. Anita Merkt Zürich – Als «guten Tag für den gemeinnützigen Wohnungsbau» bezeichnete Daniel Leupi den gestrigen Abstimmungssonntag. Als Vorsteher des Finanzdepartements ist Leupi für die städtische Liegenschaftenverwaltung und den Bau kommunaler Wohnsiedlungen verantwortlich. Die Gegner hätten mit harten Bandagen gekämpft, sagte Leupi bei der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses. «Doch ihre falschen und irreführenden Argumente sind allesamt den Hornbach hinunter.» 65,7 Prozent der Stimmberechtigten sprachen sich für den Bau von 122 Wohnungen im Seefeld aus, die sich auch Normalverdiener leisten können. Dazu kommen Gewerbeflächen, ein städtischer Werkhof und Kinderbetreuungseinrichtungen. Die Freude über das gute Resultat war den Befürwortern der Hornbachsiedlung anzumerken. Der ehemalige Quartiervereinspräsident Anton Schaller hatte aufgrund vieler Gespräche in den letzten Wochen befürchtet, dass viele Seefeldbewohner dem Projekt kritisch gegenüberstehen. Dass das Abstimmungsergebnis im Quartier, in dem die Siedlung gebaut wird, am schlechtesten ist, sei ein Wermutstropfen, sagt Schaller. Doch auch in den Kreisen 7 und 8 stimmten 60,1 Prozent für die gemeinnützigen Wohnungen. Schaller ver- Wohnsiedlung Hornbach Ja 6305 8303 6867 6466 10039 6899 7403 8053 2862 63197 Stimmbeteiligung: 44,2% Stadtkreise Kreis 1+2 Kreis 3 Kreis 4+5 Kreis 6 Kreis 7+8 Kreis 9 Kreis 10 Kreis 11 Kreis 12 Stadt Zürich Nein 3 681 3 001 1 951 2 788 6 653 4 086 3 898 5 177 1 693 32 928 Ja% 63,1 73,5 77,9 69,9 60,1 62,8 65,5 60,9 62,8 65,7 mutet, dass vor allem Wähler aus Hottingen und Fluntern den Seefeld-Durchschnitt nach unten drückten. «In den begüterten Quartieren am Zürichberg ist der Freisinn stark vertreten», sagt der Publizist. Doch er freut sich, dass durch den Bau der Siedlung mehr Familien ins Quartier kommen. «Dass die soziale Durchmischung erhalten bleibt, ist enorm wichtig», sagt Schaller. «Meine Enkel spielen zusammen mit südamerikanischen und kosovarischen Kindern im FC Seefeld Fussball», erzählt er. Dass sie mit Kindern unterschiedlicher sozialer Herkunft befreundet sind, ist für den fünffachen Opa «gut und wichtig». Die vergleichsweise niedrige Zustimmung zur Hornbachsiedlung im Quartier kann sich Quartierpräsident Urs Frey nur damit erklären, dass FDP und SVP ihre Gegenkampagne im Seefeld mit besonderer Vehemenz geführt haben. «Angesichts der teuren und unzimperlichen Kampagne kann sich das gesamtstädtische Ergebnis sehen lassen», findet er. «Neidkampagne» der Gegner Auf die Niederlage der Bürgerlichen angesprochen, sagt der Fraktionschef der SVP im Gemeinderat, Mauro Tuena, man nehme das Ergebnis zur Kenntnis. Aber seine Partei werde nicht mit ansehen, wie die Stadt weiter unnötig Geld ausgebe. Dass ausgerechnet das teure Land im Seefeld für den Bau einer gemeinnützigen Siedlung verwendet wird, will Tuena noch immer nicht in den Kopf. Seiner Meinung nach sollen solche Siedlungen in Schwamendingen oder an anderen Orten gebaut werden. Sein FDP-Kollege Michael Baumer ist überzeugt, dass sich das Wohnungsproblem nicht mit dem Bau gemeinnütziger Wohnungen lösen lässt. «Keine einzige Wohnung in der Stadt wird durch den Bau der 122 Wohnungen im Seefeld billiger», sagt er. Das Wohnungsproblem lasse sich nur lösen, wenn Private Anreize bekämen, mehr Wohnungen zu bauen, «anstatt sie durch Vorschriften und Einschränkungen zu behindern». Daniel Leupi und seine Stadtratskollegen sehen sich durch das Abstimmungsergebnis in ihrem Weg bestätigt. Dass der Bau von 99 Wohnungen an der Kronenwiese mit 75 Prozent Ja-Stimmen eine höhere Zustimmung erfuhr, erklärt er sich mit der «Neidkampagne» der Gegner. Dass trotzdem zwei Drittel für die Hornbachsiedlung gestimmt haben, setzt für Leupi die «hundertjährige Tradition des gemeinnützigen Wohnungsbaus in Zürich» fort. Um das Ziel zu erreichen, bis zum Jahr 2050 den Anteil gemeinnütziger Wohnungen an den Mietwohnungen auf ein Drittel zu erhöhen, plant die Stadt an weiteren Orten Wohnungen, deren Miete zwar die Erstellungskosten deckt, aber keine Rendite generiert. So sollen in Leutschenbach-Mitte 400 Wohnungen entstehen, beim Tramdepot Hard am Escher-WyssPlatz sind unter anderem zwei Wohntürme geplant. Insgesamt sind derzeit in Zürich 920 städtische Wohnungen im Bau oder in der Projektierung. Für Niklaus Scherr (AL), der mit besonderer Verve für die Hornbachsiedlung gekämpft hat, ist klar, dass eine einzige Siedlung das Problem der exorbitanten Mieten nicht löst. Deswegen sei es um so wichtiger, den gemeinnützigen Wohnungsbau generell zu stärken. Kommentar Von Anita Merkt Lösungen für ein reales Problem Die Zürcher Stimmberechtigten haben sich klar für die Hornbachsiedlung ausgesprochen. Und das, obwohl SVP und FDP gemeinsam mit dem Hauseigentümerverband viel Geld und Unlauterkeit in die Kampagne gegen den Bau von 122 gemeinnützigen Wohnungen im Seefeld gesteckt hatten. Geschätzte 100 000 Franken haben sie für Inserate, Plakate und Flyer gegen die «Luxuswohnungen auf Kosten der Allgemeinheit» investiert. Doch die Mieten im Herzen des Schweizer Finanzplatzes haben Dimensionen erreicht, die es auch für Normalverdiener äusserst schwierig machen, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Das gilt für Singles und Paare ebenso wie für Familien. Neu vermietete Wohnungen im Seefeld können sich ohnehin nur noch Top- und allenfalls Doppelverdiener leisten. Doch was für das Seefeld gilt, gilt immer mehr auch für andere Quartiere. Jeder kennt jemanden, der bei der Suche nach einer budgetgerechten Wohnung in Zürich allergrösste Mühe hat. Die Bürgerlichen setzten auf den Neid und die Missgunst derjenigen, die sich keine Chancen ausrechnen, in eine der 122 Wohnungen in Seenähe einziehen zu können. Ihnen suggerierten sie, dass in die kommunale Siedlung ohnehin nur die «Klientel der Linken» einziehen darf. Doch wer einmal das Bewerbungsprozedere für eine städtische Wohnung durchlaufen hat, weiss, dass Parteizugehörigkeit und Wahlverhalten bei der Vergabe keine Rolle spielen. Und doch hat die Kampagne der Gegner bei einigen verfangen. Für die Erhöhung des Anteils an gemeinnützigen Wohnungen stimmten im November 2011 noch 76 Prozent. Auch bei der Abstimmung über 99 städtische Wohnungen an der Kronenstrasse und die Rauti-Siedlung in Altstetten waren es jeweils mehr als 70 Prozent. Dafür, dass für die Hornbachsiedlung stadtweit jetzt nur 66 Prozent mit Ja stimmten, können sich FDP und SVP auf die Schulter klopfen. Doch das Ergebnis zeigt auch, dass sich zwei Drittel der Abstimmenden Lösungen für ein reales Problem wünschen. Und dass sie sich nicht von einer teuren Hochglanzkampagne vereinnahmen lassen.
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