G RUNDPRAKTIKUM P HYSIKALISCHE C HEMIE VERSUCH 16 CHEMISCHES GLEICHGEWICHT IN DER GASPHASE Kurzbeschreibung: Die Temperaturabhängigkeit des chemischen Gasphasen-Gleichgewichts wird unter isobaren Bedingungen quantitativ untersucht. Hierfür wird die Masse eines Glaskolbens bei verschiedenen Temperaturen bestimmt, der ein Gemisch aus und dessen dissoziierter Form enthält. Die Kenntnis der Masse erlaubt eine Berechnung des Dissoziationsgrades bzw. des Verhältnisses von und und damit der Gleichgewichtskonstanten K und verschiedener thermodynamischer Daten. Überarbeitetes Versuchsskript, 30.10.2015 2 Grundpraktikum Physikalische Chemie, Versuch 16: Chemisches Gleichgewicht in der Gasphase 1. ALLGEMEINES Verläuft eine chemische Reaktion nach dem Schema (1) so ist die Gleichgewichtskonstante K durch das Massenwirkungsgesetz (MWG) von GULDBERG UND WAAGE gegeben. (2) Hierin ist ay die Aktivität der Komponente Y (Y = A, B, C, D), und der Exponent der jeweils in der Reaktionsgleichung auftretende stöchiometrische Koeffizient. Die Aktivität einer Komponente hängt mit dem chemischen Potential der Komponente über die p Definition µi µio RT ln ai zusammen. Für ideale Gase gilt ai i . Dabei ist p° immer der p Standarddruck von 1 bar. Die Gleichgewichtskonstante lässt sich alternativ auch durch die Konzentrationen oder die Stoffmengenanteile (Molenbrüche) ausdrücken: (3) Die Gleichgewichtskonstante K = Ka ist direkt mit der Freien Standardreaktionsenthalpie verknüpft (siehe Wedler, Kapitel 2.6.2): (4) Der Wert von bezieht sich wieder auf Standarddruck 1 bar, die Größe ist aber grundsätzlich von der Temperatur abhängig und wird oft für 25°C angegeben. berechnet sich aus der Standardreaktionsenthalpie und der Standardreaktionsentropie : (5) , und lassen sich aus thermodynamischen Daten für die Edukte und Produkte einer Gleichgewichtsreaktion berechnen, z.B.: (6) (7) Im vorliegenden Versuch werden und durch Auftragung von gegen bestimmt werden. Hierfür gilt näherungsweise (8) Dass dies ein sinnvolles Resultat ergibt, ist jedoch nicht selbstverständlich, da beide temperaturabhängig sind. und Grundpraktikum Physikalische Chemie, Versuch 16: Chemisches Gleichgewicht in der Gasphase Dass die Steigung der Auftragung von gegen den Wert 3 hat, hängt direkt mit der Van't Hoffschen Reaktionsisobare zusammen (s. Anhang): (9) Für den Fall isochorer Reaktionsbedingungen betrachtet man Reaktionsisochore (s. Anhang): die Van't Hoffsche ( 10 ) 2. DAS DISSOZIATIONSGLEICHGEWICHT Distickstofftetraoxid dissoziiert gemäß der folgenden Reaktionsgleichung: ( 11 ) Wenn unter den gewählten Versuchsbedingungen ein Mol zu einem Bruchteil dissoziiert ( = Dissoziationsgrad bzw. Reaktionslaufzahl mit der Einheit mol), dann enthält das System genau 2 . Für die Stoffmengen gilt nN O 1 nNO 2 2 4 2 ( 12 ) Daraus ergeben sich die Stoffmengenanteile (Molenbrüche) xN O 2 4 1 1 xNO2 2 1 ( 13 ) berechnen. Die Gesamtstoffmenge im Gleichgewicht ist entsprechend ( 14 ) nges 1 Ferner gilt d 1 i 1 2 dni dnN O dnNO 2 4 2 ( 15 ) Im Experiment wird ein Glaskolben mit dem Volumen evakuiert und dann direkt mit einem Metallzylinder verbunden, in dem sich flüssiges befindet. Im Gesamtsystem stellt sich dann der Dampfdruck des flüssigen ein (Berechnung: s. Anhang bzw. Druckmessung). Die Temperatur des Glaskolbens wird mit einem Thermostaten kontrolliert, um verschiedene Gleichgewichtslagen zu erhalten. Die Information über den Dissoziationsgrad steckt in der Masse des gefüllten Kolbens, die gravimetrisch bestimmt wird. Nach Abzug der Masse des evakuierten Kolbens erhält man die Gesamtmasse der eingeschlossenen Gasteilchen. Nach der Zustandsgleichung für ideale Gase Grundpraktikum Physikalische Chemie, Versuch 16: Chemisches Gleichgewicht in der Gasphase 4 ( 16 ) ist die Gesamtstoffmenge n im Kolben bekannt, mit deren Hilfe sich die mittlere Molmasse berechnen lässt: ( 17 ) Diese mittlere Molmasse setzt sich aus den Molmassen von brüche gewichtete Summe zusammen: und als über die Molen( 18 ) Berücksichtigt man, dass und und setzt man für ein, so erhält man ( 19 ) Aus lassen sich der Dissoziationsgrad Gleichgewichtskonstante Kx berechnen: (bzw. die Reaktionslaufzahl) und die ( 20 ) ( 21 ) Aus Kx lassen sich leicht Kp und K berechnen. K 2 pNO 2 pN O p 2 4 Kp p Kxp 4 2 p p (1 2 )p Damit stehen dann alle Werte für die Auftragung von dann und gegen ( 22 ) zur Verfügung, aus der durch lineare Regression gewonnen werden können. (2 3 ) Grundpraktikum Physikalische Chemie, Versuch 16: Chemisches Gleichgewicht in der Gasphase 5 3. AUFGABEN 1) Bestimmen Sie für fünf Temperaturen (25, 35, 45, 55 und 65°C) den Dissoziationsgrad und die Gleichgewichtskonstanten , Kx , Kp und . Achtung: Die erste Temperatur sollte mindestens 5 K über der Temperatur des Reservoirs liegen. Andernfalls wird die Messung durch flüssiges verfälscht, welches im Messkolben auskondensiert. 2) Tragen Sie einem Diagramm lnK gegen 1/T auf und bestimmen Sie auf dieser Grundlage und . Wägefehler u. ä. sollten hier in Form von Fehlerbalken berücksichtigt sein. 3) Erstellen Sie ein Ergebnisblatt ähnlich wie am Ende der Anleitung skizziert. 4) Diskutieren Sie die Schlüssigkeit Ihrer Ergebnisse: Liegen die Punkte annähernd auf einer Geraden? Welche Vereinfachungen wurden in den theoretischen Annahmen gemacht, die eventuell für die Abweichungen verantwortlich sein könnten? 5) Wie passen Ihre Werte zu denen aus der Literatur? Grundpraktikum Physikalische Chemie, Versuch 16: Chemisches Gleichgewicht in der Gasphase 6 4. DURCHFÜHRUNG Vorsicht! ist ein farbloses (tiefe Temperaturen), aggressives, stark giftiges Gas. ist ein tief braunes (bei T ≥ Raumtemperatur), giftiges Gas. Deshalb müssen alle Operationen mit diesem Gemisch in einem gut funktionierenden Abzug vorgenommen werden. Abbildung 1: Schematischer Aufbau der Apparatur In Abbildung 1 ist die für den Versuch vorgesehene Apparatur schematisch dargestellt. Der tatsächliche Aufbau ist um weitere Kühlfallen ergänzt und weicht daher etwas von dieser Skizze ab. Ablauf: 1) Kühlfallen mit flüssigem Stickstoff füllen. 2) Thermostat einschalten und gewünschte Temperatur einstellen. 3) -Behälter in ein Wasserbad stellen, dessen Temperatur bei jedem Messdurchlauf überprüft wird. 4) Den gereinigten, trockenen Kolben mit einer Kugelschliffklemme an Apparatur anschließen. Dichtigkeit sicherstellen (kein Schlifffett verwenden – Verfälschung der Masse!). Grundpraktikum Physikalische Chemie, Versuch 16: Chemisches Gleichgewicht in der Gasphase 7 5) Vakuumpumpe und Baratron einschalten. 6) Messreihe durchführen (5 Messreihen) a. Anlage mitsamt Kolben evakuieren (Ventile E, C & D geöffnet). b. Kolben mit Gas füllen (Ventile A, C & D geöffnet). c. 10 Minuten warten, bis sich Temperaturkonstanz vorliegt. d. Ventil zum Kolben schließen und Anlage evakuieren (Ventile E & C geöffnet). e. Anlage belüften (Ventile C & B geöffnet) und Kolben wiegen. 7) Nach der letzten Messung wird der Kolben vollständig evakuiert und seine Masse bestimmt. 8) Zur Bestimmung des Kolbenvolumens wird die Öffnung des evakuierten Kolbens in destilliertes Wasser getaucht (Temperatur messen!) und das Ventil geöffnet. Durch den Unterdruck wird der Kolben mit Wasser gefüllt. Aus der Masse des Wassers kann das Volumen des Kolbens berechnet werden. 9) Apparatur belüften, Kühlfallen abmontieren und ausdampfen lassen, Geräte ausschalten. Achtung! Eine Hauptfehlerquelle bei diesem Versuch ist die langsame Einstellung des berechneten Dampfdrucks. Bitte lassen Sie bei jeder Messung den Kolben mindestens 10 Minuten in Verbindung mit dem -Behälter. Ein weiteres Problem ist die Abkühlung des Kolbens beim Evakuieren ( kann auskondensieren). Bitte warten Sie vor dem Gaseinlass etwa 2 Minuten, bis der Kolben sich wieder auf die Temperatur des Thermostaten erwärmt hat. 8 Grundpraktikum Physikalische Chemie, Versuch 16: Chemisches Gleichgewicht in der Gasphase Messprotokoll Versuch 16 Chemisches Gleichgewicht in der Gasphase Teamname: Mitglieder: Messung-Nr. Messwerte 2 1 3 4 5 / °C / °C /g Fehlerwerte: Feinwaage Grobwaage Temperatur Zur Berechnung verwendete Werte: Gaskonstante R Messung-Nr. 1 Eine Übersicht in dieser Form sollte am Ende Ihres Protokolls stehen! Ergebnisse 2 3 4 Mittlere Molmasse Dissoziationsgrad 1/T K Aus der Geraden ergibt sich: kJ mol-1 J mol-1 kJ mol-1 kJ mol-1 Literaturwerte: kJ mol-1 J mol-1 kJ mol-1 Literaturstelle(n): 5 Grundpraktikum Physikalische Chemie, Versuch 16: Chemisches Gleichgewicht in der Gasphase 5. ANHANG FEHLERRECHNUNG Die Fehler werden mit der Größtfehlerrechnung (Fehlerfortpflanzung) ermittelt: CHEMISCHES POTENTIAL UND REAKTIONSLAUFZAHL Hinweis: im Gleichgewicht ZUSAMMENHANG GLEICHGEWICHTSKONSTANTE UND im Gleichgewicht: 9 Grundpraktikum Physikalische Chemie, Versuch 16: Chemisches Gleichgewicht in der Gasphase 10 HERLEITUNG DER GIBBS-VAN’T HOFF’SCHEN FORMELN Im Folgenden soll die Herleitung der VAN’T HOFF’schen Formel behandelt werden (nach JACOBUS HENRICUS VAN’T HOFF). Sie beschreibt in der Thermodynamik den Zusammenhang zwischen der Lage des Gleichgewichts einer chemischen Reaktion und der Temperatur. Eine wichtige Grundlage ist der Zusammenhang der sich wie folgt herleiten lässt: Durch Ableiten unter Anwenden der Quotientenregel erhält man Über die Zusammenhänge Und dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik (reversible Bedingungen) Bei isobaren Bedingungen gilt , deshalb gilt Diese Beziehungen kann man oben einsetzen und erhält: Grundpraktikum Physikalische Chemie, Versuch 16: Chemisches Gleichgewicht in der Gasphase 11 Zur Beschreibung eines Gleichgewichtes muss dieser Zusammenhang auf die partiellen molaren Größen übertragen werden. Hiermit lässt sich die VAN´T HOFFSCHE Reaktionsisobare aufstellen: oder kurz: Ein anderer wichtiger Fall ist der des Gleichgewichts bei festem Volumen. Hier variiert der Gesamtdruck mit der Lage des Gleichgewichts wenn die Zahl der gasförmigen Komponenten auf Edukt- und Produktseite unterschiedlich ist. Ideales Verhalten vorausgesetzt, gilt pYV = nYkT (Y = Grundpraktikum Physikalische Chemie, Versuch 16: Chemisches Gleichgewicht in der Gasphase 12 A, B, C, D). Beachtet man, dass nY/V = [Y], und gibt man [Y] in mol L-1 an, so gilt pY=[Y]RT. Damit kann man Kp auch schreiben als wobei die Konzentrationsgleichgewichtskonstante ist. (*) Dies lässt sich kürzer schreiben, wenn man statt der Reaktionsenthalpie die Reaktionsenergie , also die Wärmetönung der Reaktion bei konstantem Volumen (isochore Reaktionswärme), verwendet. Hier gilt nach der Definition der Zusammenhang wobei für eine isochore Reaktion gilt. Ferner ist nach der idealen Gasgleichung wobei die Änderung der Zahl der gasförmigen Teilchen (in Mol) pro Mol Formelumsatz bezeichnet, die sich in unserem Fall über die stöchiometrischen Koeffizienten berechnet: Grundpraktikum Physikalische Chemie, Versuch 16: Chemisches Gleichgewicht in der Gasphase 13 Damit erhalten wir Damit wird Gleichung (*) zur VAN’T HOFF’schen Reaktionsisochore: Liegen experimentelle Daten zu K bei verschiedenen Temperaturen vor, so kann man über eine Auftragung von ln K gegen 1/T erhalten. bzw. Hierfür ist die folgende Umformung nützlich: Im vorliegenden Fall bedeutet dies d.h., die Reaktionsenthalpie bzw. –energie lässt sich direkt aus der Steigung einer Auftragung von ln K gegen 1/T bestimmen. BERECHNUNG DES DAMPFDRUCKS VON Der Dampfdruck hängt von der Temperatur T des Gefäßes ab, in dem sich das flüssige befindet. Um diese Temperatur möglichst genau zu kennen, empfiehlt es sich, das Gefäß in ein Wasserbad zu stellen, dessen Temperatur bei jeder Messung notiert wird. Der Dampfdruck berechnet sich dann nach der Augustschen Dampfdruckformel: Für die Rechnung benötigt man die Verdampfungsenthalpie = 38.12 kJ mol-1 sowie den Siedepunkt T0 = 294.3 K von Dampfdruck 101315 Pa. definitionsgemäß den . Am Siedepunkt hat Grundpraktikum Physikalische Chemie, Versuch 16: Chemisches Gleichgewicht in der Gasphase 6. VORBEREITUNG AUF DEN PRAKTIKUMSVERSUCH Arten von Gleichgewichten und Definition des chemischen Gleichgewichts Prinzip von Le Chatelier mit Beispiel Herleitung der van’t Hoff’schen Reaktionsisobare / -isochore Reaktionslaufzahl ξ, Ableitung nach ξ Herleitung der Gleichgewichtskonstanten Kp, Kc, Kx und K Druck- und Temperaturabhängigkeit des chemischen Potentials Dissoziation von N2O4: Auswerteformel, Dissoziationsgrad, Messprinzip 7. LITERATUR: [1] G. WEDLER, Lehrbuch der Physikalischen Chemie, 5. Aufl., WILEY-VCH, 2004. [2] P. W. ATKINS, Physikalische Chemie, 4. Aufl., WILEY-VCH, 2006. 14 Grundpraktikum Physikalische Chemie, Versuch 16: Chemisches Gleichgewicht in der Gasphase Alte Klausuraufgabe: Wir betrachten ein chemisches Gleichgewicht von idealen Gasen: N2O4(g) 15 2 NO2(g) a) Geben Sie einen Ausdruck für die Gleichgewichtskonstante Ka an. 2 Ka b) Zeigen Sie, dass K a 2 aNO 2 aN2O4 pNO2 2 pNO p 2 pN2O4 pN2O4 p p 4 2 p , wobei der Dissoziationsgrad ist. (1 2 )p Stoffmengen: nN2O4 1 Molenbrüche: xN2O4 Partialdrücke: 1 pN2O4 xN2O4 p p 1 nges 1 nNO2 2 1 1 xNO2 2 1 2 pNO2 xNO2 p p 1 2 2 1 p 4 2 p 4 2 p Ka 1 1 1 p (1 2 )p 1 pp 2 –1 c) Berechnen Sie V / n in L mol für p = 0,5 bar, 1 bar und 2 bar unter der Bedingung, dass bei 25°C keine Dissoziation vorliegen würde. V RT n p p / bar V m / L mol-1 0.5 1 2 49.6 24.8 12.4 d) Berechnen Sie V / n bei 25°C für p = 0,5 bar, 1 bar und 2 bar unter Berücksichtigung der Dissoziation mit Ka = 0,115. Die Gasmischung soll sich ideal verhalten. Ka 4 2 p (1 2 )p Ka 4 pp K a p / bar 0.5 1 2 V RT V RT 1 n 1 p n p 0.23 0.17 0.12 V m / L mol-1 61.1 28.9 13.9 e) Wenn der Druck für diese ideale Gasmischung sehr klein wird, nähert sich der Kompressionsfaktor Z anstelle des typischen Wertes von 1 dem Wert 2 an. Erklären Sie in einem Satz. Z pVm 1 , d.h. die Stoffmenge ist nicht konstant und verdoppelt sich bei kleinem Druck. RT
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