Nachlese

Nachlese
Fachtagung
WIRTSCHAFTSKRIMINELLE
AUFRÜSTUNG
23.04.2015
in der Autostadt der Volkswagen AG, Wolfsburg
Wir geben Wirtschaftskriminellen ein Gesicht
Copyright German Chapter of the ACFE e.V.
Bereits am Vorabend der Fachtagung konnten zwei Drittel der Tagungsteilnehmer, die Referenten und Vorstände des ACFE e.V. die Vorzüge
und Annehmlichkeiten der „Kommunikationsplattform des Volkswagenkonzerns“, der Autostadt Wolfsburg genießen. Nach einer informativen Führung durch verschiedene Pavillons und das beeindruckende
Gelände trafen sich alle Teilnehmer in einer Lounge des Konzernzentrums der Autostadt. Bei kleinen Köstlichkeiten und erfrischenden
Getränken wurden angeregte Fachgespräche geführt und bereits verschiedene Aspekte der Themen des kommenden Tages mit den Referenten erörtert. Die Möglichkeit des persönlichen Netzwerkens wurde
ausgiebig genutzt und von allen Anwesenden begrüßt. Bereits die
Vorabendveranstaltung hinterließ dank der hervorragenden Organisation seitens des VW Konzerns bei allen Beteiligten einen sehr positiven Eindruck.
Trotz Bahnstreik fanden am Tag der Fachtagung über 90 Teilnehmer
pünktlich ihren Weg in den Veranstaltungssaal im Kongresszentrum
der Autostadt. Herr Schmidt, der Chef der VW Konzernsicherheit, begrüßte die Teilnehmer und gab einen kurzen Einblick in die Aufgaben
seiner Abteilung innerhalb der Volkswagen AG. Nach Grußworten des
Vorsitzenden des ACFE e.V., Herrn Kilian, startete das Programm der
Fachtagung mit dem Beitrag des Vorstandsvorsitzenden der ASW Bundesverbandes, Herrn Volker Wagner. Aus der Sicht des Bundesverbandes Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft gab Herr Wagner einen
Überblick zur aktuellen Bedrohungslage für deutsche Unternehmen.
Unabhängig von Größe und Branchenzugehörigkeit haben sich nach
Erfahrungen des ASW Bundesverbandes die Bedrohungen verschärft.
Insbesondere die „Kronjuwelen“ der Unternehmen stehen dabei im
Fokus der Angreifer. Die zitierten „Kronjuwelen“ sind firmenindividuell
unterschiedlich. Aber unabhängig davon, ob es sich um technologische Patente, vertrauliche Preiskalkulationen oder spezielles Know How
des Personals handelt, immer sind die Angriffe auf geheime, firmeninterne Informationen gerichtet. Die Angreifer eint hierbei das Ziel
des unautorisierten Informationsgewinns, unabhängig ob der Angriff
von ausländischen Staaten, Konkurrenzunternehmen oder Kriminellen
initiiert ist. Der Schutz der Werte kann nur mittels eines modernen
Risikomanagements gewährleistet werden. Der Bundesverband ASW
sieht es als eine seiner Hauptaufgaben an, die Aufmerksamkeit für
diese Thematik zu fördern.
Der spezielle Aspekt des menschlichen Faktors war Gegenstand des
zweiten Vortrags von Herrn Fred Maro. Anders als in vielen Bereichen
dargestellt spielt die Bedrohung im Cyberbereich hinsichtlich der
gezielten Wirtschaftsspionage eher eine nachrangige Rolle. Der persönliche Angriff durch professionell agierende Spione mit dem Ziel
Mitarbeiter und Führungskräfte zu täuschen und auszuhorchen, führt
bei weitem häufiger zum Verlust sensibler Unternehmensdaten als
angenommen. Wie dieses „human based social engineering“ im Detail funktioniert und welche Mittel und Strategien dabei eingesetzt
werden, stellte Herr Maro eindrucksvoll und schlüssig dar. Wie leicht
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sich menschliches Verhalten und damit verbundene Schwächen für
Zwecke der Industriespionage nutzen lassen, zeigte Herr Maro an
ausgewählten Fallbeispielen. Wie bereits sein Vorredner stellte Herr
Maro fest, dass viele Unternehmen ihre Kronjuwelen gar nicht kennen
und somit auch nicht gezielt schützen. Allgemeine, formale Compliance Regeln sind für die Abwehr solcher Angriffe nicht wirksam. Ein
gesteigertes Bewusstsein für die Bedrohung, die Identifizierung der
Kronjuwelen sowie möglicher Angriffswege und die Schulung und
Unterweisung betroffener Mitarbeiter sind zwingend notwendige
Maßnahmen zur Abwehr derartiger Angriffe.
Nach einer ersten Networking Pause setzte Herr Erik Liegle, Leiter
Forensik innerhalb der VW Konzernsicherheit, die Veranstaltung fort.
Mit dem Thema Plagiate beleuchtete Herr Liegle ein weiteres
Spezialfeld der Wirtschaftskriminalität. Wurden in der Vergangenheit
hauptsächlich teure Markenartikel von Bekleidungs-, Schuh- und
Uhrenherstellern gefälscht, richten sich die neueren Aktivitäten der
Fälscher auch auf hochwertige Produkte im Maschinenbau, der
Werkzeugtechnik und auch auf Kfz-Teile aller Art. Neben den
ökonomischen Verlusten stellen diese Plagiate auch ein erhebliches
Sicherheitsrisiko dar, da gefälschte, minderwertige Teile das sichere
Funktionieren von Maschinen, Autos oder gar Flugzeugen erheblich
beeinträchtigen können. Für den global agierenden Volkswagenkonzern mit weltweiten Produktionsstätten und Zulieferern stellt diese
Bedrohung eine Herausforderung dar. Anhand von Beispielen und
der Darstellung von strukturellen Maßnahmen stellte Herr Liegle dar,
wie die Konzernsicherheit der Volkswagen AG dieser Bedrohung
begegnet, um so die Sicherheit ihrer Kunden zu gewährleisten. Es
zeigte sich, dass bereits von den Vorrednern erwähnte Ansätze auch
hier ihre Beachtung finden.
Das nicht nur die Referentenliste der Fachtagung hochklassig besetzt
war, sondern auch im Auditorium hochkarätige Fachleute zugegen
waren, erwies sich im Fall des vierten vorgesehenen Referenten als
besonders wertvoll. Nachdem Herr Chmiel aufgrund des Bahnstreiks
die Veranstaltung nicht rechtzeitig erreichte, erklärte sich unser Gast,
Herr Uwe Claassen vom Landesamt für Verfassungsschutz Niedersachsen spontan bereit, die entstandene Vakanz mit einem eigenen Vortrag zu füllen. Sein Thema Wirtschaftsschutz und Wirtschaftsspionage
passte hervorragend in das Themengebiet und griff den roten Faden
der Vorredner nahtlos auf. Nach kurzer Darstellung der Sicherheitsstruktur der Bundesrepublik Deutschland kam Herr Claassen auf
die Rolle des Verfassungsschutzes bei der Abwehr wirtschaftskrimineller Angriffe. Er machte deutlich, dass es sich auch bei
Wirtschaftsspionage um Spionage handelt, deren Abwehr zu den
Aufgaben des Verfassungsschutzes zählt. Konkret kam Herr Claassen
erneut auf die bereits mehrfach zitierten Kronjuwelen zurück, die auch
nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes oft von Unternehmen
nicht ausreichend geschützt werden. Er machte weiter klar, dass trotz
erhöhter eigener Anstrengungen seine Behörde auf die Zusammenar-
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beit mit betroffenen Firmen angewiesen ist. Er verwies hierbei auf
den Fakt, dass der Verfassungsschutz im Gegensatz zu Polizei und
Staatsanwaltschaft nicht dem Legalitätsprinzip unterliege und somit
eine Verdachtsmeldung nicht zwangsläufig zu weiteren Ermittlungen
führen muss. Die Aufforderung von Herrn Claassen an die anwesenden Firmenvertreter sich im Fall eines Angriffs an den Verfassungsschutz zu wenden und sein Angebot, Unternehmen beratend zu
unterstützen, blieb sicherlich nicht unbeachtet.
In der folgenden Mittagspause konnten alle Teilnehmer noch einmal
den hervorragenden Service der Autostadt und das vorzügliche kulinarische Angebot genießen. Die gute Betreuung erleichterte die vertiefenden Gespräche und das Kennenlernen neuer Kollegen ungemein. Bereits zur Hälfte der Veranstaltung wurden die Erwartungen
erfüllt und nach eigenem Bekunden auch übertroffen.
Direkt nach der Mittagspause begann Herr Ziercke, der Präsident des
Bundeskriminalamts a.D., seinen mit Spannung erwarteten Vortrag.
Herr Ziercke ging zunächst ausführlich auf die terroristische Bedrohungslage ein und stellte anhand von Beispielen die enorm gewachsenen Herausforderungen der Polizeibehörden aber auch deren Erfolge bei der Verhinderung terroristischer Anschläge dar. Mit seiner
Analyse der aktuellen terroristischen Bedrohungslage unterstrich Herr
Ziercke seine hohe Fachkompetenz. Seine Ausführungen zur Entwicklung der Wirtschaftskriminalität begann Herr Ziercke mit dem überraschenden Eingeständnis, dass er die Polizeiliche Kriminalstatistik
hinsichtlich der Fallzahlen anzweifle. Seine Zweifel begründete er mit
der hohen Dunkelziffer an Fällen, die auf die Praxis vieler Unternehmen zurückzuführen ist, aus Angst vor Imageschäden Fälle nicht
zu melden. Im Bereich Cyber Crime werden zudem Angriffe von den
Unternehmen gar nicht bemerkt. Die Polizeibehörden und insbesondere das BKA haben auf die neue Qualität der Bedrohungslage
reagiert. Insbesondere im internationalen Bereich hat sich die
Zusammenarbeit stark verbessert. Auch im technischen Bereich hat
das Bundeskriminalamt mit neuen Spezialeinheiten im Bereich Cyber
Crime auf die neuen Bedrohungen reagiert. Vor dem Hintergrund der
rasanten technologischen Entwicklung betonte Herr Ziercke aber, dass
es weiterer Anstrengungen und verstärkter Mittel bedarf, um einen
ausreichenden Schutz zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang
erwähnte er auch den bereits mehrfach angesprochenen Eigenschutz
der Unternehmen zum Schutz der Kronjuwelen. Wie vor ihm Herr
Claassen plädierte auch Herr Ziercke für eine stärkere, vertrauensvolle
Zusammenarbeit der Unternehmen mit den Polizeibehörden. Seine
Ausführungen fanden die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Teilnehmer
und wurden mit anhaltendem Beifall bedacht.
Aus einem völlig anderen Blickwinkel näherte sich der nächste Referent Herr Claus Herrmann dem Thema. Der Dozent der Hochschule
Worms war bis vor kurzem leitender Steuerfahnder des Landes Rheinland Pfalz. In seinem Vortrag stellte Herr Herrmann die enge Verflechtung zwischen wirtschaftskriminellen Handlungen und der Tatbestand
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der Steuerhinterziehung her. Anhand eines beispielhaften Falles erläuterte Herr Herrmann die steuerrechtlichen Details und die damit
verbundenen strafrechtlichen Tatbestände. In dem geschilderten Fall
wurde deutlich, dass auch in diesem Bereich mit neuen Methoden
gearbeitet wird. Die betreffende Firma hatte die Generierung und
Verwendung von Schwarzgeld zu ihrem Geschäftsmodel gemacht. Der
im Zusammenhang mit der Falldarstellung gegebene Einblick in die
Methodik und Strategie der Steuerstrafbehörde wurde vom Auditorium mit staunendem Interesse aufgenommen.
Nach einer letzten Networking Pause konnte Herr Bert Weingarten von
der PanAmp AG einen neuen Studiengang vorstellen, der als
akademische Antwort auf die veränderten Herausforderungen
wirtschaftskriminellen Handels gesehen werden kann. In einem Kooperationsprojekt mit der Hochschule Wismar hat die PanAmp AG den
neuen Studiengang „Bachelor Forensic Engineering“ konzeptioniert.
Der Studiengang ist als berufsbegleitendes Fernstudium angelegt, das
sich an vornehmlich an Fachkräfte aus den Bereichen IT und Sicherheit wendet. Im Angesicht der immer schnelleren technologischen
Entwicklung und daraus resultierenden potentiellen Bedrohungen will
der neue Studiengang neben Inhalten der Informationstechnologie
auch kriminalistische, rechtliche und ethische Inhalte vermitteln. Die
heute noch häufig bestehende Kluft zwischen Informatikern und Ermittlern könnte mit diesem Studiengang der Vergangenheit angehören. Der interdisziplinäre Ansatz des neuen Studienganges kann
eine Antwort auf die neuen Herausforderungen im Bereich Cyber
Crime sein. Die Veranstaltungsgäste nahmen diese neue Ausbildungsmöglichkeit mit großem Interesse zur Kenntnis. Auch der ACFE
wird die Entwicklung weiter begleiten und soweit möglich unterstützen.
Nach Schlussworten von Herrn Liegle und Herrn Kilian endete die
Veranstaltung.
Impressum:
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Vilbeler Landstraße 255
60388 Frankfurt am Main
www.acfe.de / [email protected]
Telefon +49 (0) 6196 - 76 95 401
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