1 Prof. Dr. Hans-Dieter Spengler SS/WS 2015/2016 Hausarbeit

Prof. Dr. Hans-Dieter Spengler
SS/WS 2015/2016
Hausarbeit
Übung im Bürgerlichen Recht für Fortgeschrittene
Herr Siebenklug ist Eigentümer eines Hausgrundstücks in Erlangen am Burgberg. An der
westlichen Grundstücksgrenze befinden sich auf seinem Grundstück sechs Kiefern. Das
Nachbargrundstück steht im Eigentum des Ehepaars Kübl und ist mit einem großzügigen Einfamilienhaus bebaut. Den beiden älteren Eheleuten, die viel Zeit daheim verbringen, sind die
sechs Kiefern schon seit längerer Zeit ein Dorn im Auge. Diese sind mittlerweile ca. 20 Meter hoch und werfen im Herbst sehr viele Nadeln, Kiefernzapfen und dürre Zweige ab, die die
Dachrinne des Hauses der Eheleute Kübl vollständig auffüllen und verstopfen. Sie verschmutzen zudem auch den gesamten Vorplatz vor der Garage und dem Haus der Eheleute
Kübl. Als im Herbst des Jahres 2014 trotz allabendlichen Fegens des Vorplatzes, dieser am
nächsten Morgen schon wieder mit einer dünne braunen Nadelschicht, gespickt mit einigen
Zapfen und Zweigen bedeckt ist, fordern die entnervten Eheleute Kübl Herrn Siebenklug zur
Beseitigung der Kiefern auf. Nachdem sich Herr Siebenklug weigert, suchen die Eheleute
Kübl Herrn Rechtsanwalt Redlich auf, den sie bitten zu prüfen, ob sie von Herrn Siebenklug
Beseitigung der Kiefern verlangen können. Herr Rechsanwalt Redlich lässt die Grundstücke
von seinem Referendar besichtigen, der sich zutreffend notiert, dass die Kiefern sich nur bis
zu 1,50 Meter von der Grundstücksgrenze entfernt befinden, gemessen jeweils an der Mitte
des Stammes, an der Stelle, an der der Stamm aus dem Boden hervortritt. Zudem notiert er
zutreffend, dass in der Umgebung der Anwesen die Bepflanzung mit entsprechend großen
Kiefern die Ausnahme ist und es sich um eine Wohngegend mit großen Gärten und vielen
anderen Baumarten handelt. Herr Rechtsanwalt Redlich teilt daraufhin den Eheleuten Kübl
mit, dass die Kiefern den nach den Vorschriften des BayAGBGB erforderlichen Grenzabstand
bei weitem nicht einhielten. Herr Siebenklug sei deshalb verpflichtet, die sechs Kiefern, deren
Wert er auf je 1.000 Euro schätze, auf seine Kosten zu beseitigen. Falls das zuständige Gericht dies jedoch anders sehen sollte, sei Herr Siebenklug jedenfalls dazu verpflichtet, den
jährlichen Reinigungsaufwand zu bezahlen. Die Eheleute Kübl hätten ja schließlich zutreffend ausgeführt, dass die Dachrinne des Hausdaches aufgrund Verstopfung durch Kiefernnadeln und –zweige im Herbst jeden Jahres öfters gereinigt werden müsse und auch der Vorplatz vor Haus und Garage müsse täglich gekehrt werden. Herr Siebenklug schulde deshalb
den Eheleuten Kübl jedenfalls einen angemessenen Ausgleich in Geld. Hierfür sei ein jährli1
cher Betrag von 360 Euro angemessen. Es sei ein Arbeitsaufwand von jährlich 40 Stunden
erforderlich, wobei die Arbeitsstunde mit 9,00 Euro sehr niedrig angesetzt sei.
Zudem verläuft entlang der Grundstücksgrenze zum Anwesen des Herrn Siebenklug ein
Schmutzwasser-Hausanschlusskanal auf dem Grundstück der Eheleute Kübl. Im Laufe der
Jahre sind die Baumwurzeln der Kiefern des Herrn Siebenklug in den Kanal hineingewachsen
und haben diesen im Frühjahr des Jahres 2014 verstopft. Die Eheleute Kübl mussten deshalb
die Verstopfung beseitigen und den Hausanschlusskanal instandsetzen lassen. Die Firma Kanalreinigung GmbH in Erlangen hat hierfür einen Betrag von 2.000 Euro berechnet. Herr Siebenklug hat sich bisher geweigert, diese Kosten zu erstatten.
Auf die Aufforderung von Herrn Rechtsanwalt Redlich hin, die Kiefern zu beseitigen und die
Kosten der Instandsetzung des Hausanschlusskanals zu erstatten, bringt Herr Siebenklug zutreffend vor, er habe die Bäume im Jahre 1977 gepflanzt. Damals hatten sie eine Höhe von
2,50 Meter. Er meint, eine Beseitigung der Kiefern komme auf keinen Fall in Betracht. Dies
scheide schon deshalb aus, weil die Eheleute Kübl einen Beseitigungsanspruch bisher nie
geltend gemacht haben. Jedenfalls sei er jetzt ja wohl verjährt. Eine Beseitigung der Kiefern
komme auch deshalb nicht in Betracht, weil nach der im Jahre 2001 erlassenen Baumschutzsatzung der Stadt Erlangen Bäume, die einen Stammumfang von mindestens 60 cm, gemessen
1 Meter über dem Boden, haben, nicht beseitigt werden dürfen. Drei der sechs Kiefern haben
einen Stammumfang von über 60 cm, gemessen 1 Meter über dem Boden. Diese drei Kiefern
stehen am nächsten zum Haus der Eheleute Kübl.
Herr Siebenklug führt darüber hinaus zutreffend aus, dass sich auf dem Grundstück der Eheleute Kübl ebenfalls Bäume befänden, nämlich mehrere Obstbäume. Er meint, die Blüten und
Blätter dieser Bäume würden die dargestellten Verunreinigungen mitverursachen. Die Eheleute Kübl müssten schon wegen dieser geringen, durch die eigenen Bäume hervorgerufenen
Verunreinigungen Reinigungsarbeiten durchführen. Die Reinigungsarbeiten seien durch den
Abfall der Kiefern nicht unzumutbar erhöht. Den Eheleuten Kübl sei zuzumuten, die Nadeln,
die gelegentlich auf ihr Grundstück fallen, selbst zu beseitigen. So sei es in der Nachbarschaft
jedenfalls seit Generationen üblich.
Bezüglich des Hausanschlusskanals erklärt Herr Siebenklug zutreffend, dass die Kiefern bereits vor dem Bau des Hausanschlusskanals gepflanzt wurden. Schon deshalb entfalle eine
Erstattungspflicht für die Instandsetzungskosten. Er hätte nicht damit rechnen müssen, dass
auf dem Grundstück der Eheleute Kübl einmal ein Kanal angelegt wird. Die Eheleute Kübl
hätten ja die auf ihr Grundstück eingedrungenen Wurzeln selbst beseitigen können. Dann wäre eine Funktionsstörung des Kanals vermieden worden.
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Es entwickelt sich ein reger Schriftwechsel, in dem Herr Rechtsanwalt Redlich auf Anraten
seines Referendars Herrn Siebenklug darauf hinweist, dass eine öffentlich-rechtliche Satzung
auf die zivilrechtliche Rechtslage im Nachbarrecht keinerlei Einfluss habe. Nunmehr begibt
sich der verunsicherte Herr Siebenklug zu Rechtsanwalt Dr. Schlau. Herr Dr. Schlau beauftragt seine angestellte Jurastudentin Meier mit einem umfassenden Gutachten zu den Ansprüchen des Ehepaars Kübl gegen Herrn Siebenklug, das auf alle aufgeworfenen Rechtsfragen
eingeht.
Bearbeitervermerk:
Das Gutachten von Frau Meier ist erstellen.
(Es ist davon auszugehen, dass der Reinigungsaufwand mit 360 Euro korrekt beziffert ist.)
Auf die nachfolgenden Vorschriften des BayAGBGB wird hingewiesen:
ART. 47
GRENZABSTAND VON PFL ANZEN
(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann verlangen, daß auf einem Nachbargrundstück nicht
Bäume, Sträucher oder Hecken, Weinstöcke oder Hopfenstöcke in einer geringeren Entfernung als
0,50 m oder, falls sie über 2 m hoch sind, in einer geringeren Entfernung als 2 m von der Grenze
seines Grundstücks gehalten werden.
(2) 1 Zugunsten eines Waldgrundstücks kann nur die Einhaltung eines Abstands von 0,50 m verlangt
werden. 2 Das gleiche gilt, wenn Wein oder Hopfen auf einem Grundstück angebaut wird, in dessen
Lage dieser Anbau nach den örtlichen Verhältnissen üblich ist.
ART. 52
VERJÄHRUNG DER NACHB ARRECHTLICHEN ANSPRÜ CHE
(1) 1 Die sich aus Art. 43 bis 45 und 46 Abs. 1 ergebenden Ansprüche unterliegen nicht der Verjährung. 2 Der Anspruch auf Beseitigung eines die Art. 47 bis 50 und 51 Abs. 1 und 2 verletzenden Zustands verjährt in fünf Jahren. 3 Die Verjährung beginnt mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem
1. der Anspruch entstanden ist, und
2. der Eigentümer des Grundstücks von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder
ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
(2) Sind Ansprüche nach Absatz 1 Sätze 2 und 3 verjährt und werden die Gewächse durch neue
ersetzt, so kann hinsichtlich der neuen Gewächse die Einhaltung des in Art. 47 bis 50 und 51 Abs. 1
und 2 und vorgeschriebenen Abstands verlangt werden.
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