Tagung zur Konzernverantwortungsinitiative vom 02.12.201 in Bern Schlusswort von Giusep Nay Nachdem die Initiative in ihren Einzelteilen dargestellt und insbesondere von Gregor Geisser sehr gut erläutert wurde, will ich versuchen, diese wieder zusammenzuführen und mit der notwendigen Vereinfachung – hoffentlich einer nicht zu starken – ihren wesentlichsten Inhalt zusammenzufassen und auf den Punkt zu bringen. Die Zeiten ändern sich und wir ändern uns mit ihnen. Das wussten schon die Römer. Und heute muss man angesichts der vielen Staus – nicht nur auf unseren Strassen – sagen: und wir sollten uns mit ihnen ändern. Betrachten wir die in riesigen Schritten erfolgte und weiter fortschreitende Globalisierung der Wirtschaft und die hinterherhinkende nationalstaatliche Politik, wird rasch klar, wie sich die Machtverhältnisse zugunsten der Wirtschaft verschoben haben. In Wesentlichen Teilen unseres Lebens bestimmt nicht mehr der Staat die Regeln unseres Zusammenlebens; sie werden faktisch von internationalen Konzern bestimmt, weitgehend kaum bemerkbar, wobei dann das Resultat uns umso perplexer zurücklässt. Man kann sich darüber streiten und streitet sich auch, wieviel Staatsmacht und wieviel Wirtschaftsfreiheit gut sind. Es ist hier nicht der Ort, um näher darauf einzugehen. Festgehalten kann aber werden, dass ein gesundes Gleichgewicht ganz empfindlich gestört ist, angesichts des hinter der wirtschaftlichen Globalisierung herhinkenden internationalen Rechts und internationalen Verbunds der Staaten mit einer gebührenden verbindlichen und durchsetzbaren Gestaltungskraft. Recht ist Kontrolle der Macht, der staatlichen wie der wirtschaftlichen. Und Menschenrechte schützen die Schwachen. Die Konzernverantwortungsinitiative setzt daher am genau richtigen Punkt an, wenn sie mittels einer Verpflichtung in der Schweiz ansässiger internationaler Konzerne, die Menschenrechte und Umweltschutzpflichten einzuhalten, das geschilderte Ungleichgewicht zwischen Wirtschaftsmacht und staatlicher rechtlicher Kontrolle soweit als nur möglich aus der Schieflage führen will. Der Haupteinwand gegen die Initiative, den man hört und liest, ist: man solle und wolle die Konzerne auffordern, alles, was die Initiative fordert, freiwillig zu erfüllen. Geht man aber davon aus, die Konzerne würde das schon freiwillig machen, dann sehe ich nicht, wie man sich so gegen eine Verpflichtung sträubt, denn dann geht die Verpflichtung offensichtlich nicht zu weit. Es wird auch rasch eingewendet, was will die kleine Schweiz hier denn bewirken können. Und meine Antwort ist: sie kann viel bewirken. Denn wenn in Anschlag gebracht wird, wie viele und welche grossen internationalen Konzerne ihren Sitz in der Schweiz haben, wird rasch ersichtlich, dass wir hier eine nicht zu unterschätzende Stärke und damit auch Verantwortung haben. – Alec von Grafenried hat das im Einzelnen eindrücklich aufgezeigt. - Und auch wenn die schweizerischen Konzerne weltweit nicht die Bedeutung haben, dass sie allein die Welt verändern könnten, gilt es zu beachten und gebührend zu würdigen, dass jede verhinderte Menschenrechtsverletzung und Umweltschädigung so viel Leid und Ungemach vermeidet, dass es sich mehr als lohnt, dafür zu sorgen, dass sie vermieden werden. Die internationalen Konzerne wählen ihren Sitz nicht aus reiner Liebe zur Schweiz hier bei uns. Sie schätzen vor allem den zuverlässigen und sicheren Rechtsstaat und machen mit ihrer Wahl gleich auch Werbung dafür. Sie tragen das Image der Schweiz als wohlgeordnetes Land in die 2 Welt hinaus. Dieses Bild verdüstert sich jedoch ganz empfindlich, wenn dann mit dem schweizerischen Label Menschenrechte missachtet werden und die Umwelt zerstört wird. Es liegt deshalb auch im wohlverstandenen Interesse der Schweiz das zu verhindern. Die Konzernverantwortungsinitiative will im Wesentlichen Folgendes in unserer Bundesverfassung verankert sehen: 1. Der Bundesgesetzgeber wird verpflichtet, allen von der Schweiz aus operierenden Unternehmen alle mögliche Sorgfalt aufzuerlegen, damit sie und die mit ihnen verbundenen weiteren Unternehmen im Ausland keine Menschenrechte verletzen und auch die Umwelt nicht schädigen und vor allem nicht so schädigen, dass Menschenrechte obsolet sind. – Weil das Initiativbegehren als ein Gesetzgebungsauftrag formuliert ist, wird das Bundesgericht die auf dem Podium diskutierte Frage, ob dieses direkt anwendbar sein könnte, kaum bejahen, sondern sich darauf berufen, zunächst müsse das Gesetz erlassen werden. 2. Dies geschieht mit einer klugen Sorgfaltspflichtprüfung, zu der die Unternehmen gesetzlich zu verpflichten sind, unter einer entsprechenden Pflicht auch zur Rechenschaftsablage über die ergriffenen Massnahmen. Die vorgeschriebene Sorgfaltspflichtprüfung ist dabei so ausgeklügelt, dass Schlupflöcher weitestgehend ausgeschlossen sind, was wichtig ist. 3. Die Konzerne haften schliesslich für den Schaden, den sie infolge der Verletzung von international anerkannten Menschenrechten oder von internationalen Umweltstandards verursacht haben. Das kann sie empfindlich schmerzen und sie können so nicht ungestraft ihre Sorgfaltspflichten zur Wahrung der Menschenrechte und zum Schutz der Umwelt vernachlässigen. Sie haften sodann – und das ist entscheidend - nur dann nicht für einen Schaden, wenn sie beweisen können, dass sie alle vorgeschriebene Sorgfalt angewendet haben, um den Schaden zu verhüten, oder wenn sie beweisen können, dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre. Weil die Konzerne in einem Schadenfall selber beweisen müssen, dass sie die Sorgfaltsregeln eingehalten haben, und nicht der Staat ihnen das Gegenteil nachweisen muss, sind sie höchst interessiert daran, diese Regeln in ihrem ganzen Unternehmen stets anzuwenden und durchzusetzen; denn wenn sie das in einem Schadenfall nicht nachweisen können, haben sie allen den Betroffenen aus Menschenrechtsverletzungen und Umweltschädigungen entstandenen Schaden zu ersetzen. – Diese Beweislastumkehr – wie sie auch Marie-Laure Guislain am Beispiel des französischen Gesetzesprojekts als wichtig hervorgehoben hat – wird die Unternehmen besonders veranlassen, ihre Sorgfaltspflichten ernst zunehmen, denn sonst ist ihre Haftung gewiss. Dabei ist auch die auf dem Podium als fraglich bezeichnete Beweislastumkehr auch für den Kausalzusammenhang zwischen der Art und Weise der Ausübung ihrer Tätigkeit durch die Unternehmung, nach meiner Auffassung zu bejahen, wenn diese mit der Initiative verpflichtet wird nachzuweisen, dass der Schaden auch bei Anwendung der verlangten Sorgfalt eingetreten wäre. In 3 Schlagworten zusammengefasst verlangt die Konzernverantwortungsinitiative von den schweizerischen Konzernen: Sorgfalt, Rechenschaft und Haftung. Sie will, dass die Konzerne mit Sitz in der Schweiz in allen ihren Geschäftstätigkeiten weltweit gesetzlich verpflichtet werden, Menschenrechtsverletzungen und Umweltschädigungen 3 1. mit aller Sorgfalt vorzubeugen, 2. darüber Rechenschaft abzulegen und 3. wenn sie nicht nachweisen können, dass sie alle Sorgfalt aufgewendet haben, haben sie für den Schaden aufzukommen. Ich danke allen, die sich tatkräftig für diese Ziele der Initiative mitengagieren und wünsche unserem Vorhaben vollen Erfolg.
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