Feuer und Flamme für Holzöfen

aktuell
st.galler bauer 42 – 2014
Serie «Alte Berufe, alte Künste» (4) – Hafner Tobias Rutz
Feuer und Flamme für Holzöfen
Für den Hafner Tobias Rutz
und seinen Ofenbaubetrieb in
Dietfurt bietet sich vom
Holzherd in der Alphütte bis
zum antiken Kachelofen ­
im Jagdschloss ein reiches
Betätigungsfeld. Zudem hat ­
er einen modernen
­Kleinspeicherofen mit hohem
Wirkungsgrad entwickelt.
Text und Bild: Beatrice Oesch, Niederwil
Im alten Marienheim mit angrenzenden Gebäuden im Industriegebiet von Dietfurt befinden sich
Werkstätten, Lager und Ausstellungsraum von Tobias Rutz. Sein
halbes Leben arbeitet er bereits in
seinem Traumberuf Hafner, seit er
als 15-Jähriger bei seinem Vater
die Lehre begann. 2013 übernahm
er von ihm das Geschäft. Wenn er
von seiner Arbeit erzählt, die Wirkungsweise verschiedener Öfen
«Schilten»: Tobias Rutz legt die Kacheln eines antiken Ofens in der
richtigen Reihenfolge aus.
erklärt oder die antiken und modernen Schätze in seinem grossen
Ausstellungsraum zeigt, spürt man
ihm die Begeisterung für seinen
Beruf an. Der junge Hafner hat sich
mit seiner Firma «Holzöfe Tobias
Rutz» einen Namen gemacht –
seine Aufträge führen ihn nicht nur
in die Schweiz und ins angrenzen-
Antike Beschläge am neuen Herd: Der Hafner montiert einen Messinghahnen fürs Heisswasser.
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de Ausland, sondern sogar bis
nach Kolumbien.
Feuer im Büro
«Öfen und Feuer faszinieren mich
seit jeher – ich bin fast ein wenig
ein Pyromane», sagt der Hafner
lachend. Einer seiner modernen
­
Speicheröfen aus schwarzem Stahlblech steht in seinem Büro, und darin brennt häufig ein Feuer. «Solch
ein Feuer verbreitet sehr viel Behaglichkeit, und als i-Tüpfelchen
kann man darauf noch schnell eine
Wurst braten», fügt er hinzu und
deutet auf einen kleinen Grillrost.
Perfekt. Aber jetzt geht es erst mal
auf einen Rundgang durch den
Betrieb, und angesichts der dort
ausgestellten Schätze würde man
am liebsten sofort bei ihm einen
Ofen bestellen. «Öfen gab es bereits in der Steinzeit, und Hafner
wurden im 13. Jahrhundert erstmals schriftlich erwähnt. Der Name
kommt vom alten Ausdruck ‹Ha-
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fen› für ­Geschirr und Kacheln, denn
damals gehörte die Herstellung dieser ­Ke­ramikteile zum Beruf», informiert ­Tobias Rutz.
Antik und modern
Die Palette der Ausstellungsstücke
reicht vom prachtvollen Winterthurer Kachelofen von 1688 über Kachelöfen aus verschiedenen Epochen bis zu urchigen Holzherden
aus Eisen, komplett mit Wasserschiff und innen mit modernster
Technik ausgestattet. Was man bei
Tobias Rutz nicht findet, sind Fertigprodukte aus dem Katalog. Wer es
modern und schlicht mag, wählt einen seiner selbst entwickelten Speicheröfen aus schwarzem Stahlblech
mit grosszügiger Glastür. Fünf bis
sechs Kilogramm Holz reichen, um
mit einmal Anfeuern rund zehn
Stunden wohlige Wärme zu erzeugen, und das bereits ab einer Kantenlänge von 36 Zentimetern und
170 Zentimetern Höhe. Für diesen
Ofen wurde er 2010 mit einem
­Innovationspreis des Toggenburger
Wirtschaftsforums ausgezeichnet.
Jedes Stück ein Unikat
Tobias Rutz ist Perfektionist. «Bei
jedem Ofen muss alles ganz genau
stimmen, sonst gibt es Einbussen
bei der Funktionalität», sagt er. So
sorgt zum Beispiel eine raffinierte
Frischluftspülung dafür, dass die
Scheibe der Ofentüre nicht verrusst.
Die gemauerten Rauchgaszüge
werden am Computer so berechnet,
dass die Schamotte-Kanäle möglichst lange von den heissen Verbrennungsgasen durchströmt werden und sich so aufheizen. Andererseits muss der Ofen genau richtig
ziehen, dann brennt das Feuer ruhig
und gleichmässig. Eine vollständige
Verbrennung des Holzes sorgt für
Mit antiken Schlagzahlen wird das Baujahr auf dem neuen Herd
verewigt.
sehr wenig Asche, sodass der
Aschebehälter nur sporadisch geleert werden muss. «Jeder Ofen ist
ein Unikat, aus modernen oder antiken Teilen gebaut; die Aussenhüllen können je nach Kundenwunsch
und Baustil des Hauses verschieden
gestaltet werden. Gemauert und
verputzt, gekachelt oder aus Metall,
die Gestaltungsmöglichkeiten sind
endlos», erklärt er. Die Grösse des
Ofens hängt von der Dämmung des
Gebäudes ab und davon, ob nur ein
Zimmer oder das ganze Haus ge-
heizt werden soll. In nachhaltig gebauten oder energetisch sanierten
Gebäuden reicht ein einziger Speicherofen als Heizung aus.
Von hier nach da
In einem grossen Raum der Werkstatt steht ein gemauerter Ofen, ein
Prototyp, an dem eine neu entwickelte Tür auf ihre Funktionalität getestet wird. Davor liegen in Reihen
grüne antike Kacheln in verschiedenen Formen. Tobias Rutz nimmt eine
hoch. «Es kommt immer wieder vor,
Im Ausstellungsraum von «Holzöfe Tobias Rutz» findet man sowohl
moderne als auch antike Öfen und Herde.
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Erstes Feuer im Speicherofen mit
Herd in Siat GR. Bild: zVg.
dass ein Ofen an einem Ort ausgebaut und dann mit Anpassungen an
einem anderen Ort wieder aufgebaut werden soll, wie dieser hier aus
Weesen. Es geht ans Schilten, das
heisst, ich lege die Teile in der richtigen Reihenfolge aus. Das Zusammensetzen ist fast wie Bauen mit
Legosteinen – mit fehlenden Teilen
und ohne Gebrauchsanweisung»,
sagt er schmunzelnd. Glasurschäden repariert er, fehlende Teile entnimmt er seinem Lager oder stellt
sie zum Teil selbst her. Die Vielseitigkeit seines Berufes ist einer der
Gründe, warum der Hafner seine Arbeit so liebt, denn hier ist Fertigkeit
im Planen, Mauern, Schlossern sowie Beraten genauso gefragt wie
dreidimensionales Denken.
Erkundung per Helikopter
Wenn Tobias Rutz über seine bereits ausgeführten Aufträge erzählt, kommt er ins Schwärmen.
So baute er vor Kurzem in München einen 400-jährigen Kachelofen auf. Auch aus Bogotá, Kolumbien, bekam er einen Grossauftrag:
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einen verputzten Speicherofen,
Holzherde sowie sieben weitere
Feuerstellen in einer Finca auf
3000 Metern über Meer. «Der
grösste Teil meiner Aufträge fällt
regional, in der ganzen Schweiz
oder im nahen Ausland an. Vom
kleinen Holzherd in der Alphütte
bis zum Brotbackofen in einem
Restaurant oder Kachelofen für
ein Jagdschloss kommt alles vor;
bei rund 70 Prozent handelt es
sich um moderne Öfen», informiert er. In Planung ist momentan
einer seiner modernen Speicheröfen für die Fornohütte des SAC bei
Maloja. Die Hütte hat er bereits vor
Ort per Helikopter rekognosziert.
Blick in die Schlosserei
Ein Holzkochherd mit einem verputzten Speicherofen sowie ein
Stahlofen für einen zum Wohnhaus
umfunktionierten Stall in Siat bei
Ilanz ist das nächste Projekt von
«Holzöfe Tobias Rutz». Diese An­
lage wird das gesamte Gebäude
beheizen und zum Kochen und Backen dienen. Der Holzkochherd mit
Für diesen Speicherofen erhielt er
den Innovationspreis.
Bild: zVg.
drei Gusskochplatten und seitlichem Wärmefach ist aus Schwarzblech konstruiert, vernietet und
verschraubt sowie mit antiken Bediengriffen sowie einem Wasserschiff ausgestattet. Er befindet sich
in der Schlosserei der Werkstatt im
Endstadium des Zusammenbaus.
Tobias Rutz bohrt mit der Ständerbohrmaschine Sacklöcher für die
Befestigung der Herdplattenaufnahme und setzt das Teil anschlies­
send auf den Herdrahmen auf. Mit
antiken Schlagzahlen verewigt er
darauf das Baujahr und montiert
anschliessend den Messinghahnen
fürs Heisswasser.
Akuter Lehrlingsmangel
Über mangelnde Beschäftigung
kann der Hafner nicht klagen; er
und seine zwei Ofenbauer – einer
davon sein ehemaliger Lehrling –
sind voll ausgelastet. Einzig die Tatsache, dass das Finden von Lehrlingen sehr schwierig ist, sorgt für einen Wermutstropfen. Dafür winkt
jeweils nach jedem Auftrag – je
nach Ofen bis zu zwei Wochen
Werkstattarbeit und danach bis zu
vier Wochen Aufbauzeit vor Ort –
ein besonderer Höhepunkt: das Anzünden des ersten Feuers gemeinsam mit der Kundschaft. Auch privat zündet Tobias Rutz sehr gerne
ein «Füürli» an. Selbstverständlich
steht ein Holzherd in seinem Wohnhaus, einem alten Bauernhaus von
1672 auf dem Hüsliberg bei EbnatKappel, wo er mit seiner zukünftigen Frau wohnt. Reisen mit ihr im
VW-Bus, Spazieren mit dem Hund,
einem Flat Coated Retriever, und
das Anbauen von Gemüse im eigenen Garten gehören zu seinen
liebsten Hobbys – und natürlich,
das ist Ehrensache, das Kochen auf
dem Holzherd.