Der Herd: Früher Mittelpunkt des Hauses – heute

Der Herd: Früher Mittelpunkt
des Hauses – heute HightechGerät
Induktion, Gas oder Ceranfeld? Unser Herd hat kaum noch etwas
mit dem zu tun, was unsere Urgroßeltern kannten. Kulinarisch38
schaut zurück.
Man kann auf vielerlei Arten einheizen. Da ist die klassische
Ober-und Unterhitze oder vielleicht die separate Unterhitze.
Ein Katalog verheißt 3D Umluft plus sowie das Umluft-GrillSystem und den Varia-Großflächengrill. Und das ist noch ein
ganz normaler, handelsüblicher Herd in der unteren
Preisklasse. Ein ganz altes Wort, Herd. Vieles verändert sich
in der Sprache. Aber vor rund 2.000 Jahren hätte man unsere
Vorfahren bereits danach fragen können. Und sie hätten das
Wort verstanden. Was heute hightech-mäßig einprogrammiert
werden kann. Früher war es das Zentrum des Hauses. In allen
Kulturen. Um den Herd herum entstand das Haus. In grauer
Vorzeit gab’s keine Niedrigenergiehäuser, noch nicht einmal
etwas in den Fensteröffnungen. Fälle vielleicht. Und um diese
Jahreszeit versammelte sich die nähere und weitere Familie
schon aus ganz pragmatischen Gründen um die Feuerstelle, auf
der vermutlich ein deftiger Eintopf brodelte. Mehr als ein
Topf über dem Feuer war eh nicht drin.
Rudolf Epp: An der Herdstelle (1896).
Hüter des Feuers
Um die offene Feuerstelle wurde später gemauert. Noch später
tüftelte der menschliche Erfindungsgeist Kocheinrichtungen,
die die Hitze irgendwie in einen Raum bändigten. Ein wenig so
wie Prometheus, der den Menschen das Feuer gebracht hatte,
verteilte man nun die Wärme. Intelligenz brütet aus, wie man
sich am besten gegenseitig umbringen, und wie man es sich beim
Überleben gemütlich machen kann. Wir sind schon komisch, wie
Menschen. Als in Europa und Amerika die Industrie das Zepter
übernahm, das war vor 200 Jahren, da zogen bei den reichen
Familien gusseiserne Öfen ein. Beheizt mit Holz oder Kohle.
Später mit Gas und Strom. Statt der 3D Heißluft gab es einen
Feuerkorb – so wie der heutige Backofen. Oben war ein Haken
angebracht, an dem man, je nach Größe der Küche, notfalls
einen ganzen Ochsen braten konnte. Von außen konnte das
Bratenstück gedreht werden. Das dürfte eine schweißtreibende
Angelegenheit gewesen sein für die Bediensteten. Denn die
Herrschaft selbst ließ sich bekochen.
Komplexes Wunderwerk
Ganz besonders findige Köpfe nutzten auch schon die
aufsteigende Hitze aus und installierten einen Propeller, der
mit Stangen und Zahnrädern die Energie weitergab – und der
Braten drehte sich wie von Zauberhand von allein. Unten fing
eine Fettpfanne den Bratensaft auf. Die Herde wurden immer
kleiner. Vor gut hundert Jahren hielten sie Einzug in die
Bürgerhäuser. Ein Feuerraum verteilte die Hitze auf den
Backraum und die Herdplatten. Solche Herde gibt es heute
wieder zu kaufen. Denn bei einer Krise kann es ziemlich
schnell dunkel werden hier. Erdgas und Öl kommen von weit her
und nicht jeder hat das Vertrauen, dass der Naschschub dieser
Energieträger dann noch gesichert ist. Eingebaut in so einen
Herd sind schließlich auch Wasserbehälter. Denn ohne heißes
Wasser lässt sich nicht nur schlecht abwaschen.
Mikrowelle, Gas oder Induktion? Wir sind heute ganz schön
verwöhnt. So gemütlich wie die alten Herde sind diese modernen
Wunderwerke nicht. Aber unsere Urgroßeltern würden uns
beneiden, wie viel Arbeit sie uns abnehmen. Und würden nicht
ahnen, auf wie viele Arten man einheizen kann.