Natürliche Aromen - 100% natürlich? – Das Beispiel Vanille Mit Angaben im Zutatenverzeichnis von Lebensmitteln wie „natürliches Aroma", „Vanillearoma“ oder „natürliches Vanillearoma“ verbindet der Verbraucher sehr unterschiedliche Vorstellungen und Erwartungen. Dies liegt vor allem daran, dass den meisten Verbrauchern die Definitionen und Hintergründe der verschiedenen Kennzeichnungsoptionen für Aromen, die auf der EG-Aromenverordnung (EG-AromenV) basieren [1], nicht genau bekannt sind. Umstrittene Ergebnisse von Warentests wie im Falle eines Joghurts mit natürlichem Erdbeeraroma im Jahr 2011 [2] und einer Schokolade mit dem Aromastoff Piperonal im Dezember 2013 [3] verunsichern den Verbraucher noch zusätzlich. Wichtigste Regelungen für den Begriff „natürlich“ Seit Inkrafttreten der EG-AromenV dürfen die bis dahin verwendeten Begriffe „naturidentisch“ und „künstlich“ bei Aromastoffen nicht mehr verwendet werden. Es wird nur noch zwischen den zwei Kategorien „Aromastoff" und „natürlicher Aromastoff" differenziert. An den Begriff „natürlicher Aromastoff" werden hohe Anforderungen bezüglich der Herkunft und Herstellung gestellt: - Der Verbraucher darf durch die Verwendung des Begriffes „natürlich“ nicht irregeführt werden. - Für die Herstellung natürlicher Aromastoffe dürfen nur pflanzliche, tierische oder mikrobiologische Ausgangsstoffe eingesetzt werden. Die Ausgangsstoffe dürfen dabei als solche verwendet oder mittels eines oder mehrerer speziell definierter herkömmlicher Lebensmittelzubereitungsverfahren für den menschlichen Verzehr aufbereitet werden. - Die Gewinnung natürlicher Aromastoffe aus oben genannten Ausgangsstoffen darf nur durch geeignete physikalische, enzymatische oder mikrobiologische Verfahren erfolgen. Verfahren der chemischen Synthese, wie beispielsweise der Einsatz von Metallkatalysatoren, sind nicht zulässig. - Natürliche Aromastoffe müssen natürlicherweise vorkommen und in der Natur nachgewiesen worden sein. Die Kennzeichnung des Aromas in der Zutatenliste oder andere Hinweise erfolgen nach der Lebensmittelinformationsverordnung (VO (EU) Nr. 1169/2011, LMIV) unter Berücksichtigung der Definitionen in der EG-AromenV: aromatisierte Lebensmittel müssen mit dem Wort „Aroma" bzw. „Raucharoma“, oder einer genaueren Bezeichnung bzw. einer Beschreibung des Aromas (z.B. Apfelaroma) gekennzeichnet werden. Wird bei der Bezeichnung eines natürlichen Aromas auf das Lebensmittel bzw. den Ausgangsstoff Bezug genommen, aus dem es gewonnen wurde (z.B. natürliches Vanillearoma), so dürfen ausschließlich Aromastoffe natürlichen Ursprungs enthalten sein und diese müssen mindestens zu 95% aus dem genannten Ausgangsstoff oder Aromaträger stammen (sogenannte „95/5“ Aromen). Da die Verwendung von Aromen den Verbraucher nicht irreführen darf, dürfen Stoffe des maximal verbleibenden 5 %igen Anteils, nur für die Standardisierung verwendet werden oder „zur Verleihung zum Beispiel einer frischeren, schärferen, reiferen oder grüneren Aromanote“ [1]. Am Beispiel des Aromas der Vanille werden im Folgenden die verschiedenen Arten, Rohstoffe, Herstellungsverfahren, Kennzeichnungsvorschriften und Möglichkeiten einer Prüfung der Authentizität bzw. der Rohstoffe dargestellt. Vanillearomen Das Aroma der getrockneten und fermentierten Schoten der Gewürzvanille (Vanilla planifolia) zählt zu den hochwertigsten und weltweit am häufigsten eingesetzten Aromen. Es wird für die Aromatisierung zahlreicher Lebensmittel wie zum Beispiel Speiseeis, Milchprodukte, Süßspeisen, Schokoladenerzeugnisse, Backwaren oder Spirituosen verwendet. Vanillleschoten enthalten neben weiteren Aromastoffen etwa 1,6 - 2,4% des Aromastoffes Vanillin, das aufgrund seiner Aromaeigenschaften als die wichtigste charakteristische Leitsubstanz des Aromas anzusehen ist. Herstellung von Vanillearomen und Vanillin Da der Jahresbedarf an Vanilleschoten und Vanillin (ca. 15.000 Tonnen) durch das natürliche Angebot nicht gedeckt werden kann, wird Vanillin auch durch chemische oder biotechnologische Verfahren hergestellt. Folgende Verfahren und die damit verbundenen Aromabezeichnungen werden unterschieden [4]: Isolierung aus der Vanilleschote Die Gewinnung von Vanillin aus Schoten erfolgt üblicherweise durch eine alkoholische Extraktion. Auch die Extraktion mit überkritischem Kohlendioxid oder anderen Lösungsmitteln ist möglich [5]. Entsprechende Aromen dürfen als Vanilleextrakte bzw. natürliches Vanillearoma bezeichnet werden. Biotechnologische Herstellung Zur Herstellung des natürlichen Aromastoffes Vanillin werden biotechnologische Verfahren eingesetzt. Das wirtschaftlich bedeutendste Verfahren ist die Umsetzung von Ferulasäure aus Reiskleie [6]. Ein alternatives Verfahren ist die Herstellung aus Eugenol bzw. Isoeugenol, welches in Nelkenöl vorhanden ist. Chemische Synthese Bereits seit 1874 ist Vanillin durch chemische Synthese verfügbar. Überwiegend erfolgt heute die technische Synthese von Vanillin aus Guajakol, welches aus fossilen Rohstoffen gewonnen wird [6]. Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz von synthetischen Stoffen, die ähnliche geruchliche und geschmackliche Eigenschaften wie Vanillin haben. Bekanntester Vertreter ist die synthetische Substanz Ethylvanillin, die früher als künstlicher Aromastoff bezeichnet werden musste, da sie nicht in der Natur vorkommt. Prüfung der Echtheit im Labor Durch die begrenzte Verfügbarkeit des Rohstoffs Vanilleschote sind Vanilleextrakte und damit natürliche Vanillearomen sehr teuer, sodass immer ein erhöhtes Risiko zur Verfälschung von natürlichen Vanillearomen gegeben ist. Insofern ist die Echtheitsprüfung eine wichtige Aufgabe im Rahmen des Verbraucherschutzes und eine große Herausforderung für den Aromaanalytiker. Die Zusammensetzung des Aromas der Vanilleschote lässt sich nicht allein auf die Leitsubstanz Vanillin reduzieren, sondern ist sehr komplex. So konnten im Aroma der fermentierten Vanille bis zu 169 flüchtige Substanzen nachgewiesen werden [7]. Lebensmittelchemiker/-innen in den Laboratorien der amtlichen Lebensmittelüberwachung nutzen diesen Umstand neben der Analyse mittels Isotopenverhältnis-Massenspektrometrie zur Authentizitätskontrolle. Authentizitätskontrolle Kennzeichnung von Vanillearomen Wird die Bezeichnung „Vanille“ in Verbindung mit der Bezeichnung des Lebensmittels verwendet (z.B. Vanilleeis, Vanillepudding), so kann der Verbraucher erwarten, dass Vanillearoma in Form von Vanillemark, gemahlener Vanilleschoten oder eines natürlichen Vanillearomas enthalten ist. Anderenfalls sind lediglich Bezeichnungen möglich, die den besonderen Geruch oder Geschmack des Lebensmittels beschreiben (z.B. „Eiscreme mit Vanillegeschmack“). Die Abbildung von Vanilleschoten weist ebenfalls auf die Verwendung von Vanillebestandteilen hin, während bei manchen Lebensmittel, z.B. Milchprodukten, die Abbildung von Vanilleblüten lediglich auf den Geschmack hinweist [9]. Spezielle Regelungen für bestimmte Lebensmittel sind auch in den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuchs festgelegt [10]. Folgende Tabelle zeigt eine Übersicht der möglichen Bezeichnungen von Vanillearomen und der Vorgaben zur Zusammensetzung der Aroma gebenden Bestandteile entsprechend der EG-AromenV. Bezeichnung des Aromas Rechtliche Vorgaben Typische Zusammensetzung Vanilleextrakt 100% aus Vanilleschoten Bourbon-Vanille Aroma Geographische Herkunftsbezeichnung; Vanilleschoten stammen von den sog. „VanilleInseln“ (Réunion, Mauritius, Madagaskar, Komoren und Seychellen) Natürliches Vanillearoma Aromabestandteil besteht zu mindestens 95% aus Vanille; Zusatz von höchstens 5% natürlicher Aromen zur Standardisierung oder Nuancierung Natürliches Vanillearoma mit anderen natürlichen Aromen „teilweise“ natürliches Vanillearoma bzw. – Vanilleextrakte; Zusatz weiterer natürlicher Aromastoffe, Aromen; Geruch und Geschmack der Vanillebestandteile müssen leicht erkennbar sein Natürliches Aroma (Typ Vanille) Natürliche Aromastoffe (Vanillin), auch andere natürliche Aromastoffe Vanillearoma Aroma Synthetisches Vanillin, Ethylvanillin und andere Aromastoffe Fazit Der wichtigste Grundsatz bei der Verwendung des Begriffes „natürlich“ im Zusammenhang mit Aromastoffen und Aromen ist, dass der Verbraucher nicht irregeführt werden darf. Grundsätzlich müssen bei Verwendung dieses Begriffs auch alle Aro- mastoffe zu 100% natürlich sein. Mögliche Erwartungen des Verbrauchers, dass bei einem natürlichen Aroma mit dem Bezug auf einen Rohstoff, wie z.B. „natürliches Vanillearoma“, die Aromastoffe zu 100% aus der Vanilleschote stammen, werden jedoch nicht erfüllt, es reichen 95%. Die Aromenindustrie hat die legitime Möglichkeit, solche Aromen mit 5% anderer natürlicher Aromen abzurunden oder in Nuancen zu verändern, was letztlich auch den Erwartungen des Verbrauchers nach Lebensmitteln mit standardisierten oder speziellen Aromanoten nicht entgegensteht. Somit ist die Echtheitsprüfung eine wichtige Aufgabe im Rahmen des Verbraucherschutzes, um den rechtlichen Anforderungen gerecht zu werden. Diese Überprüfung ist eine große Herausforderung für die sachkundigen Lebensmittelchemiker/-innen der amtlichen Laboratorien, die allerdings nur mit sehr aufwendiger und kostenintensiver instrumenteller Analytik möglich ist, [11]. Eine verlässliche amtliche Kontrolle auf hohem wissenschaftlichem Niveau erfordert fachkundiges Personal und Untersuchungseinrichtungen mit modernster (folglich teurer) instrumenteller Analysentechnik, um zu einem sicheren Untersuchungsergebnis zu gelangen. Damit der Verbraucherschutz in Deutschland weiterhin einen hohen Stellenwert besitzt, wehrt sich der BLC gegen Einsparungen am falschen Ende und fordert die Bereitstellung einer ausreichenden personellen und apparativen Ausstattung. Ein z. Zt. stattfindender personeller Abbau in den amtlichen Untersuchungseinrichtungen ist dringend zu stoppen, um dem gesetzlichen Auftrag der amtlichen Lebensmittelkontrolle umfassend nachkommen zu können. Lebensmittelchemiker/-innen in Lebensmitteluntersuchung und -überwachung sind: Experten in Sachen Lebensmittel, einschließlich Wein sowie für Kosmetika und Bedarfsgegenstände, Lebensmittelrecht und -analytik kompetente Berater der Verwaltung, der Politik und der Verbraucher Rechtsgrundlage [1] Verordnung (EG) Nr. 1334/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Aromen und bestimmte Lebensmittelzutaten mit Aromaeigenschaften zur Verwendung in und auf Lebensmitteln sowie zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1601/91 des Rates, der Verordnungen (EG) Nr. 2232/96 und (EG) Nr. 110/2008 und der Richtlinie 2000/13/EG; Amtsblatt der Europäischen Union L 354/34 31.12.2008 Weitere Literatur [2] bis [11] Veröffentlicht: Mai 2015 Geschrieben von: Landesverband Bayern V.i.S.d.P.: Bundesverband der Lebensmittelchemiker/-innen im Öffentlichen Dienst e.V. (BLC) c/o Dr. Detmar Lehmann, Triftstr. 3, 34314 Espenau, [email protected]
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