Die Pflege bringt den Computer gleich ans Bett

BASEL | BASELLANDSCHAFTLICHE
SAMSTAG, 15. AUGUST 2015
Lean Hospital Management
Kürzere Wege, mehr Zeit für Patientinnen und Patienten
BASEL-STADT 23
Ab Montag gilt
ein neues EUErbrecht
Harmonisierung Von den Änderungen sind
auch etliche Schweizer betroffen
VON PETER SCHENK
Die EU harmonisiert auf kommenden
Montag, 17. August, ihr Erbrecht. In der
Regel erhalten die Bürger dadurch
mehr Entscheidungsfreiheit. Nimmt jemand diese allerdings nicht in Anspruch, könnte er auch schlechter als
vorher fahren.
Die Pflege bringt
den Computer
gleich ans Bett
Über zwei Millionen tangiert
Nach und nach werden diverse Spitäler in der Region
umorganisiert. Die Arbeit der Pflege und der Ärzte wird
strukturierter – und vermehrt auf die Patienten ausgerichtet. Ein Augenschein im Universitätsspital Basel.
«Das wird schon, Frau Elena! Morgen geht es nach Hause.» Pflegefachmann
VON STEFAN SCHUPPLI (TEXT)
UND MARTIN TÖNGI (FOTOS)
F
reundlich grüsst er die Patientin. «Guten Tag Frau
Elena*, mein Name ist
Hakki Picakci», sagt der
Pflegefachmann und zieht
den hochbeinigen Wagen
ans Bett. Die Patientin
steht kurz vor dem Austritt, er fragt sie
nach dem Befinden. «Danke, alles bestens!» Er schreibt dies sogleich in den
Computer, der in den Trolley integriert
ist. «Heute ist Herr Dr. Haus* Ihr Arzt,
und ich bin mit den beiden Auszubildenden unterwegs», sagt Picakci. Das
notiert er auf eine Wandtafel, gut sichtbar für die Patientin und das Personal.
Dort sind auch Austrittsdatum und
eventuelle Therapien ersichtlich.
Hier, auf der Abteilung der Chirurgie
6.2 des Universitätsspitals Basel (USB),
wurde am 27. Oktober vergangenen Jahres ein neues Managementkonzept eingeführt, das «Lean Hospital Management».
«Bei der Umstellung
waren alle Beteiligten sehr gefordert.»
Stephan Schärer Leiter Fachbereich Pflege Chirurgie am Universitätsspital Basel (USB)
Vermehrt Teamarbeit
«Lean» heisst schlank und bedeutet
letztlich, dass unnötige Arbeitsgänge
weggelassen und Wege verkürzt werden, dass die Arbeit klar strukturiert,
teilweise standardisiert ist. Und dass alles auf die Bedürfnisse der Patienten
ausgerichtet ist. Pflege und medizinische Versorgung soll als Teamarbeit verstanden werden, was Transparenz und
Kommunikation erfordert.
Was alles so selbstverständlich und
einfach klingt, ist effektiv ein komplexer
Prozess, bei dem vieles wie Zahnräder
ineinandergreift. Und besonders anspruchsvoll ist die Umstellung von einer
Organisation bisherigen Zuschnitts.
«Wir hatten beispielsweise lange Wege
und mussten diese täglich x-fach zurücklegen. Vom Patienten zum Stationsbüro, wieder zurück zum nächsten, und
so weiter», sagt Christine Gregor, Stationsleiterin der Chirurgie 6.2. «Zehn Kilometer Gehdistanz pro Tag waren keine Seltenheit.» Mit dem Pflegewagen
entfällt der Gang ins Büro, weil dieser
gleich mit zum Patienten genommen
wird. Ausserdem ist der Wagen mit den
wichtigsten Medikamenten und Materialien sowie mit den individuellen Medikamentenboxen versehen.
Disziplin erforderlich
Neu ist, dass die Pflege jede Stunde
beim Patienten vorbeikommt. Das ist
ohne Mehraufwand für das Personal
möglich, weil die internen Arbeitswege
teilweise entfallen. «Die Patienten wissen dank dieser zeitlichen Regelung,
woran sie sind, und das schätzen sie
sehr», sagt Gregor. Die Rufglocke wird
praktisch nicht mehr gebraucht. «Wir
haben festgestellt, dass die Sturzrate gesunken ist, zumindest tendenziell», sagt
USB-Sprecherin Sabina Heuss.
Die stündlichen Besuche erfordern
aber Disziplin. Auch Ärzte, die es früher
manchmal nicht so genau nahmen, haben jetzt pünktlich zur Visite zu erscheinen. Wenn es zu einer Verspätung kommen sollte, beispielsweise wegen einer
länger dauernden Operation, muss dies
unverzüglich gemeldet werden.
Gegenseitige Information
«Hin und her und hin
und her. Wir hatten
täglich bis zu zehn
Kilometer zurückgelegt.»
Christine Gregor Stationsleiterin
der Chirurgie 6.2 des USB
Fachbereich Pflege Chirurgie. Die Umstellung musste von einem Tag auf den
anderen vorgenommen werden und sofort funktionieren. Die Vorbereitungen
dauerten ein halbes Jahr.
Nicht allen hat die Umstellung behagt.
Es hätten deshalb auch Mitarbeitende
gekündet, heisst es aus Personalkreisen.
Gewisse Patienten neigten dazu, jedes
Mal ihre ganze Geschichte auszubreiten
und das Personal zu vereinnahmen,
sagt eine betroffene Person. Wie weit
die Kritik reicht, ist von aussen schwierig zu erkennen. Allenfalls sei es in diesem Zusammenhang zu vereinzelten
Kündigungen gekommen, heisst es beim
USB. Auch Sprecherin Sabina Heuss bestreitet nicht, dass es Vorbehalte gegen
das neue System gäbe. Gewiss sind auch
nicht alle Patienten gleich «einfach».
Nur: In diesem System gehöre der engere Patientenkontakt zum Pflegealltag.
Im grossen Ganzen sei die Belegschaft
sehr zufrieden. Viele sagen heute, sie
möchten nie mehr zum alten System zurück. «Das Ganze hat nur Vorteile», sagt
Oberarzt Malte Rieken, der seit 2007 auf
dieser Abteilung arbeitet. Und Pfleger
Picakci meint: «Die Arbeit ist viel strukturierter, es gibt viel weniger Feuerwehrübungen.»
Zwei Mal täglich trifft sich das ganze
Team – Ärzte, Pflege- und Pflegefachpersonal – zu einer Kurzsitzung im Gang
an einem Informationsbrett, dem sogenannten «Huddle Board» («Huddle» ist
das kreisförmige Mannschaftszeremoniell im Football). Hier sieht man auf einen Blick den Stand der Dinge auf der
Station: Eintritte, Austritte, Spezialfälle,
Hakki Picakci findet aufmunternde Worte. Auf der Chirurgie 6.2 des Unispitals kommt die Pflege stündlich vorbei.
Fast überall ein Thema
«Lean» Die aus den USA und
Kanada kommende Spitalmanagement-Methode findet in der Region Anklang.
VON STEFAN SCHUPPLI
Bereits seit Oktober 2013 hat das Kantonsspital Baselland (KSBL) mit «Lean
Hospital» begonnen. Heute funktionieren nach dieser Methode in Liestal
zwei chirurgische Abteilungen mit
insgesamt 51 Betten, die Notfallstation und die Gynäkologie. Auf dem
Bruderholz und in Laufen ist die Reha mit «lean» organisiert. «Wir haben
sehr gute Erfahrungen gemacht»,
heisst es beim KSBL. Zum Beispiel
habe auf der Chirurgie 6.1. die Klingelrate um ein Drittel abgenommen.
Die Pflege sei strukturierter und die
Zusammenarbeit mit den Ärzten
konnte optimiert werden.
Info, Info, Info
Spart Wege: Der Pflegewagen ist Büro
und Mini-Apotheke zugleich.
Besuche, Patienten- und Mitarbeiterzufriedenheit, Belastungsspitzen und Ähnliches. Es wird koordiniert, informiert
oder Verbesserungen an den Arbeitsabläufen vorgenommen.
Umstellung behagte nicht allen
Sehr anspruchsvoll war die Umstellung auf das «Lean Hospital Management». «Alle Beteiligten waren sehr gefordert», sagt Stephan Schärer, Leiter
Auch Notfall und Augenklinik
Im USB haben die Notfallstation und
das Augenspital auf «lean» umgestellt.
Auf der Notfallstation habe die Reorganisation zu einer Reduktion der Wartezeit bis zum ersten Arztkontakt von drei
Stunden auf im Schnitt 30 Minuten geführt. Geübt haben Ärzte und Pflegepersonal das neue System in einer derzeit leeren «Geschützten Operationsstelle» (Gops), wo Situationen auf der Notfallstation nachgestellt werden konnten.
*Namen geändert
einen Austausch zwischen den
«lean»-Verantwortlichen von verschiedenen grossen Spitälern in der
Schweiz. Es kann davon ausgegangen
werden, dass die Zusammenarbeit
zwischen den beiden kantonalen Spitälern auf diesem Gebiet intensiviert
wird. Sowohl das USB wie das KSBL
planen, sämtliche Abteilungen auf
«lean» umzustellen.
Positiv wird vor allem das «Huddle
Board», der Treffpunkt im Gang mit
der Informationstafel, erwähnt, aber
auch die Kontrolle des Materialflusses und die Flowstation, wo sich Mitarbeitende zu vertraulicheren Gesprächen treffen können. Mit den
verschiedenen Info-Tafeln sind die
relevanten Informationen für alle
Mitarbeitenden stets sichtbar. Und
die Patienten schätzen das Patientenboard sehr, heisst es beim KSBL. Damit seien sie besser informiert, wer
für sie zuständig ist und wann welche
Auch in Privatspitälern
Infos zur Pflege: Das «Patientenboard» wird sehr geschätzt.
Behandlungen oder Therapien stattfinden. Im KSBL werden laufend Messungen wie unter anderem von der
Sturzrate gemacht. Gesicherte Erwahrungswerte bestünden noch keine, hiess es auf Anfrage. Gemäss einer Befragung unter Mitarbeitenden
nach drei Monaten Erfahrung wollte
niemand zum alten System zurückkehren.
BS-BL: Erfahrungsaustausch
Es gibt einen Erfahrungsaustausch:
Das USB hat im KSBL eine Bettenabteilung besichtigt, das KSBL hat im
USB der Notfall-Abteilung einen Besuch abgestattet. Auf der übergeordneten Ebene organisiert der Verband
H+ regelmässig Veranstaltungen für
Auch in den Privatspitälern ist das
«Lean Management» kein Fremdwort. Das Bethesda Spital investiere
seit Jahren wie auch aktuell in eine
Vielzahl von Verbesserungen, heisst
es dort. Damit soll sowohl für die Patienten als auch für die Mitarbeitenden und schliesslich für das Unternehmen eine erhebliche Qualitäts-,
aber auch eine Effizienzsteigerung erreicht werden können.
Dazu gehört unter anderem das
Qualitätsmanagement-Tool
EFQM:
Dieses System ermögliche eine ganzheitliche Sicht auf die Organisation.
Das Modell umfasst drei Säulen: Menschen, Prozesse, Ergebnisse. Weiter
werden Umbauten vorgenommen, die
zu mehr Sicherheit und kürzeren Wegen führen. Um den eigentlichen Prozess des «Lean Managements» weiter
voranzutreiben, wird ab Oktober 2015
der Leiter Unternehmensentwicklung
seine Arbeit aufnehmen.
Im St. Claraspital stelle die Prozessoptimierung seit Jahren eine Kernaufgabe dar. Auch die Organisationsstruktur ist nach Prozessen aufgebaut.
Betroffen sind von den neuen Regelungen Auslandschweizer, Doppelbürger
und EU-Bürger, die in der Schweiz leben.
Die «NZZ» schätzt die Zahl der Personen
mit Bezug zur Schweiz auf mehr als zwei
Millionen. Wer als Schweizer in der
Schweiz lebt und kein Vermögen und keine Immobilien im EU-Ausland hat, für
den ändert sich nichts.
«Viele Expats ahnen nicht, dass mit Inkrafttreten der EU-Verordnung im Erbfall
das Recht des letzten Aufenthaltslandes
zur Anwendung gelangt», sagt die deutsche Anwältin Kathrin Hueskes, die in
der Lörracher Niederlassung der Kanzlei
Bender Harrer Krevet arbeitet. Sie ist auf
internationales Erbrecht und Wirtschaftsrecht spezialisiert und lebt mit ihrem schweizerischen Mann und ihren
Töchtern in Basel. Während bisher
auch Deutsche mit einem Wohnsitz im
Aus-land nach deutschem Erbrecht
beerbt worden sind, gilt nun der
gewöhnliche
Aufenthaltsort
eines
Verstorbenen als Anknüpfungspunkt.
Für einen Deutschen, der in der
Schweiz lebt, also die Schweiz, oder für
einen Schweizer, der sich in Frankreich
niedergelassen hat, Frankreich. «Sie haben jedoch die Möglichkeit, im Testament das Recht ihres jeweiligen Heimatstaats zu wählen», führt Kathrin
Hueskes in einem Informationsblatt
zum neuen EU-Erbrecht aus.
«Für alle EU-Bürger, die in der
Schweiz wohnen, gilt ohne eine solche
testamentarische
Rechtswahl
das
Schweizer Recht», fährt sie fort. In
Deutschland sieht das sogenannte Berliner Testament vor, dass sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben und die
Kinder zu Schlusserben der überlebenden Ehegatten einsetzen. «Heiratet die
Person dann erneut, kann sie den Nachlass nicht einem neuen Partner oder einer Partnerin vermachen», sagt sie und
warnt davor, dass diese, von den Eheleuten gewollte Bindungswirkung künftig entfallen könnte. Dies gelte auch für
Verfügungen
zur
Testamentsvollstre-ckung.
«Manche
sind in der Schweiz nicht anerkannt
und man muss prüfen, ob sie noch
anderen Fall ging es um eiBei einem
wirksam
sind.»
ne Enterbung. «Ein Deutscher, der in
der Schweiz wohnt, wollte seine Tochter enterben , da er sich mit ihr zerstrit-
«Viele Expats verstehen
nicht, dass beim Erbrecht
das Recht des letzten
Auf-enthaltslandes gilt.»
Kathrin Hueskes Anwältin in Lörrach
ten hatte. Stattdessen sollte die Enkelin
als Alleinerbin eingesetzt werden», erzählt Kathrin Hueskes.
Nach Schweizer Recht hätte die
Tochter einen Pflichtteil von drei Viertel des Erbes erhalten, in Deutschland
liegt er nur bei der Hälfte des Nachlasses. «Der Mann konnte in seinem Testament das deutsche Heimatrecht wählen und damit den Pflichtteilsanspruch
der Tochter reduzieren», berichtet die
Anwältin.
Generelle Empfehlung
Aufgrund der vielen kleinen Unterschwierig
schiede, die es in den verschiedenen
Staaten im Erbrecht gebe, sei es
schwer, eine generelle Empfehlung abzugeben. Vielmehr müsse in jedem Einzelfall anhand des Willens des Erblassers beurteilt werden, ob das Staatsangehörigkeitsrecht oder das Aufenthaltsrecht passender sei.
Nichts geändert hat sich bei der Frage der Steuern: Die Erbschaftssteuern
unterliegen weiterhin den anwendbaren
Doppelbesteuerungsabkommen
und den nationalen Steuergesetzen.
Europa-Park ist
Reiseziel Nummer 1
Online-Umfrage
Der
Freizeit-park liess Schloss
Neuschwan-stein
als
beliebtestes
Reiseziel
in
Deutschland hinter sich.
VON PETER SCHENK
Gerade rechtzeitig zum 40. Geburtstag,
den der Europapark dieses Jahr feiert,
haben die ausländischen Touristen den
Freizeitpark im badischen Rust auf
Platz 1 der Top-Reiseziele in Deutschland gewählt. Die Online-Umfrage lief
zwischen Oktober 2014 und Mai 2015
und wurde von der Deutschen Zentrale
für Tourismus (DZT) organisiert, die
das Reiseland Deutschland im Auftrag
des Bundesministeriums für Wirtschaft
und Energie fördert.
Am Online-Voting, das zum vierten
Mal stattfand, nahmen DeutschlandReisende aus 40 Ländern teil. Sie konnten unter 100 Destinationen auswählen. «Acht der zehn beliebtesten Reiseziele des Vorjahrs konnten sich auch
2015 wieder unter den Top Ten im Ranking platzieren. Dies belegt die Aussagekraft unseres Votings», wird Petra
Hedorfer, Vorsitzende der DZT, in
einer Medienmitteilung zitiert.
Der Europa-Park verwies den Vorjahressieger, das Schloss Neuschwanstein,
auf den zweiten Platz. Dritter wurde das
Unesco-Welterbe Kölner Dom vor dem
Schloss und der Altstadt von Heidelberg
und Destinationen wie dem Brandenburger Tor oder der Berliner Mauer.
Beliebtester Park Europas
Gut abgeschnitten hat der EuropaPark auch auf der weltweit grössten
Reise-Website, TripAdvisor, indem
er
mit Rang 7 als beliebtester
Freizeitpark in Europa ausgezeichnet
Der Europa-Park
hat mehr als 100 Atworden
ist.
traktionen und Shows, besteht aus 13
europäischen Themenbereichen und
verfügt über fünf parkeigene, gut ausgelastete 4-Stern-Erlebnishotels – ein
Angebot, das besonders von Schweizer
Gästen gerne genutzt wird. Letzte Saison haben über fünf Millionen Personen den Park besucht.
Europapark Rust: 95 km nördlich von
Basel, täglich 9 – 18 Uhr, bis 13. 9. bis
min-destens 20 Uhr.
www.europapark.de