BVAU_Eckpunkte ArbZG 2015 08 final

BVAU-Positionen
Erste Eckpunkte für eine praktikable Anwendung des
Arbeitszeitgesetzes
Stand: August 2015
BVAU e.V. I Drächslstraße 4 I 81541 München I [email protected] I www.bvau.de
VR Nr.: 3686 (AG Heidelberg) I Steuer-Nr.: 32489/76903 (FA Heidelberg)
Vertretungsberechtigter Vorstand i.S.d. § 26 BGB: Alexander R. Zumkeller (Präsident) I Dr. Rupert Felder (1. Vizepräsident)
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Der BVAU geht nach den letzten Diskussionen davon aus, dass das Arbeitszeitgesetz kurzfristig
nicht geändert wird, im Rahmen der Diskussion um die Auswirkungen von „Digitalisierung der Arbeitswelt“ aber mittelfristig Änderungen erforderlich werden. Der BVAU wünscht sich, dass die
politischen Eckpunkte primär im Dialog mit den Sozialpartnern praxisgerecht entwickelt werden.
Hinsichtlich der unternehmenspraktischen Umsetzung bringt der BVAU seine Expertise aus der arbeitsrechtlich umsetzenden Praxis nachfolgend ein.
Höchstarbeitszeit
Grundsätzlich ist für den Praktiker eine nicht überschreitbare Arbeitszeitdauer immer eine in Sonderfällen nicht lösbare Herausforderung. Dabei ist gleichgültig, welche Höchstarbeitszeit festgeschrieben
wird.
Die individuellen Bedarfe der Beschäftigten, ebenso aber nichtsteuerbare Rahmenbedingungen (Verkehrsstau, Verzögerungen auf Grund Witterungsbedingungen) machen für eine praxisgerechte Arbeitszeitregelung Toleranzzeiten erforderlich. Z.B. wäre weltfremd, anzunehmen, dass ein Beschäftigter im Aussendienst, wenn er wegen eines Verkehrsstaus sich um 15 Minuten verspätet und daher
die 10h-Grenze überschreitet, die Arbeit für 11h unterbricht – und sei es nur 20 km von seinem Ausgangsort entfernt.
Der BVAU kann sich vorstellen, die tägliche Höchstarbeitszeit im Durchschnitt eines Verteil-Zeitraums
zu erreichen. Der Offshore-AZVO entlehnt könnte eine „oberste Schwelle“ von 12 Stunden täglich
vermutlich noch praktisch umgesetzt werden.
Ausgehend hiervon wäre eine Regelung des § 3 (neu) denkbar im Sinne:
„Die regelmässige werktägliche Arbeitszeit darf 8 Stunden nur überschreiten, soweit dies
durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung geregelt ist. Mehr als 12 Stunden darf an einem
Kalendertag oder in einem 24-h-Zeitraum nicht gearbeitet werden. Überschreitet die Arbeitszeit im Einzelfall und gelegentlich 10 Stunden am Tag, ist dies zulässig, wenn innerhalb von 12
Kalendermonaten im Durchschnitt 8 Stunden werktäglich nicht überschritten werden“
(wobei die Zahlen „8“ und „10“ für die jeweils geltenden Höchstarbeitszeiten stehen)
Häufig stellt das Arbeitszeitsystem des Arbeitszeitgesetzes eine Hürde für eine höhere Flexibilität bei
der Arbeitszeit und damit einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben dar. Zur Erreichung
einer besseren Vereinbarkeit könnte auch daran gedacht werden, die Höchstarbeitszeit in einem
Verteilzeitraum zu erreichen:
„Zur besseren Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben können die Betriebsparteien vereinbaren, dass die tägliche Höchstarbeitszeit von 10 Stunden in einem 6 Monate nicht übersteigenden Zeitraum unterschritten bleiben muss; die Pausen und Ruhezeiten sind ebenfalls durch
Betriebsvereinbarung zu regeln, wobei anerkannte Erkenntnisse der Arbeitswissenschaft zu
Grunde zu legen sind.“
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(wobei die Zahl „10“ für die geltende Höchstarbeitszeit steht)
Aufzeichnungspflicht, Nachweispflicht, Vertrauensarbeitszeit
Auch bei Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeitmodellen bestehen die Aufzeichnungspflichten
nach dem Arbeitszeitgesetz (§ 16 Abs. 2) bzw. der Nachweisanspruch des Betriebsrats. Aus unserer
Sicht stellt diese Nachweispflicht ein systemwidriges Element dar. Es muss klar sein, dass mit der
Vertrauensarbeitszeit verantwortungsvoll umgegangen werden muss und diese nicht zu einer Umgehung von Höchstarbeitszeiten, Ruhezeiten und Mehrarbeit führen darf. Andererseits konterkarieren
Aufzeichnungspflichten den inneren Sinn der Vertrauensarbeitszeit.
Vorstellbar ist eine Regelung in der Form:
„Vereinbaren Arbeitgeber und Betriebsrat Vertrauensarbeitszeit, entfallen sämtliche Aufzeichnung- und Nachweispflichten. Bei begründetem Anlass kann der Betriebsrat die Aufzeichnungspflichten für die Zukunft für einzelne Mitarbeiter oder Mitarbeitergruppen, auch
befristet, einfordern; sind sich die Betriebsparteien hierüber nicht einig, entscheidet die Einigungsstelle verbindlich“
Ruhezeit
Auch die starre Ruhezeit ist mehr und mehr praktisch nicht umzusetzen. Beschäftigte wollen von sich
aus, je nach privater Lebenssituation, deutlich mehr Flexibilisierung der Arbeitszeit als dies in den
Jahren des Inkraftsetzens des ArbZG der Fall war. Die Annahme eines kurzen Telefonats oder die
kurze Beantwortung einer eMail in der Ruhezeit dürfte vielfach eher der Lebenserfahrung entsprechen als das Gegenteil. In globalen Unternehmen macht zudem das Thema „Zeitzonen“ erforderlich,
gelegentlich auch zu ungewöhnlichen Zeiten Arbeitsleistung erbringen zu müssen. Derzeit sind dies
Fallkonstellationen, die arbeitsrechtlich kaum begleitbar sind.
Der BVAU kann sich vorstellen, die Ruhezeit so zu flexibilisieren, dass ihr ureigenster Zweck, die Erholung zwischen den Arbeitsphasen, nicht gefährdet wird. Das heisst insbesondere kurze Unterbrechungen sowie Verkürzungen auf Wunsch der Beschäftigten zuzulassen.
Ausgehend hiervon wäre eine Regelung des § 5 IV (neu) denkbar im Sinne:
„Abweichend hiervon kann durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung hiervon abgewichen werden; in diesem Fall muss gewährleistet sein, dass die arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse eingehalten werden. Dies gilt dann als gegeben, wenn die Ruhezeit
1. nicht auf unter 8h gekürzt wird und dabei die Ruhezeit im Schnitt von 6 Monaten werktäglich
mindestens 11h beträgt
2. die Ruhezeit unter Einbezug von mindestens halbstündigen Pausen innerhalb eines Zeitraums
von 24 Stunden eingehalten wird
3. im Wesentlichen durch den Beschäftigten selbst geregelt wird, soweit dies auf Belange der
Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben zurückzuführen ist.
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Nur gelegentliche geringfügige Erbringung von Arbeitsleitung während der Ruhezeit unterbrechen
diese nicht; durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung kann Näheres geregelt werden.“
Der BVAU gibt damit erste praxisrelevante
praxisrelevante Hinweise für eine erforderlich gewordene Änderung des
Arbeitszeitgesetzes; weitere praktische Hinweise werden folgen, sobald politische VorentscheidunVorentscheidu
gen abzusehen sind.
Der Bundesverband
verband der Arbeitsrechtler in Unternehmen
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e.V. (BVAU) ist die unabhängige, bundesweit tätige, branbra
chenübergreifende und personenbezogene Vereinigung
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für Arbeitsrechtler in Unternehmen. Die Reputation der
Fachdisziplin Arbeitsrecht, die Förderung der Arbeitsrechtler in Unternehmen als eine der wichtigsten ExpertengrupExpertengru
pen der deutschen Wirtschaft sowie ein homogener Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch - etwa in Regional- und
Themengruppen - bilden die Schwerpunkte der Tätigkeit des im April 2013 in Heidelberg gegründeten Verbandes.
Die Mitgliedschaft im BVAU ist personengebunden.
rsonengebunden. Weitere Hinweise,
Hinweise, aktuelle Presseberichte und Positionen des
BVAU finden Sie unter www.bvau.de;; auch anstehenden Termine derr regelmäßigen Treffen der BVAU RegionalRegional und
Themengruppen und das regelmäßige
ge Informationsangebot (Newsletter) des BVAU.
Kontakt zur Geschäftsstelle:
Silvio Fricke
- Leitung [email protected]
BVAU e.V. I Drächslstraße 4 I 81541 München I [email protected] I www.bvau.de
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Nr.: 32489/76903 (FA Heidelberg)
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