ArbR II Modul X neu SV SoSe 2015

ArbR II
Prof. Dr. Bernd Waas
SoSe 2015
Modul X: Abschlussklausur aus dem SoSe 2014
Sachverhalt
Der 1962 geborene Kurt Kunze (K) ist seit 1996 bei der B-GmbH (B), für die, abgesehen von
ihm, regelmäßig 24 weitere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeiten, in Frankfurt am
Main in der Buchhaltung tätig.
Bereits im Jahr 2011 wandte sich die ebenfalls bei B beschäftigte Arbeitnehmerin D mit einer
Beschwerde über diesen an die Geschäftsleitung. Sie gab an, seit etwa einem halben Jahr in
verschiedener Weise von ihm bedrängt zu werden. Er spreche sie ungebeten auf ihr
Privatleben an und suche trotz deutlicher Hinweise und der mehrfach geäußerten Bitte, in
Ruhe gelassen zu werden, den Kontakt zu ihr. Daraufhin kam es zu einem Verfahren nach § 13
AGG, dessen Ergebnis dem K mit von den beiden Geschäftsführern der B unterzeichnetem
Schreiben vom 19. November 2011 wie folgt mitgeteilt wurde:
Sehr geehrter Herr Kunze,
wir nehmen Bezug auf das im Rahmen des Beschwerdeverfahrens durchgeführte Gespräch
vom 12. November 2011, anlässlich dessen Ihre Kollegin Frau D. – wie Ihnen gegenüber schon
in der Vergangenheit – äußerte, weder dienstlich noch privat Kontakt mit Ihnen zu wünschen.
Sie haben diesen Wunsch vorbehaltlos zu respektieren. Ein dienstlicher Kontakt zu Frau D. ist
über dritte Personen herzustellen, eine unmittelbare Kontaktaufnahme hat auf jeden Fall zur
Vermeidung weiterer rechtlicher Schritte zu unterbleiben.
Mit freundlichen Grüßen
(Unterschriften der Geschäftsführer)
Am 30. April 2014 wandte sich G, eine wie D bei B beschäftigte Arbeitnehmerin, an die
Geschäftsleitung und gab an, sich von K in unerträglicher Art und Weise belästigt und bedrängt
zu fühlen. Obwohl sie sich ihm gegenüber mehrfach abweisend geäußert habe, suche dieser
weiterhin Kontakt zu ihr. Die Begebenheiten der letzten Monate, die bei ihr zu
Schlafstörungen und Angstzuständen geführt hätten, schilderte sie wie folgt:
Man habe sich Mitte Dezember auf der Arbeitsstelle kennengelernt. Anfangs habe sie den
Kontakt, der von K ausgegangen sei, nicht abgelehnt, aber auch nicht gefördert. Er sei zunächst
normaler, kollegialer Art gewesen, jedoch nach kurzer Zeit durch den Kläger massiv gesteigert
und bedrängend geworden. Immer wieder habe er sich in ihr Privatleben eingemischt, indem
er etwa ungebeten Verhaltensratschläge erteilte und distanzlose Fragen zu ihrem
Gemütszustand stellte.
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Prof. Dr. Bernd Waas
SoSe 2015
In der Zeit von Mitte Januar 2014 bis Mitte April 2014 habe K an sie insgesamt mehr als 120 EMails bzw. MMS oder SMS versandt, sie demgegenüber an ihn sechs, letztmalig am 05. April
dieses Jahres. An diesem Tag habe zuerst sie vormittags und sodann erstmalig auch ihr
Ehemann (E) den K in einem Gespräch, das sich am Abend ergab, als E auf sie vor dem
Dienstgebäude wartete, nochmals nachdrücklich und unmissverständlich darauf hingewiesen,
in Zukunft nur noch im unbedingt notwendigen dienstlichen Rahmen Kontakt mit ihm zu
dulden. E erklärte, K möge sich ausnahmslos aus dem Privatleben der Eheleute heraushalten.
Dennoch sei es auch danach – auch schon am nächsten Morgen – zu weiteren aufdringlichen
Nachrichten und sogar Drohungen gekommen. So habe K – der zufällig erfahren hatte, dass
der aus Russland stammende E noch über kein dauerhaftes Bleiberecht in der Bundesrepublik
verfügte – gedroht, diesen bei der Polizei und der Ausländerbehörde anzuzeigen. Auch habe
er im Wissen um ein laufendes Bewerbungsverfahren der G bei der F-GmbH (F) in Aussicht
gestellt, seine Kontakte in die Leitungsebene der F auszunutzen, dort Negatives über sie zu
berichten und so für den Misserfolg der Bewerbung zu sorgen. Zwischen dem 27. und dem 29.
April 2014 habe K sie schließlich noch zweimal in ihrem Büro aufgesucht, wobei es jeweils um
einen von ihm geschriebenen, an den E adressierten und mitgebrachten Brief(-entwurf) ging;
in diesem berichtet er dem E von – vermeintlichen – Verfehlungen der G auf früheren
gemeinsamen Spaziergängen, die K und G in einem anfangs gewöhnlichen kollegialen Rahmen
während der Mittagspause machten. Diesen Brief wolle er bald an E abschicken.
B ordnete am 01. Mai 2014 als „Sofortmaßnahme“ ein „Kontaktverbot“ gegenüber K an.
Am 10. Mai 2014 ging dem in Frankfurt wohnhaften K die von beiden Geschäftsführern
unterschriebene außerordentliche fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung zu. B meint, das
„Stalking“ sei eine so gravierende Verletzung des Arbeitsvertrags, dass die sofortige
Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt sei. Ohnehin habe man K mit dem
Schreiben vom 19. November 2011 wegen ähnlicher Nachstellungen, die womöglich auch
strafrechtlich relevant seien, bereits abgemahnt. Selbst wenn dieses Schriftstück aber wegen
juristischer Spitzfindigkeiten keine wirksame Abmahnung darstellen würde, wäre eine
Abmahnung hier sowieso entbehrlich.
K hat mit am 02. Juni 2014 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingegangenen und der B
am 05. Juni 2014 zugestellten Schreiben Kündigungsschutzklage eingelegt. Zur Begründung
trägt er u.a. vor, dass ihm aufgrund eines schleichenden Prozesses der Entfremdung von G
eine etwaige Distanzlosigkeit seines Verhaltens nicht klar gewesen sei. Seine Absicht sei nur
ein rein freundschaftlicher Kontakt gewesen, so dass er mit seinem etwas fordernderen
Auftreten lediglich habe herausfinden wollen, warum G sich ihm gegenüber plötzlich so
unfreundlich verhielt.
Frage: Hat die Kündigungsschutzklage des K Erfolg?
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Prof. Dr. Bernd Waas
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Bearbeitervermerk: Es ist auf alle aufgeworfenen Rechtsfragen, ggf. hilfsgutachtlich,
einzugehen. Unabhängig von dem von Ihnen zur außerordentlichen Kündigung vertretenen
Ergebnis ist auch die ordentliche Kündigung zu prüfen. Das von D und G Vorgetragene ist als
(auch im Kündigungszeitpunkt) unstreitig bzw. erwiesen anzusehen. Schließlich ist zugrunde
zu legen, dass es sich bei dem wiedergegebenen Inhalt der Klagebegründung um die Wortwahl
des K handelt.
Kalender 2014
Gesetzliche Feiertage sind in Hessen (im Jahr 2014): Neujahr(-stag) (1. Januar); Karfreitag (18.
April); Ostermontag (21. April); Erster Mai/Tag der Arbeit/Maifeiertag (01. Mai); Christi
Himmelfahrt (29. Mai); Pfingstmontag (09. Juni); Fronleichnam (19. Juni); Tag der Deutschen
Einheit (03. Oktober); 1. und 2. Weihnachtsfeiertag (25. und 26. Dezember).