Angst vor dem gläsernen Hausbesitzer

Wirtschaft
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31. Mai 2015 | sonntagszeitung.ch
Neubau:
Streit um
Verwaltung der
Grundstücksdaten
Foto: P. Hürlimann
Angst vor dem gläsernen Hausbesitzer
Hauseigentümerverband befürchtet Interessenkonflikt der Banken beim digitalen Grundbuch
Jürg Meier
Zürich Das Grundbuchwesen ist
ein organisatorischer Albtraum.
300 Grundbuchämter und 1500
Notare bearbeiten jedes Jahr
100 000 Handänderungen von
Grundstücken und Liegenschaften.
Fehler sind häufig, schweizweite
Standards für die Datenerhebung
fehlen. Seit 2000 versuchen Bund
und Kantone, das System zu ver­
einfachen. Elf Kantone nutzen in­
zwischen das digitale Portal Terra­
vis, das von der Six Group entwi­
ckelt worden ist. Dieses Unterneh­
men gehört 140 Schweizer Banken
und betreibt nicht nur die Zürcher
Börse, sondern auch Systeme, wel­
che die Banken für die Abwicklung
ihrer Finanzgeschäfte benötigen.
An diesem Punkt stört sich der
Schweizerische Hauseigentümer­
verband (HEV). Die Banken sind
die wichtigsten Anbieter im Ge­
schäft mit Hypothekarkrediten –
eine bankeneigene Organisation
verwalte also Daten, an denen die
Banken grosses kommerzielles In­
teresse hätten, kritisiert HEV-Prä­
sident Hans Egloff. «Wir befürch­
ten, dass das heutige System zum
gläsernen Hausbesitzer führt.
Denn mit der Digitalisierung wird
der Zugriff auf das Grundbuch «viel
schneller und einfacher». Die Ban­
ken könnten zum Beispiel in Er­
fahrung bringen, wer der Besitzer
eines attraktiven Grundstückes sei
und bei welcher Bank er eine Hy­
pothek habe. «Plötzlich erhält der
Hausbesitzer dann Angebote oder
eine Einladung zum Gespräch.»
Kantonale Datenschützer
haben keine Bedenken
Aus diesem Grund will Egloff die
Trägerschaft der neuen Organisa­
tion an eine öffentlich-rechtliche
Organisation übergeben, die mehr­
heitlich den Kantonen gehört –
eine Forderung, welcher der SVPNationalrat kürzlich mit einer Mo­
tion Nachdruck verliehen hat. Eine
zweite Motion Egloffs fordert die
Einschränkung des Nutzerkreises.
Mit einer dritten will er dafür sor­
gen, dass Hausbesitzer bei der Ver­
waltung nachfragen können, wer
ihre Grundbuchdaten abgefragt
hat. Mit dieser Forderung rennt er
bei Bund und Kanton offene Tü­
ren ein. Politiker von FDP und
CVP haben Egloffs Vorstösse mit­
unterzeichnet. Und auch SP-Natio­
nalrätin Jacqueline Badran zeigt in
SVP-Nationalrat Hans Egloff:
Oberster Hauseigentümer
einzelnen Punkten Verständnis für
sein Anliegen: «Ein solches Projekt
müsste ausgeschrieben und danach
vom Bund als übergreifende Lö­
sung für die Kantone betrieben
werden», sagt sie.
Die bisherigen Erfahrungen mit
dem digitalen Abfragesystem
scheinen die Befürchtungen der
Gegner allerdings nicht zu bestä­
tigen. Im Kanton Bern gibt es seit
15 Jahren ein digitales Auskunfts­
portal für Grundbuchdaten. Die
Erfahrung zeige, dass breite Ab­
fragen von Daten «in der Praxis
nicht vorkommen», sagt Stefan
Häusler vom kantonalen Amt für
Betriebswirtschaft und Aufsicht.
Einzelne Missbrauchsfälle könne
man nicht ausschliessen. Die Ban­
ken könnten es sich aber nur schon
aus Reputationsgründen nicht leis­
ten, das Grundbuch für die Suche
nach neuen Kunden zu missbrau­
chen. Ohnehin eignen sich die da­
rin enthaltenen Daten laut Häus­
ler nicht dafür. Es fehlen etwa nä­
here Angaben zur Hypothek –
etwa zur Höhe, zum gewählten
Produkt oder zur Laufzeit.
Werner Möckli, Chef von Six
Terravis, räumt zwar ein, dass das
neue System den Zugang zum
Grundbuch vereinfacht: Die Be­
rechtigten – etwa Banken, Versi­
cherungen, Anwälte oder Geome­
ter – können am Computer Daten
abfragen. Früher mussten sie da­
für telefonieren, Briefe schicken
oder aufs Grundbuchamt gehen.
«Darum wird der Zugriff gewis­
senhaft überwacht und kontrol­
liert.» Wer seine Zugangsberech­
tigung missbraucht, verliert sie.
Das könnten sich die Berechtigten
nicht leisten, «weil sie sonst ih­ren Beruf nicht ausüben könnten»,
sagt Möckli.
Die kantonalen Datenschützer
haben laut Möckli keine Bedenken
gegen das Projekt. Auch beim Eid­
genössischen Datenschutzbeauf­
ragten ist das Portal kein Thema.
Es beständen zwar «immer gewis­
se datenschützerische Risiken» bei
einem solchen System, sagt Spre­
cher Francis Meier. Entscheidend
sei aber weniger, wem die Platt­
formbetreiberin gehöre. «Wichtig
ist, dass die Aufsicht funktioniert,
und dass bei Missbräuchen gehan­
delt wird.» Das Zugriffsrecht auf
die Daten sei bei Terravis «klar
geregelt.»
Inzwischen hat der Bundesrat
zwei von drei Motionen Egloffs ab­
gelehnt, was allerdings noch nicht
heisst, dass das Parlament diese
nicht trotzdem überweist. Und vor­
aussichtlich noch dieses Jahr müs­
sen die Parlamentarier eine vom
Bundesrat beantragte Änderung
des Zivilgesetzbuches verabschie­
den, die eine sattelfeste Rechts­
grundlage für den Betrieb der
Plattform durch ein privates Un­
ternehmen schaffen soll.
Bei einem Nein zur Gesetzes­
änderung «ständen wir mit dem
heutigen System zwischen Stuhl
und Bank», warnt Stefan Häusler
vom Berner Amt für Aufsicht. Den
Kantonen fehle angesichts der der­
zeitigen Finanzlage das Geld, um
ein eigenes System aufzubauen.
Die Modernisierung des Grund­
buchwesens werde so «längerfris­
tig verunmöglicht».
Credit Suisse erhöht Zinssätze bei Hypothekarkrediten
Wegen der schärferen Kapitalvorschriften braucht die Bank höhere Margen
Zürich Die Credit Suisse ist ein
­esonders wichtiger Spieler im
b
Schweizer Hypothekarmarkt.
Nicht nur wegen der grossen Zahl
ihrer Kunden, sondern weil ihre
Zinssätze bislang als sehr konkur­
renzfähig galten.
Doch nun steigen diese offen­
bar. Beim VZ Vermögenszentrum
haben sich mehrere enttäuschte
Kunden der Grossbank gemeldet.
«Die Kunden erhielten Anrufe von
ihren Beratern, in denen ihnen mit­
geteilt wurde, dass die Bank die
Margen erhöhen müsse», sagt Hy­
pothekenspezialist Adrian Wen­
ger. Die Kunden hatten eigentlich
gehofft, nach Ablauf ihrer Hypo­
thek von den derzeit tiefen Zinsen
zu profitieren. Doch die angebo­
tenen Zinssätze der Credit Suisse
fielen wegen der heraufgesetzten
Margen enttäuschend aus.
Die Erhöhung durch die Credit
Suisse sei «ziemlich deutlich aus­
gefallen», sagt Wenger. In einem
Fall sei einem Kunden gar nahe­
gelegt worden, sich einen anderen
Hypothekaranbieter zu suchen,
wenn er die neue, höhere Marge
nicht akzeptiere. Als Grund gaben
die CS-Berater offenbar die schär­
feren Vorschriften zur Eigenkapi­
talunterlegung der Banken an. Ob
diese Erklärung zutrifft, ist offen.
Möglich ist auch, dass die Bankbe­
rater versuchen, den Kunden auf
diese Weise eine Margenerhöhung
plausibel zu machen, die aus rei­
nen Renditeüberlegungen erfolgt.
Stefan Heitmann vom unab­
hängigen Hypothekenvermittler
Moneypark bestätigt, dass die Cre­
dit Suisse ihre Zinssätze selektiver
festlege und längst nicht mehr
überall konkurrenzfähig sei. Aller­
dings gebe es weiterhin starke re­
gionale Unterschiede und auch
Einzelfälle, in denen die Sätze der
CS sehr kompetitiv blieben.
Weniger schnell gewachsen als
der gesamte Hypothekarmarkt
Die Credit Suisse äussert sich nicht
zur Entwicklung der Margen. Je­
der Vergabe von Hypothekarkre­
diten gehe ein individuelles Bera­
tungsgespräch voraus, sagt Spre­
cher Tobias Plangg. Entsprechend
beruhe die Festlegung der Zins­
konditionen «auf einer Vielzahl
von Faktoren». Plangg erklärt zu­
dem, die Credit Suisse verfolge seit
jeher eine konservative Vergabe­
politik. Die Bank sei bei den Hy­
pothekarkrediten auch im vergan­
genen Jahr weniger schnell ge­
wachsen als der Gesamtmarkt.
Auch die Grossbank UBS hat
ihre Margen kürzlich ausgeweitet,
wie sie letzte Woche gegenüber der
SonntagsZeitung bestätigte. Betrof­
fen sind die kurzfristigen LiborHypotheken. Die Erklärung bei der
UBS war die gleiche wie bei der
Credit Suisse: «Aufgrund der sich
verändernden Eigenmittelvor­
schriften im Hypothekargeschäft
erhöhen sich auch für die UBS die
Eigenmittelkosten», liess ein Spre­
cher verlauten. Dies könne im Ein­
zelfall dazu führen, dass Preis­
anpassungen bei bestehenden
­Libor-Hypotheken nötig seien.
Die UBS gilt im Gegensatz zur
CS bereits heute im Markt als teu­
re Anbieterin. Ihre Richtsätze für
Hypothekarzinsen sind so hoch,
dass sie diese nicht einmal mehr im
Internet veröffentlicht. Jürg Meier