Grußwort

Talentum
Tagung für Berufsorientierung
04. November 2015
Thema: MINT. Mangel. Mythos?
Wiebke Rehr, Bereichsleiterin des gemeinsamen ARBEITGEBER-Services von
Jobcenter team.arbeit.hamburg und der Arbeitsagentur Hamburg
Grußwort
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Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Bruhn,
sehr geehrte Damen und Herren,
für die Einladung zu der heutigen TALENTUM danke ich Ihnen und freue mich, Sie
hier ebenfalls zu begrüßen!
Wie Sie unschwer feststellen können, bin ich nicht Sönke Fock, der Vorsitzende
der Geschäftsführung der Arbeitsagentur Hamburg. Er muss gerade zeitgleich im
Flugzeug sitzen und vertraut Leib und Leben maßgeblich MINT-Fachkräften an,
die das Flugzeug konstruiert, gebaut, gewartet haben…….
Er lässt Sie herzlich grüßen!
Nun darf ich hier stehen und zu Ihnen sprechen, aber was sagt man als Juristin
bei einem Grußwort zu einer MINT-Veranstaltung, steht mir das überhaupt zu,
wo es doch heißt: „Judex non calculat“, wir Juristen sollen es angeblich nicht so
mit Zahlen und Technik haben…….
Ich
kann
Ihnen
aber
stolz
berichten,
dass
ich
erfolgreich
den
Mathe-
Leistungskurs als eine von zwei Mädchen in meinem Oberstufenkurs beenden
konnte.
Damit habe ich dann doch eine kleine Legitimation für dieses Grußwort.
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Wir von der Arbeitsagentur neigen dazu, sehr viel Zahlen, Daten und Fakten zu
präsentieren. Damit möchte ich Sie aber heute nicht – zu sehr – quälen. Ich habe
Ihnen Botschaften zu der Frage mitgebracht, wie sich der Fachkräftebedarf im
MINT-Bereich entwickeln könnte:
Kurzum, ist der Fachkräftebedarf: Realität oder Gespenst?
Die
Bundesvereinigung
der
Deutschen
Arbeitgeberverbände
gibt
in
ihrer
Pressemitteilung vom 15. Oktober 2015 bekannt: „MINT-Lücke mit 164.000 auf
Drei-Jahres-Höchststand: Ohne Zuwanderung wäre Lücke deutlich höher“.
Ist der Fachkräftebedarf also doch kein Gespenst sondern bittere Realität? Wir
sehen uns die Entwicklungen etwas genauer an:
1. Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (SvB),
der Arbeitslosigkeit und der gemeldeten Arbeitsstellen – eine
Bestandsaufnahme
(Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Statistik-Service Nordost, Okt. 2015)
Die Entwicklung der SvB insgesamt ist in Deutschland von 2012 bis 2014
von rund 29,5 Mio. auf rund 30,4 Mio. um 2,95 % angestiegen, in
Hamburg beträgt die Steigerung dazu im Vergleich von rund 874.000 auf
rund
904.000
3,49
%.
Diese
liegt
also
etwas
günstiger
als
im
Bundesdurchschnitt. Der Anteil der MINT-Berufe an allen Berufen ist
sowohl im Bund mit 24,7 % als auch in Hamburg mit 22,1 % seit 2012
konstant geblieben, liegt zwar in Hamburg im Anteil etwas niedriger als im
Bund, profitiert aber von der positiven Beschäftigungsentwicklung in
Hamburg. Die größte Gruppe der MINT-SvB ist die Gruppe der Fachkräfte
(i.d.R. Ausbildungsberufe), gefolgt von den Experten (i.d.R. Akademiker)
und den Spezialisten (i.d.R. Techniker/Meister).
Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in den letzten 5 Jahren ergibt ein
positives Bild in den MINT-Berufen: die Arbeitslosigkeit in MINT-Berufen
verringerte sich mit -14 % überproportional im Vergleich zum Abbau der
Arbeitslosigkeit insgesamt mit -5,5 %.
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Knapp ein Drittel der gemeldeten Arbeitsstellen bei der Agentur für Arbeit
Hamburg stammen aus dem MINT-Bereich, obwohl nur 22,1 % in
Hamburg
in
diesem
Bereich
beschäftigt
sind.
Die
Besetzung
von
gemeldeten Stellen im MINT-Bereich bei der Arbeitsagentur Hamburg
dauert
im Durchschnitt
drei Wochen länger im Vergleich zu der
Besetzung in allen anderen Berufen.
Bringt man diese Entwicklung der Daten der SvB, der Arbeitslosenzahlen
und der gemeldeten Arbeitsstellen bei der Agentur für Arbeit in den
Zusammenhang, deutet alles darauf hin, dass der Fachkräftebedarf kein
Mythos aktuell ist.
2. Der Blick in die Zukunft
Wird diese Entwicklung sich auch in der Zukunft fortsetzen?
Dazu sind folgende Aspekte zu berücksichtigen: die demographische
Entwicklung, die wirtschaftliche Entwicklung, der technologische Fortschritt
im
Rahmen
von
„Industrie
4.0“
und
den
damit
verbundenen
Anforderungen an künftige Arbeitsplätze und Arbeitskräfte, Umsetzung
von kreativen Lösungen.
Die demographische Entwicklung:
Aktuell macht
sich
besonders die Neuregelung der Rente mit
insbesondere im Bereich der MINT-Fachkräfte
Regelung für die „typische“
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bemerkbar, da die
MINT-Facharbeiter-Gruppe einschlägig ist.
Hierbei handelt es sich nur um Vorzieheffekte.
Schaut man sich die Gruppe der 55-Jährigen und Älteren an, so ist diese
deutschlandweit mit einem Anteil von 16,6 % vertreten, in Hamburg liegen
wir hier noch etwas günstiger mit 15,3 % (Quelle: Statistik der
Bundesagentur für Arbeit). Gehen wir davon aus, dass diese Gruppe in den
nächsten Jahren mittelfristig ersetzt werden muss, hat Hamburg durch
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seinen attraktiven Standort als Stadt mit Wohn- und Lebensqualität und
einem breit aufgestellten Arbeitsmarkt
auch für Familienangehörige
sicherlich einen Standortvorteil, den es bei der Konkurrenz um Fachkräfte
zu nutzen gilt.
Insgesamt sind die Ausbildungs- und Studienzahlen im MINT-Bereich
gestiegen. Die Steigerung des Frauenanteils ist ein Grund dafür. Allerdings
wählen Frauen häufiger naturwissenschaftliche Berufe als Männer. Der
Anteil von Frauen im Informatik- und Technikbereich ist im Vergleich zu
dem Anteil der Männer unterrepräsentiert. Hier wird es aus der Gruppe der
Frauen keine Kompensation der demographischen Abgänge nach den
derzeitigen Einschätzungen geben.
Neue Hoffnung durch die hohe Zuwanderung von Flüchtlingen?
Aus dieser Personengruppe könnten sich langfristig neue Potenziale für
MINT-Fachkräfte ergeben. Nach den derzeitigen Erkenntnissen wird es
noch
eine
Zeit
dauern,
um
die
sprachliche
Kompetenz
und
das
Qualifikationsniveau zumindest in hoher Zahl auf das erforderliche Niveau
zu bringen. Mit dieser Personengruppe wird es voraussichtlich keine
umfassende Kompensation der demographischen Effekte geben können.
Aber müssen wir zukünftig überhaupt mit einer 1:1-Nachbesetzung oder
sogar darüber hinaus rechnen?
Dies hängt zum einen von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung in den
nächsten Jahren ab. Hierzu gibt es sicherlich die ein oder andere
wissenschaftliche Wirtschaftsprognose: wie entwickelt sich China? Was ist
mit den weltweiten Krisen und den daraus resultierenden wirtschaftlichen
Folgen….. ? Fragen, die wir hier und heute nicht beantworten können.
Zum anderen ist da die Frage, welche Auswirkung der technologische
Wandel auf die Nachfrage von Fachkräften hat.
Heute wissen wir bereits, dass es mit dem Wandel zu Industrie 4.0 und
der damit einhergehenden digitalisierenden Entwicklung in nahezu allen
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Bereichen einen Bedarf an weiteren gut ausgebildeten Fachkräften und
Studienabsolventen für den MINT-Bereich geben wird, so ist es auch in der
Darstellung
in
„Die
Zeit“
vom
15.10.2015
„Maschinen
stehlen
Arbeitsplätze? Stimmt nicht, sagt eine neue Studie“, die auf den MINTHerbstreport 2015 des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln Bezug
nimmt.
Meine Botschaft für den heutigen Tag:
Wir werden auch künftig eine hohe Nachfrage an sehr gut ausgebildeten
Fachkräften und Akademikern im MINT-Bereich haben. Alle Beteiligten
sollten an einem Strang ziehen, um die Nachfrage mit kreativen Lösungen
zu decken.
Wir
haben
bereits
einen
guten
Weg
bei
der
Steigerung
von
Ausbildungsplätzen und Studierenden, bei der Einbeziehung von Gruppen
wie Frauen und Zuwanderern zurückgelegt, sollen hier weiter konsequent
am Ball bleiben und die Attraktivität der Tätigkeiten im MINT-Bereich auch
bei nicht-monetären Themen weiter erhöhen!
Warum bin ich dann trotzdem Juristin und nicht Ingenieurin oder
Informatikerin geworden – eine kleine persönliche Geschichte zum
Abschluss….
In diesem Sinne bin ich gespannt auf den weiteren Verlauf der Tagung! Ich
bedanke mich recht herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche einen
guten Verlauf der Veranstaltung!
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